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Der Sommer unseres Lebens

Teil 4

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Informationen

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Warum nur kann das Leben glückliche Menschen offensichtlich nicht in Ruhe lassen? Reichen denn die kleinen Stolpersteine des täglichen Lebens nicht aus, um eine Beziehung auf die Probe zu stellen? Muss es denn immer noch größer und dramatischer sein? Wir werden es sehen. Viel Spaß mit Teil 4!

Kapitel 14 – Die Lage spitzt sich zu

Ich werde mitten in der Nacht von einem unglaublichen Tumult geweckt. Verschiedene Leute reden wild durcheinander, laufen hektisch hin und her, eine Tür schlägt zu. Noch während ich verschlafen die Treppe herunter tapse, höre ich von unten her Jans Stimme und bin sofort hellwach. Was macht der denn hier?

Das Bild, das ich dann in unserem Flur sehe, nehme ich zwar zur Kenntnis, verstehe es allerdings nicht im Geringsten. Meine Mam steht im Pyjama dort und hält Jan im Arm, der völlig aufgelöst ist und ständig solche Dinge sagt wie "Ich muss zurück", "Wir müssen sie da raus holen." oder "Wir müssen doch irgendwas tun."

Mein Pap steht daneben und spricht schnell und eindringlich in sein Telefon. Das Ganze wirkt ausgesprochen surreal und ich kann diese Situation überhaupt nicht einordnen. Was zum Henker geht hier eigentlich vor?

Dann bemerkt mein Pap, dass ich reglos auf der Treppe stehe und herunter starre. Er sieht mich direkt an und sagt nur kurz "Dennis, zieh Dich an, wir müssen los!" Sein Tonfall lässt mich aus der Starre erwachen und ohne Rückfragen reagieren. Ich stürze in mein Zimmer zurück und springe in eine Jeans und ein T-Shirt. In meine Schuhe steige ich sogar barfuß, weil ich für Socken keine Zeit habe.

Keine fünf Minuten später sitzen wir alle im Auto und mein Pap düst mit uns durch die Stadt. Jan ist jetzt zwar deutlich ruhiger als eben noch, aber trotzdem nicht wirklich ansprechbar. Er starrt aus dem Fenster, als könne er die Fahrt dadurch beschleunigen und in einem fort kullern Tränen seine Wangen hinunter, von denen eine beginnt, in rot und blau zu blühen. Er schnieft, ohne richtig wahrzunehmen, dass er weint. Ich halte seine Hand ganz fest und meine Mam klärt mich derweil auf, was passiert ist. Zumindest erklärt sie mir den Teil, den sie bisher selbst verstanden hat.

In dieser Nacht ist es bei Jan zu Hause zum großen Ausbruch gekommen. Dass sein Vater sich darüber freuen würde, dass er einen Job für die Ferien gefunden hat oder dadurch zumindest aufhören würde, ständig an ihm herum zu nörgeln, hatte sich als Irrtum heraus gestellt. Jans Weigerung, das Geld, das er verdienen wird, komplett zu Hause abzuliefern, hatte ihn dann total aus der Fassung gebracht und er hatte angefangen herum zu brüllen und ihn zu schütteln.

Als sich daraufhin seine Mutter in den Streit eingemischt hat und Jan beschützen wollte, hat er ihr einen Schlag verpasst, so dass sie rückwärts gegen die Wand geflogen ist. Jan hat daraufhin rot gesehen, sich auf seinen Vater gestürzt, um ihn von ihr abzubringen und hat dann ebenfalls reichlich Prügel bezogen. Zum Glück hat er ihn nicht ernsthaft verletzt, aber ein paar Treffer hat er abbekommen.

Seine Mutter hat ihn dann weg geschickt, damit er sich in Sicherheit bringt und Hilfe holt. Weil er nicht wusste, was er machen und wohin er gehen sollte, ist er zu uns gekommen. Zu Fuß durch die ganze Stadt!!!

Mein Pap hat dann sofort die Polizei angerufen und zu Jan nach Hause geschickt. Kurz danach haben sie zurück gerufen und gesagt, dass seine Mutter ins Krankenhaus und sein Vater zur Wache gebracht wurde. Und jetzt sind wir auf dem Weg zum Krankenhaus um zu sehen, wie es ihr geht. Jan starrt vor sich hin und es laufen immer noch Tränen über sein Gesicht. Ich halte weiter seine Hand und streichle vorsichtig seinen Rücken aber ich bin nicht sicher, ob er das überhaupt bemerkt. Ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. War ich nicht noch vor ein paar Stunden zufrieden mit mir und der ganzen Welt? Warum kann so etwas nicht mal eine Weile anhalten? Scheiße, echt! Das Leben stinkt! Aber gewaltig.

Am Krankenhaus angekommen, übernimmt wieder mein Pap die Führung. Er redet zuerst mit dem Nachtportier, der schläfrig seinen Nachtdienst schiebt, und findet heraus, dass Jans Mutter gerade noch untersucht wird. Während wir warten, zwingt meine Mam Jan einen Kaffee auf und tröstet ihn mit Worten, nach denen ich immer noch verzweifelt ringe. Ich bin derzeit nur in der Lage, neben ihm zu sitzen und weiter seine kalte Hand fest zu halten.

Nach einer unendlich erscheinenden halben Stunde taucht schließlich ein müder Arzt auf und fragt nach Jan. Er erklärt ihm dass seine Mutter großes Glück gehabt hat und mit einer Rippenprellung, einigen weiteren Prellungen an den Armen und im Gesicht und einer leichten Gehirnerschütterung davon gekommen ist. Man wolle sie allerdings noch für ein paar Tage dort behalten, um sie noch einmal gründlich zu untersuchen und zu beobachten. Ich bin nicht sicher, wie viel davon bei Jan ankommt. Er sieht gewissermaßen durch den Arzt hindurch. Als dieser allerdings fragt, ob es ihm gut geht, oder ob er selbst auch untersucht werden muss, wehrt Jan ab. Auch ein Beruhigungsmittel lehnt er ab.

Dann dürfen wir endlich zu ihr. Das heißt, eigentlich darf nur Jan zu ihr. Der Doc scheint allerdings mitten in der Nacht nicht diskutieren zu wollen, oder er sieht, dass mein Freund momentan alleine nicht unbedingt zurecht kommt, denn Jan klammert sich regelrecht an mich. Wie auch immer, jedenfalls darf ich mit hinein.

Seine Mutter liegt in einem Krankenhausbett und ist fast so blass, wie das Kissen. Zumindest die Stellen ihres Gesichts, die nicht von Blutergüssen leuchten. Unsere erste Begegnung hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt aber trotzdem bin ich irgendwie froh, jetzt auch seine 'zweite Mutter' kennen zu lernen. Er geht ganz langsam zu ihr und ich warte an der Tür. Sie öffnet die Augen, zumindest eines, denn das andere ist völlig zu geschwollen und blutunterlaufen.

"Ein Glück, Dir geht es gut." sagt sie leise. Jan nimmt ihre Hand und fängt an zu schluchzen.

"Wein doch nicht, Schatz. Jetzt ist doch alles gut." sagt sie und streicht ihm mit der anderen Hand, in der eine Kanüle mit einem Schlauch daran steckt, über die Wange.

"Ich hätte Dich nicht alleine lassen dürfen." schluchzt Jan voller Verzweiflung und sie antwortet "Du hast alles richtig gemacht. Ich bin stolz auf dich. Komm her, Schatz."

Ich fühle mich ein bisschen wie ein Eindringling, während ich die beiden beobachte. Aber ich kann auch nicht wegsehen. Immerhin weiß ich jetzt, dass Jan zu Hause doch jemanden hat, der ihn gern hat und dass auch in seiner Familie nicht alles nur übel ist.

Er legt sich mit dem Oberkörper halb über sie und sie umarmt ihn und streicht ihm übers Haar. Seine Atemzüge werden nach und nach ruhiger und die Schluchzer weniger. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hat, sagt sie leise "Und jetzt stell mir erst einmal Deinen Freund vor. Sieh doch mal. Der traut sich alleine nicht mal richtig hier rein."

Ich trete zaghaft ein paar Schritte näher. Immer noch mit Jan im Arm sieht sie mich an und hält mir die unversehrte Hand entgegen, die ich kurz ergreife und drücke.

"Ich bin Martina." sagt sie. "Ich bin Jans..."

"Mutter." ergänze ich, weil ich bemerke, dass sie selbst zögert, sich so zu bezeichnen. Sein Vater hat anscheinend ganze Arbeit geleistet.

Sie lächelt. "Ja."

"Freut mich. Ich bin Dennis." sage ich und lächle ebenfalls.

"Danke, Dennis." sagt sie leise. "Danke für alles. Du und Deine Eltern, Ihr habt uns sehr geholfen." Sie sieht von mir zu Jan, der sich wieder aufgerichtet hat, und zurück und lächelt, so weit ihr das möglich ist. "Der Polizist hat mir schon gesagt, dass Ihr sie angerufen habt."

"Dafür sind Freunde doch da." sage ich leicht errötend und sehe Jan an. "Ich warte draußen auf Dich. Aber Du kannst natürlich bleiben so lange Du willst." Dann verlasse ich leise das Zimmer und lasse sie alleine.

Draußen gebe ich meinen Eltern einen Lagebericht und auch sie sind sichtlich erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Mein Pap hat in der Zwischenzeit mit der Polizei gesprochen und erfahren, dass Jans Vater zwar erst einmal festgesetzt wurde, aber bereits nach 48 Stunden wieder frei gelassen wird, falls seine Mutter keinen Anzeige gegen ihn erstattet. Als ich dann auch noch erwähnte, dass sie für die nächsten Tage hier bleiben muss, beschließen sie, dass Jan erst einmal bei uns bleibt. Sie bieten es nicht an, sie fragen nicht, sie beschließen es einfach, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Mir liegt natürlich nichts ferner, als dagegen zu protestieren.

Mein Pap geht dann noch einmal zur Anmeldung, wo noch einige Formalitäten zu klären sind. Er hinterlässt dort unsere Adresse, die für die nächsten Tage auch Jans ist, damit er für das Krankenhaus erreichbar ist.

Ich setze mich mit meiner Mam wieder auf die Wartebänke.

Sie sagt "Morgen rufe ich Simon an und frage ihn, ob Jan in seinem Zimmer wohnen kann. Dann braucht er sich schon mal keine Sorgen darum zu machen, wo er bleibt. Und seine Mutter auch nicht. Nach Hause kann er jetzt ja erst mal nicht."

Mist, daran hatte ich ja gar nicht gedacht. Irgendwie hatte ich sofort die Vorstellung im Kopf gehabt, dass er in meinem Zimmer, bestenfalls sogar in meinem Bett schlafen würde. Aber für meine Eltern sind wir ja nur gute Freunde.

Ich kann doch jetzt nicht widersprechen. Am Ende merken sie noch etwas...

Trotzdem, dass wir die nächsten Nächte getrennt sein sollen, vor allem in dieser, gefällt mir gar nicht. Er braucht mich jetzt. Heute Nacht sollte er nicht alleine sein. Ich raffe all meinen Mut zusammen.

"Vielleicht sollte Jan lieber erst mal bei mir im Zimmer schlafen." sage ich und hoffe, nicht so rot anzulaufen, wie es sich anfühlt. Tapfer meine Gesichtsfarbe ignorierend rede ich weiter. "Ich könnte mir vorstellen, dass er jemanden zum Reden braucht und dass er gerade jetzt nicht alleine sein will."

Das leuchtet meiner Mutter spontan ein. Uff, Glück gehabt. Manchmal glaube ich, dass ich derzeit all mein Glück verbrauche, so dass ich für den Rest meines Lebens ohne auskommen muss. Ich hoffe nur, dass die Sache mit dem Glück anders läuft und es vielleicht doch nachwächst.

"Ja, Du hast natürlich Recht." sagt sie. "Es wäre wirklich nicht gut, wenn er jetzt alleine in einem fremden Zimmer sein muss. Weißt Du was? Ihr könnt nachher die Matratze aus Simons Bett und sein Bettzeug zu Dir rüber schleppen, dann hat er es wenigstens ansatzweise bequem."

Ich habe das Gefühl, den ganzen Raum mit meinem Gesicht zu heizen und zu beleuchten und nicke nur. Dann spüre ich, wie die Hitze langsam abklingt. Ich atme - hoffentlich unbemerkt - auf.

Plötzlich sieht sie mich an und fragt sehr ernsthaft. "Du, Dennis?"

"Ja?" sage ich und fühle mich ertappt. Wahrscheinlich flammt mein Gesicht gerade wieder auf. Oh nein, wenn sie jetzt fragt, ob zwischen uns etwas läuft, dann bin ich geliefert. Dann ist alles aus! Ich erstarre in Panik.

"Das war ganz toll, wie Du eben für Jan da gewesen bist. Er kann sich wirklich glücklich schätzen, einen Freund wie Dich zu haben. Ich bin richtig stolz auf Dich." sagt sie und nimmt mich in die Arme. Ich fühle mich grausig, weil ich Ihr einfach nicht die Wahrheit sagen kann, obwohl es gerade die perfekte Gelegenheit wäre. Aber für diese Nacht ist es im Moment echt genug, das schaffe ich nicht.

"Ihr wart aber auch super." sage ich stattdessen und drücke sie ganz fest zurück.

Zum Glück kommt jetzt mein Pap von der Anmeldung zurück und beendet mein Leiden, indem er uns praktische Probleme zur Lösung vorlegt. Er hat nämlich einen Aufnahmebogen bekommen, der noch auszufüllen ist. Wir kämpfen uns durch die Fragen und beantworten die wenigen, die wir beantworten können. Den Rest werden wir nachher mit Jan zusammen klären müssen.

Ich nutze die Gelegenheit, dass der noch nicht zurück ist, um mich auch bei meinem Pap noch einmal dafür zu bedanken, dass sie Jan ohne großes Gedöns mitten in der Nacht einfach so geholfen haben.

Als mein Liebling irgendwann endlich durch die Tür zurück in den Wartebereich kommt, wirkt er viel gefasster als vorher. Seine Augen sind immer noch rot aber er scheint seine Umwelt jetzt wieder wahrzunehmen. Als erstes bedankt er sich bei meinen Eltern und meine Mam umarmt ihn noch einmal ganz herzlich, als wäre er auch einer von 'ihren Jungs', wie sie Simon und mich in sentimentalen Momenten manchmal nennt.

Dann füllt Jan mit meinem Pap zusammen die Formulare aus. Alleine wäre er bestimmt nicht in der Lage gewesen, das zu tun. Denn auch, wenn es ihm jetzt wieder etwas besser geht, ist er durch den ganzen Trubel und die Aufregung total geschafft und verwirrt.

Auf dem Weg zurück zum Auto erzählen wir ihm, was wir beschlossen haben und er ist viel zu fertig, um zu widersprechen. Außerdem, welche Optionen hätte er denn? Alleine nach Hause? Das hält sogar er für eine schlechte Idee. Also fahren wir nur kurz bei ihm zu Hause vorbei, damit er ein paar Sachen einpacken kann und dann zu uns.

Zwar schleppen wir tatsächlich Simons Bettzeug in mein Zimmer, aber nachdem die Tür geschlossen ist, kriechen wir beide unter meine Bettdecke. Jan fühlt sich ganz kalt an, obwohl es eine warme Nacht ist. Ich umschlinge ihn mit Armen und Beinen, um ihn zu wärmen. Er sagt nichts mehr und schläft zum Glück schnell ein. Ich hingegen liege noch eine Weile wach und frage mich, wie ich ihm aus dieser Scheiße heraus helfen kann. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass mich die ganze Sache ein bisschen überfordert. Aber egal wie, ich werde für ihn da sein! Das muss ich einfach.

Kapitel 15 – Alles wird gut.

Ich wache auf und mein Arm fühlt sich an wie tot, weil Jan immer noch darauf liegt. Ich ziehe ihn vorsichtig unter seinem Kopf weg, um ihn nicht aufzuwecken, gehe leise ins Bad und danach in die Küche, um Kaffee zu machen. Dort finde ich einen Zettel von meinem Pap, dass ich ihn anrufen soll, wenn ich wach bin. Ich tippe seine Büronummer ins Telefon und er meldet sich beinahe sofort.

Er fragt als erstes, wie es Jan geht und ich sage ihm, dass er noch schläft. Die Tatsache, dass er es in meinem Bett tut, verschweige ich dabei allerdings lieber. Mein Pap sagt, dass er letzte Nacht mit Mam zusammen noch lange überlegt hat, wie es jetzt weiter gehen soll und dass sie sich einig sind, dass Jan so lange bei uns bleiben kann, wie er will. Er sagt auch, dass es das Beste wäre, wenn seine Mutter Anzeige erstattet und ebenfalls aus der Wohnung auszieht, solange sein Vater noch in Untersuchungshaft sitzt. Notfalls würden wir sie auch bei uns aufnehmen, bis sie eine neue Bleibe gefunden hat.

Er bietet außerdem an, mit Herrn Hofbauer zu reden und Jans Arbeitsbeginn um eine Woche zu verschieben, dafür werde sicherlich jeder in der Firma Verständnis haben. Ich bin völlig geplättet darüber, wie meine Eltern damit umgehen. Es scheint ja wirklich, als hätten sie Jan bereits ins Herz geschlossen, dabei ist er für sie doch nur so etwas wie mein Kumpel.

Ich sage Pap, dass ich lieber erst mal mit Jan darüber reden will, wann er mit der Arbeit anfängt, und ihm dann Bescheid geben werde. Als ich oben ein leises Rumoren höre, verabschiede ich mich schnell von meinem Pap, um nach meinem Schatz zu sehen. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet und bin ein bisschen besorgt.

Jan ist gerade dabei, sich langsam anzuziehen, als ich in mein Zimmer komme. Er steigt gerade in seine Jeans und bewegt sich dabei so vorsichtig, als würde ihm alles weh tun und wahrscheinlich ist es auch so. Einerseits von den Misshandlungen durch seinen Vater, andererseits durch die Anspannung, die ihn letzte Nacht stundenlang gepackt hatte. Seine Oberarme und seine Brust sind voll mit rötlich-bläulichen Prellungen und seine Wange ist ebenfalls blau. Er sieht schlimm aus. Ich warte noch, bis er sich auch sein T-Shirt angezogen hat.

"Hey." sage ich dann leise von der Tür aus. Er dreht sich zu mir um und in seinen wunderschönen Augen schimmern schon wieder Tränen. Ich gehe hin und nehme ihn in den Arm.

"Ach Denny. So eine Scheiße." sagt er leise und ich merke, wie er mühsam die Tränen niederkämpft.

"Ist schon Okay." sage ich zärtlich und streichel sanft seinen Rücken. "Wir kriegen das irgendwie hin."

Ich drücke ihn fest an mich und schließlich gibt er den Kampf auf und weint in meinen Armen. Es ist fürchterlich, es zerreißt mir fast das Herz, aber es ist immer noch besser als sein apathisches Starren von gestern.

Bevor wir zum Krankenhaus fahren, zwinge ich ihn mit liebevoller Gewalt, zu frühstücken. Wenigstens ein bisschen. Er ist fürchterlich besorgt, kann sich kaum noch an den Zustand seiner Mutter erinnern, weil er selbst gestern auch so extrem von der Rolle war. Er rechnet schon wieder mit dem Schlimmsten. Ich wiederhole immer wieder, was der Arzt gestern gesagt hat und was ich gesehen habe, als ich mit ihm in ihrem Zimmer war. Ich sage ihm, dass er sich keine Sorgen machen soll. Aber das einzige was wirklich hilft ist, dass wir so schnell wie möglich aufbrechen und zu ihr fahren, damit er sich selbst davon überzeugen kann.

Ich biete ihm an, unten in der Cafeteria auf ihn zu warten während er bei ihr ist, aber er möchte, dass ich mitkomme. Wir fragen nach der Zimmernummer - inzwischen wurde sie nämlich in ein ganz normales Zimmer verlegt - und machen uns dann auf den Weg nach oben. Wir nehmen die Treppe anstelle des Aufzugs und gehen schweigend nebeneinander her. In der ersten Etage bleibt er plötzlich auf dem Absatz stehen. Er dreht sich zu mir um und sieht mich ernsthaft an.

"Denny, ich... ich möchte es ihr gern sagen. Dass ich... dass wir... dass wir zusammen sind. Weißt Du, ich habe schon eine Mutter, der ich es nicht mehr sagen kann und..."

Er bricht ab und schon wieder laufen Tränen über seine Wangen. Ich sehe ihn an und nicke einfach. Wenn ich jetzt auch nur ein einziges Wort sage, fange ich auch an zu heulen.

Er nimmt meine Hand. "Danke. Ich weiß nicht, was ich ohne Dich machen würde."

"Geht mir doch genauso." flüstere ich heiser.

Seine Mutter sieht heute schon etwas besser aus. Naja, was man so als 'besser' bezeichnen kann. Sie sieht wacher aus, aufnahmefähiger und nicht mehr so kalkweiß im Gesicht. Allerdings blüht ihr zu geschwollenes Auge jetzt bereits in allen Farben des Regenbogens. Zum Glück ist sie momentan noch alleine in dem Dreibettzimmer, so dass wir keine neugierigen Beobachter um uns herum haben.

Jan umarmt sie und ich sehe, wie die Anspannung von ihm abfällt, als sie ihm glaubhaft versichert, dass ihre Verletzungen wirklich nicht so schlimm sind, wie von ihm angenommen. Sie reden leise miteinander, während ich mich im Hintergrund halte, wie schon gestern Nacht.

"Willst Du Deinen Freund eigentlich schon wieder die ganze Zeit dort an der Tür herumstehen lassen?" fragt sie schließlich. "Ich sehe zwar momentan nur auf einem Auge, aber ich sehe ihn trotzdem ganz deutlich." Sie lächelt mich an und ich rücke langsam zum Bett vor.

"Guten Tag, Frau Kemper. Freut mich, dass es Ihnen etwas besser geht." sage ich schüchtern, während ich ihre Hand drücke.

Sie korrigiert mich sofort "Martina, bitte."

"Martina." sage ich und komme mir komisch vor, die Mutter meines Freundes zu duzen.

Dann greift Jan plötzlich sehr entschlossen eine von meinen Händen, die ich auf die Kante des Bettes gelegt habe und sagt "Du Mama, ich... wir... wir wollten Dir gerne etwas sagen. Ähm, wir...wir sind..."

Er starrt auf die Bettdecke, verstummt und läuft ziemlich rot an. Beängstigend rot. Frau Kemper - Entschuldigung, Martina natürlich, daran muss ich mich wirklich erst gewöhnen - lächelt und sagt leise "Was denn, mein Schatz?"

"Dennis ist mein Freund. Also ich meine, wir... wir sind zusammen." flüstert er und verfärbt sich noch mehr, auch wenn ich das nicht für machbar gehalten hätte.

"Ja." sagt sie leise. "Das sehe ich."

Jan sieht von der Bettdecke hoch zu ihr. "Verstehst Du, was ich meine?"

"Ja. Ich habe schon verstanden, dass Ihr beiden weit mehr als nur gute Freunde seid, Jan. Das ist es doch, was Du mir sagen willst, oder nicht?" Jan hebt den Kopf und sieht sie ungläubig an. "Ja, aber wieso?... woher?..."

"Ich kenne Dich schon ziemlich lange, vergiss das nicht. Und ich hatte in den letzten Wochen das ganz deutliche Gefühl, dass Du bis über beide Ohren verliebt bist, mein Schatz. Und da Du kein Mädchen erwähnt hast und stattdessen heute wieder diesen hübschen Burschen bei dir hast..."

Ihr Lächeln wird breiter und trotz der Verletzungen sieht sie glücklich aus. Ich hingegen habe dank ihres unerwarteten Kompliments wieder einmal starke Ähnlichkeit mit einer Tomate. Aber Jans Rekord im Rotwerden breche ich bestimmt nicht so leicht.

"Und das macht Dir nichts aus?" fragt er vorsichtig.

"Dass Du glücklich bist? Natürlich nicht. Im Gegenteil, ich freue mich darüber."

Dann verschwindet ihr Lächeln "Aber Jan. Dein Vater... Ich denke, er wird es nicht so besonders gut aufnehmen. Seine Ansichten zu diesem Thema sind ein bisschen... ach, ich weiß auch nicht."

Sie seufzt. "Und ich denke, wir werden ziemlich schnell ein paar grundlegende Entscheidungen fällen müssen, Jan. Auch wenn das unangenehm wird."

"Soll ich lieber draußen warten?" frage ich Jan leise. Er schüttelt den Kopf und hält weiter meine Hand fest.

"Mama, ich kann erst mal bei Dennis zu Hause bleiben, haben seine Eltern gesagt. Zumindest so lange wie Du hier bist."

"Das ist gut." sagt sie und atmet sichtlich auf. "Aber wir müssen überlegen, was wir danach machen."

"Sie... ähm, ich meine Du solltest Anzeige erstatten, meint mein Vater." sage ich und erschrecke mich über meine eigene Vorwitzigkeit. "Entschuldigung." murmle ich gleich hinterher, weil mir klar wird, dass mir ein solcher Kommentar nicht zusteht.

"Wofür denn, Dein Vater hat ja Recht." sagt sie und seufzt erneut. "Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt so lange... ach, ist ja jetzt auch egal. Jetzt muss jedenfalls etwas passieren. Jan, ich weiß, dass er Dein Vater ist, aber ich möchte trotzdem nicht, dass Du zu ihm zurückgehst. Und ich will auch nicht wieder dorthin. Jetzt ist Schluss! Ein für alle Mal! Ich bin zwar nicht Deine..." Sie zögert und mir wird klar, dass ich die beiden jetzt doch besser alleine lassen sollte.

"Weißt Du was? Ich warte doch lieber in der Cafeteria auf Dich, okay? Lass Dir Zeit." sage ich zu Jan und küsse ihn rasch auf die Wange. Dann drücke ich Martina noch einmal die Hand. "Bis bald. Und gute Besserung."

Nach der zweiten Tasse Kaffee beginnt Jan zu erzählen, was er mit seiner Mutter besprochen hat, nachdem ich gegangen bin. Sie wird Anzeige gegen seinen Vater erstatten, so schnell wie möglich aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und sich eine eigene Bleibe suchen. Sie hat ihm angeboten, dass er zu ihr ziehen kann, sobald sie eine Wohnung hat. Allerdings wird die finanzielle Lage schwierig werden, weil sie kein besonders tolles Gehalt hat und für ihn keine Unterstützung bekommen wird, schließlich sind sie nicht verwandt. Von seinem Vater ist ohnehin nichts zu holen. Vielleicht kann Jan aber ein Schüler-Bafög beantragen und dann müssen sie hin und her rechnen, ob es funktioniert. Wenn es klappt, dass er den Job während der restlichen Schulzeit behalten kann, dann sieht es allerdings gar nicht so übel aus. Jan wagt es, ganz vorsichtig zuversichtlich zu sein und ich rate ihm, einfach mal mit meinem Pap zu reden. Vielleicht hat er noch andere Vorschläge. Mein Pap ist ziemlich gut in solchen Dingen und hat oftmals geniale Ideen.

Als wir zurück nach Hause fahren, kann Jan sogar schon wieder lachen. Wir albern ein wenig herum und lenken uns ab, schließlich kann man nicht ständig große Probleme wälzen.

"Weißt Du, was meine Mutter über Dich gesagt hat?" fragt er mit einem geradezu diabolischen Grinsen, als wir an einer Ampel stehen. Na, da bin ich ja mal gespannt.

"Nein, was denn?" Ich erinnere mich, dass sie mich als 'hübschen Burschen' bezeichnet hat und ein Lächeln schleicht auf mein Gesicht.

"Sie hat gesagt, dass sie es Dir gleich angesehen hat." platzt er heraus.

"Was angesehen hat?"

"Na was schon? Dass Du schwul bist."

"Wie bitte?" Ich falle gleich vom Glauben ab! Ich sehe ja wohl nicht schwul aus!

"Ich sehe ja wohl nicht schwul aus!" posaune ich meinen Gedanken quer durch den Wagen.

"Komm schon, Denny..." Er knickt das Handgelenk ab und wedelt in der Luft herum. "Du bist doch sooo süß!" sagt er gackernd.

"Schweinebacke!" motze ich und laufe aus Protest knallrot an.

Er lacht dreckig.

"Selber schwul!" Schon blöd, dass mir nichts passenderes einfällt aber ich kann diese fiese Lache und seine Sprüche auch nicht kommentarlos entgegen nehmen.

"Streite ich gar nicht ab." sagt er und lehnt sich feist zurück. Mist, der Kerl ist saucool heute. Er ist wieder so richtig er selbst. Der coole Jan, in den ich mich so fürchterlich verliebt habe. Und ich bin trotzdem ein bisschen beleidigt. Da kann er aber nachher mal sehen, wie er das wieder gut machen kann.

Kurz darauf schleicht sich seine Hand zu mir herüber und tippt mein Bein an.

"Hey, Du bist doch nicht wirklich sauer, oder?"

Er klingt so zaghaft, dass ich sofort dahin schmelze, wie Eis in der Sonne. Trotzdem, Strafe muss sein. Ich stelle mich quer.

"Doch, und wie!"

"Denny, Zitronenmäulchen, komm schon. Sei nicht mehr böse." Seine Finger krabbeln auf meinem Bein herum.

"Lass das, ich muss mich aufs Fahren konzentrieren." Ich sehe stur geradeaus.

Er zieht die Hand weg.

"Tut mir Leid." murmelt er leise. "Ich wollte nicht, dass Du sauer bist. Ehrlich nicht." Ein dumpfes Gefühl schleicht durch meinen Bauch. Er klingt wirklich traurig.

"Bin ich doch gar nicht. Jetzt leg schon Deine Hand wieder hier hin." Ich klopfe kurz auf meinen Oberschenkel und sofort ist sie wieder da.

"Du hast mir echt einen Schrecken eingejagt." sagt er. "Ich dachte, Du wärst wirklich böse mit mir."

"Wie könnte ich denn?"

Ich mache eine Pause. "Und das hat sie wirklich gesagt?

"Ja, hat sie."

"Oh Mann. Dann sollte ich vielleicht mal an meiner Optik arbeiten." So ein Ärger! Gerade jetzt wo ich mir selbst mal richtig gut gefalle. Aber schwul aussehen will ich nun wirklich nicht.

"Auf keinen Fall! Du siehst umwerfend aus, Denny. Das findet sie übrigens auch."

"Oh bitte nicht! Ich will kein Schwiegermutterschwarm sein!" jammere ich übertrieben.

"Zu spät, mein Hase." Er kichert.

Während der restlichen Fahrt liegt wie selbstverständlich seine Hand auf meinem Bein.

"Ist es okay für Dich, wenn wir meinen Eltern erst mal noch nichts von uns erzählen?" frage ich etwas später. "Ich weiß nicht, ob das gut wäre. Vor allem, wenn Du jetzt erst einmal bei uns wohnst. Das könnte die Sache ansonsten ziemlich kompliziert machen. Ich glaube zwar nicht, dass sie deswegen Theater machen würden, aber..."

Er nickt. "Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie es dann immer noch in Ordnung finden würden, dass wir in einem Zimmer schlafen."

"Sie würden bestimmt Stacheldraht und Landminen zwischen uns verteilen."

"Ja, und zwei Meter fünfzig hohe Mauern ziehen." wir kichern und steigern uns mehr und mehr hinein.

"Tretminen."

"Fallgruben."

"Treibsand."

"Nee, den besser nicht, sonst treiben wir es noch darin." So und ähnlich geht es während der restlichen Kilometer.

Zu Hause holen wir dann erst einmal unser viel zu knapp ausgefallenes Frühstück nach, obwohl schon längst Nachmittag ist. Hinterher verkriechen wir uns satt und müde noch einmal ins Bett, um auch noch ein bisschen Schlaf nachzuholen. Der war in der letzten Nacht ja auch nicht gerade reichlich gesät. Jan schläft beinahe schon, bevor sein Kopf das Kissen berührt und ich halte auch nicht mehr lange durch. Natürlich bleibt die Matratze auf dem Fußboden wie auch schon in der letzten Nacht einsam und leer und ich kuschle mich stattdessen in meinem Bett an ihn.

Abends treffen wir uns mit den anderen, geben aber nur einen kurzen Abriss der Geschichte zum Besten, schließlich wollen wir vermeiden, dass den ganzen Abend über nichts anderes gesprochen wird. Trotzdem ist es natürlich ein Thema.

Aber auch, wenn wir beide deutlich ruhiger sind als gewöhnlich, wird es ein lustiger Abend und ich bin froh, einfach nur die Zeit mit meinem Schatz und meinen Freunden genießen zu können, ohne mir permanent Sorgen machen zu müssen. Damit kann ich später noch weiter machen. Ich glaube nicht, dass uns die weglaufen.

In dieser Nacht schlafen wir wieder eng umschlungen in meinem Bett. Anfangs beginnt Jan, heftig mit mir zu knutschen. Hektisch zerrt er an meinen Sachen und drängt sich wild gegen mich. Obwohl er mich scharf macht wie einen Flitzebogen, gehe ich nicht richtig darauf ein. Ich will nicht, dass das hier zu einer Verzweiflungstat verkommt.

Stattdessen streichel ich ihn zärtlich, umschlinge ihn mit sämtlichen Armen und Beinen, die mir zur Verfügung stehen und drücke ihn fest an mich. Während ich ihn mit weichen Küssen überschütte, wird er tatsächlich etwas ruhiger und schläft schließlich erschöpft in meinen Armen ein. Ein bisschen Angst hat er mir schon gemacht.

Kapitel 16 - Jetzt ist es raus.

"Guten Morgen, Du süßes Zitronenmäulchen." flüstert Jan mir zärtlich ins Ohr und knabbert daran. Ich blinzle, öffne meine müden Lider und sehe direkt in seine dunklen Augen, die mich liebevoll anschauen.

"Beobachtest Du mich etwa beim Schlafen?" frage ich träge und er nickt viel zu wach für meinen Geschmack.

"Du siehst einfach süß aus, wenn Du so zerwühlt in Deinem Kissen liegst." Die Spitze seines Zeigefingers stupst sanft gegen meine Nase.

"Selber zerwühlt." sage ich muffig und fahre ihm durch das ohnehin schon strubbelige Haar.

"Nicht, das soll doch so aussehen." sagt er und grinst.

"Ich bin noch müde." maule ich, drehe ihm den Rücken zu und kneife die Augen wieder fest zu. Ich kann aber auch ein echter Morgenmuffel sein!

"Oh." sagt er mit gespielter Enttäuschung, fährt mit seiner Hand unter mein Shirt, über meine Brust, am Bauch hinunter und mit zwei Fingern unter das Bündchen meiner Shorts. "Dann sollte ich hiermit wohl besser aufhören, nicht wahr?"

So ein Luder! An Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken, ich habe schon allein davon eine mächtige Erektion, die sogar noch härter wird, als er sich von hinten ganz dicht an mich presst und ich deutlich spüre, dass er auch eine hat. Ich bin heiß, wie die Hölle.

"Sicher, dass Du lieber noch schlafen willst?"

"Ja." sage ich leise und drehe mich um. "Mit Dir."

Bumm! Falsches Stichwort. Ich merke sofort, wie er abblockt. Er errötet und blinzelt mich ein paar Mal verwirrt an. Ich sage schnell "Natürlich muss das nicht jetzt sofort sein. Und nur wenn... wenn Du es auch willst. Wann immer Du es auch willst. Und wenn nicht, dann eben nicht. So ist es auch okay. Mehr als das."

Mist. Zu weit aus dem Fenster gelehnt. Viel zu weit. Er weicht meinem Blick aus.

Ich Trottel! Um wenigstens ein bisschen von der vorherigen Stimmung zu retten, schiebe ich ihm die Hand unter das Shirt und streichle seine weiche Haut, die jetzt glüht.

"Hey Erdbeerschnäuzchen." sage ich zärtlich. "Es ist wirklich okay. Ist ja nicht so, als würde mir nicht noch was anderes einfallen, was ich mit Dir anstellen könnte."

Ich schiebe sein Shirt hoch und sauge seinen Duft ein, während ich kleine Küsse auf seiner Brust verteile. Zwischen meinen Lippen stellen sich seine Brustwarzen auf und ich lasse meine Zunge ein wenig damit spielen. Er seufzt leise.

Dann arbeite ich mich langsam weiter abwärts und meine Zunge hinterlässt dabei eine feuchte Spur auf seinem Körper. Jan zittert und ich selbst bin ebenfalls gespannt, wie ein Flitzebogen.

Inzwischen glaubt mir Jan wohl, dass meine Eltern nicht unangemeldet in mein Zimmer hereinplatzen sonst würde er mich jetzt kaum das tun lassen, was ich gerade tue, denn es ist ja Wochenende und sie sind natürlich zu Hause.

Erstaunlicherweise sind wir die ersten, die aufstehen, obwohl wir uns viel Zeit füreinander genommen haben. Mam und Pap schlafen noch tief und fest, als wir erst einmal artig nacheinander duschen, obwohl wir lieber zusammen in die enge Kabine gestiegen wären.

In der Küche zeige ich Jan, in welchen Schränken und Schubladen Teller, Tassen Besteck und alles andere ist, damit er schon einmal das Frühstück vorbereiten kann, während ich unterwegs bin, um Brötchen für uns alle zu holen. Schließlich wohnt er jetzt hier, also kann er auch mit anfassen - und zwar ausnahmsweise nicht nur bei mir.

Als ich mit einer riesigen Tüte frischer Brötchen in die Küche zurückkehre, sehen mich drei Augenpaare hungrig an. Meine Eltern sind inzwischen aufgestanden und warten ebenso wie mein Schatz nur darauf, dass ich die gefräßigen Raubtiere endlich füttere. Ich schütte die Brötchen aus der Tüte in den Brotkorb, gieße mir Kaffee ein und setze mich zu ihnen an den Tisch.

Wir lachen und reden über alles mögliche und bald wirken wir, wie eine stinknormale, glückliche Familie. Naja, so glücklich eine Familie, deren Söhne ineinander verliebt sind, eben sein kann. Ich sehe die drei an. Es sind die Menschen, die mir auf der Welt am meisten bedeuten, und ich kann meine Eltern einfach nicht länger anlügen. Es geht einfach nicht. Ich habe zwar erst gestern zu Jan gesagt, dass wir es ihnen noch nicht verraten wollen, aber wie lange will ich denn noch warten, bevor ich ihnen die Wahrheit sage? Irgendwann muss ich es ohnehin tun.

"Mam, Pap. Wenn Jan jetzt bei uns wohnt, solltet Ihr etwas wissen. Wir sind nicht nur einfach befreundet, wir... wir lieben uns." sage ich schnell, bevor die Worte nicht mehr an dem Kloß vorbei passen, der sich gerade in meinem Hals bildet.

Wieder sehen mich die gleichen drei Augenpaare an, wie vorhin und die Stille ist gespenstisch. Mein Herz klopft so laut, dass es jeder hier im Raum hören müsste und so heftig, dass das Bild, dass ich sehe, bei jedem Schlag immer kurz heller wird.

Ich sehe von einem zum anderen und weiß nicht mehr, was ich sagen soll. Also halte ich einfach die Klappe.

Jans Blick drückt tiefes Einverständnis mit meiner Offenbarung aus. Seine Zustimmung bedeutet mir viel. Die Blicke meiner Eltern hingegen kann ich gar nicht deuten. Geschockt sehen sie jedenfalls nicht aus. Nicht mal überrascht, wie ich staunend feststelle. Eher... Was? Belustigt? Nein, das ist unmöglich. Aber wie dann? Sie sind mir ein völliges Rätsel.

Wie auch immer ich mir mein Outing vorher vorgestellt habe, so wohl eher nicht. Am Frühstückstisch zwischen Kaffee und Brötchen und mit meinem Freund auf dem Stuhl neben mir. Und vor allem habe ich es mir nicht so leise vorgestellt. Warum um alles in der Welt sagt denn keiner etwas? Ich fange gleich an zu schreien.

Meine Mam sieht meinen Pap schweigend an. Dann zieht sie die Augenbrauen auffordernd hoch, wie es meistens tut, wenn sie eine Äußerung von ihm erwartet. Im Sinne von 'So, Vatter, jetzt sag Du mal was dazu.' Ich atme tief durch. Gleich geht es los! Was wohl kommt? Vorwürfe, ein Donnerwetter, Unverständnis, Unglaube, Ablehnung? Oder doch Einverständnis? Ich habe keine Ahnung, wie seine Reaktion ausfallen wird, aber hoffentlich passiert jetzt bald etwas. Egal was. Diese Stille macht mich verrückt! Ich taste Hilfe suchend nach Jans Hand während ich meine Eltern nicht aus den Augen lasse. Er ergreift meine Hand und drückt sie ein wenig.

Das Gesicht meines Dads nimmt einen verzweifelten Ausdruck an, der viel zu extrem ist, um echt zu sein. Dann sagt er in Richtung ihrer hochgezogenen Brauen "Ja, ja, ist schon gut. Du hattest Recht."

Dabei schleicht sich ein breites Grinsen auf Mams Gesicht. "Ich bin eben gut!"

"Stimmt. Deshalb liebe ich Dich ja auch." Pap lehnt sich zu ihr herüber und küsst sie. Ich hingegen habe gerade absolut den Faden verloren. Das, was hier passiert entzieht sich meinem Verständnis. Aber total!

Ich starre die beiden während ihres kurzen Dialoges an und frage fassungslos "Was?"

Mam sagt "Das heißt nicht 'was', das heißt 'wie bitte'."

Ich korrigiere mechanisch "Wie bitte?" und starre immer noch, ohne auch nur im Entferntesten verarbeiten zu können, was ich da gerade gehört habe.

"Ach Dennis." sagt meine Mam und unterdrückt ihr Lachen. "Hast Du wirklich gedacht, ich wäre so blind?"

Was meint sie denn damit? Wieso blind? Hat sie etwas gesehen? Ich dachte, wir wären immer vorsichtig gewesen. Haben wir mal die Tür aufgelassen? Hat sie etwa durch das Schlüsselloch geschaut?

Ich kann gar nichts sagen, klappe nur den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen.

"Dennis." sagt sie nicht ganz ernsthaft tadelnd. "Zuerst war da Deine wundersame Verwandlung, die mir übrigens ganz ausgezeichnet gefällt. Dann bringst Du plötzlich einen Freund mit, von dem wir zuvor noch nie gehört haben und mit dem Du in kürzester Zeit ganz schön vertraut bist. Immerhin lässt Du ihn bei Dir übernachten. Und außerdem, Du glaubst doch wohl nicht, dass ich nicht gesehen habe, wie verliebt Ihr beiden Turteltauben euch immer anschaut, oder?"

Sie legt ihre Hand auf meine, die Jan nicht krampfhaft festhält, so dass an Durchblutung beim besten Willen nicht mehr zu denken ist. Dann sagt sie leise und direkt an mich gerichtet "Und neulich Nacht, als Jan plötzlich hier vor der Tür stand, da hast Du ihn einfach in den Arm genommen und seine Hand gehalten. Das hat mir ganz deutlich gezeigt, wie viel er Dir bedeutet."

Jan und ich sehen uns an, dieses mal allerdings nicht verliebt. Auch er ist jetzt ein bisschen blass um die Nase und schaut so aus der Wäsche, wie ich mich fühle. Schon wieder aufgeflogen! Seine Mutter hat uns ziemlich rasch durchschaut, meine Eltern ebenfalls. Sind wir wirklich so unvorsichtig gewesen, so offensichtlich? Und wissen unsere Freunde vielleicht auch längst Bescheid? Mir bricht ein bisschen der Schweiß aus, bei dem Gedanken. Aber nein, die hätten doch bestimmt irgendetwas gesagt. Oder? Was weiß ich? Jetzt erst mal zurück zu meinen Eltern. Bisher haben sie ja nur gesagt, dass sie Bescheid wissen. Nicht aber, was sie davon halten.

"Und was... denkt Ihr darüber?" frage ich die Beiden vorsichtig.

Mein Pap antwortet zuerst. "Wonach sieht es denn aus? Ihr sitzt mit uns beim Frühstück und Dein Freund wohnt jetzt bei uns. Glaubst Du, das wäre so, wenn wir ein Problem damit hätten?"

"Zum Glück hatten wir ja schon ein bisschen Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen." sagt Mam. "Obwohl Dein Vater es ja zuerst nicht glauben wollte..." Sie kneift Pap wieder ein Auge zu und weidet sich an Ihrem Erfolg.

"Seid Ihr sauer, dass ich es Euch nicht eher gesagt habe?"

"Unsinn! Im Gegenteil. Ich bin stolz, dass Du es jetzt getan hast." Sie wuselt mir durchs Haar und lächelt mich an.

Nach und nach senkt sich mein Puls wieder auf ein normales Maß, während wir tatsächlich ganz normal miteinander weiter reden. Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich wohl die besten Eltern der Welt habe?

"Ach, da ist noch was." beginnt meine Mutter, als ich gerade Kaffee nachgegossen habe und mich wieder hinsetze. "Es ist wegen Simons Zimmer..." Ihre Miene ist ernst und ich bin sicher, dass sie jetzt fordern wird, dass Jan sofort dorthin umzieht.

"Ich hoffe, Du hast ihn noch nicht angerufen und danach gefragt, sonst kannst Du ihm selbst erklären, warum Jan jetzt doch nicht darin wohnen wird."

Dann sagt sie an ihn gewandt "Es sei denn, Du möchtest lieber ein eigenes Zimmer haben anstatt Dich mit Dennis in sein Zimmer zu quetschen, Jan. Du kannst es Dir aussuchen."

Jan schüttelt heftig einen ziemlich roten Kopf.

"Das dachte ich mir schon." grinst sie. "Dann hat sich das mit Simons Zimmer ja wohl erledigt. Und falls Ihr die Matratze nicht brauchen solltet, bringt Ihr sie am Besten zurück, die liegt nämlich ganz schön im Weg herum." Wie lässig sie gerade eben Ihr Einverständnis dazu gegeben hat, dass wir zusammen in einem Bett schlafen dürfen, fasse ich kaum. Überhaupt, wie lässig sie das alles verpackt...

"Ihr erlaubt das?" frage ich fassungslos. "Wirklich?"

"Warum denn nicht? Ihr seid beide erwachsen. Na ja, wenigstens seid Ihr über 18. Ich hoffe natürlich, Ihr seid verantwortungsvoll genug, um keine Dummheiten zu machen. Ich denke, Du weißt, was ich meine." sagt meine Mam. Der Blick, den sie mir dabei zu wirft, spricht Bände und ich wechsle wieder einmal die Farbe, weil ich mich total durchschaut fühle. Hallo? Gibt es vielleicht auch irgendetwas, was sie noch nicht weiß?

"Ach, und eines noch von meiner Seite." sagt mein Pap. "Wenn Jan wegen irgendwelcher durchgemachten Nächte oder was-weiß-ich weshalb zu spät zur Arbeit kommt, oder deshalb seinen Job nicht gescheit macht, dann ist hier aber der Teufel los, das verspreche ich Euch in die Hand. Immerhin habe ich Dich dort empfohlen, Jan."

Wir nicken und geloben feierlich, immer artig zu sein, aber ich glaube, dass wir uns dabei kichernd an den Händen halten, trägt nicht gerade zu unserer Glaubwürdigkeit bei.

Wenn ich mich je darüber geärgert habe, dass meine Eltern mich viel zu sehr wie einen Erwachsenen behandeln, dann bin ich jetzt mehr als froh darüber.

Wir besuchen anschließend Jans Mutter - ich sollte wirklich dazu übergehen, 'Martina' zu denken und auch zu sagen, sonst gewöhne ich mich nie daran - und erzählen ihr von unserem ereignisreichen Frühstück heute morgen. Zu der Tatsache, dass meine Mutter uns längst durchschaut hatte, gibt sie keinen Kommentar ab, sie zieht nur eine Augenbraue hoch und lächelt. Bestimmt bekomme ich bald den Titel 'Der meistdurchschaute Schwule Deutschlands' verliehen.

Glücklicherweise geht es ihr schon wieder etwas besser, so dass sie bereits an die Entlassung aus dem Krankenhaus denken kann. Sie sagt, sie habe mit einer Freundin gesprochen und könne zunächst bei ihr wohnen bis sie etwas Eigenes gefunden hat. Außerdem will heute noch ein Polizeibeamter kommen und die Anzeige aufnehmen.

Ich bin froh, dass sie Jans Vater tatsächlich anzeigen will, denn das bedeutet, dass ich mir um ihn keine Sorgen mehr machen muss, weil er dann nicht mehr bei diesem schrecklichen Kerl sein muss. Und ich freue mich total darüber, dass ich mich mit ihr auf Anhieb gut verstehe. Jans Mutter, also Martina!, ist wirklich super.

Die guten Neuigkeiten wirken sich auch auf Jans Stimmung aus und er kann sich endlich wieder ein bisschen entspannen, nachdem er die letzten Tage meistens sehr nachdenklich gewesen ist.

Total übermütig und aufgekratzt tauchen wir abends mit einem Auto voller Getränke bei Jens auf, um eine weitere grandiose Party mit unseren Freunden zu feiern. Wir drehen die Musik auf, trinken und tanzen und müssen uns extrem zusammenreißen, um nicht aufzufliegen. Es ist höllisch schwierig für mich, die ganze Zeit die Finger von ihm zu lassen und ich glaube, ihm geht es nicht anders. Aber da wir abgesprochen haben, unseren Freunden vorerst noch nichts zu erzählen - falls die nicht auch schon etwas ahnen - , vermeiden wir alles Auffällige. Hoffentlich sind wir in diesem Kreis ein bisschen erfolgreicher damit, als zu Hause.

Der Abend wird insgesamt richtig gut. Es ist beinahe schon eine End-Of-Summer-Party. Jedenfalls fühlt es sich ein bisschen so an, zumal es nachts auch noch zu regnen beginnt. Einerseits ist das schade, denn bisher hatte uns das Wetter erlaubt, ständig draußen zu sein, uns am See zu treffen und die Sonne so selbstverständlich hinzunehmen, wie man es sonst nur im Urlaub im Süden kann. Andererseits tut ein bisschen Abkühlung auch gut. Der Regen wäscht alles wieder sauber und reinigt die Luft.

Das Thema 'Zelten' hat sich damit für heute Nacht natürlich auch erledigt. Leider. Denn so liegen wir schließlich mit einem Haufen anderer Leute in unseren Schlafsäcken auf dem Boden des Gästezimmers und wir können es komplett vergessen, ein bisschen zu knutschen oder uns wenigstens leise zu unterhalten. Anfangs quatschen wir alle noch ein bisschen leise miteinander und ich wispere im Schutz der anderen Gespräche Jan ein paar kleine Schweinereien ins Ohr, die er mit vorgehaltener Hand kichernd zur Kenntnis nimmt. Aber als es schließlich still wird, wage ich es nicht mehr, noch irgendetwas zu sagen. Zum Glück ist es wenigstens so dunkel, dass niemand sehen kann, dass wir uns heimlich an den Händen halten.

Kapitel 17 – Ein neuer Anfang.

Es gießt immer noch wie aus Eimern und hört einfach nicht mehr auf. Auch am nächsten Morgen nicht. Nach dem Aufräumen des Partyraums und der umliegenden Zimmer, die bei der Party in Mitleidenschaft gezogen wurden, fahren wir mit wild rotierenden Scheibenwischern nach Hause und ich tausche meinen kleinen Hüpfer gegen Paps Kombi. Wir holen ein paar leere Kartons aus dem Keller und legen sie in den Wagen. Heute wollen wir nämlich Jans Sachen aus der Wohnung seines Vaters abholen.

Auf der Fahrt dorthin ist er sehr schweigsam und ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Alleine die Vorstellung, an seiner Stelle zu sein, macht mir richtig Angst. Ich möchte wahrlich nicht mit ihm tauschen.

Bei ihm zu Hause angekommen, holt er zwei Koffer vom Schrank, legt sie aufgeklappt auf sein Bett und beginnt, irgendwie seine Kleidung einzupacken, dabei redet er immer noch nicht.

"Kann ich Dir irgendwie dabei helfen?" frage ich, doch er schüttelt den Kopf. Dann bleibt er einfach mit hängenden Schultern vor seinem offenen Koffer stehen und starrt hinein. Ich umarme ihn von hinten und lehne den Kopf an seine Schulter. Er legt die Hände auf meine Arme und hält sie fest, dann dreht er sich in meinen Armen herum und sieht mich an. Er küsst mich.

"Du könntest meine Schulsachen schon mal einpacken." sagt er leise und ich nicke.

Wir arbeiten schweigend, bis wir fast alles zusammen gepackt und ins Auto geladen haben. Sein Zimmer sieht jetzt kahl und leer aus, noch leerer und unbewohnter als vorher. Als wir uns ein letztes Mal zusammen darin umsehen, muss ich plötzlich wieder daran denken, dass wir uns eigentlich hier zum ersten Mal geküsst haben. Dort auf dem Bett war es. Kaum zu glauben, was für eine Panik ich damals geschoben hatte. Und dann fällt mir ein, dass da ja noch jemand war.

Ich lege Jan den Arm um die Hüfte und lehne den Kopf an seine Schulter.

"Was ist denn mit ihm? Nimmst Du den nicht mit?" frage ich leise und deute auf den Teddy, der immer noch halb verdeckt unter seinem Kopfkissen liegt. Jan zuckt zusammen, als hätte ich ihn bei irgendetwas schlimmen erwischt.

"Ach, du Scheiße! Den hätte ich fast vergessen."

Er löst sich von mir, geht zum Bett und nimmt den Bären unter dem Kopfkissen hervor. Dann tut er etwas unglaublich Süßes. Er sieht den Teddy an, streicht ihm über den Kopf und sagt ganz leise "Entschuldige Kumpel, ich lass Dich natürlich nicht hier zurück."

"Hat er einen Namen?" frage ich.

Er lächelt. "Samson." Dann sieht er mich an. "Ich habe wohl von Anfang an gewusst, dass er sehr stark sein muss."

"Und? Ist er es?"

"Und wie!" Er drückt ihn an sich und dreht sich ganz zu mir um. "Komm, lass uns gehen. Ich schätze, ich habe jetzt alles."

Wir schließen die Tür hinter uns. Draußen müssen wir zum Auto rennen, weil es immer noch regnet. Genau das richtige Wetter um mit einer Sache abzuschließen und eine neue zu beginnen. Genau richtig.

Den restlichen Tag verbringen wir damit, seine Sachen in mein Zimmer einzuräumen, wobei ich feststellen muss, wie klein meine Schränke doch sind. Der vorhandene Platz ist ziemlich knapp für all den Kram von zwei Leuten. Wie kann das nur sein? Ich habe mich doch gerade erst von einem Haufen Klamotten getrennt. Wir sortieren noch einmal eine Menge Krempel aus, der ohnehin nur in den Schränken herum liegt und verfrachten ihn in Simons Zimmer. So schaffen wir Platz für die Sachen, die wir häufiger brauchen werden und vor allem für sein Zeugs.

Ich bin Jan sehr dankbar, dass er keine Kommentare zu den peinlichen Hinterlassenschaften meiner Kindheit abgibt, die wir dabei zutage fördern. Nur über meinen Kinderfotos bleiben wir noch eine ganze Weile hocken. Sind die peinlich!

Jan lacht sich darüber kringelig und meint, ich sei schon damals ein verdammt süßer Bengel gewesen. Irgendwie schafft er es dann tatsächlich, mir mit seinen Schmeicheleien eins der Fotos abzukungeln. Ich kann mich zwar nicht mehr wirklich daran erinnern, wie es gemacht wurde, aber ich weiß noch, wo es entstanden ist. Das war im Urlaub in Schweden an einem See. In dem Jahr habe ich dort Schwimmen gelernt. Das Bild zeigt mich, wie ich gerade lachend von einem Steg ins Wasser springe. Meine Eltern haben mal gesagt, dass sie es beinahe verflucht hätten, mir das Schwimmen beigebracht zu haben, denn ich wäre danach gar nicht mehr aus dem Wasser zu bekommen gewesen. Tja, das hat sich bis heute gehalten. Ich liebe es einfach, im Wasser zu sein!

Heute ist an Schwimmen oder andere Open-Air-Aktivitäten leider nicht zu denken und weil es immer noch regnet, sagen wir das Treffen mit den anderen ab. In irgendeiner muffigen Kneipe zu hocken, habe ich keine Lust und Jan ist eh' pleite. Wir verbringen den Rest des Tages lieber damit, das frisch eingerichtete PC-Netzwerk auf seine Leistungsfähigkeit zu testen und ausgiebig zusammen zu zocken. Natürlich gewinne ich fast immer! Ihm fehlt halt die Übung. Außerdem bin ich einfach gut!

Die letzten Stunden des Wochenendes fliegen nur so vorbei und dann ist es auch schon herum. Heute können wir leider nicht bis in die Puppen aufbleiben, schließlich muss Jan morgen früh raus. Erst meint er, bestimmt nicht schlafen zu können, weil er viel zu aufgeregt ist, aber seine leichte Nervosität vertreibe ich sozusagen mit Links.

Das Klingeln des Weckers reißt mich brutal aus dem schlaf. Er schaltet ihn rasch aus und flüstert "Schlaf weiter."

"Nicht ohne einen Kuss von Dir." nuschele ich im Halbschlaf und taste nach ihm. Er beugt sich zu mir herüber, küsst mich sanft und steht dann auf. Ich bekomme kaum noch mit, dass er sich anzieht und das Zimmer verlässt, da dämmere ich bereits wieder vor mich hin.

Wenn ich daran gedacht hätte, dass er jetzt immer so früh aufstehen muss, hätte ich vielleicht das Angebot, dass er in Simons Zimmer schläft, nicht so schnell ausgeschlagen. Nein, ist nur Quatsch! Nie im Leben würde ich von ihm getrennt sein wollen. Wenn ich abends mit ihm zusammen einschlafen darf, nehme ich es gern in Kauf, morgens zu einer geradezu unmenschlichen Zeit geweckt zu werden.

Die Vorstellung, dass er an meiner Stelle jetzt mit meinen Eltern frühstückt, während ich hier faul liegen bleibe, ist schon etwas seltsam, das gebe ich zu. Allerdings nicht seltsam genug, als dass es mich davon abhalten würde, mich nicht noch einmal genüsslich im Bett umzudrehen und wieder einzuschlafen.

Als ich schließlich aus dem Bett klettere, ist es bereits hell und im Haus ist alles ruhig. Klar, die anderen sind ja auch bereits alle fleißig. Ich verdränge mein schlechtes Gewissen, schließlich habe ich während des ganzen letzten Schuljahres gearbeitet. Da habe ich ja wohl Ferien verdient!

Dann mache ich mich aber zumindest ein bisschen nützlich, indem ich nach meinem einsamen Frühstück das Chaos beseitige, das die anderen in der Küche hinterlassen haben. Danach werfe ich die Waschmaschine an und räume mein - sorry, ich meine natürlich 'unser' - Zimmer auf. Ja, ich werde irgendwann der perfekte Hausmann sein. Wie war das noch mit dem Schwiegermutter-Traum? Ich kichere blöd vor mich hin und lege 'I want to brake free' von Queen auf.

Es ist nicht zu fassen, aber ich vermisse Jan. Jetzt schon, dabei sind wir gerade mal ein paar Stunden getrennt. Ist das normal? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es - glaube ich - das erste Mal seit wir zusammen sind, dass wir uns den ganzen Tag lang nicht sehen werden. Das fühlt sich seltsam an.

Es scheint, als müsste ich mir für die nächsten Wochen etwas einfallen lassen, wie ich die Tage herum bekomme, ohne ständig auf die Uhr zu sehen und auf Jan zu warten. Ob ich Herrn Hofbauer fragen soll, ob er für mich auch noch Arbeit hat?

Nein, so verzweifelt bin ich nun doch nicht. Ich werde wohl durchaus in der Lage sein, den Rest der Ferien trotzdem zu genießen. Hoffe ich jedenfalls. Wenn wenigstens das Wetter wieder besser werden würde, dann könnte ich mich einfach weiterhin mit denjenigen, die ebenfalls nicht arbeiten müssen, am Strand treffen. Aber bei diesem Wetter ist das wirklich keine Option. Da setzt man eher Rost an, als Sonnenbräune.

Schließlich rufe ich Jens an und frage ihn, ob irgendetwas läuft. Manuela ist bei ihm aber größere Unternehmungen haben sie auch nicht geplant. Sie hören Musik und schlagen die Zeit tot, so ähnlich wie ich. Dementsprechend einfach sind sie für eine Runde Billard im Jugendzentrum zu begeistern.

Ich habe viel zu lange nicht gespielt und so schlägt Jens mich locker. Und zwar um Längen. Natürlich fordere ich sofort Revanche, doch auch die geht leider an ihn. Als ich schließlich schon mit drei Niederlagen hinten liege und ihm dadurch drei Kaffee schuldig bin, brechen wir erst einmal ab, damit er seinen Gewinn einfordern kann.

In der Café-Ecke treffen wir noch zwei Leute aus unserer Stufe, Lars und Thomas, mit denen wir sonst eher weniger Kontakt haben, aber sie winken uns trotzdem an ihren Tisch und unterbrechen erst einmal ihr Backgammon-Match. Mensch, das habe ich auch schon ewig nicht mehr gespielt. Aber es hat immer riesigen Spaß gemacht. Ob Jan das auch kann?

Es wird richtig lustig mit den Beiden und wir quatschen uns dort ordentlich fest. Bisher wusste ich nicht mal, dass sie öfter hierher kommen, geschweige denn, dass sie so cool drauf sind.

Fast hätte ich darüber die Zeit vergessen! Ich entschuldige mich bei den anderen damit, dass ich mit meiner Mam einkaufen fahren muss, weil Pap länger arbeitet - was eine glatte Lüge ist - und mache mich stattdessen auf den Weg, um Jan abzuholen. Ich muss doch unbedingt wissen, wie sein erster Tag gewesen ist.

Er strahlt, als er mich sieht und bereits während der Heimfahrt erfahre ich alles über seinen Job, die Kollegen, dass es ihm dort richtig gut gefällt und alle super nett sind. Wir besuchen auf dem Weg rasch Martina, die inzwischen endlich aufstehen und herumlaufen darf, was sie auch ausgiebig tut, weil ihr diese ewige Herumliegerei schon längst auf die Nerven geht. Wenn sie am Donnerstag entlassen wird, braucht sie nur noch ihre Sachen aus der Wohnung zu holen und kann direkt zu ihrer Freundin ziehen. Sie ist heilfroh, dass sie dort keine einzige Nacht mehr verbringen muss und Jan ebenfalls.

Weil er sein Geld natürlich erst am Ende der Ferien bekommt, führe ich ihn zur Feier des ersten Arbeitstages zum Essen aus. Die Erlaubnis, mich nach Erhalt des ersten Lohns ebenfalls einladen zu dürfen und die Androhung schlimmster Strafen halten Jan davon ab, dagegen zu protestieren.

Wir gehen in ein nettes, kleines griechisches Restaurant, wo wir uns im Kerzenschein bei Sirtaki-Musik gegenüber sitzen. Es ist höllisch kitschig. Und es ist mir fürchterlich egal, was der Kellner darüber denkt, dass wir uns über den Tisch hinweg tief in die Augen sehen und darunter fast die ganze Zeit Händchen halten.

Sein Lächeln und die Tatsache, dass er uns ausgesprochen freundlich und zuvorkommend bedient, weisen allerdings darauf hin, dass er gar nichts Schlechtes über uns denkt. Nicht einmal, als wir uns zum krönenden Abschluss ein Dessert teilen und uns gegenseitig lachend mit dieser Zuckerexplosion füttern.

Jans Lippen schmecken davon immer noch süß, als wir wieder zu Hause sind und uns vor Überfressung jammernd in mein Zimmer verziehen.

"Tu alles aber drück mir nicht auf den Bauch." winselt er, als er wie ein totes Schwein auf dem Rücken auf meinem Bett liegt.

"Wie sollte ich? Ich kann mich ja nicht mal bewegen." ächze ich zurück und ziehe schnaufend ein Stück Decke unter meinem Rücken weg, damit ich bequemer liege.

"Wenn ich mich ganz doll anstrenge, kann ich mich vielleicht auf die Seite drehen, wie sieht es bei Dir aus?"

"Ich kann es versuchen."

Halb stöhnend, halb lachend wälzen wir uns zueinander hin. Er lächelt. "Wie kann man nur so viel essen?"

"Sag Du es mir."

"Und dann noch das süße Zeug..." sinniert er.

Ich küsse ihm die Süße von den Lippen. "Lecker. Du schmeckst übrigens immer noch danach."

Er küsst mich noch einmal. "Du auch." Er küsst mich wieder. "Mmhhh." Und wieder. Und wieder.

"Das schmeckt nach mehr." murmelt er an meinen Lippen und wird auf einmal ganz weich und zärtlich. Seine Hände machen sich selbstständig und plötzlich können wir uns beide wieder ganz gut bewegen, obwohl wir kurz zuvor noch Gefahr liefen, jeden Augenblick zu platzen.

Obwohl sich in den nächsten Tagen eine gewisse Routine einstellt, kann ich mein Glück immer noch nicht wirklich fassen, wenn ich mal darüber nachdenke. Mein Schatz hat einen guten Ferienjob, versteht sich super mit seinen Kollegen, nachmittags oder abends treffen wir uns mit unseren Freunden und nachts schlafen wir aneinander gekuschelt zusammen in meinem Bett. Manchmal denke ich, dass es beinahe mehr Harmonie ist, als man ertragen kann. Aber es ist einfach großartig und ich könnte pausenlos schreien vor Glück. Wie lange kann so etwas gut gehen? Ich bin ein bisschen besorgt.

Und das mit Recht. Als wir uns nämlich mit den anderen bei Jens treffen, wird unsere Beherrschung wieder einmal auf eine harte Probe gestellt. Manuela fragt nämlich plötzlich grinsend "Und Dennis? Wie ist es denn, wenn man mit 18 noch mal ein neues Brüderchen bekommt?"

In diesem Moment schießt mir eine Flut von Bildern durch den Kopf. Jan und ich, wie wir nackt in meinem Bett liegen, uns küssen und überall berühren. Er hat wohl einen ähnlichen Gedanken, denn wir laufen beide synchron knallrot an. Die Tomaten sind in diesem Jahr aber auch wieder ganz ausgezeichnet! Ich verschlucke mich übelst und beginne so schlimm zu husten, dass sie wohl schon um mein Leben fürchtet. Zum Glück bin ich dadurch erst mal aus der Nummer raus und brauche nicht zu antworten. Außerdem ist es eine prima Ausrede für meine Gesichtsfarbe.

"Das ist richtig cool!" sagt Jan schließlich an meiner Stelle, denn ich bin immer noch nicht wieder in der Lage, zu sprechen. Ich werde ihm auf ewig dankbar sein, dass er uns aus der Gefahrenzone heraus geholt hat.

"Vor allem, wenn Du vorher keine Geschwister hattest. Und wer hat normalerweise schon das Glück, sich seinen Bruder aussuchen zu können?"

Dann grinst er mich so unverschämt sexy an, dass ich auf der Stelle über ihn herfallen könnte. Ich tue es natürlich nicht, schließlich sind wir jetzt Geschwister! Oh Mann, was für eine bizarre Situation!

Ich habe mich inzwischen so weit gefangen, dass ich irgendein belangloses Zeug faseln kann. Dass er sozusagen den Ersatzmann für Simon spielt, der mir doch irgendwie fehlt und so etwas in der Art. Dinge, die den anderen absolut plausibel erscheinen.

Außerdem muss ich noch mal ganz deutlich sagen, dass meine Eltern die allerbesten sind und dass das alles ohne ihre Zustimmung gar nicht möglich gewesen wäre.

Wir behaupten natürlich, dass Jan jetzt Simons Zimmer bewohnt und müssen höllisch aufpassen, uns nicht in Widersprüche zu verstricken. Es wird immer komplizierter, den Schein zu wahren und unser Lügengebilde aufrecht zu erhalten, aber noch hält das wackelige Ding. Trotzdem bin ich froh, als irgendjemand endlich das Thema wechselt.

Kurz darauf wird Martina endlich aus dem Krankenhaus entlassen und natürlich helfen wir ihr beim Umzug. Da Jans Vater immer noch in Untersuchungshaft sitzt, können wir die Wohnung problemlos betreten und ihre Sachen herausholen. Ihre Freundin Veronika ist auch dabei und unterstützt sie nicht nur tatkräftig sondern auch mental, denn sie ist doch ziemlich fertig als wir die Wohnung verlassen. Diese Veronika ist wirklich locker drauf, das muss ich schon sagen. Sie bietet uns sofort das 'Du' an und so langsam gewöhne ich mich daran dass mich Erwachsene ebenfalls wie einen Erwachsenen und nicht mehr wie ein Kind behandeln.

Die schwere Arbeit machen Jan und ich. Also um ehrlich zu sein, macht Jan sie fast alleine, ich habe ja auch nur Pudding in den Armen. Dadurch bekomme ich wieder einmal die Gelegenheit, ihm beim Arbeiten zuzusehen. Ich muss gestehen, dieser Anblick hat noch nichts von seinem Reiz eingebüßt. Er ist einfach ein verdammt heißes Muskelpaket.

Zum Glück ist es nicht so viel, was eingepackt werden muss, nur Martinas Kleidung und persönliche Dinge. Die ganzen Einrichtungsgegenstände, Möbel und Geräte will sie gar nicht mehr haben. Ich schätze, sie spielt eher mit dem Gedanken, alles kurz und klein zu schlagen, so wie er sie beinahe kurz und klein geschlagen hätte. Aber dann reißt sie sich zusammen und wir verschwinden dort einfach.

Wir packen die Kisten in den gemieteten Transporter, den ich fahren darf, was ziemlich aufregend ist, denn das Teil ist ganz schön groß und ganz schön schwierig zu handeln. Die beiden Frauen fahren mit Veronikas Wagen hinterher. Meiner steht bei der Autovermietung, bei der wir den Transporter abgeholt haben. Als ich mich an das Fahren damit erst einmal gewöhnt habe, macht es richtig Spaß. Man sitzt so hoch oben und kann den anderen Autofahrern sozusagen auf's Dach spucken. Als würde ich zusammen mit Jan über den Dingen schweben.

Beim Einräumen helfen wir auch noch ein wenig, aber Martina meint, sie wolle bei der Gelegenheit auch ein bisschen aussortieren, das müsse sie in Ruhe und vor allem allein machen. Na gut, ich habe es auch nicht so gern, wenn andere Leute in meinem persönlichen Kram herum wühlen. Das hatte ich ja außerdem kürzlich erst.

Veronikas Haus ist wirklich schön und eigentlich viel zu groß für sie alleine. Sie hatte schon mehrfach überlegt, ob sie untervermieten soll, konnte sich aber nie aufraffen, jemand Fremdes bei sich wohnen zu haben. Dass Martina jetzt dort einzieht ist daher für beide ein Glücksfall.

Abends feiern wir lieber den Einzug mit Pizza und Sekt, anstatt noch wer weiß wie lange herum zu ackern. Es wird viel gelacht und Martina macht bereits erste Pläne für die Zukunft.

Als wir schließlich aufbrechen, ist es eigentlich schon viel zu spät, vor allem für Jan, der morgen wieder früh raus muss. Schließlich müssen wir auch noch mein Auto zurück holen. Aber wenigstens haben wir beide das Gefühl, dass sie dort richtig gut aufgehoben ist und das ist sehr beruhigend. Die beiden Frauen stehen in der Tür und winken uns zum Abschied hinterher. Jan winkt zurück, bis wir außer Sicht sind.

"Ist alles Okay?" frage ich Jan als wir nachts im Dunklen liegen und er sich unruhig hin und her wälzt. Schon während der Heimfahrt war er zum Schluss sehr schweigsam und auch jetzt habe ich den Eindruck, dass er über irgendetwas nachdenkt anstatt zu schlafen.

"Es ist nichts." sagt er leise, aber ich weiß, dass ihn etwas beschäftigt. Ich lege meinen Arm um ihn und warte einfach ab. Es dauert eine Weile, bis er schließlich seufzt und leise zu sprechen beginnt.

"Jetzt bricht schon wieder alles auseinander." sagt er leise. "Eigentlich will ich doch auch nur eine ganz normale Familie haben. Ist das denn zu viel verlangt?"

"Ich weiß es nicht." sage ich und streichle seinen Arm. "Manchmal funktioniert das wohl einfach nicht. Trotzdem hast Du eine Mutter, die Dich lieb hat. Das ist doch schon eine Menge wert."

Er drückt sich an mich. "Ja, ich weiß. Ich bin verdammt froh, dass wir da jetzt raus sind. Nicht nur meinetwegen. Und ich bin auch froh, dass ich hier bei Euch sein darf. Ehrlich, ich bin richtig gerne hier. Deine Familie ist echt klasse, weißt Du das?"

"Ja, das weiß ich." Ich lächel in die Dunkelheit. Meine Eltern sind wirklich phantastisch, das ist mir durchaus bewusst. Eine Zeitlang habe ich sie regelmäßig verflucht, weil ich das Gefühl hatte, sie verlangen ständig zu viel von mir. Zu viele Pflichten, zu viel Verantwortung für jemand in meinem Alter. Aber jetzt bin ich froh, dass sie mich schon lange nicht mehr wie ein Kind behandeln, so wie ich es von vielen anderen in meinem Alter kenne. Ich bin froh, dass sie mich ernst nehmen. Da komme ich ganz gut damit zurecht, im Gegenzug meine Pflichten hier erledigen zu müssen.

"Und Du bist jetzt ein Teil dieser Familie, ob Du es willst oder nicht. Die haben Dich nämlich schon längst einkassiert, falls Dir das noch nicht aufgefallen ist - und sie haben Dich gern. Wie könnten sie auch anders?"

Er schnüffelt leise. Oh nein, ich wollte ihn doch nicht zum Weinen bringen!

"Hey." sage ich zärtlich und küsse ihn. Er küsst mich zurück und sagt dann leise "Ich bin nicht nur deshalb mit Dir zusammen. Ich hoffe, Du weißt das."

"Ja, das weiß ich." Ich drücke ihn zur Bestätigung an mich. Dann versinken wir wieder in Schweigen.

Es ist still im Zimmer, ich höre nur sein regelmäßiges Atmen und meine Augen fallen immer wieder zu, obwohl ich unbedingt wach bleiben will, falls er noch etwas sagt. Kurz bevor ich einschlafe, höre ich aus der Ferne, wie er ganz leise sagt "Ich liebe Dich, Denny." Bevor ich ganz ins Land der Träume abgleite antworte ich genau so leise "Ich liebe Dich, Jan."

Kapitel 18 – Ganz und gar!

Endlich Wochenende! Ich hole meinen Schatz von der Arbeit ab und wir fahren von dort direkt in die Stadt um einen riesigen Eisbecher zu vertilgen. Glücklicherweise ist pünktlich zum Wochenende die Sonne aus ihrem Urlaub zurückgekehrt und verwöhnt uns wieder mit Temperaturen um die 30 Grad. Morgen geht's definitiv endlich mal wieder zum See raus! Ich muss dringend wieder ins Wasser.

"Sag mal, Denny..." fängt Jan an und stochert in den Resten seines Erdbeerbechers, den er nicht nur bestellt hat um seinem Namen alle Ehre zu machen, sondern weil es wirklich sein Lieblingseis ist.

"Was denn?" frage ich und sehe ihm beim Stochern zu. Was jetzt wohl kommt?

"Wann wusstest Du eigentlich, dass Du... naja, dass Du auf Jungs stehst?" Er fragt, ohne mich anzusehen und beobachtet stattdessen, wie er mit seinem Löffel die Soße vom Boden des fast leeren Glasbechers an den Wänden hochzieht. Seine Ohren haben die Farbe von reifen Erdbeeren angenommen.

Ich überlege kurz und antworte "Keine Ahnung. Ich glaube, schon immer. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass es jemals anders gewesen ist. Und Du?"

Er sieht mich verständnislos an. "Das weißt Du doch."

"Nein, das meine ich nicht. Du hast doch bestimmt vorher auch schon mal auf andere Jungs geschaut, auch wenn Du ständig mit Mädels geknutscht hast, - was ich übrigens immer noch nicht nachvollziehen kann - oder etwa nicht?"

"Nein!" streitet er vehement ab.

Ich muss kichern, denn er scheint das tatsächlich zu glauben.

"Das glaube ich Dir nicht. Es gab doch bestimmt irgendeinen Schauspieler, Sportler, Sänger oder was weiß ich, der Dir gefallen hat."

Er überlegt und fängt an zu grinsen. "Kennst Du 'Desperate Housewifes'?"

Ich nicke und grinse ebenfalls. "Jetzt sag nicht, dass Du auch auf den schnuckeligen Gärtner stehst."

"Der Gärtner? Bist Du verrückt? Nein. Andrew, der Sohn von dieser Bree ist ziemlich süß." wieder flammen seine Ohren in einem zarten Rot auf.

"Nein." sage ich mit Überzeugung. "Der Latino-Gärtner, der ist scharf."

Er überlegt wieder, lächelt erneut. "Nico Rosberg finde ich auch nicht übel." Dieses Mal verfärbt er sich nicht mal nennenswert.

"Lieber Adrian Sutil." sage ich.

Es wird ein richtiger Wettstreit daraus. Ich brauche einen Gegenpart in jeder Sparte, die er anreißt. Kein Problem für mich, ich habe schon verdammt viele süße Jungs gesehen. Es geht weiter durch alle Bereiche, die das Showbusiness bietet.

"Orlando Bloom." - "Leo diCaprio."

"James Blunt." - "Ville Valo."

"Prince William." - "Ähm..."

Ich überlege krampfhaft. Mist! Innerhalb der Königshäuser stehe ich echt auf dem Schlauch. Erstens kenne ich mich dort nicht besonders aus und zweitens gibt es dort niemanden, den ich auch nur im Entferntesten süß finde. Jedenfalls fällt mir keiner ein, außer demjenigen, den er bereits genannt hat. Der süße William ist einfach das Royale Schnittchen schlechthin. Ich muss aufgeben, denn die Blöße 'Prince Harry' zu sagen, werde ich mir garantiert nicht geben.

"Ich habe gewonnen!" lacht er triumphierend und ich gebe mich gern geschlagen, denn ich habe noch einen dummen Spruch auf Lager.

"Also gut, Du bist der Sieger. Du hast schon mehr Jungs auf den Hintern geschaut, als ich." sage ich lachend und ernte dafür einen Stups gegen die Rippen.

"Stimmt gar nicht, darauf wette ich sogar."

"Besser nicht, sonst verliere ich noch mal." sage ich lachend.

"Was ist denn mein Preis?" fragt er und sieht mich so an, dass meine Haut zu prickeln beginnt.

"Den bekommst Du heute Nacht." flüstere ich ihm ins Ohr.

Er grinst unverschämt und sagt "Ich werde darauf zurück kommen."

"Darum möchte ich auch bitten!"

Als wir nach Hause fahren, klingelt mein Handy und Jan geht dran, weil ich ja während der Fahrt nicht telefonieren darf. Jens wundert sich gar nicht darüber, dass wir jetzt ständig zusammen hängen, immerhin wohnen wir in einem Haus und er hält uns für so etwas wie Brüder, da ist das doch normal. Seltsamerweise scheint niemand zu bemerken, dass wir erst seit einigen Wochen ständig zusammen sind. Wenn jemand darüber spricht, klingt es immer als seien wir schon seit Ewigkeiten so gut befreundet. Die meisten Leute sehen wirklich nur, was sie sehen wollen.

Wir verabreden uns für abends mit den anderen im Biergarten. Ich wäre zwar gerne mal wieder ein bisschen mit Jan alleine gewesen, aber wir haben ja noch die ganze Nacht und da er morgen nicht früh aufstehen muss, wird sie sicherlich ziemlich lang werden. Ich lechze nach seinen Berührungen wie ein Junkie im Entzug.

An diesem Abend wird erst einmal die Bilanz der ersten Arbeitswoche gezogen. Fast allen gefällt ihr Job einigermaßen. Jeder hat jede Menge lustige Geschichten zu erzählen und es ist schön, mal wieder alle zusammen zu haben. Aber obwohl es eine laue Nacht ist und wir viel Spaß haben, sitzen wir nicht allzu lange zusammen, denn irgendwie sind alle müde.

Nur ich nicht, ich bin spitz wie Nachbars Lumpi und kann es kaum erwarten, Jan nach Hause zu schleppen und auf mein Bett zu werfen. Dass es ihm nicht viel anders geht, merke ich daran, dass seine Hand auf der Heimfahrt nicht artig auf meinem Oberschenkel liegen bleibt und ich sie mehrmals wieder ein Stück herunter schieben muss. Es fällt mir nämlich ausgesprochen schwer, mich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren wenn er so an mir herum fummelt.

Zu Hause angekommen, fackeln wir nicht lange und stürzen direkt durch bis in mein Zimmer, wo wir uns die Sachen vom Leib reißen und überall im Zimmer verstreuen. Heftig knutschend sinken wir aufs Bett und ratz-fatz ist schon alles vorbei, so ausgehungert waren wir beide nach einander.

Während ich noch keuchend daliege, spüre ich, wie Jans Hände schon wieder zärtlich über meinen Körper wandern.

"Hey, warte. Gib mir doch wenigstens ein paar Minuten." sage ich atemlos und versuche halbherzig, mich dagegen zu wehren. Natürlich habe ich keine Chance, dafür fühlt es sich einfach zu gut an. Also schließe ich einfach die Augen und überlasse mich ihm.

Er ist unglaublich zärtlich, berührt jeden Zentimeter meiner Haut und küsst mich am ganzen Körper, bis alles in mir nach mehr schreit. Dann hört er plötzlich auf. Ich öffne die Augen und will ihn fragen, ob alles in Ordnung ist. Ich sehe direkt in seine dunklen Samtaugen. Er küsst mich ganz sachte und streicht mir das Haar aus der Stirn.

"Was ist los?" frage ich ihn leise.

Ohne den Blick von mir abzuwenden fragt er genau so leise "Willst Du mit mir schlafen, Denny? Ich meine... so richtig. Du weißt schon." Er läuft feuerrot an.

Wie bitte? Ich blinzle ein paar mal und fasse es nicht sofort. Als das Thema letztens zur Sprache kam, hatte ich den Eindruck, dass es für ihn total indiskutabel ist und jetzt fragt er auf einmal, ob ich will. Was für eine Frage! Natürlich will ich!!!

Obwohl - ich habe natürlich auch ein bisschen Angst, schließlich habe ich das auch noch nie gemacht. Ich möchte nicht, dass es für ihn nicht schön wird oder ich ihm sogar wehtue. Auf keinen Fall. Oh Mann, ich bin plötzlich total aufgeregt!

"Natürlich will ich. Und was ist mit Dir? Bist Du sicher, dass Du das auch willst? Oder willst Du es nur meinetwegen?" frage ich ihn.

"Ich will es auch. Ehrlich." Er wirkt ein bisschen nervös.

"Okay." flüstere ich und küsse ihn.

"Denny?" haucht er in mein Ohr. "Du... Du bist doch vorsichtig, oder? Ich meine, Du weißt ja, ich hab noch nie..." Seine Wange liegt heiß an meiner.

"Natürlich bin ich vorsichtig."

Meine Lippen wandern langsam an seinem Körper herunter, ich umkreise seine harten Brustwarzen mit der Zunge und er stöhnt leise. Ich küsse seinen Bauchnabel, arbeite mich langsam weiter, robbe noch ein Stück nach unten und fahre schließlich mit der Zunge langsam an der Innenseite seines Oberschenkels entlang. Ich küsse und beknabbere jede Stelle, die mir nur einfällt und als ich wieder bei seinen Lippen angelangt bin, dreht er sich langsam auf den Bauch. Schon seltsam, wann immer ich bisher an Sex mit einem anderen Jungen gedacht habe, war immer ich derjenige, der unten lag. Jetzt aber erscheint es mir so wie es ist total richtig.

Mein Herz hämmert, als wolle es meinen Körper verlassen, während ich mir vorsichtig ein Kondom drüber rolle. Nur gut, dass ich es gewagt habe, auch gleich todesmutig eine Tube Gleitgel zu kaufen, obwohl ich dabei am liebsten im Boden versunken wäre. Aber das war es offensichtlich wert. Sonst sähen wir jetzt aber alt aus.

Ich habe keine Ahnung, wie viel von dem Zeug ich nehmen muss, aber ich schätze, besser zu viel als zu wenig. Jan zuckt kurz zusammen und murmelt "Kalt."

"Sorry." sage ich nervös. Dann knie ich mich zwischen seine gespreizten Beine. Ich weiß überhaupt nicht, ob das wirklich funktionieren wird.

"Ah." sagt Jan leise und schnauft unter mir wie eine Dampfmaschine. Ich will ihm auf keinen Fall weh tun. Vorsichtig presse ich mich gegen ihn aber nichts passiert. Wie fest darf ich überhaupt? Meine Güte, wie machen das bloß die anderen? Mache ich vielleicht irgendwas falsch?

Ich verlagere mein Gewicht ein wenig und mein Arm, auf dem ich mich abstütze, beginnt, vor Anstrengung ein bisschen zu zittern. Ich bin für solche Kraftakte einfach nicht gemacht. Dann spüre ich plötzlich, wie er nachgibt und sich ein wenig für mich öffnet. Ich selbst atme genau so heftig wie Jan, der jetzt wieder ein leises Stöhnen von sich gibt.

Ich küsse seinen Nacken und flüstere "Alles okay? Sag mir, wenn ich Dir weh tue, dann höre ich sofort damit auf."

"Ist okay." sagt er ein bisschen hektisch. "Mach nur nicht so schnell."

Ich taste mich millimeterweise weiter vor, immer darauf achtend, ob es für ihn noch okay ist. Er legt den Kopf in den Nacken und keucht erregt, als ich mich schließlich ganz fest gegen ihn presse. Er greift nach meiner Hand und wir verschränken die Finger ineinander, während ich mich ganz langsam wieder zurückziehe um direkt danach wieder tief in ihn hinein zu gleiten. Es ist der absolute Wahnsinn! Wir treiben es jetzt tatsächlich 'so richtig' miteinander.

Nein. Nein, das ist falsch! Das trifft es nicht im Geringsten. Ich müsste vielmehr sagen, 'wir lieben uns'. Denn auch wenn es blöd und klischeehaft klingt, es ist genau das, was hier gerade passiert.

Ich bewege mich immer schneller in ihm und kann mich plötzlich nicht mehr bremsen. Ich liege auf ihm, presse mich schnaufend ein letztes Mal tief in ihn hinein und - explodiere. Und zwar überall gleichzeitig. Mein Kopf, mein Herz, mein Schwanz, alles verschmilzt in einer einzigen großen Explosion und ich beiße auf meine Hand um nicht laut heraus zu schreien. Ich will nicht behaupten, die viel zitierten Sterne zu sehen, aber es ist nicht weit davon entfernt. Ich habe mich noch nie jemandem so nahe gefühlt. Es ist, als wären wir nur noch eine einzige Person.

Ich sinke erschöpft auf seinen Rücken herunter, küsse seinen Nacken, streichel über seine Arme und zerwühle sein Haar. Ich möchte ihn am liebsten ganz fest halten. Er atmet schnell und bewegt sich nicht.

Langsam komme ich wieder zu Atem und denke, dass ich jetzt auch etwas für ihn tun sollte. Also rolle ich mich langsam von ihm herunter, lege mich neben ihn und streiche ihm das Haar aus der Stirn. Seine Wangen sind gerötet und seine Augen glänzen. Er sieht wunderschön aus und ich muss ihn einfach küssen.

Meine Hand fährt über seinen Rücken und seinen Po. Von dort wandert sie auf seine Hüfte und ich drehe ihn sanft auf die Seite, so dass er mir zugewandt liegt. Ohne den Blick aus seinen wunderschönen, samtigen und irgendwie glühenden Augen zu nehmen, streichel ich seine Brust und lasse die Hand ganz langsam tiefer und tiefer gleiten. Immer noch sagt er kein Wort. Er sieht mich nur an.

Ups, plötzlich gerät meine Hand in ziemlich klebrige Gefilde und ich bemerke gerade, dass ich das, was ich eigentlich vorhatte, im Moment gar nicht mehr für ihn tun kann. Er lächelt mich verlegen an und seine Wangen glühen noch einmal auf.

"Sorry." sagt er leise und schlägt die Augen nieder. Herrje, er sieht dabei einfach bezaubernd aus. "Ich fürchte, Dein Bett hat wieder mal was abgekriegt."

Ich lächel ihn an und ziehe ihn in meine Arme, er legt den Kopf auf meine Schulter. "Wen kümmert schon das Bett? Außerdem ist es überhaupt nicht mehr 'mein Bett', sondern unseres."

Kapitel 19 – Glückliche Zeit

Samstags schaffen wir es tatsächlich, länger liegen zu bleiben, als meine Eltern. Als ich wach geküsst werde, ist es schon richtig hell und ich traue meinen Augen nicht, als ich auf dem Wecker vorne eine "10" lese.

"Warum hast Du mich nicht eher geweckt?" maule ich missmutig. "Jetzt habe ich nur noch so wenig Zeit mit Dir zusammen. Du warst schon die ganze Woche nicht da. Ich habe Nachholbedarf."

"Ich konnte einfach nicht." sagt er zärtlich. "Du hast im Schlaf so niedlich ausgesehen, dass ich es nicht übers Herz gebracht habe, Dich eher zu wecken." Sein süßer Kuss erstickt weitere Beschwerden im Nu und ich kuschle mich in seine starken Arme.

"Und? Wie geht es Dir? Ich meine, wegen letzter Nacht."

"Großartig." Er drückt mich fest an sich. "Und Dir?"

"Phantastisch." sage ich leise. "Das war einfach - wow!"

"Das darfst Du jederzeit wieder mit mir machen." flüstert er und ich spüre bereits wieder einen leichten Temperaturanstieg in meinem Unterleib.

"Ich werde bestimmt darauf zurück kommen." wispere ich zurück. Ich hebe den Kopf und küsse ihn. Dann schmiege ich mich wieder in seine Arme.

"Was machen wir heute?" frage ich träge und denke bereits wieder an Schweinereien.

"Wir fahren zum See und ich schmeiße Dich ins Wasser." sagt er.

"Ach ja, wir wollten ja zum See..."

Ich hatte glatt vergessen, dass wir dort mit den anderen verabredet sind. Aber wenigstens ein bisschen Zeit bleibt uns noch bis dahin. Wir genießen es, einfach im Bett liegen zu bleiben und den Körper des anderen zu spüren. Mann, bin ich verliebt!

Es klopft.

"Hey, Ihr Schnuckis! Nur von Luft und Liebe könnt selbst Ihr nicht leben. Frühstück ist gleich fertig!" ruft meine Mam durch die geschlossene Tür. Ich trenne mich mühsam von Jans Lippen und antworte "Ja, gleich. Zehn Minuten noch!" Lieber wären mir zehn Stunden gewesen, aber es nützt ja nichts.

Wir krabbeln widerwillig aus dem Bett und duschen in Rekordtempo, was auch nur deshalb funktioniert, weil wir es nacheinander tun.

Schließlich treffen wir mit Unschuldsmienen in der Küche ein. Es muss ja nicht gleich jeder wissen, dass wir selbige gerade heute Nacht gewissermaßen verloren haben, obwohl ich vielleicht einkalkulieren sollte, dass meine Mam uns durchschaut. Es wäre schließlich nicht das erste Mal.

Meine Eltern fahren nach dem späten Frühstück direkt zu Bekannten, mit denen sie den Tag verbringen wollen. Bei der Verabschiedung sagt meine Mam mit einem Augenzwinkern "Und, Jungs. Geht zwischendurch auch mal raus, okay?" Wir grinsen und nicken, weil wir natürlich die sturmfreie Bude nutzen und gleich wieder in meinem Zimmer verschwinden werden.

Natürlich kommen wir durch gewisse Verzögerungen im Tagesablauf erst mit leichter Verspätung am See an, so dass die meisten schon da und die guten Plätze alle belegt sind. Dass wir ein bisschen an den Rand ausweichen müssen, stört uns allerdings nicht so wirklich. Im Gegenteil. So sitzen wir wenigstens nicht unmittelbar auf dem Präsentierteller.

Jan löst sein Versprechen ein und wirft mich tatsächlich im hohen Bogen vom Steg ins Wasser, aber ich erwische ihn eiskalt, als er nach seinem Kopfsprung gerade wieder auftaucht und drücke ihn runter. Ich könnte ihn fast unter Wasser halten, aber dass er dort dreist meinen Bauch küsst, bringt mich ein wenig aus dem Konzept. Er kommt prustend wieder hoch und grinst sein süßes, unverschämtes Grinsen.

"Ist was, Dennis?" fragt er frech und schluckt danach eine ordentliche Ladung Wasser, denn ich stürze mich direkt wieder auf ihn.

Die anderen sehen unsere kleine Balgerei und schließen sich nur zu gerne an, so dass schon bald eine wundervolle Wasserschlacht im Gange ist. Als wir hinterher alle triefnass und außer Atem auf unseren Handtüchern liegen, stiehlt sich Jans Hand ganz kurz in meine. Ich sehe ihn an und wir werfen uns einen kurzen aber tiefen Blick zu. Verflucht! Wie gerne würde ich ihn jetzt küssen und mich an ihn lehnen. Gemein, dass die anderen das einfach so tun dürfen und wir nicht!

Mark stellt für Abends die Terrasse seiner Eltern zur Verfügung. Wir können sogar den Grill benutzen, allerdings müssten wir alles mitbringen. Da die Geschäfte bereits geschlossen sind, beschließen wir, dass alle erst einmal nach Hause fahren und Kühlschränke und Gefriertruhen durchforsten, um zu sehen, was wir zusammen bekommen. Es wird bestimmt niemand verhungern müssen, wie ich unsere Eltern kenne.

Bei uns zu Hause ist alles ruhig, meine Eltern sind also noch unterwegs. Im Kühlschrank finden wir tatsächlich ein paar Stücke eingelegtes Fleisch und Tomaten. Außerdem möchte ich wetten, dass wir noch Grillwürstchen in der Kühltruhe im Keller haben. Während ich kopfüber bis zu den Schultern in der Truhe verschwunden bin, bereitet Jan in der Küche den Tomatensalat vor. Das Dressing mache allerdings besser ich, denn er hat vom Kochen so viel Ahnung wie eine Kuh vom Fahrradfahren.

Als ich triumphierend mit meiner Beute, einem eisigen Zehnerpack Grillwürstchen, wieder in die Küche komme, hat er die Tomaten bereits fachmännisch getötet. Ich zaubere ein bisschen mit Essig, Öl, Salz, Pfeffer und Kräutern herum und hoffe, dass meine Mam uns nicht killt, weil wir ihr die Vorräte geklaut haben.

Während ich gerade Schnittlauchröllchen schneide, schlingen sich zwei Arme um meine Taille und Jan legt seinen Kopf auf meine Schulter um mir dabei zuzusehen.

"Du bist unheimlich sexy, wenn Du in der Küche stehst." flüstert er mir ins Ohr und sieht auf meine Hände, die sicher mit dem Messer hantieren.

"So so." sage ich zu ihm, ohne die Augen vom Schneidebrett zu nehmen. "Glaub aber bloß nicht, dass Du deshalb für immer ums Kochen herum kommst." Ich drehe mich in seinen Armen um und drohe spaßeshalber mit dem Messer. "Du siehst in der Küche nämlich auch verdammt sexy aus."

"Wir können ja zusammen kochen. Du bringst es mir bei."

"Ja, klar." lache ich. "Das kann nur gut werden, schließlich lassen wir nichts anbrennen." Dann küsse ich ihn um ihm zu beweisen, dass ich Recht habe. Er nimmt das Messer vorsichtig aus meiner Hand und legt es auf die Arbeitsplatte. Dann hebt er mich hoch, trägt mich ins Wohnzimmer und wirft mich auf das Sofa. Er legt sich halb auf mich und schiebt seine Hände unter mein Shirt. Ich schließe die Augen und genieße seine Berührungen. Eigentlich müsste ich Einspruch erheben, weil wir sonst bestimmt schon wieder zu spät kommen, aber mal ehrlich - ich wäre doch verrückt!

Ruck zuck fliegen die T-Shirts auf den Boden und die Jeans gleich hinterher.

"Nicht hier, komm mit." sage ich und ziehe ihn an der Hand in unser Zimmer. Man soll es ja nicht übertreiben. Schließlich weiß ich nicht genau, wann meine Eltern nach Hause kommen und bei allem Verständnis, das sie haben, weiß ich nicht, ob sie gewisse Dinge unbedingt sehen müssten.

In unserem Zimmer machen wir an der Stelle weiter, wo wir im Wohnzimmer aufgehört haben. Er schiebt mich langsam auf das Bett und legt sich dann zu mir, küsst mich intensiv und drängt sich gegen mich. Obwohl wir eigentlich keine Zeit mehr haben, kann ich mich nicht gegen seine fordernden Berührungen wehren.

Danach kann ich einfach nicht sofort aufspringen, duschen gehen oder irgendetwas anderes tun. Das geht einfach nicht. Jan liebt es zum Glück ebenso, eng aneinander geschmiegt da zu liegen. Einfach nur so, ohne etwas sagen zu müssen, die Nähe des anderen zu spüren. Er zieht mich fester an sich und streichelt über meine Schulter.

"Ich glaube, wir müssen jetzt so langsam los." sagt er leise.

"Mmhmm." sage ich zur Bestätigung, bewege mich aber kein Stück. Mein Kopf ruht auf seiner Brust, die sich langsam hebt und senkt.

"Noch eine Minute Deine Haut spüren." murmle ich.

"Willst Du lieber hier bleiben?" fragt er leise und ich antworte "Ja, natürlich. Aber lass uns trotzdem gehen. Die anderen würden sich doch sonst arg wundern." Ich drehe ihm mein Gesicht zu und küsse ihn, dann reiße ich mich mühsam los und stehe auf.

"Kommst Du mit unter die Dusche?" frage ich ihn und halte ihm meine Hand hin. Er legt seine hinein und steht ebenfalls auf.

"Du weißt schon, wie Du mich aus dem Bett bekommst." sagt er lächelnd und ich antworte "Klar. Dafür weißt Du aber, wie Du mich rein bekommst."

Grinsend folgt er mir ins Bad und wir seifen uns gegenseitig den Rücken ein. Na gut, zugegeben, nicht nur den Rücken.

Wir treffen trotz allem nur eine gute halbe Stunde zu spät bei Mark ein und niemand scheint dabei etwas Außergewöhnliches zu finden, denn in der letzten Zeit sind wir prinzipiell eher selten durch übermäßige Pünktlichkeit aufgefallen. Wir stellen das mitgebrachte Essen zu dem ganzen Zeug, das die anderen angeschleppt haben. Verhungern werden wir heute wirklich nicht. Der Tisch ist gut gefüllt. Dann suchen wir uns einen Platz auf der langen Steinbank.

Jan hilft Mark dann noch dabei, die Getränke im Keller in den Kühlschrank zu packen und als er zurück kommt, hat sich bereits Andy neben mich gesetzt. Was hätte ich denn sagen sollen? Dass ich unbedingt neben Jan sitzen muss weil wir... wohl kaum! Hoffentlich halte ich es einen ganzen Abend ohne ihn an meiner Seite überhaupt noch aus. Ich bin das gar nicht mehr gewohnt. Die Blicke, die er mir über den Tisch hinweg zuwirft, sprechen Bände und ich bin beruhigt, dass ich nicht der einzige Verrückte in unserer Beziehung bin.

Der Abend wird trotzdem richtig gut, auch wenn ich wieder nichts trinken kann, weil ich noch fahren muss. Ich schaffe es aber trotzdem, fast genau so viel Blödsinn zu reden wie die anderen, die zum Teil mächtig getankt haben. Liebe macht anscheinend genau so besoffen wie Bier. Nur schöner.

Mit breitem Grinsen nehme ich zur Kenntnis, dass sich zwischen Sylvia und Andy etwas anzubahnen scheint. Es scheint auch Manuela aufgefallen zu sein, denn sie kneift mir über den Tisch hinweg ein Auge zu. Dann winkt sie mich zu sich.

Ich quäle mich aus der Bank und quetsche mich neben sie.

"Hey Dennis. Hast Du die Beiden da drüben schon gesehen?" flüstert sie mit einem schelmischen Lächeln.

"Sind ja nicht zu übersehen." flüstere ich zurück und kichere.

"Das wurde aber auch Zeit." sagt sie. "Die umkreisen sich schon ganz schön lange. Aber es ist immer das Gleiche. Bis Ihr Kerle mal was bemerkt..."

Eigentlich fühle ich mich gar nicht angesprochen, schließlich war Jan der Nichtsmerker in unserer Beziehung.

"Was soll das denn heißen?" lege ich trotzdem Protest ein. Ich weiß ja, was von mir erwartet wird.

"Na komm." sagt sie. "Meistens müssen doch wir Mädels den Anfang machen, gib es schon zu. Es sei denn, es hilft freundlicherweise jemand nach." Sie stupst mich an und denkt wohl auch gerade an meine Aktion bei der Party.

"Wenn Du diesbezüglich auch mal meine Hilfe brauchen solltest..." sagt sie verschwörerisch und erwartet jetzt wohl, dass ich irgendetwas ausplaudere. Aber da hat sie sich geschnitten.

"Ich werde es Dich wissen lassen, falls es mal was zu helfen gibt." sage ich und hoffe, dass das Thema damit erledigt ist. Ist es auch, aber was dann kommt, ist fast noch schräger.

Sie fragt mich nämlich tatsächlich, was um alles in der Welt ich denn mit Jan angestellt hätte. Der ehemals berüchtigte Weiberheld hätte ja schon so lange keine Herzen mehr gebrochen. Offensichtlich würde ich einen guten Einfluss auf ihn ausüben.

Ach Du Schreck! Ich stammle blöd herum, dass er wohl durch den Stress zu Hause keinen Blick mehr für die Mädels hat und lüge, dass mir die Veränderung gar nicht so aufgefallen ist. Sie allerdings findet, dass er sich mächtig verändert hat, seit wir befreundet sind. Nur gut, dass sie nicht ahnt, wie sehr!

"Dabei habe ich am Anfang ehrlich gesagt gedacht, er kann Dich nicht mal besonders leiden. Und jetzt seid Ihr die dicksten Freunde und er wohnt sogar bei Euch. Ist schon seltsam, wie sich manche Dinge entwickeln, was?"

"Ja, seltsam. In der Tat." antworte ich schwitzend.

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