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Leanders Erbe

Teil 3

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Lauri

Der blonde junge Mann hockte am Flussufer und zerrte an etwas. Mit wenigen, großen Schritten war Lauri bei ihm. Finn hielt einen schmalen Körper umklammert und mühte sich damit ab, den schlaffen Leib aus dem Wasser zu ziehen. Lauri packte den bewusstlosen Jungen unter den Armen und hob ihn scheinbar mühelos ans Ufer.

„Wer ist das?“

„Keine Ahnung! Aber er lebt noch, siehst du?!“

Lauri erkannte ebenfalls den regelmäßigen Atem des Jungen und taxierte sofort den schmächtigen Körper, um Verletzungen festzustellen. Ziemlich eindeutig war ein gebrochener Arm, der seltsam verdreht neben dem schmalen Körper hing. Ansonsten schien er nur einen ordentlichen Schlag auf den Kopf bekommen zu haben. Die Platzwunde an seiner Stirn blutete aber bereits nicht mehr. Dafür zeichneten sich schon einige Prellungen und Schürfwunden im Gesicht des Jungen ab.

„Kannst du ihm helfen?“

Gegen Finns flehenden Blick kam er nicht an. Aber vorsichtshalber schob er das Hemd des Jungen ein Stück zur Seite, um ein mögliches Brandmal der Wessington Bande auf der Brust zu erkennen. Den Oberkörper des schmächtigen Jungen verschandelte jedoch keine Narbe, so dass Lauri zumindest grob ausschließen konnte, dass es sich um einen von Colins Männern handelte, bevor er ihn hochhob und mit Finn im Schlepptau zur Hütte trug.

Mit wenigen Handgriffen hatte er die oberflächlichen Wunden des Jungen gereinigt und machte sich nun an den schlaff herabhängenden Unterarm.

„Wollen wir mal hoffen, dass es ein glatter Bruch ist …“, murmelte er und bemühte sich den Arm vorsichtig wieder in seine richtige Position zu drehen.

Der plötzliche Schmerz brachte wieder Leben in den Jungen, der mit einem Aufschrei die Augen aufriss und sich aufbäumte.

„Finn hilf mir mal!“, presste Lauri zwischen den Zähnen hervor und versuchte, den wild um sich schlagenden Jungen zurück auf das Lager zu drücken.

Finn sprang sofort an seine Seite und sprach beruhigend auf den verwirrten jungen Mann ein.

„Hey, keine Angst! Wir versuchen dir nur zu helfen! Beruhige dich doch!“

Gemeinsam hielten sie ihn auf dem Lager einigermaßen ruhig, bis er die Augen verdrehte und erneut in sich zusammensackte.

„Was ist mit ihm?“

„Nichts … er ist nur wieder ohnmächtig geworden. Umso besser, dann kann ich in Ruhe arbeiten. Gib mir mal das schmale Brett da drüben und ich brauche Stoffbahnen zum Verbinden.“

Da es keine Gegenwehr mehr gab, wurde Lauri schnell fertig und ließ sich anschließend mit Finn vor dem Feuer nieder. Wo kam der Junge her? Er mochte kaum älter als 14 sein.

„Hast du ihn im Dorf gesehen, als Colin und Genzo dort waren?“

Finn schüttelte den Kopf und starrte in die Flammen.

„Nein … er ist mir zumindest nicht aufgefallen und ich habe ihn auch nicht gesehen, als ich nach dem Massaker im Dorf war. Aber ich bin mir sicher, dass er von dort stammt. Was sollte das sonst für ein seltsamer Zufall sein?“

„Ja, ein seltsamer Zufall …“, brummte Lauri. Er hatte jedoch eine eigene Theorie. Was wenn Colin wusste, wo er und Finn sich aufhielten? Was wenn der Junge einer der neuen Anwärter der Wessington Bande wäre und Colin ihn auf sie angesetzt hätte?

„Was denkst du?“ Finns Frage riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ich … ach keine Ahnung. Ich mache mir bloß Sorgen!“

„Du bist ein schlechter Lügner!“

„Na schön, wenn du es genau wissen willst. Ich denke er könnte ein Spitzel sein!“

Finn riss seine hübschen grünen Augen auf.

„Ein Spitzel? Lauri ich bitte dich!“ Ein ungläubiger Ausdruck stahl sich auf sein Gesicht.

„Wie sollte er ein Spitzel von Colin sein? Warum ist er dann so zugerichtet? Nein, das glaube ich nicht. Er wurde eher von Genzo und seinen Männern zusammengeschlagen, und du hast doch eben nachgesehen - ja das habe ich sehr wohl mitgekriegt - er hat kein Brandmal!“

Lauri schüttelte den Kopf über die Naivität seines Freundes.

„Ich traue Colin alles zu!“

„Auch, dass er seine eigenen Leute so zurichtet?“ Finn lehnte sich zurück und musterte Lauri eindringlich. „Also das kann selbst ich kaum glauben und ich kenne Colin leider nur zu gut!“

„Glaub, was du willst … wir sollten vorsichtig sein!“, brummte Lauri und warf einen Blick in die schummrige Ecke aus der nur ein flacher aber regelmäßiger Atem zu vernehmen war.

Finn

Sie hatten sich ein weiteres Lager vor dem Kamin eingerichtet und ließen den verletzten Jungen schlafen. Lauri wich mal wieder keinen Zentimeter von seiner Seite, als wäre der Kleine eine solch große Gefahr. Aneinandergekuschelt versuchte Finn zu schlafen, was ihm schwer fiel, da wieder einmal lauter grausame Bilder vor seinem inneren Auge abliefen. Was ging nur in Colin vor? Finns Schuldgefühle erreichten neue Sphären. War es nicht schon grausam genug, dass er seinen eigenen Vater getötet hatte? Jetzt schien es fast so, als hätte er es dadurch nur noch schlimmer gemacht. Damals wussten die Menschen in den umliegenden Dörfern zumindest, was sie erwartet, aber Colin schien völlig unberechenbar zu sein.

Finn lauschte auf Lauris Atem. Wie immer tief und regelmäßig. Dennoch war es gut möglich, dass auch Lauri noch kein Auge zugetan hatte. Schließlich schlief ein Fremder, eine potentielle Gefahr, mit ihnen unter einem Dach. Das bedeutete, dass Lauri auf alles gefasst war.

Finn drückte den Arm, den Lauri um ihn gelegt hatte, noch etwas fester gegen seine Brust, als ihm ein irrwitziger Gedanke in den Sinn kam. „Dürfen wir zulassen, dass Colin den Menschen hier das antut?“

Er biss sich auf die Lippe. Wenn man diesen Gedanken weiter dachte …, wohin führte das dann?!

Der Fremde schlief. Auch am nächsten Morgen war kein Laut aus der dunklen Ecke zu vernehmen, so dass Lauri Finn sogar einen Moment mit ihm allein gelassen hatte, um sich zu erleichtern.

Finn hatte derweil ein kleines Frühstück hergerichtet und balancierte einen Becher und eine Schüssel mit Haferbrei zu dem verletzten Jungen.

Überrascht stellte er fest, dass dieser die Augen geöffnet hatte. Dunkelbraun. Wie ein Rehkitz und mindestens so verschüchtert hockte der Junge in der Ecke und starrte Finn mit aufeinandergepressten Lippen an.

„Ähm … guten Morgen!“, versuchte Finn es mit einem freundlichen Lächeln.

„Geht es dir besser?“ Er stellte den Becher und die Schüssel neben dem Bett auf einem Schemel ab und blieb etwas unschlüssig stehen, da der Fremde ihm nicht antwortete.

„Ich … habe dir etwas zu essen gemacht. Vielleicht hast du Hunger?“ Er deutete auf den Schemel, falls der Junge seine Sprache vielleicht nicht verstand.

Der Blick des Jungen wanderte auch tatsächlich zur Schüssel, aber genauso schnell auch wieder zurück zu Finn. Ob er Angst hat? Er hat sicher Angst, entschied Finn im Stillen und trat daher einige Schritte zurück, bevor er sich in gebührendem Abstand auf den Boden setzte.

„Kannst du mich verstehen?“, versuchte er es noch einmal und diesmal nickte der Junge kurz, wenn auch argwöhnisch.

„Ich, wir … wir wollen dir nichts tun! Ich habe dich unten am Fluss gefunden. Du warst verletzt. Ich bin Finn und mein Freund heißt Lauri. Du brauchst keine Angst zu haben. Iss ruhig etwas!“

Ohne Finn aus den Augen zu lassen, bewegte der Junge sich in Richtung des Schemels. Die Schüssel mit dem Brei zog er mit dem unverletzten Arm zu sich herüber und nach dem ersten Löffel, den er vorsichtig kostete, schlang er den restlichen Brei wie ein Verhungernder in sich hinein.

Na immerhin etwas …

Plötzlich stand Lauri wieder im Raum. Finn hatte ihn nicht kommen hören und auch der Fremde schien überrascht, da er sich erschrocken wieder etwas zurückzog.

„Du bist wach!“, stellte Lauri trocken fest und Finn missfiel der kühle Unterton seines Freundes.

„Wo kommst du her?“, bohrte Lauri weiter.

Finn wunderte es nicht, dass der Junge sich zurückzog. Lauri konnte bedrohlich wirken. Er zog seinen Freund beschwichtigend am Ärmel.

„Jetzt lass ihn doch erst mal etwas essen und wieder zu Kräften kommen!“

Lauri brummte nur. Wer wusste schon, was wieder in seinem Kopf vorging. Wenn er immer noch dachte, der kleine schmächtige Junge wäre ein Spitzel von Colin, wollte er sicher nicht einmal, dass er wieder zu Kräften kam.

Aber er ließ ihn fürs Erste zufrieden und setzte sich mit Finn an den Tisch, um ebenfalls zu frühstücken.

„Hast du schon etwas aus ihm herausbekommen?“, flüsterte Lauri.

Finn schüttelte den Kopf. „Nein, er spricht nicht!“

„Und das findest du nicht verdächtig?“

„Lauri, mach dich nicht lächerlich! Der Junge hat Angst!“

Lauri schnaubte verächtlich und löffelte ebenfalls seinen Brei.

Finn beobachtete seinen Freund eine Weile.

„Vielleicht solltest du mich mit ihm reden lassen!“

„Ich denke mit dir redet er auch nicht!“

„Aber du machst ihm Angst!“

„Hah!“

Finn runzelte genervt die Stirn. „Warum bist du so?“

Lauri seufzte und warf einen Blick in die Richtung des Fremden.

„Ich mach mir einfach nur Sorgen, ok?! Du bist einfach zu gutgläubig!“

„Lass das zur Abwechslung doch mal meine Sorge sein, in Ordnung?“

„Schön!“

Finn spürte, dass Lauri mal wieder genervt war. Aber was konnte er daran jetzt schon ändern. Das Ganze war schließlich ihr Lieblingsstreitthema. Er würde sich schon wieder abregen.

Gemeinsam räumten sie schweigend den Tisch ab. Finn schlich sich zum Lager herüber. Der Junge schien wieder eingeschlafen zu sein. Leise nahm er die leere Schüssel vom Schemel, um sie mit den anderen beiden zu säubern. Lauri stand an der Tür und blickte in Richtung des Flusses. Was nur schon wieder in seinem Kopf vorging …?

Lautlos war Finn hinter seinen Freund getreten und schlang beide Arme um ihn.

„Ich möchte einfach nur noch weg von hier … mit dir!“, seufzte Lauri.

„Mh …“, machte Finn und lehnte seinen Kopf gegen die Schulter seines Freundes. Das wollte er auch. Oder …? Der seltsame Gedanke blitzte wieder auf. Aber Finn konnte ihn erfolgreich verdrängen. Eine Weile standen sie schweigend im Türrahmen und sahen auf den Fluss, bis Lauri sich von ihm löste.

„Ich seh´ mal nach dem Pferd und besorge noch etwas Feuerholz.“ Er drückte Finn einen Kuss auf die Stirn und verschwand um die Ecke der Hütte. Finn schlenderte zurück in die Stube. Der Junge schien noch zu schlafen. Also setzte er sich an den Tisch und kramte einige Unterlagen heraus. An dem Tag als er seinen Vater getötet hatte, war er zuvor damit beschäftigt gewesen, die Buchhaltung für Luca zu überarbeiten. In der Eile hatte er damals einige Zettel einfach in seine Tasche gesteckt. Vielleicht fand er hier noch nützliche Informationen? Hauptsächlich ging es um die Schutzgelder, die Luca von Genzo in den umliegenden Dörfern hatte eintreiben lassen. Aber es war auch ein Zettel dabei, der von Colins Vater stammte. Finn erkannte die Handschrift sofort. Denn auch für seinen Onkel hatte er stets die Rechnungen verwaltet. Allerdings hatte dieser Zettel wohl nichts mit irgendwelchen Schutzgeldern zu tun.

Finigan sagt, er stamme aus dem Dorf südlich des Flusses. Du musst schnell sein. Er weiß zuviel!

Finn runzelte die Stirn. Wer war Finigan? Weder in der Bande hatte es bis dato jemanden dieses Namens gegeben und auch im näheren Umfeld seines Onkels kannte er keinen Finigan. Das Dorf südlich des Flusses … War das möglicherweise das Dorf, das Colin niedergemetzelt hatte? Aber von wem war die Rede? Ob er Lauri den Zettel zeigen sollte? Wahrscheinlich würde es ihn nicht interessieren. Schließlich wollten sie Wessington Forrest so bald wie möglich verlassen. Eigentlich …

Marlon

Sein Arm schmerzte noch, aber langsam ließ das Pochen nach. Still beobachtete er den ruhigen jungen Mann, der am Tisch saß und sich einige Notizen machte. Er schien gebildet zu sein, wenn er schreiben konnte. Marlon selbst konnte nur wenige Worte lesen und schreiben und es wurmte ihn, nicht zu wissen, was Finn dort schriftlich festhielt.

Als die Tür aufgestoßen wurde, zuckte Marlon mal wieder leicht zusammen. Der Kräftige mit den dunklen Locken war wie ein Schatten. Plötzlich tauchte er lautlos auf. Marlon mochte ihn nicht besonders. Er wirkte immer kühl und grimmig. Nur in wenigen Momenten klarte sich seine Miene auf. Zum Beispiel wenn er sich mit dem Blonden allein wähnte …

„Finn?!“

„Mh?“

Der Blonde sah von seinen Papieren auf.

„Ich mache noch eine kurze Runde!“

Der Grimmige warf einen Blick in die schummrige Ecke, in der Marlon lag, der sich sicherheitshalber schlafend stellte. Obwohl Lauri nun flüsterte, konnte Marlon jedes Wort verstehen.

„Kann ich dich mit ihm allein lassen?“

Finn folgte kurz Lauris Blick.

„Ich denke schon. Ich glaube, er schläft. Mach dir nicht immer so viel Sorgen!“

Marlon entging das zärtliche Lächeln auf Finns Lippen nicht.

„Ich mein ja nur wegen …“ Zaghaft strichen Lauris Fingerspitzen über Finns flachen Bauch.

Marlon erstarrte in seiner Ecke. Was ging zwischen den beiden vor?

„Pass auf dich auf!“, entgegnete Finn nur leise.

Marlon beobachtete noch, wie Lauris Hand von Finns Schulter den Arm hinabglitt und zum Schluss sanft über die Hand des blonden jungen Mannes strich, bevor der Grimmige sich umdrehte und die Hütte zügigen Schrittes verließ.

Hatte er die Luft angehalten? Auf jeden Fall atmete er etwas zu geräuschvoll aus und hätte sich im nächsten Moment dafür ohrfeigen können. Erst Recht als Finns sanfte Stimme zu ihm herüberklang.

„Na, hast du genug gesehen und gehört?“

„Du wusstest, dass ich nicht schlafe?“, fragte Marlon kleinlaut zurück und setzte sich auf. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, nicht mit den beiden jungen Männern zur sprechen. Aber nun war er zu überrascht gewesen und die Worte waren ihm einfach über die Lippen gehuscht.

Finn sah erneut von seinen Papieren auf und grinste ihn an.

„Jetzt bin ich sicher! … Wie geht es deinem Arm?“

Unwillkürlich fasste Marlon sich an den gebrochenen Unterarm.

„Es wird besser, denke ich …“

„Lauri kennt sich gut mit solchen Dingen aus! Er hat sicher ganze Arbeit geleistet!“

Also hatte der dunkle junge Mann seine Wunden versorgt und seinen Arm gerichtet. Irgendetwas daran störte ihn. Er wollte Lauri nichts schuldig sein.

Gleich darauf fielen ihm die seltsam vertrauten Augenblicke zwischen Lauri und Finn wieder ein. Eine Frage brannte ihm auf der Zunge, aber er wusste nicht, ob er sie stellen konnte.

„Darf ich dich etwas fragen?“

Der Blonde schien ihm vertrauenswürdig zu sein. Dennoch sah Finn ihn einen Moment unschlüssig an, bevor er antwortete.

„Eine Wahrheit für eine Wahrheit! Ich beantworte dir eine Frage, wenn du mir eine beantwortest!“

Marlon überlegte kurz, bevor er aufstand und sich zu Finn an den Tisch setzte. Notfalls konnte er immer noch lügen.

„Willst du anfangen?“, fragte Finn freundlich.

Marlon nickte. Nur nicht mit der Tür ins Haus fallen …

„Warum habt ihr mir geholfen?“ Gute Frage für den Anfang!

„Du warst verletzt!“

„Aber ihr kennt mich doch gar nicht.“

„Spielt das eine Rolle? Ich finde das gehört sich so!“

„Das sehen einige Menschen aber anders!“, gab Marlon verbittert zurück.

„Ich kann nur für Lauri und mich sprechen“, erwiderte Finn lapidar. „Ich bin dran!“

Unwillkürlich versteifte Marlon sich, was ihm einen verwunderten Blick aus aufgeweckten grünen Augen einbrachte.

„Wer hat dich so zugerichtet?“

Marlon bemerkte, dass ihm bei dieser Frage kalter Schweiß ausbrach. Er kannte Finn nicht. Woher sollte er wissen, ob er ihm vertrauen konnte.

„Genzo und seine Männer …“ Die Worte waren einfach so über seine Lippen gekommen und als könne er die Zeit zurückdrehen oder zumindest verhindern, dass er noch mehr erzählte, presste er seine Lippen jetzt so fest aufeinander, dass es fast weh tat.

Finns Blick verfinsterte sich.

„Also warst du bei dem Angriff auf die Siedlung dabei?“

„Ich bin dran!“, warf Marlon schnell ein. Zumindest konnte er etwas Zeit schinden.

Finn lehnte sich zurück und wartete.

„Was macht ihr hier?“

Finn ließ sich Zeit mit der Antwort.

„Wir … bereiten uns darauf vor, Wessington Forrest zu verlassen. Sobald ich mich für eine längere Reise genug erholt habe.“

Marlon war die Verwirrung ins Gesicht geschrieben, so dass Finn auch noch die unausgesprochene Frage beantwortete, indem er sein Hemd soweit anhob, dass Marlon den Verband an seinem Bauch erkennen konnte.

„Also hast du in dem Dorf gelebt, das Colin und Genzo angegriffen haben?“ Marlon konnte echtes Mitleid und Bedauern in Finns Augen und seiner Stimme erkennen. Er schluckte beim Gedanken an den furchtbaren Tag.

„Früher mal ja …, aber eigentlich habe ich nicht mehr dort gelebt.“ Er hoffte, dass Finn sich mit dieser Antwort zufrieden geben würde. Er konnte einfach nicht das Risiko eingehen, zu viel zu verraten. Stattdessen kratzte immer noch diese unverschämte Frage in seinem Hinterkopf.

„Mh … Lauri und du … ihr, ihr seid nicht verwandt, oder? Ich meine, ihr wirkt sehr … vertraut … miteinander.“

Finn sah ihm stumm tief in die Augen, was ihn erröten ließ. Rasch wandte er seinen Blick ab.

„Nein, wir sind nicht verwandt!“, seine Stimme war kaum zu deuten. „Aber uns verbindet etwas, ja. Lauri ist mein engster Freund … ich liebe ihn … und er mich, aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst!“ Am Ende schwang eine seltsame Verbitterung in seiner Stimme mit und er wirkte distanziert, wie Marlon den jungen Mann bisher nicht erlebt hatte.

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