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Blickwinkel

Teil 1

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Wie die Zeit ins Land ging, als ich die Story »Mit Anderen Augen« beendete, so haben sich auch Carsten und Andreas in London weiterentwickelt. Seit dem Umzug in die britische Metropole ist viel Wasser in der Themse geflossen. Mit »Blickwinkel« beginnt ein neuer Lebensabschnitt der beiden Endzwanziger, soviel sei verraten …

Chapter 1

»Frühstück Carsten?«

»Gerne! Guten Morgen, seit wann bist du auf? Ich habe nicht bemerkt, wie du aufgestanden bist.« Andreas grinste seinen Mann an, auch wenn Carsten es nicht sah. »Seit zwei Stunden, die Hunde wollten in den Garten. Bei dir ist es sehr spät geworden? Dein Kaffee steht auf 3 Uhr, Zucker und Milch auf 12 Uhr, 30 cm.« Es war ihm zur Gewohnheit geworden, Carsten nur schwarzen Kaffee einzuschenken. Sowohl Zucker als auch Milch nahm sich Carsten nach Bedarf.

»Danke, heute Schwarz. Ja es wurde spät. Man darf die Iren einfach nicht unterschätzen, wenn sie feiern.« Ein schelmisches Lächeln umspielte seine Lippen. »Wie viel Guinness?« Andreas Neugier war unbändig. »Ein Einziges, vor allem viele Songs. Ich habe kennenlernen dürfen, was gute Musiker aus einer einfachen irischen Harfe und einer Gitarre herausholen können. Eine wertvolle Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte.« Carsten unterbrach sich, um einen Schluck Kaffee zu trinken. Er genoss wahrlich den Aufguss. Andreas machte einen besonderen Kaffee, der ihm den Start in den Tag erleichterte. »Aber nun zum Tagesgeschehen. Hast du dir Gedanken über meinen Vorschlag gemacht?«

Sie hatten seit dem Studium ihre eigene Wohnung mit Garten in einem Vorort von London. Carsten hatte Musik studiert und war nicht nur ein bekannter Konzertpianist, sondern hatte auch an der Royal College of Music eine Dozentenstelle. Andreas hatte nach seiner Ausbildung bei der Royal Horticultural Society ausgezeichnete Referenzen, dass er sich seine Universität für Garten- und Landschaftsarchitektur aussuchen konnte. Nach dem Studium hatte er sich einen Namen als freier Architekt im Landschafts- und Gartenbau gemacht. Sein Wissen reichte von alten viktorianischen Gärten bis hin zu den modernen multifunktionalen Parkanlagen. In seiner Bibliothek fanden sich Pläne der verschiedensten internationalen Parks und öffentlichen Gärten, was dazu führte, dass ihre Wohnung langsam aber sicher zu klein wurde. Denn auch Carsten hatte einen nicht unerheblichen Bestand an Material in seiner Bibliothek. Darum hatte er Andreas vorgeschlagen, sich nach einem geeigneten Haus umzusehen, das genug Platz für alle bot. »Die Idee ist grundsätzlich gut. Ich sehe ja, dass unsere Wohnung aus allen Nähten platzt. Salvatore und Leonardo benötigen auch ihre Ecke, um zur Ruhe zu kommen. Im Sommer ist es ja noch einfach. Der Garten bietet ihnen genug Platz. Doch das gilt nicht für die kalte Jahreszeit. Nur was wollen wir uns leisten?« Andreas blieb in ihrer Beziehung der pragmatische Teil, während bei Carsten schon mal die Phantasie überwog. »Ich dachte an ein größeres Objekt, so in der Größe meines Elternhauses. Viel Platz für uns und unsere Gäste. Ich möchte nicht immer unsere Familien in Hotels unterbringen müssen, wenn sie zu Besuch sind.« So ganz unrecht hatte sein Mann da nicht. Ihre derzeitige Wohnung bot in dieser Hinsicht lediglich ein kleines Gästezimmer und ein großes Wohnzimmer. »Das klingt durchaus vernünftig, hast du schon etwas in Aussicht?« Erwartungsvoll sah er Carsten an. Es würde ihn nicht überraschen, wenn Carsten schon aktiv gesucht hätte. »Ja, ich war schon ein wenig aktiv und habe einige Objekte gefunden. Die Liste habe ich auf dem Schreibtisch liegen.« Carsten lächelte Andreas charmant an. »Am Wochenende geht es hinauf nach Schottland. Dort habe ich ein Objekt gefunden, was dir zusagen sollte. Steht auf der Liste am Schluss. Du hattest doch keine Termine?«

Diese Frage war obligatorisch, denn sowohl Andreas als auch Carsten hatten für die Wochenenden einen gemeinsamen Timer. Das war Andreas Idee, da während ihres Studiums es zu Überschneidungen kam und sie öfters kein gemeinsames Wochenende hatten. Das wollten sie sich nicht mehr antun. Zwar gab es immer auch gemeinsame Aktivitäten, die unternahmen sie dann zu zweit. Carsten lernte dabei viele neue Aspekte im Landschafts- und Gartenbau kennen. Andreas wiederum freute sich, mit seinem Liebsten die musikalische Welt zu erkunden. Selbst die Oper schreckte ihn nicht mehr ab. »Nein, ich freue mich auf ein ganzes Wochenende allein mit dir, Tiger. Wann geht es los?«

»Freitag. Ich habe für uns alle in einem kleinen Gasthaus ein Zimmer gebucht.« Andreas ging um den Tisch herum, umarmte seinen attraktiven Mann von hinten und gab ihm einen Kuss in den Nacken. Carsten schnurrte unter Andreas’ Berührungen und lies sich in dessen Arme fallen. Doch allzu viel Zeit zum trödeln hatten sie nicht. Carsten gab Vorlesungen am College und Andreas hatte sich für eine Ausschreibung beworben und wollte sein Portfolio um die Skizzen des Auftrages ergänzen.

Am Freitag Abend erreichten sie den Landgasthof. Andreas kannte Carsten nun schon so lange und fiel immer noch auf seine Untertreibungen herein. Es war ein wunderschöner Gasthof und lag direkt an der Atlantikküste. Ideal für einen Wochenendurlaub. »So, jetzt wo die Formalitäten erledigt sind, wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang, Tiger?« »Wer kann deinem Charme schon widerstehen und unsere beiden Vierbeiner brauchen auch Auslauf.« Damit machten sich Andreas und Carsten sowie ihre beiden Hunde auf. Am Strand durften die beiden Hunde sich austoben. Das taten sie ausgiebig im Atlantik. Andreas sah ihnen eine Zeit lang zu und entdeckte in beiden die Gene von Leon. Ihr Spieltrieb im Wasser, ihre Neugierde an Unbekanntem und ihr selbstsicheres Auftreten. »Wie ist eigentlich der Status der Ausschreibung, an der du gearbeitet hast?« Carsten interessierte sich für Andreas’ Arbeiten. »Nun, meine Bewerbung war für den Architekten Arthur Brown in die engere Auswahl gekommen, er favorisierte ihn sogar. Er meinte, dass mein Vorschlag alle Ansprüche für einen Park in dem Viertel berücksichtigen würde. Leider war aber der Auftraggeber andere Ansicht und setzte vor allem auf etablierte Landschaftsarchitekten.« Carsten nahm seinen Andreas in den Arm. »Tut mir leid, dass es nichts geworden ist.« »Tiger, das muss es nicht. Ich habe mir den Entwurf des Siegers angesehen. Der ist wirklich nicht ohne, einzig das Budget wird nicht ausreichen. Da wird der Kunde draufzahlen müssen, ob er will oder nicht. Aber dieser Mr. Brown und wohl auch sein Statiker und Bauzeichner waren von meinem Portfolio überzeugt. Sie baten mich, ihnen mein Portfolio zu überlassen. Mich sollte es nicht wundern, wenn ich nicht von ihnen hören sollte.« Andreas blieb einfach optimistisch. »Dennoch, für diesen Entwurf hast du wirklich viel Zeit investiert«, argumentierte Carsten. »Ich kann nicht immer gewinnen und finanziell sind wir davon nicht abhängig gewesen. Obendrein habe ich auch noch andere Projekte, um die ich mich jetzt intensiver kümmern kann.«

Unterbrochen wurde ihre Unterhaltung von Leonardo und Salvatore. Beide Hunde sahen einfach nur glücklich aus und ihre Herrchen hörten es auch. Dann machten die Vier sich wieder auf den Weg zum Gasthof. Dort gingen sie auf ihr Zimmer und ließen den Tag ausklingen.

Nach dem Frühstück hatten sie einen Termin mit dem Makler, der sie zum besagten Objekt begleitete. Es war etwas ganz besonderes. Andreas wusste nicht, wieso sein Partner dieses Haus ganz zum Schluss auf ihre Liste setzte. Es war ein Traum von einem Haus, genauer einem alten, typisch viktorianischem Manor-House mit einem entsprechenden Anwesen. Der Makler übergab ihm das Portfolio mit allen wichtigen Informationen. Typisch für Andreas war es, erst einmal nach den Energielabel zu sehen, die beide so schlecht nicht aussahen. Dann sah er sich die Beschreibung an. Nach dem was dort geschrieben stand, gab es mehrere Badezimmer und insgesamt sieben Schlafräume, dazu weitere acht Räume, welche ihnen zur freien Verfügung standen. Es gab ein zentrales Atrium mit Treppenaufgängen, einen typischen Salon, ein Dining Room, ein extra Frühstückszimmer und eine große Küche.

Über eine Veranda konnte das Haus durch einen Nebeneingang betreten werden und über ein großzügiges Vestibül durch den Haupteingang. Nach dem Prospekt ein wirklich lukratives Objekt. Dann folgte die Besichtigung. Wirklich, der Makler gab sich alle Mühe, ihnen das Gebäude schmackhaft zu machen, selbst der Preis, den er nannte, schmeichelte. Aber Andreas sah, dass sehr viel renoviert und saniert werden müsste. Die Installationen hatten bessere Zeiten gesehen. Als er einen Wasserhahn öffnete, kam ihm eine braune Brühe entgegen. In den oberen Stockwerken sah er, dass auch das Dach nicht mehr dicht war. Zumindest wirkten die Wände teils sehr feucht. Dafür überzeugten die Räume im Erdgeschoss. Neben dem Salon gab es einen Raum für Carsten und sein Instrument und einen Raum, der genau für einen Architekten wie Andreas geschnitten war. Dann eine sehr großzügige Bibliothek. Carsten stolperte einige Male über hervorstehende Türschwellen. Andreas war da froh, seinen Freund zu führen. Danach beendeten sie die Hausbesichtigung und wandten sich dem Anwesen zu. Der Fachmann in Andreas sah ein etwas vernachlässigtes Grundstück mit dem Potential eines repräsentativen Garten. Ließ aber den Makler seinen Enthusiasmus nicht erkennen. »Was meinst du Schatz?«, brachte Carsten den Grund ihres Aufenthalts auf den Punkt. »Nun,«, zögerte Andreas etwas, »von dem, was ich gesehen habe, meinst du das können wir uns leisten? Da ist einiges in eine Renovierung zu investieren.« »Ich verstehe, also kein Objekt für uns?«, fragte Carsten nach. »Meine Herren, der Preis ist eine Verhandlungsbasis.« Dabei ließ der Makler sich noch einmal das Portfolio von Andreas geben und schrieb mit einem Kugelschreiber einige Zahlen neben dem Kaufpreis. »Denken Sie in Ruhe noch einmal darüber nach. So eine Investition für eine Immobilie will wohl überlegt sein.« Carsten hörte sehr wohl die Unzufriedenheit des Maklers in seiner Stimme. Andreas stimmte dem zu und sie machten einen weiteren Termin mit dem Makler. Darauf trennten sich ihre Wege.

Andreas wollte mehr von der Umgebung sehen. »Sage einmal Tiger, warum besuchen wir dieses Objekt als erstes, wenn es ganz hinten auf der Liste steht?« »Ich habe noch eine gute Neuigkeit für dich, welche ich aber erst nach der Fertigstellung der Liste bekommen habe. Für die Konzerte in Berlin, Dresden und Frankfurt am Main stand noch eine Provision der Konzertaufnahmen aus. CDs mit den entsprechenden Konzerten haben zusammen die Verkaufsmarke von einer halben Millionen überschritten. Der ausstehende Betrag plus Tantieme wurde daraufhin überwiesen«, ließ Carsten die Katze aus dem Sack. »Wie viel?« »Eine viertel Millionen.« Andreas lies leise einen Pfiff verlauten, worauf beide Hunde aufmerksam wurden. »250,000 Euro. Damit könnten wir uns das Haus hier leisten«, meinte Andreas. »Pfund!«, korrigierte Carsten seinen Mann schelmisch lächelnd. »Du sagst nichts?« Seine Frage wirkte nun etwas verunsichert.

»Ehm. Also der Makler korrigierte den Kaufpreis um weiter 10,000 Pfund nach unten. Schatz, ich habe mich in das Haus verliebt, ich will es haben und mit dir darin alt werden. Auch wenn es mit der Renovierung eine Herausforderung werden sollte, das ganze Objekt hat Potential.« Erleichtert seufzte Carsten auf. »Du findest es nicht zu groß für uns?« Als Antwort gab Andreas Carsten einen leidenschaftlichen Kuss. »Ich denke, ich kenne einen Architekten, der sich gerne um alles kümmern würde. Der Garten ist mein Refugium und kannst du dich an den Raum neben dem Salon erinnern?«, brachte Andreas eine Besonderheit der Besichtigung ins Gespräch. »Der mit der besonderen Akustik? Den wollte ich für mich haben, doch wenn du …» «Quatsch, ich wollte sagen, der ist für dich und dein Instrument ideal. Ich brauche mehr Licht und da gibt es den Raum im westlichen Flügel. Der Erker dort sorgt für ausreichend Tageslicht. Der bietet sich einfach für mich als Studio an. Dann ist es von Vorteil, dass beide Räume einen Zugang zum Garten haben. Sollen wir zusagen?« Carsten legte seinen Kopf etwas schief und dachte nach. »Du sagtest etwas von einem Architekten, glaubst du, er könnte sich es vorher noch ansehen? Ich möchte schon wissen, was in etwa auf uns zukommen würde«, teilte Carsten seine Überlegungen mit. »Warte einmal, ich rufe ihn an. Seine Nummer habe ich in meinem Phone. Andreas kramte sein Telefon aus der Tasche und suchte sich die Nummer heraus. Dann lies er Carsten mithören. »Brown!«, klang es aus dem Lautsprecher. »Guten Morgen Mr. Brown. Mein Name ist Andreas Zahradník und ich möchte Sie fragen, ob Sie sich ein Objekt ansehen könnten. Es geht um eine Renovierung.« »Zahradník? Sie sind der Landschaftsgärtner vom Notting Hill Projekt!« Andreas bestätigte die Anfrage. »Nun, wann haben sie Zeit?«, klang es aus dem Telefon. »Ich stehe eigentlich mit meinem Partner vor dem besagten Objekt und benötige eine fachliche Expertise zur Renovierung. Es befindet sich in den Highlands und … warten Sie einen Moment.« Andreas nahm das Portfolio und suchte die Adresse. »... es ist ein Old Manor-House in Skerray.« »Meinen sie eventuell das Rutherford Anwesen?«, hakte Mr. Brown nach. »Ja, genau um dieses Objekt handelt es sich.« »Nun, ich habe für das Anwesen schon einmal eine Expertise angefertigt. Da lagen die Kosten für die Renovierung bei insgesamt 125,000 Pfund. Ich nehme an, um den Park und den Garten möchten sie sich kümmern. So würden sich die Kosten um geschätzt ein Drittel reduzieren. Darf ich ihnen einen Vorschlag machen?« »Nur zu Mr. Brown.« Gespannt hörten Carsten und Andreas den Ausführungen des Architekten zu. Nachdem der Vorschlag unterbreitet war, sah Andreas Carsten an, dass er dem zustimmte. »Mr. Brown«, meldetet sich Andreas zu Wort, »wir sind der Ansicht, dass ihr Vorschlag in Ordnung geht. Meine Nummer haben Sie. Glauben Sie, dass Sie die Expertise bis Ende nächster Woche erstellt haben? Dann treffen wir uns hier in Rutherford Hall mit dem Makler.« Mr. Brown schien einen Augenblick nachzudenken. Es rauschte aus dem Lautsprecher. »Ja, das bekommen wir hin. Nächste Woche in Rutherford Hall und ich bringe noch meinen Statiker mit.« Mit einem höflichen Gruß beendete Andreas das Gespräch. Carsten rief nach den Hunden, die sich während der ganzen Zeit im Garten aufhielten.

Eine Woche später trafen sie mit dem Makler am Rutherford Hall zusammen. Dem Makler war es etwas unangenehm, dass Mr. Brown, der Architekt, und sein Statiker, Mr. Mac a’Mhuilleir, anwesend waren. Seine Klienten machten unmissverständlich klar, dass beide auf ausdrücklichen Wunsch dabei waren. Der Makler akzeptierte, denn etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig, wenn er seine Provision nicht verlieren wollte. »Nun Mr. Zahradník und Mr. von Feldbach wie haben sie sich entschieden?«, begann der Immobilienhändler das Gespräch. »Was meinen sie Mr. Brown?«, gab Andreas die Frage weiter. Der Architekt und sein Statiker erläuterten ihre angefertigte Expertise im Detail und handelten den Kaufpreis noch etwas herunter. Carsten und Andreas gaben zuletzt ihr Einverständnis zum Kauf der Immobilie und waren durchaus zufrieden, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Etwas erstaunt waren Carsten und Andreas jedoch, als sie von Mr. Brown abends zu einem Dinner eingeladen wurden. Dieser schien sich in der Region gut auszukennen.

»Also wie schon Luthais sagte, die Statik ist nicht das Problem. Das Dach ist jedoch gelinde gesagt hinüber. Ein weiteres Problem stellt eine Fledermaus-Kolonie dar. Die putzigen Tiere stehen unter Artenschutz. Da braucht es einen Zoologen«, erläuterte der Architekt. Das leuchtete sowohl Andreas als auch Carsten ein. »Nun Arthur, das bekommen wir auch hin …« »Ich habe da noch eine Frage zu den Türen. Anscheinend war es üblich, kleine Türschwellen zu belassen. Ich würde diese gerne beseitigt wissen.« »Dann heben wir die Böden etwas an. Wie wollen sie das Haus heizen? Neben einer Zentralheizung gibt es in jedem Raum einen Kamin.« »Offene Feuer sind für mich nicht wirklich zu kontrollieren. Abgesehen davon, dass unsere Hunde Feuer meiden. Eine Fußbodenheizung würde ich bevorzugen.« Der Architekt sah nur einen Augenblick seinen Statiker an. Dieser ergriff daraufhin das Wort. »Dazu müssten wir sämtliche Böden aufreißen. Da diese jedoch angehoben werden sollen, stellt es nicht wirklich ein Problem dar«, gab er seine Überlegungen preis. Das Dinner zog sich hin und endete mit einem wirklich außergewöhnlichen Single-Malt. Nach dem Dinner waren sie sich einig, dass Arthur und Luthais sich um die Renovierungsarbeiten im Detail kümmerten, Andreas sich um den Park und die Gärten. Carsten’s Aufgabe war, sich um die Fledermäuse zu kümmern und auch um eine Lösung. Diese war schnell gefunden.

Mit einem Zoologen wurde beschlossen, dass für die kleinen Tiere extra ein Teil des Dachstuhls reserviert und gestaltet wurde. Dieser Teil konnte später lediglich nur über eine kleine Tür betreten werden, ansonsten war er von allem getrennt und obendrein auch schallisoliert. Für die fliegenden Säuger gab es extra gefertigte Einflugschlitze die sich optisch in das Mauerwerk einfügen würde.

Weiter besprach er die spezifischen Eigenheiten für Blinde mit dem Architekten. Die Bauarbeiten gingen schnell voran. Die längste Bauphase beanspruchte das Dach, aber es lohnte sich. Die Denkmalbehörde gab grünes Licht für eine Photovoltaikanlage, die jedoch nicht sichtbar sein durfte. Die Anlage fiel zwar kleiner aus, reichte aber immer noch aus, um die Grundversorgung des Gebäudes sicherzustellen. Ein weiteres bauliches Projekt war die Gestaltung der Kellerräume. Neben einem Pool wurde ein Fitness- und Wellnessbereich eingerichtet.

Arthur hatte sich mit Carsten zusammengesetzt , als dieser den Wunsch nach einem Tonstudio äußerte. Sie fanden die optimale Lösung in einer Raum-in-Raum Anlage. Groß genug um einige Instrumente darin unterzubringen. Obendrein gab es einen separaten Raum für die Aufnahmen mit Mischpult und der dazugehörigen Technik.

Es war von Vorteil, dass die Bauarbeiten am Haus im Winter stattfanden. Denn rund um das Haus wurde der Garten arg beansprucht. Andreas hatte alle Sträucher im Baubereich entfernen lassen. In einem provisorischen Gewächshaus sollten diese in Ruhe überwintern. Andreas selbst gestaltete den Park in mehrere Bereiche. Vor dem Haus wirkte er repräsentativ und ging fließend in die anderen Bereiche über. Hinter dem Haus wurde er privat gestaltet. Ein natürlich wirkender Teich bildete den Blickfang hinter einem leicht abfallenden Rasen, der an eine weitläufige Terrasse grenzte. Luthais hatte vorgeschlagen, die Terrasse zu erweitern. So konnte diese von den beiden Arbeitszimmer betreten werden. Dann gab es einen Bereich mit einem weitläufigen Gewächshaus. Dieses war in mehrere Bereiche eingeteilt. Auf der Baustelle waren sie regelmäßig präsent. Andreas organisierte, nachdem das Dach wieder instandgesetzt war, ein Buffet für die Arbeiter. Die Geste wurde wohlwollend angenommen.

Die Weihnachtstage verbrachte sie in Italien. Gabriele hatte die Familien eingeladen. So machten Andreas und Carsten zwei Wochen Ferien in südlichen Gefilden. Am Weihnachtsabend saßen sie gemütlich beisammen. »Wo wir gerade so beisammen sitzen, Carsten und ich haben noch eine kleine Überraschung für euch. Wir möchten euch für nächstes Jahr einladen, das Fest bei uns zu verbringen.« »Das ist doch keine Überraschung«, meinte Děda. »Andreas, meinte dass wir alle gemeinsam das Fest in Schottland feiern«, ergänzte Carsten. »In einem Ferienhaus. Das ist wirklich mal etwas Neues. Die Überraschung ist euch geglückt«, freute sich Luise. »Wir könnten ein Ferienhaus mieten … doch eigentlich meinten wir bei uns Zuhause. Wir ziehen im Frühjahr nach Schottland in unser Häuschen«, ließ Andreas die Katze aus dem Sack. »Wow …«, fand Nonno als erstes seine Sprache wieder, »Ein gemütliches Cottage in den Highlands?« »Highlands, aber etwas größer als ein Cottage. Immerhin möchten wir euch alle beisammen haben.« »Jungs, ihr verlasst London. Können wir euch beim Umzug unterstützen?« »Ja. Ich werde Zio Jihan bitten, die Logistik des Umzugs zu organisieren. Dann brauchen wir eure tatkräftige Unterstützung beim Einzug. Nehmt euch alle im Februar mal Nichts vor«, meinte Andreas lakonisch.

Zwei Monate später war es dann soweit: Zio Jihan organisierte die Logistik. Auch diesmal gab es Fachleute, welche die Flügel fachgerecht verstauten. Diese kamen sogar in einem eigenen, klimatisierten Umzugswagen. Die Familien halfen ihnen beim Umzug. Vor allem beim Auspacken der Kisten waren die Frauen eine große Hilfe. Nach einer Woche harter Arbeit weihten sie das neue Domizil mit einer Feier ein. Sowohl Carsten als auch Andreas machten ganz individuelle Hausführungen für ihre Gäste.

»Also alle Achtung Andreas, du hast euch wirklich ein schönes grünes Paradies eingerichtet. Ich bin durch den Garten gegangen und war auf einmal im Park, ohne dass ich die Übergänge bemerkt habe.« »Das habe ich von meinem Vater gelernt, fließende Übergänge. In meiner Ausbildung und im Studium habe ich diese Variante für mich verfeinert, es ist meine Signatur eines Projektes. Schade, dass es nicht sehr viele Auftraggeber gibt, die diese Philosophie teilen, Zio Jihan.« Verträumt sahen Beide von der Terrasse über den Garten hinweg. »Andreas, wenn du magst und mir erlaubst, würde ich euch gerne einige Skulpturen zukommen lassen. Kleine Kunstwerke die deinem Garten das gewisse Etwas geben«, machte Jihan seinem Neffen ein Angebot. »Gerne, ich weiß, dass so etwas hier noch fehlt. Aber denke daran, dass unsere Hunde manchmal echt stürmisch sein können.« Andreas Großonkel lachte. Er kannte Leonardo und Salvatore und wusste, dass sie beim miteinander Toben wild sein konnten. »Wie hast du es eigentlich hinbekommen, dass sie nicht in deinem Garten buddeln? Ist doch eine Landschaft wie geschaffen für Retriever!« Andreas schmunzelte. »Zio, das ist eine Frage des Kompromisses und einer klaren Ansage an die Hunde. Im Park gibt es einige Stellen, an denen sie ihrer Leidenschaft nach Löchergraben nachkommen können. Dafür lassen sie den repräsentativen Garten rund um das Haus in Ruhe. Lediglich den Naturteich nutzen sie manchmal als Schwimmbad.« Dabei zwinkerte Andreas seinem Onkel zu. Jihan lachte. »Ehrlich Andreas, ihr habt euch ein wirklich schönes Domizil erschaffen. Ich finde auch die Aufteilung sehr elegant gelöst. Privat von Beruf getrennt und doch in euer Zuhause integriert. Auch, dass Carsten viel Wert auf Wellness und Fitness gelegt hat.« Andreas sah seinen Onkel ein wenig traurig an. »Es ist für Carsten extrem wichtig, er kann eben nicht jede Sportart machen. Im Internat hatte er jede Woche sein Schwimmtraining, während des Studiums versuchte er regelmäßig schwimmen zu gehen. Als Dozent am College wurde es immer schwerer, Termine zu finden. Hier auf dem Land fehlt ihm diese Möglichkeit, also gab ich ihm freie Hand. Arthur und er haben eine wirklich sinnvolle Einrichtung geschaffen, für jeden ist etwas dabei. Ein großer Pool, Kraftraum und Sauna. Unser Bauingenieur hat für ein funktionelles Design gesorgt und dass obendrein alles energieeffizient ist. Ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.« »Das dürft ihr auch, ich finde es schon von der künstlerischen Gestaltung sehr angenehm anzusehen. Ich kann mir vorstellen, dass es für euch eine Oase der Entspannung wird.« Andreas nickte ihm zu. »Komm, lass uns hinein zu den Anderen gehen.«


»Bambino! Eure Einrichtung hier ist echt funktionell. Du hättest mal Nonno erleben sollen, ihm sind vor Neid die Augen aus dem Kopf gefallen, als er eure Küche gesehen hat. Sehr modern und funktionell und doch eine echte altertümliche Familienküche. Nicht zuletzt der Ausblick auf euren Garten.« »Nonna, ich sehe zwar den Ausblick nicht, doch ich freue mich, dass ich Andreas dieses ermöglichen konnte. Luthais, unser Statiker, hat eine sehr gute Lösung gefunden. So konnten wir bodentiefe Schiebetüren einbauen und einen Zugang zu der Terrasse ermöglichen. Nicht nur bei euch war die Küche ein Zentrum für die Familie. Bei uns Zuhause wurden dort immer alle Probleme in der Familie gelöst. Die besten Gespräche hatte ich immer in der Küche beim Kochen oder Backen. Andreas hat in unserer Londoner Wohnung oft von den Anekdoten aus seiner Zeit bei euch erzählt und viele davon entstanden in eurer Küche«, erwähnte Carsten. »Oh, ich hoffe, er hat seine Erzählungen ein wenig zensiert.« »Wenn du auf die Anekdote anspielst wo er Nonno nackt erwischte …« Mehr brauchte Carsten nicht zu sagen und Nonna lachte herzlich auf.


»Mein lieber Schwan. Unsere Söhne, Carsten und Andreas, haben wirklich Geschmack. Jedes Schlafzimmer ist ganz individuell eingerichtet. Zwei Schlafzimmer teilen sich ein komfortables Bad. Warst du schon in ihrem privaten Reich?« »Mein lieber angetrauter Gatte, es gibt Bereiche in einem jeden Haus, die für mich tabu sind. Dafür habe ich mir ihre Bibliothek angesehen. Sie haben eine sehr umfangreiche Sammlung an Büchern, Noten, Blaupausen, Plänen. Wenn sie so weiter machen, müssen sie eine Zweite einrichten.« »Das wird nicht passieren, du hast nur den ersten Teil der Bibliothek gesehen. Es gibt noch einen zweiten, größeren Teil. Die Tür ist in die Vertäfelung integriert, es ist also genug Platz vorhanden«, mischte sich Andreas in das Gespräch ein. »Das war eine gute Entscheidung Andreas, darf ich dich fragen, wie ihr das Ganze hier sauber halten und pflegen wollt?« Neugierig war Luise sicher nicht, da sprach die Erfahrung einer gestanden Hausfrau. »Also, für den Park suche ich noch einen geeigneten Gärtner. Für das Haus haben wir Personal eingestellt. Dafür sind Carsten und ich doch noch zu oft unterwegs. Aber wir möchten hier unser Lebensmittelpunkt errichten. Zwei mal die Woche fliegen wir nach London. Carsten um seiner Tätigkeit als Dozent am College nachzukommen. Ich um meine Kontakte zu pflegen. Dann kümmere ich mich auch noch um unsere Londoner Wohnung«, beantwortete er die Frage. »Andreas, was möchtet ihr mit dem kleinen Pförtnerhäuschen am Tor machen? Es sieht so verlassen aus.« Paul hatte sich am Nachmittag das ganze Anwesen angesehen. »Arthur und Luthais haben den Auftrag erhalten das Objekt zu sanieren. Es dauert nur etwas, weil die Denkmalbehörde einige Auflagen machte, die wir berücksichtigen müssen. So soll der Charakter der ursprünglichen Funktion sichtbar bleiben. Vielleicht bringen wir dort jemanden unter oder vermieten es. Im Großen und Ganzen sind wir auch zufrieden, dass es jetzt erst einmal Ruhe gibt«, atmete Andreas erleichtert auf. »Doch das wird nicht lange anhalten. Hier ist es üblich, dass wir die Gemeinde einladen und eine kleine Gartenparty veranstalten. Unser Architekt meinte, dass es eine gute Gelegenheit ist, uns hier in die Gegend zu integrieren und bekannt zu werden. Letztendlich möchten wir hier nicht als Gutsherren auftreten, sondern Teil einer Gemeinde werden.« »Darum würde ich mir nicht wirklich Gedanken machen. Solche Parties sind meist gute Selbstläufer und ich unterstütze den Vorschlag. Ihr solltet euch nur einig sein, in wie weit ihr eure Privatsphäre öffnet«, stimmte Luise nachdenklich zu. »In gewisser Hinsicht hast du Recht, doch bis auf das Erdgeschoss bleiben die oberen Etagen privat. Obendrein ist das Haus bekannt und steht schon ein kleines Weilchen in der Gegend herum.« Luise lachte auf, ihr Schwiegersohn hatte da nicht so ganz unrecht. »Aber nun, das Dinner wartet. Carsten hat auffahren lassen. Für selber Kochen blieb uns heute keine Zeit. Kommt mit in unseren Dining Room. Ein Frühstückszimmer ist dem Studio gewichen. Ein eigener Raum zum Frühstücken benötigen wir auch nicht. Da ist die Küche viel gemütlicher.« Das war eine sinnvolle Maßnahme, fanden Andreas’ Schwiegereltern. Luise und Paul kannten den Dining Room schon, doch was die beiden frischen Hausherren dort arrangiert hatten, war grandios. Die Tafel war festlich für zwölf Personen gedeckt.


»Na ihr Beiden, haben euch eure vielbeschäftigten Herrchen allein gelassen?« Andrea sah beide Hunde auf der Veranda auf einer große Decke liegen und an zwei Knochen knabbern. Sowohl Leonardo als auch Salvatore sahen sie an und weil sie synchron ihre Köpfe leicht zur Seite neigten, musste sie lachen. »Max und Leon …« »Leonardo und Salvatore, Schwesterchen.« »Ich wollte sagen, dass in Beiden sehr viel von Max und Leon steckt.« Carsten nickte. »Wie läuft es in der Praxis?«, wechselte Carsten das Thema. »Im Prinzip ganz gut. Noch haben wir genug Platz. Christa und Manuel kümmern sich um die Kleintiere. Zweimal die Woche machen Papa und ich Hausbesuche bei den Landwirten. Ich muss gestehen, Papa kennt Tricks, von denen meine Professoren noch nie etwas gehört haben. Außerdem hat er vollkommen Recht behalten, alternative Heilungsmethoden wirken bei Tieren erstaunlich gut. Es müssen nicht immer teure Medikamente sein. Im Labor hat Papa ein Regal voll mit Rezeptbücher für Tinkturen, Salben etc. aus Naturrohstoffen.« »Papa in seiner Hexenküche«, schmunzelte Carsten. »So ganz unrecht hast du nicht. Aber ganz was anderes, wann bekommen eure Beiden hier ihre Abendration?« »Nach dem Dinner und dazu wollte ich dich holen. Wo sind dein Mann und Ercan?« »So wie ich die Beiden kenne, im Fitnessraum und testen deine Geräte.« Carsten lachte. Ja sein kleiner Bruder konnte sich für solche Geräte durchaus begeistern. Nicht weil er sie selbst benutzen würde, er war Physiotherapeut und sein Interesse war rein beruflich. Auf halbem Weg kamen ihnen die Beiden entgegen. »Stefano! Gefällt dir der Keller?«, sprach Andrea ihren Gatten an. »Machst du Witze? Stellina, das ist Wahnsinn! Selbst Ercan war hin und weg von allem. Hier hat jemand nachgedacht, bevor eingerichtet wurde. Kondition, Fitness, Kraft, alles wird berücksichtigt.« Andrea gab ihrem Mann einen Kuss. Dann nahm sie ihn in den Arm und sie gingen zum Speisesalon. »Na, Kleiner, was sagt der Fachmann?«, richtete Carsten sich an Ercan. »Ich kann Stefano nur bestätigen, es ist alles sehr wohl durchdacht. Physiologisch keine Einwände, fehlt nur eine Massagebank. Aber ganz etwas anderes: Du hast einen sehr schönen Musikraum, dein Flügel macht sich sehr gut darin. Ich würde gern einmal die Akustik hören.« Dabei nahm er Carsten’s Hand und legte sie auf seinen Arm. Gemeinsam folgten sie den Anderen.»Nach dem Dinner kann ich dir etwas vorspielen, wenn du magst, und du kannst dich selbst davon überzeugen, wie gut mein Arbeitszimmer klingt.« »Das ist ein Angebot, danke. Carsten, ich weiß, dass du berühmt bist und auch Andreas ist kein namenloser Architekt in seinem Metier. Warum so ein großes Haus mit einem riesigen Grundstück?« Diese Frage von seinem Bruder stimmte Carsten nachdenklich. »Ehrlich, es war Liebe auf den ersten Ton und Blick bei uns Beiden. Die Wohnung in London ist einfach zu klein, selbst unsere Bibliothek hier ist größer als die Wohnung dort. Dann möchten wir beide, dass unsere Gäste auch bei uns nächtigen können. Andreas hatte auch ein gutes berufliches Argument, im Großraum London gibt es viele gute Landschaftsarchitekten, die Konkurrenz ist groß. Hier kann er sich entfalten und die ländliche Umgebung macht es ihm einfacher, seine Ideen auch umzusetzen. Bei aller Liebe zur Metropole, landschaftsarchitektonisch ist dort alles ausgereizt.« »Und was ist mit dir und deiner Dozentenstelle?«, hakte Ercan nach. »Wir fliegen zwei mal die Woche und bei Bedarf nach London. Meine Lehrstunden konzentrieren sich auf diese beiden Tage und Andreas pflegt seine Kontakte.« Ercan lachte herzlich auf. »Deinen Studenten verlangst du aber viel ab.« »Nicht im Geringsten. Es hat sogar den Vorteil, dass sie sich je nach Studienjahr auf einen Termin konzentrieren können. Wie du siehst, haben wir an alles gedacht. So und nun, die anderen warten und das Dinner wird kalt.«

Als letzte betraten sie den Speisesalon. Ercan begleitet seinen Bruder zu seinem Platz neben Andreas. Als sich alle gesetzt hatten, wurde aufgetragen. Carsten hat sich wirklich etwas einfallen lassen. Das Dinner wurde international. Bei Tisch wurde es richtig lebhaft, eine Eigenschaft die sie sich bewahrt haben. Nach dem obligatorischen Kaffee gingen sie in den Salon. Andreas ging erst die Hunde versorgen. Ercan und Carsten gingen in Carsten’s Arbeitszimmer. Carsten setzte sich an seinen Flügel und begann einige Lieder zu spielen. »Wow, allein für diesen Sound hättest du das Haus kaufen müssen. So gut klang dein Instrument noch nicht einmal bei uns Zuhause«, war Ercan’s erste Reaktion. »Nicht nur mein Flügel klingt anders, auch der von Andreas. Ja dieser Raum ist wirklich bewundernswert. Selbst leise Töne kommen sehr gut zur Geltung.«

Zum Beweis spielte er einen sehr leisen Part. Da es Beiden gefiel, spielte Carsten noch einige andere Werke und sie bemerkten nicht, wie sich auch weitere Gäste einfanden. Applaus war ihm sicher. »Da hat Carsten wirklich einen eigenen Konzertsaal. Hast du vor, hier Konzerte zu geben?«

Andrea war bei Carsten und half ihm den Flügel zu schließen. »Erst einmal nicht, lass uns alle doch erst einmal ankommen. Um deine Neugier aber zu stillen, ausschließen möchte ich es nicht vollkommen. Ich gehe jetzt noch einmal mit Leonardo spazieren und ziehe mich dann auch zurück. Es kam in den letzten Jahren nicht sehr oft vor, doch ich denke ich spreche auch für Andreas: Fühlt euch alle wie Zuhause.«

Damit gingen Carsten und Andreas gemeinsam mit ihren Hunden noch einmal durch den weitläufigen Garten. Ihre Runde dauerte lange und beide achteten darauf, dass ihre beiden Begleiter auf vier Pfoten sich richtig austoben konnten. »Ehrlich Tiger, nichts gegen unsere Familien, ich bin froh, wenn sie nächste Woche wieder fahren. Ich brauche einfach wieder Ruhe und ein geregelten Tagesablauf.« Andreas nahm Carsten in den Arm, gab ihm einen Kuss. »Schatz, ich kann es nachvollziehen. Ich sehe, dass du dich beim Spielen nicht richtig konzentrieren kannst und ich habe in den letzten Wochen auch nicht die besten Entwurfsideen gehabt. Nein, was wir jetzt benötigen, ist erst einmal etwas Abstand und die Zeit hier anzukommen.« »Leonardo, Salvatore bei Fuß! Komm lass uns wieder hineingehen, ich bin echt fertig.«

Chapter 2

»Bist du dir sicher, dass wir in den Pub gehen sollten?« Andreas war ein wenig argwöhnisch, als Carsten ihm den Vorschlag unterbreitete. »Schatz, nur keine Panik, es ist ein Pflichtbesuch und wird sicher nicht langweilig. Wo ist deine Abenteuerlust hin?« Carsten nahm seinen Mann in den Arm und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. »Obendrein, finden unsere Hunde ja Anschluss an die hiesige Meute.« Andreas gab seinen Gatten einen Klaps auf den Po. Der Weg zum Dorf war angenehm und für Carsten recht einfach. Jemand in der Verwaltung hatte nachgedacht und den Gehweg vorbildlich für Sehbehinderte gestaltet. Im Pub war schon einiges los, als sie eintraten wurden es jedoch schlagartig ruhig. Andreas machte Salvatore von der Leine los und Carsten entfernte den Bügel von Leonardo. Die beiden Hunde sahen sich um und fanden Anschluss beim Hund vom Wirt. »Guten Abend. Sehr ruhig hier, keine Gäste?«, begann Carsten. »Doch Tiger, sie sitzen da und starren uns an«, informierte ihn sein Partner. »Nun, denn. Ich nehme ein Pint Dark Lager und du Schatz?« »Ich schließe mich dem an. Zwei Pint Dark Lager und eine Schüssel Wasser für die Hunde, bitte.« »Guten Abend, die Herren. Wer an seine Hunde denkt ist hier immer richtig. Zwei Dark Lager kommen sofort. Sie sind die neuen Besitzer des Herrenhauses?«, fragte der Wirt nach. »Ja. Ich bitte um Entschuldigung. Wir wohnen schon seit zwei Monaten hier und kommen erst heute.« »Rutherford Hall war schon sehr vernachlässigt. Jetzt haben sie den Weg zu uns ja gefunden.« Der Wirt und einige Gäste lachten auf und die Geräuschkulisse nahm zu. Andreas und Carsten wurden angesprochen und gaben auf Fragen Auskunft. Sie gaben auch eine Lokalrunde und wurden zu einigen eingeladen.

Aus den Augenwinkeln sah Andreas, wie einige Gäste ihre Autoschlüssel dem Wirt übergaben. Auf Nachfrage beantwortete Ben, der Wirt, dass die Farmer auf ihre Fahrlizenzen angewiesen sind. Da hat es sich zur Sitte gemacht, die Autoschlüssel vorher abzugeben und gegebenenfalls auf ein Taxi zurückzugreifen. Mit zunehmender Stunde wurden die Gäste lustiger und begannen einige Lieder zu singen. Jetzt zeigte sich, dass Carsten gute Kenntnisse in traditionellen Volksliedern hatte. Der kleine Pub konnte sogar mit einem Piano aufwarten, an dem sich Carsten breitmachte und so manchen Song begleitete. Die Stimmung lockerte sich und spätestens als sie wieder gingen, hatten die beiden jungen Männer eine gute Brücke zu den Menschen hier geschlagen. »Carsten, das war im Nachhinein eine gute Idee. Auch wenn ich befürchte, einen schweren Kopf zu haben.« Carsten lächelte seinen Partner an. »Das wird nicht so schlimm werden. Mit einem kräftigen Tee wird es wieder. Sage einmal, hast du schon einen Gärtner gefunden?«, fragte Carsten auf dem Nachhauseweg. »Nein, das eilt auch nicht. Ich möchte die hiesigen Gärtnereien und Baumschulen in den nächsten Tagen aufsuchen. Vielleicht ergibt sich auch eine gute Geschäftsbeziehung«, dachte Andreas laut nach. Carsten schwieg eine Weile. Auch er wollte ihre kleine Parkanlage in sichere Hände wissen. »Das ist ein wirklich guter Vorschlag, ich komme mit, wenn Nichts dagegen spricht.« Andreas lachte laut auf. »Du kommst mit. Allein wenn ich daran denke, wie du damals in der Gärtnerei den Verkäufer kaltgestellt hast. Wenn der alte Gärtner nicht dazu gekommen wäre, würden wir noch heute einen Weihnachtsbaum suchen.« »Ja, dasswar etwas. Paul legte immer sehr viel Wert darauf, von uns Kindern die Meinung zu erfahren. Egal wie absurd es erst einmal klang. In Sachen Natur hat Andrea auch mit meiner Mutter so manchen Gärtner zur Verzweiflung gebracht. Luise wusste, dass mit Hunden ein klassischer Ziergarten unmöglich ist und sie daher immer robuste Pflanzen wollte. Die Verkäufer versuchten aber immer genau das. Da ist meiner lieben Schwester der Kragen geplatzt. Was das denn werden würde? Entweder sie bekommen genau die Pflanzen und Sträucher die sie nannten und zwar plötzlich oder sie kommt mit den Hunden wieder. Diese werden dann schon zeigen, was sie von den Zierblümchen halten. Ich glaube so schnell hatte Mama noch nie ihre Pflanzen.« Andreas rückte näher zu seinem Mann. »Hätte sie das wirklich gemacht?« »Klar. Arco hätte ganz einfach sein Bein gehoben und so seine Ansicht kund getan. Er brauchte im Garten etwas Robustes wenn er beim Toben dagegen lief oder wirklich mal sein Bein hob.« »Ja, solche Dinge halten nicht viele Pflanzen aus. Wie alt war Andrea da?« »Vierzehn oder fünfzehn und Luise war wirklich beeindruckt, wie sie das sagte. Mama sprach oft davon, wie der Verkäufer ganz weiß wurde und sie hatte echt Schwierigkeiten ernst zu bleiben.« Andreas konnte es sich gut vorstellen. Die Familie seines Mannes war einfach ein Unikat. Andrea war etwas impulsiver als ihr Zwillingsbruder und diese Ausgewogenheit mochte er an Carsten. In seinem Beruf war das auch wirklich nötig, wenn er mit Studenten arbeitete. Er war einmal dabei, als Carsten eine Einführungsvorlesung hielt. Er ließ sich wegen seiner Blindheit nicht provozieren. Im Gegenteil, er nutzte solche Bemerkungen als Steilvorlage, um den Studenten deutlich zu machen, was er erwartete. Einigen Lernenden wurde daraufhin schnell klar, dass sie Carsten nicht unterschätzen durfte.

Doch auch Andreas war bei einigen Baumschulen kein Unbekannter. Für einige von ihm gestaltete Public Gardens setzte er auf alte heimische Baumarten und Pflanzen. Diese in Baumschulen zu besorgen, war manches Mal eine Herausforderung par excellence. Einigen Gärtnereien mit angeschlossener Baumschule ging deswegen schon sehr gute Aufträge verloren, da sie auf schnellwachsende, forstwirtschaftliche Arten setzten. Da blieb Andreas stur und es zeigte sich nach einigen Jahren, dass er durchaus Recht behielt. Die heimischen Pflanzen erwiesen sich als widerstandsfähiger gegenüber Klima und Schädlingen. Während des Studiums der Landschaftsarchitektur hatte er auch mit einigen Dozenten kreative Diskussionen über dieses Thema geführt. Wobei sich beide Seiten den Argumenten des Anderen aufgeschlossen zeigten. Auch in der Unterdisziplin Wasserwirtschaft hatte Andreas einige Erfolge zu verzeichnen gehabt. Es stellte sich heraus, dass eine Fontäne oder ein Wasserspiel nicht nur dem Erholungszweck, sondern - gut angelegt - auch dem Mikroklima förderlich waren. Gerade bei sehr feuchten Böden konnte er durch gut angelegte Drainagen den Wasserhaushalt im Boden positiv stabilisieren.

Wie sein Vater, war er auch bei der Royal Horticultural Society aktiv. Dort gab er Lehrgänge für den Laiengärtner bei der Pflege von Stauden, Sträuchern und Bäumen. Selbst nahm er regelmäßig an den Kursen von Floristen teil, um in den Gestaltungen von Blumengebinden auf dem aktuellen Stand zu bleiben. In der Royal Albert Hall lernte er von Mr. Miller einige Tricks zur allgemeinen Bühnengestaltung mit Instrumenten und Orchester. Das kam ihm vor allem bei Carsten’s Auftritten zugute, wenn dieser in London Konzerte gab.

»So die Hunde sind versorgt. Hast du noch einmal die Türen kontrolliert, Schatz?« Andreas sah seinen Mann an, wie er aus der Küche kam. »Ja habe ich und auch die Alarmanlage eingeschaltet. Tiger, glaubst du, dass ein Wachhund sinnvoll wäre?«, teilte Andreas seine Überlegungen mit. »Schatz, wir haben zwei Wachhunde: Leonardo und Salvatore. Wenn die beiden ein Geräusch hören, stehen sie direkt an unserem Bett. Ich möchte keinen Hund draußen wissen. Wenn du wirklich eine gute Wache haben möchtest, schaff uns Gänse an.« So unrecht hatte Carsten nicht. Ihre Hunde verhielten sich genauso und das mit den Gänsen stimmte auch. Vielleicht war es keine so schlechte Idee mit den Gänsen, zumindest konnte er einmal in Ruhe darüber nachdenken. Immerhin gab es in ihrem Nutzgarten ausreichend Platz. »Schatz, weiter sind die Fenster und Türen unten alle Alarm gesichert. Ich war hier, als der Elektriker einen Testlauf machte. Das Erlebnis benötige ich nicht noch ein weiteres Mal«, ergänzte Carsten. Andreas dachte darüber nach. Es traf zu. Luthais hatte vorgeschlagen, die alten Fenster zu erhalten, damit der Charakter erhalten blieb. Dazu wurde raumseitig entsprechende Isolierfenster eingefasst. Diese waren praktischerweise an der Alarmanlage angeschlossen. Beide Hunde reagierten schon, wenn die äußeren Fenster geöffnet wurden. Andreas hat es schon einige Male erlebt. Gemeinsam gingen sie die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf. Für Carsten war es noch ein wenig ungewohnt, deswegen nahm ihn Andreas in den Arm und führte ihn.

»Du bist aber früh auf, Tiger«, begrüßte Andreas Carsten in der geräumigen Küche und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Leonardo musste raus, ist sicher noch die ungewohnte Umgebung. Kaffee?« »Schwarz und stark? Gerne. In der Küche fühlst du dich wohl, wie ich sehe.« »Klar, die Quelle von Kaffee, Tee und gutem Essen. Außerdem sollte ich schon wissen, wo unsere Hunde ihr Futter haben. Wie geht es deinem Kopf?«, kam Carsten noch einmal auf das Thema der vergangene Nacht zurück. »Seltsamerweise gut. Kaum Kopfschmerzen. Was steht heute an?«, fragte er, als Carsten ihm eine Tasse Kaffee reichte. »Ich fliege nach London, denn der Semesterabschluss steht an. Ich denke, es ist einfacher, wenn ich dort im Hotel bleibe und morgen Abend zurückkomme«, gab ihm Carsten zur Antwort. »Dann habe ich sturmfreie Bude?«, lachte Andreas. »Unterstehe dich, ich lasse dir Salvatore als Aufpasser hier, damit du keinen Unsinn machst«, scherzte Carsten zurück. »Nein, im Ernst. Ich interessiere mich für ein Projekt in Glasgow. Ich fahre heute hin und beschaffe mir die Unterlagen. Dann mache ich noch einige Fotos von der Umgebung. Etwas Müßiggang und mit Salvatore eine Runde spielen.« »Klingt gut und morgen? Ich komme erst gegen Abend wieder!«, meinte Carsten und schlürfte von seinem Kaffee. »Da mache ich mich über das Projekt her. Obendrein habe ich vor, unsere Buchführung zu aktualisieren. Es ist sicher nicht verkehrt, unsere Ausgaben im Blick zu haben.« »Dem stimme ich zu. Wir können uns übermorgen zusammensetzen.« »Soll ich dich vom Flughafen abholen?« Carsten dachte einen Augenblick nach. »Ich rufe dich an, weiß noch nicht, wie lange ich in der Uni sein werde.« »Sind deine Prüfungen so heftig?«, nahm Andreas Carsten auf den Arm. »Weniger heftig, Schatz. Dieses Mal liegt der Schwerpunkt auf historische Komposition. Aus Erfahrung weiß ich, dass man da kein Zeitlimit einhalten kann. Daher auch zwei Tage.«


Andreas lenkte seinen Defender auf den Parkplatz am See. Die Tour nach Glasgow hatte glücklicherweise weniger Zeit in Anspruch genommen, als er sich das gedacht hatte. Die Ausschreibung hatte durchaus seinen Reiz. Andreas würde keine Schwierigkeiten haben, einen passenden Entwurf zu erstellen. »Nun bist du an der Reihe, Salvatore.« Der Retriever im Fond hob erwartungsvoll seinen Kopf. Andreas öffnete die Tür und ließ den Hund aussteigen. Salvatore lief ein paar Meter und blieb stehen. Drehte seinen Kopf zu seinem Herrchen und sah ihn erwartungsvoll an. »Na worauf wartest du? Go!«, ermunterte Andreas den Hund. Als ob Salvatore darauf gewartet hat, stürmte er vorwärts und mit einem satten Platsch landete er in dem See. Andreas lachte. Dann ging er den Uferweg entlang. Nach gut einer halben Stunde hatten sie einen schönen Blick auf den See und eine kleine Fläche, die zum Spielen einlud. Andreas nahm einen herumliegenden Ast und warf ihn fort. Ganz in Retrievermanier lief der Hund hinterher und apportierte diesen. Dann begann das Spiel von vorn. Irgendwann hatte Salvatore genug und blieb neben seinem Herrchen sitzen und schaute dem fliegenden Ast hinterher. Andreas ging in die Hocke und kraulte ihm durch sein Fell. »Dann wollen wir wieder zurück zum Auto. Komm.«

Salvatore lief locker neben Andreas her. So gingen sie beide bei leicht einsetzenden Nieselregen den Weg zurück. Ein aufgeschrecktes Rebhuhn lenkte Salvatores Aufmerksamkeit ab. Daraufhin blieb er stehen. Ganz in seinem Element, schnüffelte er herum und verschwand in einem Dickicht.

»Salvatore, hier!«, rief Andreas, als er wenig später seinen vierbeinigen Freund nicht mehr sah. Als Antwort hörte er ein entferntes Bellen. »Salvatore?«, wiederholte Andreas. Wuff! Wuff! Wuff! Darauf kam ihm der Retriever entgegen und drehte sich wieder in die Richtung aus der er kam. Andreas spürte, dass er ihm etwas zeigen wollte, vielleicht ein verwundetes Tier. Salvatore drehte sich immer wieder mal um, um sicher zu gehen, dass Andreas ihm folgte. Dann blieb er neben einer kleinen Senke stehen und setzte sich. Erst tätschelte Andreas dem Hund seinen Kopf und dann ging er einen Schritt weiter. Plötzlich sah er ihn, einen jugendlichen Körper. Andreas ging sofort zu ihm. Er fühlte einen schwachen Puls an dem sehr kalten Handgelenk. »Gut gemacht mein Freund«, lobte er Salvatore. Dann wandte er sich wieder dem jungen Mann zu. Er lag auf dem Rücken und Andreas beugte sich zum Gesicht hinunter.

»Hallo!« Dabei tätschelte er die Wangen. »Hallo, können Sie mich hören?« Eine kleine Bewegung in der Hand zeigte ihm, dass der Mann ihn verstanden hatte. Doch Andreas sah, dass der Körper stark unterkühlt war. Er zog seine Jacke aus und deckte den Körper ab. Dann nahm er sein Mobiltelefon zur Hand und wählte die Notrufnummer. Der Rettungswagen mit Notarzt brauchte dennoch eine halbe Stunde. Zwischenzeitlich war Andreas zum Parkplatz gelaufen und hatte sein Auto geholt. Salvatore blieb bei dem Jugendlichen und hatte sich direkt neben ihn gelegt. Als Andreas zu ihnen stieß, lag eine Hand auf Salvatores Körper. Dann deckte er mit weiteren Decken den Teenager zu. Ihn zu bewegen traute sich Andreas nicht, wer weiß ob er sich etwas gebrochen hatte. Der Notarzt diagnostizierte eine starke Unterkühlung, stellte zum Glück keine weiteren Verletzungen fest.

»Das war knapp. Wir bringen ihn zum Raigmore Hospital Inverness, Mr. Zahradník.« »Ok, darf ich ihn besuchen? Ich bin kein Verwandter.« Der Arzt nickte. »Ich werde Sie dort ankündigen. Die Polizei hat ihre Aussage aufgenommen?«, hakte der Arzt nach. »Ja, vorhin als Sie ihn untersucht haben. Da er keine Papiere zur Identifikation hatte, wollten sie wenigstens eine Ansprechperson haben. So, wie ich sie verstanden haben, werden sie versuchen ihn über seine Fingerabdrücke zu identifizieren.«

Als Andreas zur Rezeption kam und nach dem jungen Mann fragte, trat ein Beamter auf ihn zu. »Mr. Zahradník?« Dabei hielt er ihm einen Ausweis vor, der ihn als Kripobeamter auswies. »Ja!?«

»Mein Name ist DI Blackmoore. Können wir uns unterhalten?«, begann der Beamte. »Gern. Geht es um den Jungen?« Der Mann nickte. Gemeinsam gingen sie in das Café der Klinik und unterhielten sich ausführlich. Dabei erfuhr Andreas, dass es sich um einen wohnsitzlosen Jugendlichen aus der benachbarten Grafschaft handelte, der bei der Polizei nicht ganz unbekannt war. »Merlin pendelte in der Vergangenheit zwischen Glasgow und Inverness. Die Schule hat er abgebrochen. Wir konnten ihn noch nicht davon überzeugen, Zeit in seine Ausbildung zu investieren. Doch er ist sehr intelligent. Er kennt sich hier in den Highlands sehr gut aus.« Dann unterbrach sich der Beamte. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben. »Ich weiß, dass ich nun sehr viel von Ihnen verlange, doch könnten Sie ihn bei sich aufnehmen? Im Grunde ist er ein harmloser junger Mann, der einfach immer Pech hatte. Er fiel zwar wegen einiger Lebensmitteldiebstähle auf, doch unser Sozialarbeiter konnte es immer vermeiden, dass Anzeige erstattet wurde.« »Nun, er scheint Salvatore, meinen Retriever, zu mögen. Ich denke, dass ist kein Problem. So er auch will. Wie lange wird er hier bleiben müssen?« »Der Arzt meinte zwei Tage zur Beobachtung. Sie werden auch noch einige medizinische Tests machen, um sicher zu gehen«, antworte der Beamte freundlich. »Wenn sie möchten, können Sie nun zu ihm gehen. Ich habe schon veranlasst, dass sie als Bezugsperson Zutritt erhalten.« »Danke.«

Damit verabschiedeten sie sich. Zuvor gab ihm der Beamte noch seine Visitenkarte. Andreas betrat den abgedunkelten Raum. Der junge Mann lag in seinem Bett und schlief. Eine Infusion tropfte langsam in seinen Arm. Als Andreas an sein Bett trat, sah er die leicht geröteten Wangen. Bei weitem sah der Teenager besser nun aus als noch am Nachmittag. Er nahm seine Hand und drückte diese etwas. »Danke«, hörte Andreas leise. »Da müssen Sie schon meinem Hund danken, er fand Sie und alarmierte mich.« »Dann richten Sie auch ihm meinen Dank aus.« Andreas musste unwillkürlich lächeln. »Mach ich gerne. Dennoch, Sie sollten sich bei ihm bedanken. Jetzt sehen Sie zu, dass Sie wieder zu Kräften kommen. Ich möchte Sie einladen mich zu besuchen.« Der Teenager nickte nur leicht und dämmerte darauf hin wieder ein.

»Sein Organismus ist noch zu schwach. Er hat eine gute Kondition und ich denke er wird in zwei Tagen wieder auf den Beinen sein.« Andreas erschrak leicht, denn er hatte niemanden den Raum betreten gehört. Der Arzt trat zum Bett und regelte an der Infusion. »Er hat vorhin noch ein leichtes Schlafmittel bekommen.« Andreas nickte. »Ich bin kein Verwandter.« Der Arzt nickte. »DI Blackmoore hat mich schon informiert. Ich denke sie kommen übermorgen wieder. Morgen stehen einige Tests an und ich denke er braucht noch etwas Ruhe.« Zur Bestätigung nickte Andreas, drücke noch einmal die Hand und wünschte dem jungen Mann eine gute Nacht.

Zuhause bekam Salvatore eine großen Knochen zur Belohnung. Dann ging Andreas in sein Atelier und legte die Unterlagen aus Glasgow auf seinen Schreibtisch. Heute würde er nicht mehr dazu kommen, die Ausschreibung näher anzusehen. Dann sah er das Telefon und wählte Carsten’s Nummer. »Von Feldbach?«, hörte er aus dem Hörer. »Hi Tiger, warum meldest du dich mit Namen?«

»Oh, ganz einfach, deine Nummer ist unbekannt. Wo bist du?«, gab Carsten zur Antwort. »Ich bin Zuhause, rufe vom Festnetz an. Wir sollten wohl die Nummer in unseren Telefonen speichern. Wie war dein Tag?« »Anstrengend, Schatz. Bisher haben zwei meiner Studenten die Prüfung nicht bestanden. Ansonsten lief es soweit ordentlich. Ich muss beim nächsten Mal meine Schwerpunkte etwas mehr eingrenzen. Wie war es in Glasgow?«, wechselte Carsten das Thema. »Schön, die Unterlagen liegen hier auf meinen Tisch. Morgen sehe ich mir die Ausschreibung näher an. Aber ganz etwas anderes …« Andreas berichtete von den Vorkommnissen am See und was der Beamte zu ihm sagte. Als er endete, wartete er auf eine Reaktion. »Tiger?« »Ich habe nichts dagegen, quartiere ihn doch in das separate Gästezimmer ein und bitte gib Salvatore einen großen Knochen, den hat er sich verdient.« Andreas lachte. »Schon geschehen. Du bist also einverstanden?« »Klar, wenn wir helfen können, immer. Wir können morgen Abend noch darüber reden. Ich möchte etwas essen und dann ein heißes Bad nehmen. Leonardo ist auch ganz geschafft und hat sich nach seiner Ration verkrümelt.« »Gut, Tiger. Ich wünsche dir einen schönen Abend. Hab dich lieb.« »Ich dich auch, vermisse dich Schatz.« Tut Tut Tut … Carsten lächelte. Dann bestellte er sich im Restaurant ein kleines Menü. »Ja, Charly und lassen Sie es zu mir auf mein Zimmer bringen. Danke.« Carsten legte wieder auf. Eine halbe Stunde später stand sein kleines Dinner auf dem Tisch und er öffnete den Wein. Beim Essen dachte er über Andreas’ Bericht nach. War es eine gute Idee, jemand Fremden ins Haus aufzunehmen? Er schob den Gedanken wieder beiseite, darüber könnte er mit Andreas diskutieren. Nach dem Essen beschränkte er sich auf eine heiße Dusche und ging zeitig zu Bett.

Am nächsten Vormittag saßen Carsten und Leonardo wieder im Studio des Colleges. »Mr. Thomson, bitte setzen sie mich über ihre Komposition in Kenntnis«, begann Carsten mit der Prüfung. Der Student erklärte seinem Dozenten, was er mit seiner Komposition erreichen wollte. Carsten hörte sehr aufmerksam zu. »Klingt sehr vielversprechend. Dann beginnen sie ihr Werk vorzuspielen«, forderte Carsten seinen Studenten auf. Dieser begann und Carsten hörte sich die Darbietung aufmerksam an.

Die Aufgabe war, aus einer Vorgabe von zwei Takten zusammen mit einem Thema von Carsten ein kleines Stück von fünf Minuten zu komponieren, in der das Thema mindestens einmal wiederholt werden sollte. Mr. Thomson war einer der wenigen stillen Studenten in seinem Kurs und fiel ihm daher auf. Sein Vorspiel und sein Werk waren jedoch sehr überzeugend. Nach dem Vorspiel blieb es für einige Minuten sehr ruhig im Studio. Mr. Thomson rutschte ein wenig auf der Klavierbank hin und her. Dann begann sein Dozent. »Mr. Thomson wie würden sie ihr Werk selbst beurteilen und bezeichnen?« »Ich glaube, ein guter Durchschnitt mit positiver Tendenz. Ich habe keine Bezeichnung gefunden die dem entsprechen würde«, kam seine vorsichtige Antwort.

»Dann darf ich Ihnen einmal etwas vorspielen.« Carsten setzte sich neben ihn an den Flügel. Er begann mit einem Werk vom alten Bach: Die Kunst der Fuge.

»Haben sie das Thema erkannt und gehört wie sich alles um dieses eine Thema dreht? Es ist eine Fuge. Etwas aus der Zeit des guten alten Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel. Es ist wirklich eine Kunst, die heutzutage nicht mehr sehr häufig anzutreffen ist. Das Thema in ihrer Komposition wird insgesamt sieben mal wiederholt. Zweimal, so wie ich die Vorgabe machte, dann haben sie im mittleren Teil das Thema im Kontrapunkt gesetzt, die Dissonanzen gefallen mir. Wenige Takte später lösen sie geschickt diese Dissonanzen wieder in Harmonien auf und dann folgt eine Wiederholung. Anschließend transponieren sie das Thema im Kontrapunkt und es folgt eine Gegenläufigkeit. Sie jonglieren mit dem Thema. Das gefällt mir außerordentlich gut. Zum Ende hin lösen sie das Thema noch einmal auf und stellen es melodisch in Frage. Dazu noch einmal eine mehrstimmige Wiederholung und dann vereinen sie geschickt das Thema im Schlussakkord.« Mr. Thomson war angetan, wie schnell sein Dozent sein Werk analysierte.

Vier Wochen hatte er sich Zeit genommen um diese Aufgabe zu lösen. Mr. von Feldbach hörte es nur ein mal und hat jede Wiederholung erkannt. Dann fuhr Carsten auch schon fort: »Im ganzen würde ich sagen, sie haben die Prüfung mit Bravour bestanden. Mr. Thomson, seien sie nicht zu bescheiden. Dennoch erwarte ich im kommenden Semester mehr Engagement. Beschäftigen sie sich spieltechnisch ein wenig mit der Kunst der Fuge und dem wohltemperierten Klavier.« »Ist das nicht aus der Mode: Fuge, Kontrapunkt und das alte Zeug?«, hakte der Student skeptisch nach. Anstelle zu antworten, spielte Carsten auf dem Flügel einige Rockmelodien. »Wie sie selbst hören, ist es zwar nicht mehr sehr modern Fugen und Toccaten zu komponieren, doch es gehört zum Handwerkzeug eines guten Komponisten. Sie finden diese Elemente durchaus immer noch in der modernen Musik. Sie haben das Prinzip dieser beiden Stile verstanden, verfeinern sie es«, gab Carsten ihm zu bedenken. »Danke Mr. von Feldbach. Ich werde mich damit beschäftigen.« »Mr. Thomson, es ist meine Aufgabe, Wissen zu vermitteln. Gehen sie in die Bibliothek und besorgen sie sich diese beiden Werke von Bach. Wir sehen uns im neuen Semester und dann beschäftigen wir uns intensiv mit ihren Spieltechniken. Auf Wiedersehen Mr. Thomson und schicken sie mir Miss Grand hinein.« Der Student verließ das Studio und schickte die Studentin hinein. Während dessen machte sich Carsten einige Notizen zu dem Studenten auf seinem Powerbook.

Am späten Nachmittag hatte er die Prüfungen abgeschlossen. Im Großen und Ganzen war er mit den Leistungen seiner Studenten zufrieden. Dennoch betrachtete er seine Prüfungsmethode kritisch und machte sich noch einige Notizen zum ganzen Ablauf.


Am Flughafen warteten Andreas und Salvatore schon auf die Beiden. Andreas lies Salvatore von der Leine, als er seinen Mann sah und dieser lief gesittet ihm entgegen. Andreas nahm seinen Mann in den Arm und gab ihm einen Kuss.

»Wie war dein Tag?«, begann Andreas, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst haben. »Ehrlich? Ich freue mich darauf nachher meine Beine hochzulegen. Die Prüfungen haben uns beide wirklich geschlaucht.« »Wenn dem so ist, dann sollten wir los.« »Das ist ein Wort, nur können wir unterwegs doch noch einmal anhalten? Leonardo braucht noch eine Runde relaxendes Toben«, gab Carsten seine Absicht für den Hund kund. »Klar, ich habe mir ähnliches gedacht und den Geländewagen genommen. Ich denke, wir fahren zu einem kleinen See, da können sich die Beiden austoben. Ich habe heute auch überwiegend am Reißbrett gesessen und hätte nichts gegen mehr Bewegung.« »Einverstanden.« Andreas ließ die Hunde hinten einsteigen. Carsten warf seine Tasche auf den Rücksitz, stieg ein und schnallte sich an. Bis zum See brauchten sie keine halbe Stunde und genausolange tobten sie mit den Hunden.

Zur Überraschung hatte Andreas schon ein Abendessen vorbereitet. Carsten machte sich frisch während Andreas das Essen fertigstellte. Dann fütterte Carsten die Hunde und anschließend genossen sie ihr Dinner.

»So und nun, was ist nun mit dem Jugendlichen?«, begann Carsten. Andreas berichtete ausführlich von den Vorkommnissen und von dem, was er durch den Beamten erfahren hatte. Anschließend diskutierten sie, wie sie alles organisieren sollten, denn für beide stand fest, dass sie helfen wollten. »Ok Schatz, morgen holen wir ihn gemeinsam ab. Wir geben ihm das Gästezimmer am Ende der Galerie im zweiten Stock des Ostflügels. Da hat er ein eigenes Bad und es ist relativ geräumig.« »Außerdem ist es sehr ruhig«, ergänzte Andreas. »Du sagtest der Junge ist harmlos?« »Ja, oder denkst du Salvatore irrt sich? Er lag neben ihm und wärmte ihn.« »Wenn eines sicher ist, die Söhne Leon’s irren sich nicht«, grinste Carsten. »Was machen die Beiden denn überhaupt? Seit ihrer Ration habe ich sie nicht mehr gehört.« »Ich denke sie sind im Salon und dösen vor sich hin. Gehst du nachher noch mit ihnen raus oder lässt du sie nur in den Garten?«, fragte Andreas nach. »Eigentlich bin ich müde. Nein, eine kleine Runde bis zur Pforte und zurück sollten wir schon machen. Du kannst gerne mitkommen«, lud Carsten seinen Gatten dazu ein. »Nein, wie lange werdet ihr unterwegs sein?« »Ich denke zwanzig Minuten nicht länger als eine halbe Stunde.« »Gut ich springe unter die Dusche.« »Mach das, mein kleiner Moschusochse.«

Als Antwort flog Carsten eine Servierte an den Kopf. Sie räumten gemeinsam ab. Andreas startete die Spülmaschine und Carsten machte sich auf. Als er seinen Stock und die Leine nahm standen Leonardo und Salvatore bei ihm. Sie gingen über den Hauptweg und nahmen einen Nebenweg zurück. Carsten freute sich, dass Andreas bei der Gestaltung der Wege darauf geachtet hat, dass er sich orientieren konnte. So liefen die Hunde die ganze Zeit mehr oder weniger gesittet neben ihm. Von der Veranda her betragen sie wieder ins Haus. »Da seid ihr ja wieder«, begrüßte Andreas seine Gassigänger. »Danke Schatz, es ist sehr schön für mich durch unseren Park gehen zu können.«

Über dieses kleine Kompliment freute sich Andreas sehr. »Das lag ganz in meiner Absicht. So ich gehe nur noch die Türen kontrollieren und verschwinde dann ins Bett.« »Mach das, ich gehe schon mal vor.«

Nach dem Frühstück rief Andreas noch einmal Mr. Blackmoore an und informierte ihn. Dann fuhren Andreas und Carsten, zusammen mit den Hunden, zur Klinik. Dort auf dem Parkplatz stiegen die Vier aus. »Ich bleibe hier bei den Hunden, sie dürfen doch sicher nicht mit hinein«, meinte Carsten. »Ihr kommt alle mit, ich habe ausgemacht, dass wir uns im Café der Klinik treffen. Dort haben wir freien Zugang. Bei einem Kaffee können wir uns schon etwas kennenlernen.« »Gute Idee. Leonardo!«

Der Blindenführhund gesellte sich an Carsten’s Seite. Dieser griff sich den Bügel und ließ sich von ihm führen. Im Café war noch nicht viel los und sie suchten ein ruhigen Tisch. »Ich gehe einmal zur Rezeption und erkundige mich. Bestell mir bitte einen Latte Macchiato.« Andreas ging und Salvatore folgte ihm. Während dessen kam eine Bedienung und Carsten bestellte die Getränke. Gerade als der Kaffee und die Latte Macchiato serviert wurden, kam Andreas in Begleitung zurück.

»Darf ich dir vorstellen: Carsten. Carsten links von mir ist Merlin.« »Hallo Merlin, setzt dich bitte. Möchtest du etwas trinken, Kaffee … ?« »Gerne, Mr. von Feldbach. Eine heiße Schokolade, darf ich auch ein Sandwich bestellen?« »Klar, Schatz würde du bitte …?« Andreas ging um noch eine heiße Schokolade und ein Sandwich zu holen. »Ich bitte dich, nenn mich Carsten. Dich hat man schon informiert und du bist einverstanden, bei uns zu wohnen?« »Ja, aber ich verstehe nicht warum ihr mich so mir nichts dir nichts vertraut? Ihr kennt mich doch nicht!« Carsten dachte einen Moment über das Gesagte nach. Dann kam Andreas zurück und brachte neben einer Schokolade eine Auswahl an Sandwiches. »Bedient euch, ich wusste nicht was du magst, darum habe ich ein paar mehr mitgebracht.« »Danke.« Merlin griff zu und Carsten räusperte sich. »Also ich möchte etwas ausholen. Leonardo und Salvatore sind Brüder und als waschechte Retriever haben sie gewisse Instinkte. Leonardo ist mein Blindenführhund und in dieser Eigenschaft muss ich ihm wortwörtlich blind vertrauen. Er ist überaus souverän und absolut nicht ängstlich. Salvatore ist ein super Spürhund, extrem neugierig und verspielt. Seine besondere Eigenschaft ist sein Instinkt für Charaktere. Andreas und ich vertrauen auf ihre Eigenschaften und beide haben uns noch nie enttäuscht. Wenn du es ganz genau wissen willst, wir vertrauen dir, weil Salvatore dir vertraut und das ist für uns ausschlaggebend.« Die ganze Zeit hörte der Junge ihm aufmerksam zu. »Dann muss ich mich wohl bei dem Hund bedanken. Er fand mich und blieb bei mir: Danke Salvatore.« Der genannte hob seinen Kopf und sah den Jungen direkt an. Dann stand er auf und gesellte sich zu Merlin, der ihn dann den Kopf kraulte. »So wie ich sehe, sind wir hier fertig. Wie sieht es aus Merlin, hast du Gepäck, Sachen zum Wechseln oder so?« »Nein, meine paar Sachen wurden mir geklaut. Die ich anhabe, sind vom sozialen Dienst der Klinik. Diejenigen, welche ich an hatte, sind hinüber. Warum?« »Weil wir dann erst ein paar Sachen zum Wechseln für dich besorgen. In dieser Hinsicht sind wir schlecht bestellt.« Merlin hob zum Protest an, doch Carsten ließ es erst nicht soweit kommen. »Das ist eine gute Idee, ich bräuchte nämlich auch noch ein paar Dinge. Dann mal los.«

Andreas bezahlte die Rechnung und gemeinsam gingen sie zum Auto. Dieses mal öffnete Merlin die Hecktür und ließ die Hunde einsteigen. Er selbst nahm auf dem Rücksitz Platz und bald schon ging es los. Die Shopping Tour dauerte etwas und machte ihnen allen Spaß. Merlin wollte bescheiden bleiben, doch da machte er nicht die Rechnung mit Andreas. Dieser erwartete, dass der Junge sich ordentlich einkleiden sollte und dazu gehörte nun einmal ausreichend Wäsche zum Wechseln. Nach Stunden fuhren sie gut gelaunt zurück. Merlin saß dieses Mal auf dem Beifahrersitz und Carsten auf der Rückbank. Andreas fuhr zügig, der Geländewagen folgte der Landstraße. Die Landschaften wechselten, mal ein paar Bäume dann wieder Heide und kleine Seen oder Bäche.

Chapter 3

»Stopp! Anhalten!«, rief Merlin plötzlich. Andreas trat auf die Bremse und der Wagen kam zügig zum stehen. »Was ist los?«, fragten Andreas und Carsten gleichzeitig. Doch Merlin war schon ausgestiegen und lief die Straße ein Stück zurück. »Weißt du was er hat?«, wendete sich Carsten an seinen Mann. »Nein, ich folge ihm und sehe einmal nach. Der Wagen steht sicher.« Dann stieg Andreas selbst aus und folgte Merlin, der in einiger Entfernung am Straßenrand kniete.

»Was ist Merlin?« »Hier liegt ein angefahrenes Tier. Sieh einmal!« Andreas sah, dass es sich um eine kleine Katze handelte, die ein blutverschmiertes Fell hatte. »Warte einmal. Ich hole den Verbandskasten. Streichle sie vorsichtig.« Andreas sprintete los und war im Handumdrehen wieder zurück. Vorsichtig untersuchte er die Katze, so wie er es bei Paul im Erste-Hilfe-Kurs für Tiere gelernt hat. Dann legte er dem Tier ein Verband an und legte es auf eine gefaltete Decke. »So, du trägst das Tier, ich nehme den Verbandskasten. Wir machen einen Umweg zu einem Tierarzt.«

Am Auto ließ Andreas erst Merlin einsteigen und gab ihm dann das verletzte Tier. Dann stieg er selbst ein. »Schatz, wir machen einen Umweg zu unserem Tierarzt. Merlin hat ein verletztes Tier.«

Carsten nickte nur, holte sein Smartphone hervor. Dieses wählte dann eine ausgesuchte Nummer. »Guten Tag Dr. Miller, wir haben eine verletzte Katze und kommen zu Ihnen in die Praxis. Danke.« »Ihr seid echt ein eingespieltes Team und wie geht es jetzt weiter?«, bemerkte Merlin. »Also erst fahren wir zum Doktor und harren der Diagnose. Wie es weiter geht, entscheiden wir dann«, beantwortete Carsten die Frage.

Der Arzt untersuchte das Tier und lobte die Erstversorgung. Die Diagnose war nicht so berauschend und der Arzt versorgte das Tier. »So junger Mann …«, wandte er sich an Merlin, als er das Tier verarztet hatte, »… die Katze ist ein Kater und er hat viel Glück gehabt. Keine innere Verletzungen aber sehr viel Blut verloren. Die Wunde habe ich genäht und das Bein geschient. Es war ein mehrfacher Bruch und ich muss zugeben, wenn die erste Hilfe nicht so gekonnt gewesen wäre, hätte er womöglich nicht gerettet werden können. Dir fällt jetzt die Pflege zu. Du siehst ja, dass der Kater sehr mager ist. Du wirst ihn aufpäppeln müssen. Jeden Tag den Verband wechseln und die Wunde reinigen. In zwei Wochen kommst du wieder her und wir sehen uns das Bein einmal an. Ich möchte dir nichts versprechen, womöglich versteift sich das Bein.« Der Junge sah traurig aus und Andreas nahm ihn einfach in seinen Arm. »Das wird schon Merlin. Du hast dem Tier das Leben gerettet, das zählt. Komm, lass uns nach Hause fahren.«

Merlin nickte. Dann gab der Tierarzt dem Jungen eine Transportbox mit dem verwundeten Tier. »Dein Kater wird noch etwas neben der Spur sein. Einmal wegen des Blutverlust und dann die Nachwirkung der Narkose. Bitte heute Abend nur Wasser geben und ab morgen normales Katzenfutter für junge Katzen.« Danach verabschiedeten sie sich voneinander. Die restliche Fahrt verlief ruhig. Sie machten nur einen kleinen Stop an einem kleinen Laden und besorgten noch einige Dosen Katzenfutter.

Es dämmerte bereits und Andreas fuhr durch ihre Einfahrt. Dann pfiff Merlin leise vor sich hin, als das Haus langsam sichtbar wurde. Er dachte, die Beiden wollten ihn verarschen. Also spielte er mit, wie er glaubte. Doch spätestens als er die Hund aussteigen ließ, kamen ihm erste Zweifel. Denn Leonardo gesellte sich zu Carsten und Salvatore lief voraus zum Eingang. »Ihr wollt mich auf den Arm nehmen, Jungs!«, war auch seine erste Reaktion. »Das letzte Mal als ich hier war, sah alles verwahrlost und unbewohnt aus.« »Nicht die Spur, das ist unser Domizil. Den Garten und Park habe ich entworfen und gestaltet, während sich Carsten um das Interieur kümmerte. Wir wohnen jetzt knapp drei Monate hier. Es gibt zwar immer noch im Garten kleinere Baustellen, doch sind wir sehr zufrieden. Merlin, wir beide wissen, wie es für dich aussehen mag, doch lass uns erst einmal hineingehen, dann erklären wir dir alles. Einverstanden?« »Einverstanden!«

Carsten orientierte sich an Leonardo. Im Haus befreite er ihn vom Geschirr und ging in die Küche. Währenddessen brachte Andreas ihre Einkäufe ins Haus und Merlin den Kater. Er stellte die Box im Atrium ab und ging noch einmal zum Auto zurück und half Andreas. Als er wieder im Atrium war, sah er, wie beide Hund um die Katzenbox schnüffelten. »Na ihr beiden, seid ja ganz schön neugierig«, sprach er die Hunde an und beide sahen zum Jungen. »Klar sind die Beiden neugierig, das liegt ihnen im Blut«, antwortete ihm Andreas. »Doch werden sie deinem Kater nichts tun. Carsten’s Schwester ist Tierärztin, die beiden Rabauken kennen andere Tiere und respektieren sie.« »Sie würden dem Kater nichts tun?« »Nein, doch für die Katze wäre es ein enormer Stress. Sie kennen sich noch nicht und sie weiß nicht, dass unsere Hunde ihr nichts tun werden. Lass sie sich langsam aneinander gewöhnen. Im Moment gibt ihr die Box Sicherheit. Komm ich zeige dir die Küche, Carsten wird bestimmt Kaffee und Tee vorbereitet haben.«

Andreas begleitete Merlin zur Küche. »Wow, das nenne ich eine Küche«, war Merlin’s erste Reaktion. »Sie sieht so ganz anders aus, als ich den Raum in Erinnerung habe.« »Die Küche ist bei unseren Familien immer das Zentrum gewesen. Wir können gar nicht ohne eine urgemütliche Küche. Tee oder Kaffee?« Alle wählten Kaffee und Carsten servierte dazu ein paar Kekse. Abwechselnd erzählten Carsten und Andreas dem Jungen wie sie zu dem Haus kamen und warum sie ihn als Gast aufnahmen.

»Ich bin also euer Gast?«, fragte Merlin nach. »Ja und wir haben ein Gästezimmer für dich vorbereitet. Andreas wird es dir zeigen, wenn du möchtest, führen wir dich ein wenig durch das Haus.« »Erst möchte ich mich um den Kater kümmern, habt ihr eine kleine Schüssel für Wasser?«

Andreas gab ihm eine kleine flache Schale, in die der Junge etwas Wasser füllte. Dann nahm er diese und ging damit zurück zu der Transportbox. Das Bild, was sich ihm bot, war sehr überraschend. Die Box mit dem Kater stand zwischen Leonardo und Salvatore, welche sich links und rechts daneben gelegt hatten. Es sah aus, als wollten sie das Tier darin schützen. Der Kater in der Box lag noch friedlich auf der Decke und schien langsam wieder zu sich zu kommen. Merlin öffnete das Gitter und stellte die Schüssel hinein. Dann strich er dem Tier noch einmal über den Kopf und entlockte damit ein wohliges Schnurren. Er schaute die beiden Hunde an. »Ihr passt mit auf, Charaid braucht noch etwas Ruhe und Geborgenheit.« Dann ging er und ließ die Box unverschlossen. Er war sich sicher, dass die Hunde und der Kater sich vertrugen. »Merlin …«, begann Andreas, »… Salvatore und Leonardo haben im Salon ihre Kudden, wo sie die meiste Zeit schlafen. Ansonsten haben sie im gesamten Haus Bewegungsfreiheit. Wenn du möchtest, kann Charaid auch dort unterkommen.« »Katzen sind für gewöhnlich eigensinnig, er soll selbst entscheiden wo er schlafen möchte. Ich denke, eure Beiden haben sich das auch aussuchen dürfen.« Andreas bestätigte seine Annahme. Dann machten die beiden sich zu einer kleinen Besichtigung auf. Erst zeigte ihm Andreas das Erdgeschoss und ließ auch die beiden Arbeitsräume nicht aus. »Der Flügel gefällt mir. Ist das deiner?« »Nein, das ist Carsten’s, es ist auch sein Arbeitszimmer. Mein Flügel steht bei mir im Studio. Manchmal brauche ich die Musik um abzuschalten oder einen klaren Kopf zu bekommen, wenn ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Du wirst es wahrscheinlich nicht glauben, aber ich mag es, wenn Carsten hier für mich spielt.« »Seid ihr schon lange zusammen?« Andreas sah Merlin an. »Seit wir siebzehn sind. Ich bin sein erster Freund und er meiner. Seit dem haben wir viel durchgemacht. Nicht nur gute Zeiten auch Schlechte. Heftige Diskussionen und alles was dazu gehört. Besonders schlimm war es mal im Studium, wir haben uns so gefetzt, dass wir fast zwei Wochen nicht miteinander gesprochen haben. Irgendwann wurde es Max, Carsten’s Blindenführhündin, zu dumm und hat dann ihr Fressen verweigert. Das war der Zeitpunkt wo wir eine Lösung finden mussten. Wir haben uns zusammengesetzt und lange kreativ gestritten«, berichtete Andreas. »Worum ging es da?«

»Carsten und ich teilten uns ein Zimmer für unser Studium. Er übte jeden Tag stundenlang am Klavier während ich mich auf eine Prüfung konzentrieren musste. Da ist mir der Kragen geplatzt. Der Kompromiss war der, dass Carsten dann öfters im College spielte. Andersherum zog ich mich in die Bibliothek meiner Uni zurück, wenn Carsten für seine Prüfungen lernen musste. Max hatte danach wieder mit großen Appetit ihre Rationen vertilgt.« »Euch sind die Tiere sehr wichtig. Kann ich verstehen«, dachte der Junge laut nach. »Sehr wichtig. Sie haben ein natürliches Gespür für unsere Stimmungen. Sie sind eigentlich in unserer Beziehung das Harmonie-Barometer. Sie merken viel früher als Carsten oder ich, wenn etwas nicht stimmt und reagieren. Somit haben wir in der Vergangenheit schon sehr zeitig reagiert, bevor es zu einem Konflikt kam und es lohnt, die Wahrheit zu sagen. Unwahrheiten merken die beiden auch sofort, da können beide echt schmollen.« Merlin lachte. Er stellte sich vor, wie die beiden wohl beim Schmollen aussehen. Danach gingen sie ins Treppenhaus. Carsten kam gerade aus Richtung der Küche. »Schatz, wir wollten gerade nach oben.« »Geht nur. Ich möchte etwas am Flügel üben. Ein Student hat mich an eine alte Spielweise erinnert. Ich möchte sie mal wieder spielen. Wie macht sich eigentlich der Kater?« »Salvatore und Leonardo passen auf. Ansonsten wacht Charaid gerade auf.«

»Klingt ganz gut. Ich möchte dir empfehlen, heute Nacht die Box noch geschlossen zu halten, wegen seines gebrochenen Bein.« »Shit, daran habe ich nicht mehr gedacht, er kann noch nicht laufen.« Automatisch ging sein Blick zur Box. Die Box war leer und von beiden Hunden war nichts mehr zu sehen. »Zu spät, die Box ist leer. Schlimm?« »Nein, es lässt sich jetzt eh nicht ändern. Über Nacht sollte er jedoch nicht herumlaufen.« »Sollen wir Charaid suchen?«, wandte sich Merlin an Andreas. »Ich habe da so eine Ahnung, komm mal mit in den Salon.« Beide gingen in den Salon und dort trafen sie den Kater an, er lag an Leonardo gekuschelt und schien zu schlafen. Es sah einfach friedlich aus. »Ich denke, wir lassen die drei einmal in Ruhe. Später legen wir Charaid in die Box. Carsten hat recht, es wäre im ganzen noch sehr viel Stress für den Kater.« Beide zogen sich zurück und gingen in die erste Etage. Dort zeigte Andreas Merlin erst einmal sein Zimmer. »Ich weiß, es ist relativ unpersönlich. Am Besten du richtest dich nach deinen Wünschen ein. Dort ist dein Bad und hier der Ankleideraum.« »Wow, das ist aber wirklich luxuriös und großzügig. Ein ganzes Bad für mich allein«, staunte Merlin. »Sicher und du wirst es auch sauber halten müssen. Das ist hier eine kleine Regel, jeder ist für sein eigenes Zimmer zuständig. Den Rest des Hauses hält Mrs. Sanches sauber.« »Das bekomme ich sicher hin. Kann ich hier bleiben, mich etwas einrichten und eine Dusche hätte ich auch nötig?«, stellte Merlin unsicher die Frage. »Natürlich, das Haus läuft uns nicht weg. Ach noch etwas, wegen der Hunde können die Türen nicht verschlossen werden. Ich hoffe es macht dir nichts aus?« Merlin schüttelte den Kopf statt einer verbalen Antwort.

Gemeinsam trugen sie die Einkäufe für den Jungen in sein Zimmer. Selbst die Transportbox nahm der Junge mit auf sein Zimmer. »Falls etwas sein sollte, Carsten und ich sind in unseren Arbeitszimmern.« Danach ging er in sein Studio und nahm sich seine Unterlagen aus Glasgow vor. Sein Arbeitszimmer lag neben dem von Carsten. So hörte er seinem Mann im Hintergrund beim Spielen zu. Was er spielte, wusste Andreas nicht, aber es klang bekannt und er hörte immer wieder ein Thema heraus. Unbewusst wirkten sich diese Variationen auch auf seine Ideen im Entwurf aus. Als Salvatore in sein Studio kam und seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, bemerkte er, dass die Musik im Hintergrund verstummt war.

»Ich denke, ich mache für heute Feierabend, bist du nicht auch der Meinung?«, richtete er die Frage an den Hund und erhielt ein ›Wuff‹ als Antwort. Ein prüfender Blick auf seine Grafik und er sah, dass er für Glasgow einen Themenpark entworfen hatte. Immer wieder tauchten Gruppen der gleichen Pflanzen auf. Ein jedes Beet war zwar individuell im Aussehen, doch im Ensemble bildeten sie eine Einheit. Der Entwurf gefiel ihm. »Salvatore, ich habe einen guten Plan. Noch ein paar Feinheiten, die Kalkulation der ganzen Anlage und ich reiche ihn so ein.« ›Wuff‹, bekam er wieder als Antwort. In der Küche stand Carsten am Herd und rührte in einem Topf. »Das riecht aber gut, was gibt es denn?« »Ich dachte ich mache heute einen einfachen Linseneintopf. Dazu frisches Fladenbrot und einen italienischen Salat.« »Du bist aber fleißig, darf ich dir helfen?« »Klar, decke den Tisch, ich denke ein einfacher Landwein passt dazu. Danach kannst du Merlin und die Hunde hereinholen. Sie sind draußen im Garten und spielen. Charaid hat der Junge wieder in seine Box gelegt. Ich habe ihm ein natürliches Beruhigungsmittel mitgegeben, was er in sein Wasser träufeln sollte. Dabei fiel mir ein, dass wir keine Stelle haben, wo der Kater hinmachen kann«, gab Carsten zu Bedenken. »Ich habe noch eine alte Pflanzenkiste, wenn ich diese mit Vlies auslege und darin eine Schicht mit Sand verteile wird es für einige Tage reichen«, erläuterte Andreas seine Gedanken. »Gute Idee, besser als nichts. So, in einer viertel Stunde können wir essen. Das Futter für die Hunde habe ich auch schon fertig. Steht auf der Anrichte neben dem Kühlschrank.« Andreas machte sich daran den Tisch in der Küche zu decken, aus dem Weinregal entnahm er eine Flasche französischen Landwein und stellte die geöffnete Falsche auf den Tisch. Carsten’s Empfehlungen waren nicht die schlechtesten. Gerade wenn er selbst am Herd stand.

»Was hast du eigentlich gespielt?« »Nichts besonderes, es war eine Fuge.« »Spielt man die nicht normal auf einer Kirchenorgel?« »Von dorther kennt man sie. Es gibt aber auch sehr viele Fugen für Cembalo und Klavier. Mir ging es vor allem um die Spieltechnik, es verlangt schon einiges Können vom Pianisten. In der Prüfung hatte ich einen Studenten, bei dem hätte selbst der olle Bach seine Freude gehabt. In seiner Komposition hatte er mein Thema insgesamt sieben mal wiederholt. Dummerweise wusste er nicht, was er da eigentlich gemacht hat.« »Du hast ihn durchfallen lassen?« »Nein, warum? Fabrio konnte auch keine Noten lesen und dennoch spielt er hervorragend Klavier.« Andreas dachte nach, kam aber nicht auf den Namen. »Fabrio?« »Der Schüler von Signore Pittore. Er kann keine Noten lesen, weil er die Musik in Farben sieht. Dennoch studiert er am ›Conservatorio di Musica Giuseppe Verdi‹. Nein, ich habe Mr. Thomson zur Aufgabe gemacht, sich mit dem Kompositionsstiel und der Technik vertraut zu machen.« Dann nahm Carsten einen Löffel und probierte vom Eintopf. »Fertig, holst du Merlin herein?« »Klar junger Mann.« Andreas machte sich auf. Gab seinem Gatten beim hinausgehen einen Klaps auf dem Po und verschwand zum Hintereingang. Carsten schüttelte mit dem Kopf. »Oh, schön dass ihr gerade kommt. Essen ist fertig.« Nachdem sich beide die Hände gewaschen hatten gingen sie in die Küche. Carsten stellte gerade die Schüssel mit dem Eintopf auf dem Tisch ab. Merlin staunte nicht schlecht, wie selbstsicher Carsten das alles bewerkstelligte. »Das duftet aber lecker. Macht richtig Appetit.« »Dann setz dich. Ich hoffe du magst Eintopf und Fladenbrot.« Aus den Augenwinkel sah Merlin beide Hunde vor ihren Näpfen sitzen, diese jedoch nicht anrührten. Erst als Carsten mit einem Kommando und einer Handbewegung sein ‚OK‘ gab, machten sich die Beiden über ihre Näpfe her. »So, die Beiden sind etwas beschäftigt.« Der Junge setze sich an den gedeckten Tisch und sah dass dieser wirklich dekorativ aussah. »Hast du den Tisch gedeckt?«, fragte er Carsten. »Nein, das macht Andreas immer. Er macht es immer schön für uns.« »Ja, Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme«, fügte Andreas hinzu. »Nicht umsonst heißt es genießen mit allen Sinnen.«

Andreas trug allen auf und schenkte jedem Wein nach Wunsch ein. Dann bekam Merlin mit, wie Andreas Carsten sein Essen erklärte. Erst kräuselte er seine Stirn und dachte nach. Andreas sah wie nach wenigen Momenten sein Gesicht aufhellte und Verstehen sich breit machte. »Du hast Carsten mit Hilfe eines Zifferblatts die Standorte seines Essens erklärt. Stimmt es?« »Helles Köpfchen«, bestätigte Carsten dem Jungen.

»Darf ich euch etwas fragen?«, begann Merlin. »Als ich vorhin die Treppe hinunter bin, sah ich an der Wand eine Galerie von Hundeporträts. Gehörten sie alle Euch?« »Es ist quasi die Ahnengalerie von Leonardo und Salvatore. Beginnend mit Arco, das Porträt mit dem Pfotenabdruck darunter. Er war mein erster Blindenführhund. Dann kam Max. Genau Maxime, das Bild mit dem kaputten Kauseil darunter. Nach der Schule für Blindenführhunde, brachte ihr Arco Feinheiten bei, mich betreffend. Selbst ihr Ausbilder konnte nicht erklären, wie er es machte, denn sie führte mich fast wie er selbst. Dann gibt es eine Besonderheit: Leon. Das Porträt mit dem kaputten Frisbee.« Andreas lachte auf. »Leon ist der Hund von Carsten’s Bruder und sein Frisbeeverbrauch ist enorm. Mindestens zwei Wurfdiskus pro Monat. Außerdem ist er neugierig ohne Ende. Überall steckt er seine Schnauze herein.«

»Leon ist Max’ Bruder und der Vater von Leonardo und Salvatore«, erklärte Carsten weiter. »Inzest?«, entfuhr es Merlin. »Nein, ihre Mutter ist eine Labrador Hündin. Die Gene von Arco und Leon haben sich durchgesetzt. Leonardo hat die Eigenschaften des Blindenführhundes und Salvatore die Neugier geerbt. Ihre Namen sind nicht einfach so gewählt. Paten standen DaVinci und Dali. Leonardo kann in gewissem Maß improvisieren und Salvatore hat, laut meiner Schwester, nicht nur viele Schattierungen im Fell, sondern scheint auch vieles anders wahrzunehmen. Wie ich dir heute morgen schon erklärte, sein Spürsinn, seine Neugier und Verspieltheit. Alles sind Eigenschaften die sowohl bei Arco als auch bei Max vorhanden waren. Max hatte nur ein kleines Handicap: Sie litt etwas unter Klaustrophobie. Sehr kleine Räume waren ihr nicht geheuer«, fuhr Carsten weiter fort. »Aus dem Wurf von unseren beiden Hunden gingen noch weitere besondere Charaktere hervor. Zwei Rüden wurden Rettungshunde und eine Therapiehündin für Kinder. Insgesamt gab es sieben Welpen. Die beiden Letzten sind Spürhunde in der Forstwirtschaft.« »Wozu braucht man in der Forstwirtschaft Spürhunde?«, unterbrach Merlin mit einer Zwischenfrage. »Nun, in einem Wald gibt es neben Bäumen auch Tiere. Die beiden Hunde setzt der Forstwirt zum aufspüren von Wild ein. Die beiden können sehr gut verletzte und kranke Tiere aufspüren. Für die Jagd sind sie ungeeignet, falls das deine nächste Frage sein sollte. Um zur Galerie zurückzukommen , alle Hunde sind in unserer Familie etwas besonderes und deswegen haben wir von ihnen Porträts anfertigen lassen.« »Ich verstehe und finde die Idee gut. Was wurde aus Arco und Max?«

»Arco«, begann Andreas, »starb an unserem ersten gemeinsamen Weihnachten in Carsten’s Armen. Er war alt und hatte ein wirklich erfülltes Leben. Max kam bei einem Autounfall ums Leben. Leonardo hatte sie gerade als Blindenführhund abgelöst, als der Unfall geschah. Ein Autofahrer hatte das Rotzeichen einer Ampel missachtet und erfasste sie, als sie sich schützend vor die Beiden stellte und am weitergehen hinderte«, erklärte Andreas weiter, weil er wusste, dass es Carsten immer noch schmerzte. »So gut es ging, kümmerte ich mich um Max, doch sie starb noch an der Unfallstelle. Auch sie starb in meinen Armen. Der Fahrer begann Unfallflucht wurde jedoch später gefasst. Der Richter entschied wegen der Schwere des Vergehens unter anderem auf ein lebenslanges Fahrverbot. Keiner hatte Mitleid, er verlor dadurch auch sein Beruf als Vertreter. Der Anwalt argumentierte zwar noch das es ›nur‹ ein Hund - nach dem Gesetz ein Gegenstand - war. Doch der Richter ließ das Argument nicht gelten. Er begründete in seinem Urteil, dass der Hund eine zertifizierte Ausbildung zu einem Blindenführhund hatte. Dieser Umstand würde die Hündin zu einem Lebewesen machen, weil dessen Partner oder Partnerin auf sie angewiesen sei. Auch wenn sie nicht mehr aktiv war, so verhinderte sie durch ihr angelerntes Verhalten Schlimmeres. Das sei höher zu bewerten und führte damit zu dem Urteil.«

»Der Anwalt ging noch einmal in Revision bei der nächsten Instanz. Die Richter vom Landgericht bestätigten nicht nur das Urteil, sondern erweiterten das Fahrverbot auf die ganze EU. Eine weitere Revision wurde nicht zugelassen und selbst der Gang vor dem EuGH brachte dem Kläger nichts ein.«

So langsam wurde Merlin bewusst, dass die beiden Gastgeber eine besondere Einstellung zum Leben haben. Ihm gefiel diese Einstellung und er konnte sich gut darin wiederfinden. Nach dem Eintopf gab es für jeden noch ein kleines Dessert und damit beendeten sie ihr Abendessen. Andreas räumte mit Merlin die Küche auf. »Darf ich noch um einen Kaffee bitten?« »Klar, wir trinken ja auch noch einen Kaffee. Abends machen wir es uns im Salon gemütlich.« Währenddessen präparierte Andreas die Kaffeemaschine. »Hast du einen besonderen Wunsch? Espresso, Café au lait?« »Einen ganz normalen Kaffee, ich möchte noch etwas lesen.« »Dann bist du bei uns absolut richtig. Carsten liest abends auch ganz gerne während ich mir die Nachrichten ansehe oder wir hören sie uns gemeinsam im Radio an.« Gemeinsam servierten sie den Kaffee und waren etwas überrascht, dass beide Hunde bei Carsten lagen. »Sie haben sich wohl gelangweilt und sie scheinen wohl Charaid zu vermissen.« Bei dem Namen des Katers hoben beide erwartungsvoll ihre Köpfe. »Ich habe ihn auf meinem Zimmer in der Box. Ihr sagtet etwas von zu viel Stress, da habe ich gedacht, er hat dort seine Ruhe.« »Stimmt. Doch er braucht auch deine Zuwendung. Beschäftige dich mit ihm, gerade jetzt wo er wegen seiner Verletzungen noch gehandicapt ist. Außerdem haben wir eine provisorische Katzentoilette für ihn«, informierte ihn Carsten. »Ich stelle sie in mein Bad und lasse die Box in der Nacht offen. So kann der Kater selbst entscheiden, geht das?« »Du bist für ihn verantwortlich. Später würde ich dir jedoch empfehlen die Katzentoilette in den Dreckraum stellen, Katzenhinterlassenschaften riechen streng.« »Noch etwas Merlin. Das Haus ist Alarm gesichert. Du bekommst einen codierten Hausschlüssel, sobald du damit eine Eingangstür aufschließt deaktiviert sich die Alarmanlage. Pass bitte auf den Schlüssel auf.«


Drei Wochen waren schon vergangen, seit Merlin bei Andreas und Carsten eingezogen war. Merlin hatte sich in den ersten Tagen mit den Abläufen im Haus vertraut gemacht. Andreas und Carsten halfen ihm abwechselnd bei der Pflege des Katers. Nach der ersten Woche versuchte dieser humpelnd das Haus zu erkunden. Da die Treppe mit dem gebrochenen Bein ein unüberwindliches Hindernis darstellte, trug ihn Merlin hinauf oder hinab. Dann war es Zeit für den Kontrollbesuch beim Arzt. »Merlin, schön komm herein. Wie geht es Charaid?«, fragte die Sprechstundenhilfe. »Hallo, ihm geht es scheinbar gut. Er ist nun schwer im Haus zu halten. Sein Gips hat leider in den letzten Tagen etwas gelitten und ist schmutzig.« Das Lachen der Empfangsdame war erfrischend. »Dann komm einmal herein und lass den Doc entscheiden, ob der Verband schmutzig ist.«

Der Tierarzt nahm den Kater aus der Box. Nachdem der Verband entfernt war, sah er sich die Wunde an. »Sieht ganz gut aus. Den Verband braucht Charaid nicht mehr, du bekommst eine Salbe und damit reibst du die Narbe ein. So und nun schauen wir uns einmal sein Bein an. Ich habe mir die Röntgenbilder der letzten Untersuchung angesehen. Sah schon einmal gut aus. Kannst du mir helfen und deinen Kater festhalten?« Merlin nahm den Kater, hielt ihn mit der einen Hand und mit der anderen streichelte er seinen Kopf. Dann sah er dem Arzt zu, wie er den Gips entfernte. Anschließend untersuchte er das Beinchen. »Also Charaid, du hast sehr viel Glück gehabt. Die Brüche sind gut zusammengewachsen, lediglich ist dein Beinchen etwas kürzer. Doch dir macht es sicher nichts aus«, sprach der Doc zu dem Kater. »Merlin«, wandte er sich anschließend an den Jungen. »Ich gestehe, du hast ihn wirklich gut gepflegt. Der Verband war fachmännisch angelegt. Der Kater braucht noch einige Tage bis seine Muskeln kräftig genug und seine Bewegungen koordiniert sind.« »Beim Verbandswechsel haben mir Carsten und Andreas geholfen. Allein hätte ich es wohl falsch gemacht. Darf ich Sie etwas fragen?« »Nur zu.« »Wo kann ich einen Erste-Hilfekurs für Tiere machen?« Der Tierarzt war über die Frage etwas erstaunt und Merlin sah es ihm an. »Andreas und Carsten haben mir beim Verbandswechsel geholfen und dabei erfuhr ich, dass Beide so einen Kurs belegt haben.« »Also, ich kenne hier keinen, der so einen Kurs anbietet. Doch ich kann dir die Grundlagen auch zeigen. Komm am Freitag Nachmittag gegen vier Uhr«, lud der Doc den Jungen ein. »Danke ich werde da sein. Muss ich etwas mitbringen?« Der Arzt schüttelte mit seinem Kopf. »So, fertig für heute. Hier ist die Salbe. Bitte richte Carsten und Andreas meine Grüße aus. Dich, mein kleiner Charaid, will ich hier nur noch zu den Impfungen sehen.« »Muss ich außer der Salbe noch etwas beachten? In den letzten Tagen war er etwas unruhig.« »Nein, im Gegenteil, er darf und muss sich bewegen, um seine Mobilität zu trainieren. Es wird sicher in den ersten Tagen etwas unrund aussehen, weil sein Bein etwas kürzer ist. Doch das gibt sich relativ schnell«, informierte ihn der Arzt. »Darf ich fragen, was ich Ihnen schuldig bin?« »Das geht schon in Ordnung, Andreas übernimmt die Rechnung unter einer Bedingung: Du musst dich weiter um Charaid kümmern.«


»Das kann ich doch nicht annehmen!«, versuchte Merlin Andreas zu überzeugen. »Hör mir jetzt einmal ganz gut zu.« Andreas Stimme hatte etwas ernsthaftes an sich. »Du hast das Leben von Charaid gerettet. Das ist bei weitem mehr Wert als die Arztrechnung. Wenn du dich um ihn kümmerst, ihn weiter pflegst, dann zahlst du es uns in Naturalien zurück. Also, lass es gut sein.« Andreas sah zu Merlin hinüber. »Was sagte der Arzt denn zu deinem kleinen Patienten?« Merlin lächelte. »Er ist ganz zufrieden, die Narbe soll ich eincremen und weil sein Beinchen etwas kürzer ist, wird er in den ersten Tagen noch etwas unbeholfen wirken. Er sagte, dass es dem Kater nichts ausmachen wird.« »Das wird es auch nicht, die Natur weiß sich zu helfen. Du wirst sehen, wie schnell es geht. Ach bevor ich es vergesse, morgen bin ich den ganzen Tag unterwegs.« »Du hast ein Projekt?«, hakte Merlin nach. »Ich habe einige Projekte. Nein ich besuche einen Park, den ich vor vier Jahren entworfen habe, ich möchte mir seine Pflege und die Entwicklung ansehen. Immerhin hat der Eigentümer viel dafür bezahlt.« »Machst du das öfters?« »Ich besuche alle meine Projekte einmal im Jahr und führe darüber ein Portfolio. So behalte ich deren Entwicklung im Auge.« Merlin verstand, was Andreas ihm sagen wollte. Die Natur entwickelt sich über Jahrzehnte. »Wäre es unverschämt wenn ich dich fragen würde, ob ich mitkommen darf?« Andreas sah den Jungen interessiert an. »Nein, wenn du magst. Ich wecke dich dann.«

Am kommenden Morgen klopfte Andreas leise an Merlin’s Zimmertür. Als er keine Antwort hörte, öffnete er die Tür und sah zum Bett. Dort lag der Junge und Charaid auf seiner Bettdecke eingerollt. Als Andreas auf das Bett zuging, blinzelte der Kater ihm zu. Dann stand er auf, streckte sich und sprang vom Bett hinunter. Diese Bewegung weckte dann den Jungen. »Charaid?« »Morgen Merlin, aufstehen, wir warten in der Küche mit einem kleinen Frühstück.« »Morgen«, murmelte der Junge. »Ich komme, reichen 10 Minuten?« »Klar.« Damit verließ Andreas das Zimmer und ihm folgte der Kater. Merlin erschien wenig später in der Küche, wo Carsten und Andreas schon am Tisch saßen. »Kaffee, Tee, Kakao?«, erkundigte sich Carsten. »Kakao mit einem Schuss Kaffee, bitte. Ich glaube sonst werde ich nicht richtig wach.« Dann frühstückten die Drei gemütlich. »Was machst du heute?« »Ich bereite meine Vorlesungen am College vor. Ich nutze die Ruhe im Haus …« Merlin lachte auf. »Welche Ruhe? Leonardo und Charaid stellen doch sicher das Haus auf den Kopf!« »Na mein Hund weiß, dass ich nicht gestört werden will, zumindest nicht für einige Stunden. Charaid schleicht auf Samtpfoten und das gelegentliche Schnurren stört mich nicht. Nein, ich denke, ich habe meine Ruhe bis zum Mittag, dann gehe ich mit Leonardo eine Runde raus. Dein Kater wird sich schon zu beschäftigen wissen und wenn ich richtig informiert bin, braucht er Training für sein Bein. Das Haus wird er heute wohl nicht verlassen wollen.« Andreas nickte zur Bestätigung, soweit kannte er den Charakter von Leonardo. Charaid machte, als er ihm folgte, zwar einen munteren Eindruck, doch er zog sein Beinchen noch etwas hinter sich her. Carsten wird wohl recht behalten, wenn der Kater sich erst einmal im Haus orientiert. Dann fiel sein Blick auf die Uhr. »So wir müssen los. Salvatore!«

Andreas stand auf, gab seinen Mann einen Kuss und schnappte sich die zwei Thermoskannen. An der Tür wartete der Hund schon auf sein Herrchen. »Geht ruhig, ich räume hier auf«, meldete sich Carsten. »Merlin, lass Salvatore hinten in den Jeep einsteigen. Ich komme gleich«, gab Andreas Anweisung. Dann nahm er noch zwei vorbereitete Lunchpakete und seine Unterlagen. »Schatz, wann werdet ihr wieder zurück sein?« »Ich weiß es nicht genau. Mach dir einen schönen Tag, Tiger.« Dann gab er Carsten noch einen leidenschaftlichen Kuss.

Andreas war noch nicht auf dem Motorway und Merlin schlief schon wieder. Er musste ein wenig lächeln, diese Eigenschaft hatte auch sein Schwager Ercan. Er nahm es als ein gutes Zeichen für sein sicheres Fahren. Ein Blick in den Rückspiegel und er sah, dass Salvatore sich ebenfalls hingelegt hatte und schlummerte. Dann schaltete er das Radio leise ein. Bis zu ihrem Ziel brauchten sie noch etwas.

»Wo sind wir?«, machte sich Merlin bemerkbar. »Inverness, bis zu dem Park fahren wir noch eine halbe Stunde. Kaffee?« »Gerne«, gähnte der Junge. »Die rote Flasche, bediene dich.«

Dabei wies Andreas Merlin auf die beiden Flaschen hinter seinem Sitz. Die Bewegung im Auto bemerkte auch Salvatore und blickte neugierig auf. »Sag einmal, Salvatore hat doch sicher auch Durst?« Dabei schenkte er sich einen halben Becher Kaffee ein. »Der kann sich bedienen, er hat einen Reisenapf mit Wasser bei sich stehen. Carsten legt immer sehr viel Wert darauf, dass unsere Hunde bei längeren Fahrten zu trinken haben. Ich hab keine Idee, wie er das macht, aber Carsten weiß auch, wann die Hunde mal eine Pause zum pieseln brauchen.«

Andreas schaltete einen Gang herunter. »Also Merlin, der Eigentümer des Parks hat mich vor einigen Tagen kontaktiert. Er war der Ansicht, dass es zwischen den Abrechnungen und den ausgeführten Arbeiten der Gärtnerei eine Diskrepanz gibt. Ich möchte jetzt auch nicht weiter ins Detail gehen. Heute sehen wir uns den Park relativ genau an, wenn dir etwas auffällt, würde ich dich bitten mir das später mitzuteilen«, bat Andreas den Jungen. »Ehrlich? Darf ich mir Notizen machen?« »Das überlasse ich ganz dir, ich habe noch einen kleinen Notizblock in der Tasche.«

Der Jeep bog auf einen Parkplatz einer Bäckerei ein. »Bitte warte mit Salvatore am Auto. Ich gehe kurz hinein. Magst Du etwas Süßes zum Lunch?« »Gerne, ich lass mich überraschen.« Merlin stieg mit Andreas aus und ging nach hinten, um Salvatore hinauszulassen . Wenn sie schon eine kleine Pause einlegten, sollte ihr vierbeiniger Begleiter auch etwas davon haben. Erst sah sich Salvatore nach Andreas um, da dieser in das Geschäft ging, wandte er sich Merlin zu. Als Andreas mit einer Papiertüte aus der Bäckerei kam, sah er die Beiden etwas spielen. Da Salvatore auf ihn entspannt wirkte, hatte er sich wohl auch gelöst. »Kommt ihr beiden, es geht weiter.« Erst wuselte der Hund um Andreas und wurde liebevoll gestreichelt, dann sprang er wieder in das Auto. Merlin schloss die Hecktür und stieg selbst ein. Andreas fuhr schweigend die letzten Kilometer. Der Junge neben ihm sah, dass ihn etwas beschäftigte und schwieg ebenfalls. Dann erreichten sie ihr Ziel.

»Merlin, kannst du dich allein beschäftigen? Mich und Salvatore kennt man schon. Sieh dich um und falls du wegen deiner Notizen angesprochen wirst, lass dir etwas einfallen.« »Du meinst, sie würden dich manipulieren?«, fragte der Junge nach. »Ich würde mich wundern, wenn sie es nicht versuchen würden. Doch ich habe ein geschultes Auge und sehe sofort, wenn etwas unstimmig ist. Nein, ich brauche einfach einmal eine unabhängige Meinung. Du bist mir nicht böse, denn du bist Laie und siehst den Park aus einem ganz anderen Blickwinkel«, erklärte Andreas. »Böse bin ich dir sicher nicht, es ist sogar eine Ehre wenn ich dir helfen kann«, antwortete der Junge.

Sie zogen getrennt los. Andreas und Salvatore gingen zielstrebig durch den Park und an verschiedenen Punkten machten er sich in seinem Tablet Notizen. Er sah, dass in manchen Bereichen die Gärtner nicht ganz fachgerecht gewerkelt haben. Als er auf eine Gruppe von Arbeiter stieß, die dabei waren Sträucher zurückzuschneiden, mischte er sich ein und wies darauf hin, dass die Schnitte nicht richtig durchgeführt wurden. Der herbeigerufene Gartenmeister wollte erst protestieren, doch er erkannte Andreas und versuchte damit zu beschwichtigen, dass seine Anweisung nicht korrekt umgesetzt wurden. »Ich glaube eher, dass Ihre Arbeiter nur wenig Ahnung haben. Allein schon, wie sie die Werkzeuge handhaben, lässt darauf schließen. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass dieser Park nur von geschultem Personal gepflegt werden soll. Denn dass was ich in den letzten zwei Stunden gesehen habe, spricht nicht davon.« Andreas Stimme wirkte sehr professionell und unterstrich seine Mimik. Dem Gärtner sah er an, dass dieser sehr blass wurde. Andreas wandte sich ab und rief seinen Hund zu sich. Aus den Augenwinkel sah er noch, wie die Arbeiten eingestellt wurden.

Merlin machte sich einige Notizen zu dem was er sah und diese fielen sehr subjektiv aus. Als er dabei von einem Gärtner ertappt wurde, wie er ein Foto machte und anschließend noch einige Notizen, wurde er darauf angesprochen. »Nun, ich stehe im Biologieunterricht nicht sehr gut da. Mein Lehrer hat mir angeboten mit einem Referat meine Bewertung aufzubessern«, begann er in Scots. »Da habe ich mich dazu entschieden, einen Park als Thema zu wählen. Hätte ich mich erst um eine Erlaubnis bemühen müssen, ist es nicht ein öffentlicher Park?« Sein Gegenüber beschwichtigte ihn und gab sich mit der Erklärung zufrieden. Dann gab er Merlin noch einige Tipps zum Referat und ging seines Weges. Der Junge machte sich auch dazu noch einige Notizen. Dann ging er wieder zum Parkplatz zurück. Dort angekommen, hörte er noch eine Gruppe Arbeiter miteinander reden und ihre Werkzeuge auf einen kleinen Transporter verstauen. Dann fuhr dieser zügig vom Parkplatz. Zuerst sah Merlin Salvatore auf den Jeep zulaufen dann folgte Andreas in Begleitung eines älteren Ehepaars.

»Ich danke Ihnen, Herr Zahradník, für ihre schnelle Hilfe. Wir lieben diesen Park und sind froh, dass die Bevölkerung ihn angenommen hat. Es gibt auch schon einen Förderverein, der ihn erhalten möchte«, hörte Merlin die Frau sagen. »Das war mir eine Ehre. Ich sehe die Entwicklung ihres Parks wirklich sehr positiv. Sie hatten beide vollkommen Recht mit ihrer Annahme, dass die Pflege zu wünschen übrig lässt. Ich werde eine neue Ausschreibung für die Pflege machen. Diese Gärtnerei hatte am Fachpersonal gespart. Sie haben zwar einiges an Schaden angerichtet, doch die Natur wird es schon mit guter Pflege wieder richten«, gab Andreas Auskunft. Der Mann blieb stehen und sah den jungen Mann neben sich an. »Da kommen doch sicher wieder Kosten auf uns zu.« Andreas lächelte ihn an. »Es entstehen Ihnen keine zusätzlichen Kosten, die Ausschreibung gehört mit zum Service und ich bin ja auch daran interessiert, dass dieser Park erhalten bleibt. So, ich wünsche ihnen weiterhin viel Freude an der Natur. Ich muss los und mein Gutachten sende ich Ihnen in einigen Tagen zu.«

Andreas verabschiedete sich freundlich von den Beiden und steuerte auf seinen Wagen zu. Merlin stieg aus und nahm Salvatore in Empfang. Dieser schien müde zu sein und benötigte etwas Hilfe beim Einsteigen. Im Wagen legte er sich sofort hin und kuschelte sich in die Hundedecke. Andreas bedankte sich bei dem Jungen. Dann legte er seine Unterlagen auf den Rücksitz und stieg selbst ein. Als beide angeschnallt waren, setzte sich der Jeep in Bewegung. »Das Ehepaar waren die Eigentümer des Parks?«, begann Merlin das Gespräch einige Zeit später. »Ja und nein. Der Grund gehörte über zwei Jahrhunderte der Familie. Nachdem die Landwirtschaft immer mehr durch die Industrialisierung verdrängt wurde, hat sich die Familie dazu entschlossen, diesen Besitz der Allgemeinheit in Form eines Parks wieder zur Verfügung zu stellen. Dabei hatte das Ehepaar sehr konkrete Vorstellung zur Gestaltung. Mein Entwurf war seiner Zeit der Zweitplatzierte. Gegenüber dem Gewinner setzte ich auf den Bestand der vorhandenen Pflanzen, was die Kosten erheblich senkte. Als ich den Auftrag übernahm, war meine Bedingung, dass nur eine professionelle Gärtnerei für die Pflege in Frage kommt. Damit waren die Eheleute einverstanden. In den vergangenen vier Jahren lief auch alles gut, das sieht man auch ganz schön an den geringen Eingriff bei den Bäumen. Sturmschäden wurden immer nur minimal beseitigt, um der natürlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Es gibt einige Astbrüche, in denen sich kleine Höhlen gebildet haben. Die Beete wurden im Herbst mit den gehäckselten Holzabfällen abgedeckt und ansonsten auch nicht weiter gesäubert. Dafür gab es immer im Frühjahr einiges zu tun, um die Beete wieder repräsentativ zu gestalten. Die Eigentümer wollten einfach einen natürlichen Park.« »Das hat sich in dieser Saison geändert?«, fragte Merlin nach. »Leider. Die Gärtnerei wechselte und das fiel dem Ehepaar auf. Deswegen kontaktierten sie mich.« Merlin hörte aufmerksam zu. In der Zeit, wo er bei den Beiden wohnte, machte er schon öfters die Erfahrung, dass sowohl Andreas wie auch Carsten eine besondere Philosophie vertraten. »Was kannst du machen?«, fragte er neugierig.

»Ich mache eine neue Ausschreibung für die Pflege und konkretisiere die Arbeiten. Die jetzige Gärtnerei wird den Auftrag sicher nicht mehr erhalten. Sie haben einfach nicht mit ausreichend geschultes Personal aufwarten können. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf einen fünfstelligen Betrag und da erwarte ich einfach Fachkräfte.« Der Junge sah ein, dass Andreas’ Argumentation etwas für sich hatte. So ein Park, der für die Allgemeinheit bestimmt war, braucht einfach professionelle Pflege. Außerdem hat er ja selbst bemerkt, dass etwas unstimmig war und er verließ sich einfach auf sein Gefühl. »Jetzt verstehe ich auch, warum die Arbeiter vorhin ärgerlich waren. Ihnen wurden die Arbeiten entzogen. Sie waren wohl auf diesen Auftrag angewiesen. Hast du kein Mitleid mit ihnen?« Andreas sah einen Augenblick zu dem Jungen. »So ein Park ist auch Leben. Wer hat denn mit der Natur Mitleid, wenn sie durch falsche Pflege abstirbt? Nein, ich habe kein Mitleid, wenn sie deswegen arbeitslos werden. Andersherum sichere ich Ausbildungs- und Arbeitsstellen in Gartenbaubetrieben. Was meinst du, was letztendlich sinnvoller ist?«


Carsten räumte die Küche auf und ging danach mit Leonardo Gassi. Wie auch Leon und Max, spielte er leidenschaftlich mit dem Frisbee. Nach gut einer Stunde setzte sich Carsten an seinen Schreibtisch und bereitete seine Vorlesungen für das kommende Semester vor. Irgendwann hörte er ein leisen Miauen. »Na Charaid, suchst du Gesellschaft?«, fragte er aufs Geratewohl. Als Bestätigung hörte er, wie der Kater auf den Schreibtisch sprang. Wenige Augenblicke später spürte er den Kopf des Katers an seinen Händen. Sanft nahm Carsten Charaid auf und streichelte ihn. Dass er es richtig machte, entnahm er dem sanften Schnurren. »Du bist aber schon wirklich sportlich. Ein Sprung aus dem Stand auf meinen Schreibtisch ist eine gute Leistung. Na komm, gehen wir mal nach deinen Näpfen schauen.« Carsten setzte den Kater ab und ging in die Küche. Er prüfte die Näpfe, doch es war alles in Ordnung. Wo die Hunde ihr Futter in null Komma nichts vertilgt hatten, war der Kater genügsamer. »Du hast ja noch von beidem. Trotzdem danke, ich könnte etwas vertragen. Unsere beiden Männer machen sicher auch gerade Lunch.« ›Miau‹, kam als Bestätigung von dem Kater. Carsten bewegte sich sehr sicher in der Küche und bald hatte er ein leckeres Sandwich vor sich stehen. Dazu trank er eine Cola. Seine Tätigkeit wurde durch ein Läuten an der Haustür unterbrochen.

»Leonardo!« Das Kommando wirkte und der Hund gesellte sich an seine Seite. Gemeinsam gingen sie zum Portal. »Ja bitte?«, fragte er nach. »Guten Tag, sind sie Mr. Zahradník? Ich habe eine Lieferung für Sie.« »Nein, mein Name ist von Feldbach, mein Mann ist unterwegs. Kann ich ihnen dennoch weiterhelfen?« »Ich soll hier sieben Kisten mit zerbrechlichem Inhalt abliefern. Wo darf ich diese abstellen?« Carsten dachte einen Moment nach. »Am besten sie stellen diese in die Garage. Folgen sie mir bitte.«

Carsten zeigte dem Lieferanten wo die Kisten abgestellt werden konnten. Leonardo beäugte die Geschehnisse wie er es gelernt hatte mit Argwohn. Doch der Lieferant machte lediglich seine Arbeit und stellen die Kisten umsichtig ab. Dann wollte er eine Unterschrift als Bestätigung.

»Es wird sicher ein unleserliches Signum, wenn ich es mache. Sieben Kisten haben sie abgestellt. Dann bestätigen Sie die Lieferung. Gibt es auch einen Lieferschein oder Begleitdokumente?« Der junge Mann machte die Dokumente von den Kisten ab und übergab sie Carsten. Leonardo knurrte etwas. »Schon gut!«, kam es leise von seinem Herrchen. »Können sie denn die Dokumente lesen?«, wunderte sich der Kurier. »Wenn ich bedenke, von wem sie kommen, ja. Mein Onkel Jihan kann auch meine Schrift.« Carsten lies seine Finger über einen der Lieferscheine gleiten und lächelte. Dann ließ er den Fahrer ziehen und schloss die Garage. »Na Leonardo, dann sprinte mal eine Runde.« Kaum hörte der Hund seinen Namen lief er dem Wagen des Kuriers einige Meter nach bis er den Kater um die Ecke schleichen sah. Ihm folgte er dann, Carsten ging tastend mit seinem Stock zurück zum Haus. In der Küche legte er die Dokumente auf die Anrichte, dann machte er sich über sein restliches Sandwich her. Nach dieser Stärkung ging er wieder in sein Arbeitszimmer. Erst notierte er sich etwas in seinen Terminkalender, anschließend wählte er den Flügel anstelle des Schreibtisches, dort spielte er einige Stücke, die er eventuell in seinen Vorlesungen verwenden würde.

Chapter 4

Andreas lenkte den Jeep auf einen bewirtschafteten Parkplatz und stellte den Wagen ab. Dann sah er nach dem Hund. »Komm Salvatore, ich gehe etwas essen.« So als ob dem Hund keine andere Wahl blieb, stand er auf und sprang aus dem Wagen. Zu Dritt gingen sie in das Restaurant. »Hast du einen bestimmten Wunsch? Bringe ich mit und du kannst schon einmal einen Fensterplatz suchen.« Merlin wollte nur einen starken Tee. Als Andreas unter anderem mit einer kleinen Auswahl an Sandwiches kam, sagte der Junge auch dazu nicht nein. »So und nun zu dir. Was hältst du von dem Park?« Merlin berichtete von seinen Eindrücken, die er dort sammelte. »Bis auf ein Arrangement fühlte ich mich dort irgendwie wohl. Die Natur, die Stille, obwohl dort viel Publikum unterwegs war.« »Was genau gefiel dir an dem Arrangement nicht?«, hakte Andreas nach. In den nächsten Minuten berichtete Merlin was ihm missfiel und zeigte Andreas auch die Fotos, die er machte. »Ich weiß nicht, der Baum und das Drumherum wirkte nicht harmonisch auf mich.« »Versuche das einmal zu beschreiben.« Ein wenig wunderte sich sein Begleiter über diese Bitte. Dennoch kam er ihr nach. »Das war sehr gut, ich kann dir auch erklären warum«, begann Andreas. Dabei zeigte er auf das Foto und zoomte eine bestimmte Stelle heran. »Wenn die Natur Schäden repariert, gibt es immer ein Gleichgewicht. Ich kenne den Schaden. Ein armdicker, fünf Meter langer Ast brach während eines Sturms vor drei Jahren ab. Daraufhin wuchs der Baum leicht nach links, um das fehlende Gewicht auszugleichen. Das siehst du sehr schön auf dem Bild. Hier ist die Lücke im Blätterwerk zu sehen und wenn du nun eine Linie ziehst, fällt dir auf, dass der Stamm oben gegenüberliegend aus der Senkrechten wächst. Soweit so gut. Was dir unstimmig vorkommt, ist die Tatsache, dass genau auf dieser Seite mit einer Baumchirurgie eingegriffen wurde. Die Natur reagierte darauf und bildete eine weitere Spitze aus. Damit war das Gleichgewicht wieder hergestellt aber die natürliche Symmetrie stimmte nicht mehr. Das bildet die Disharmonie. Wenn der Baum jetzt in den nächsten zehn Jahren sich selbst überlassen bleibt, wird er wieder seine eigene Symmetrie ausbilden.« »Du willst mich auf den Arm nehmen, wie kann ein Baum so schnell reagieren?« Andreas lächelte Merlin an. »Ganz einfach simple Physik. Bis zum Astbruch wird die Rinde auf der gegenüberliegenden Seite gestaucht. Dadurch wird das Wachstum auf der anderen gefördert, so wächst in einem Jahr eine Seite schneller als die Andere.« Merlin bekam den Mund nicht wirklich zu, es war einfach und klang logisch. »Komm, wir sollten Salvatore auch ein wenig Bewegung verschaffen.«

Merlin brachte das gebrauchte Geschirr zurück. Salvatore und Andreas gingen voraus. Draußen liefen sie ein Stücken zu einer freien Fläche und kaum hörte der Hund das Kommando, sprintete er los. Merlin sah ihnen anschließend beim Spielen zu. Ein Ast flog durch die Luft und Salvatore schnappte ihn bevor er auf dem Boden fiel. Der Junge lächelte, wie ausgelassen die Beiden wirkten. Dann brachte der Hund ihm den Ast und integrierte ihn mit ins Spiel. Das ging dann auch eine Weile bis Salvatore sich vor Andreas hinlegte und den Ast schredderte. Merlin lehnte sich neben Andreas ans Auto. »Wir sollten jetzt weiter, bis nach Hause dauert es noch.« Andreas öffnete die Hecktür und Salvatore sprang mit einem Satz hinein. Behutsam lenkte Andreas den Wagen wieder auf den Highway. »Wie ist das mit eurem eigenen Park, der muss doch auch gepflegt werden?«, begann Merlin. »Carsten und ich haben uns dazu entschlossen, eine Gärtnerei damit zu beauftragen. Rund um das Haus wäre es kein Problem für mich, jedoch das weitläufige Gelände wäre dann doch zu viel. Du hast ja heute gesehen, dass letztendlich nur gut ausgebildete Fachkräfte eine gute Pflege garantieren.« »Habt ihr da schon eine in engerer Auswahl … oder anders ausgedrückt, was sind eure Kriterien?« Eine durchaus intelligente Frage, wie Andreas fand. »Nein, eine Auswahl haben wir noch nicht. Ich achte vor allem auf das Fachwissen. Da mache ich auch keine Kompromisse. Bei der Umsetzung habe ich auch darauf geachtet, dass viele Orientierungspunkte für meinen Mann vorhanden sind. Die müssen ebenso gepflegt werden. Carsten wollte lediglich, dass der Betrieb ausbildet, da kommt ganz der Pädagoge in ihm durch und ich teile diese Ansicht.« Der Junge blickte aus dem Fenster und dachte sichtlich nach. »Wo wir schon einmal dabei sind, was möchtest du einmal machen?« »Ich habe keine Ahnung«, gab der Junge zur Antwort. »Ok, wenn du magst, helfen wir dir dabei.« »Darf ich dir eine persönliche Frage stellen?«, wechselte Merlin das Thema. »Nur zu, wenn es zu persönlich wird, nehme ich mir das Recht heraus nicht zu antworten.« »Vertraust du Carsten?« »Sicher. Schon als wir uns kennenlernten, schenkte er mir sein bedingungsloses Vertrauen. Er ist blind und wir teilten uns ein Zimmer. Er bat mich schon am ersten Tag und nur ein einziges Mal, kein Mitleid mit ihm zu haben. Das nenne ich, selbst wenn es seltsam klingt, bedingungsloses Vertrauen.« »Du hast nie auch nur einen Augenblick Zweifel gehabt?« »Mir war zu der Zeit nicht bewusst, dass ich mich schon da in ihn verliebt hatte. Er zeigte mir sehr schnell, dass er sehr wohl auf sich aufpassen konnte. Während unser Schulzeit gab es nur einen Moment, wo ich zweifelte, dass war, als er freiwillig auf seine Hündin verzichtete. Er konnte sich sehr gut orientieren, es dauerte etwas länger, doch tat es uns auch gut. Moderne Wissenschaftler nennen es Entschleunigung im Alltag.« Dabei zwinkerte er Merlin zu. »Ich sehe schon, ihr nehmt es locker und praktisch.« »Merlin, viel anderes bleibt uns auch nicht übrig. Im Landschaftsbau braucht es Zeit bis sich die Natur entwickelt. Ich gebe da mit meiner Planung nur eine Starthilfe. Carsten lehrt Musik und auch da braucht es Zeit bis seine Studenten oder Schüler etwas Neues gelernt haben. Während unseres Studiums konnte er konzentriert stundenlang üben, lediglich sein Hund durfte ihn da stören. Er nimmt sich immer viel Zeit und kann wunderbar die Materie vermitteln. Du kannst ja mal eine seiner Vorlesung besuchen.« Merlin nickte und sah in die aufsteigende Dämmerung. Andreas schaltete das Radio ein und etwas leise Musik ertönte. Bald darauf nahm er wahr, dass sein Beifahrer eingeschlafen war.


Carsten war auf seiner letzten Runde mit Leonardo schon fast wieder am Haus, als er einen Motor hörte. Daraufhin änderte er seine Richtung zu der Garage. Leonardo schien auch der Meinung zu sein, dort erst einmal nach dem Rechten zu sehen, und lief etwas voraus. Die Scheinwerfer des Wagens leuchteten durch das Garagentor. Dann sah Andreas seinen Gatten um die Ecke kommen. »Hi Tiger, was sind das für Kisten, die dort stehen?«, war seine erste Frage, nachdem er Carsten liebevoll küsste. »Schatz, die kommen von Zio Jihan. Das sind die Statuen für den Garten. Sorry wenn sie dir jetzt im Weg stehen.«

Andreas ging auf die Kisten zu und sah sie sich an. Leonardo folgte ihm, dann tätschelte er dem Hund den Kopf. »Nein, dann stelle ich den Wagen draußen ab. Ist ja nicht das erste Mal.« »Wo hast du Merlin gelassen?« »Er schlummert noch im Wagen. War ein langer Weg, selbst Salvatore liegt noch ruhig im Kofferraum. Machst du noch Tee, ich komme nach.« »Klar, mache ich den. Habt ihr schon gegessen?« »Nein, ich denke zu einem kleinen Snack sagen wir nicht nein.«

Carsten wandte sich ab und ertastete wieder mit dem Stock den Weg. »Leonardo bei Fuß.« Das Kommando verfehlte nicht seine Wirkung. Andreas weckte Merlin und von dem Geschaukel im Wagen wurde auch Salvatore munter. Als Andreas die Hecktür öffnete, sprang er hinaus und lief hinter Leonardo her. »Nimmst du die Tasche, dann nehme ich den Rest mit«, bat er Merlin, der nicht wirklich munter wirkte. Danach schloss er den Wagen und das Garagentor mit der Fernbedienung. Im Haus stellte Merlin die Tasche im Atrium ab und folgte dann Andreas in die Küche. »Was wollt ihr essen? Sandwiches oder etwas Warmes?«, fragte Carsten die Anwesenden.

»Ich mache euch ein paar Sandwiches, dazu können wir noch vom Eintopf essen. Geht relativ schnell«, meinte Andreas. »Gute Idee, Merlin, siehst du bitte nach Charaid’s Futter? Ich mache die Rationen für die Hunde.«

Gesagt getan. Bald schon waren die Drei in der Küche beschäftigt und Merlin erzählte von dem, was er mit Andreas erlebt hat. »Ich habe noch einmal darüber nachgedacht, was du über Gärtnereien, Ausbildung und Fachwissen gesagt hast. Dem stimme ich prinzipiell zu, doch was machen Menschen, die nicht soviel Geld haben und sich eine teure Gärtnerei nicht leisten können?« »Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Parkanlagen gehören aber in fachliche Hände. Es ist ja nicht so, dass man sich keinen Rat in einer Gärtnerei holen kann. Viele Gärtnereien und Baumschulen beraten ihre Kunden sehr ausführlich. Das erspart schon oft teure Fehlentscheidungen oder sie bieten kostengünstigen Service, wie zum Beispiel Bodenanalysen und so weiter, an. Man muss einfach fragen.« »So die Hunde sind versorgt, wie steht es mit dem Kater?«, meinte Carsten. »Seine Näpfe sind sauber und frisch befüllt. Soviel frisst Charaid nicht.«

»Ich denke, er teilt sich sein Trockenfutter einfach ein. Bei frischem Futter wird er wohl auch schnell zulangen, wenn nicht, müssen die Reste entsorgt werden.« »Gibt es eigentlich auch barfen für Katzen?« »Natürlich, es gibt im Internet genug Rezepte. Am einfachsten du beobachtest Charaid längere Zeit was er frisst. Ansonsten denke daran, Charaid gehört zur Familie der Felidae: Er ist ein Raubtier«, erinnerte Carsten Merlin. »Er verträgt das, was die Hunde auch bekommen?«, fragte der Junge nach. »Vielleicht in anderen Mengen. Bei unseren Hunden achten wir auf die energetischen Werte der Rationen, weniger auf das Volumen. Ich denke, das würde bei dem Kater ein guter Ausgangspunkt sein. Oder was meinst du Andreas?« »Ich weiß es nicht. Sicher kann der Tierarzt weiterhelfen. Zumindest sollte er es wissen«, meinte Andreas.

Merlin deckte den Tisch ein, selbst für ein einfaches Abendessen sehr dekorativ. Andreas stellte die Schüssel mit dem Eintopf auf die Warmhalteplatte und Carsten den Teller mit den Sandwiches auf den Tisch. »Bedient euch, Andreas, würdest du mir von dem Eintopf aufgeben?«, bat Carsten. Sein Gatte tat worum er gebeten wurde und auch Merlin schloss sich dem an. »Konntest du für deine Vorlesungen viel tun?«, lenkte Andreas das Thema am Tisch. »Ich habe am Vormittag die Themenschwerpunkte für die Vorlesungen Spieltechnik und Komposition festgelegt. Bis zu den Zwischenprüfungen im dritten Studienjahr wird das Thema Toccata und Fuge dominieren. Die Studenten sollen zu den Abschlussprüfungen eine Komposition in diesem Stil anfertigen.«

»Machst du das allein?« »Nein, ich habe mit einigen Kollegen gesprochen. Wir arbeiten daran, einen kompletten Vorlesungszyklus aufzubauen. Meinen, dass wir eine Vorlesungsreihe über drei Semester anbieten. Danach, so unsere Idee, haben wir für alle Musikstudenten eine Basis geschaffen, auf der sie ihr Studium weiter aufbauen können.« »Haben denn nach den Aufnahmeprüfungen die Studenten nicht schon eine Grundlage?«, mischte sich Merlin ein. »Jeder Musiklehrer legt das Grundwissen für seine Schüler selbst fest. Mein Klavierlehrer, zum Beispiel, legte Wert auf ein fundiertes Grundwissen in Harmonielehre, Komposition und Musikgeschichte. Dabei habe ich vor allem gelernt, mein Wissen auf diverse Musikrichtungen anzuwenden. Die Technik des Klavierspielen kam dann fast wie von selbst.« »Oh, das kann ich bestätigen. Carsten wechselt von Blues, ohne dass man es merkt, in Jazz, Rock, Klassik oder macht einen Ragtime daraus. Das kann nicht wirklich jeder. In einer spontanen Challenge hat er sogar zur Schulzeit einen Berufsmusiker in die Schranken gewiesen«, fügte Andreas nicht ohne Stolz in der Stimme hinzu. »Meine Kollegen und ich möchten sicher gehen, dass alle ein gemeinsames Wissen haben. Es ist nämlich sehr ineffizient, wenn ich bei jedem Student quasi bei Null anfangen muss, wenn ich mit ihm individuell arbeite. Genauso sehen es die anderen Professoren. Daher haben wir uns auch zu diesem Zyklus entschlossen. Dabei bleiben wir interdisziplinär, also Musikgeschichte, Spieltechnik, Harmonielehre. Selbst der Master unterstützt uns.« »Klingt gut durchdacht«, meinte Merlin. »Hast du auch Nachtisch für uns, etwas Süßes fände ich jetzt nicht übel?«, wechselte Andreas das Thema. »Ich habe nichts spezielles gemacht, im Eisfach ist noch Eis, wenn dir das reicht.«

Nach dem Essen ging Merlin hinauf in sein Zimmer. Er war müde und wollte einfach nur schlafen.

Andreas fand Carsten in der Bibliothek. Er las in einem Krimi und trank dabei Kaffee, Leonardo lag zu seinen Füssen und Charaid neben ihm. »Na du, konntest du über das Problem mit dem Park etwas in Erfahrung bringen ?«, fragte er Andreas. »Die Hinweise waren dürftig doch sie trafen zu. Es gibt mittlerweile eine Stiftung für den Park und für die Pflege bringen sie allein jährlich £ 15,000 auf. Der Eigentümer und die Stadt noch einmal die gleiche Summe. Da erwarte ich schon geschultes Personal. Die derzeitige Gärtnerei konnte damit nicht dienen. Ich setze morgen die Kündigung des Vertrages auf, schreibe die Pflegearbeiten neu aus und konkretisiere dabei, dass nur Fachkräfte die Pflege durchführen dürfen. Ich möchte, dass der Park noch viel Generationen erlebt.« »Da hast du Recht, das Leben der Pflanzen braucht gute Pflege. Wäre so eine Ausschreibung nicht auch für unseren Park sinnvoll?« »Im Prinzip schon, doch ich möchte gegebenenfalls eine solide Geschäftsbeziehung und da ist es besser, ich erkundige mich im Vorfeld persönlich.« Carsten legte sein Buch beiseite und regelte das Radio leiser. »Das verstehe ich sehr gut. Da unterscheiden sich wohl unsere Berufe kaum. Ich mache mir auch lieber ein eigenes Bild von meinen Studenten. Die Ergebnisse der Aufnahmeprüfung sind für mich ein Anhaltspunkt, doch brauche ich mein persönlichen Eindruck vom Studenten. Kannst du dich noch an deinen Test bei Volker erinnern?« Andreas lachte als er daran dachte. »Sehr gut sogar, dieses disharmonische Stück war einfach heftig.« »Genau. Ich handhabe es ähnlich. Die meisten Studenten bereiten sich oft intensiv auf die Prüfung vor. Ich will aber ihren Charakter kennenlernen, wie sie beim Klavierspielen etwas umsetzen .« »Oh, ja ich weiß noch, wie wir Zusammen die Klaviere strapaziert haben und Volker fand es gut. Er hat mir bei meinen Lektionen oft auch sehr viel Philosophie beigebracht. Er ist mit mir auch manchmal an den See gegangen um einfach nur zu reden«, erinnerte sich Andreas an seine Zeit im Internat. »Das konnte er wirklich gut. Etwas ganz anderes, wo ist Salvatore?« »Vorhin war er noch in der Küche. Möglich, dass er sich ein ruhiges Verdauungsplätzchen gesucht hat. Gehst du noch mit den Hunden raus?« »Leonardo ist relaxt, ich lasse ihn noch in den Garten. Wenn Salvatore möchte kann er mit.«

»Ich glaube beide haben genug. Leonardo sieht müde aus und wenn sein Bruder sich schon zurückgezogen hat, scheint er auch kein Interesse mehr zu haben. Notfalls lasse ich ich sie heute Nacht raus. Ich gehe meine Runde machen und dann ins Bett. Mach nicht mehr so lange.«

»Warte ich komme mit.«


Charaid weckte die Beiden am folgenden Morgen. Erst sprang er bei Andreas aufs Bett und schnurrte, dann schlich er zu Carsten und schnupperte an dessen Gesicht. »Morgen Charaid, haben dich die Hunde vorgeschickt?« ›Miau‹ »Gut, dann stehe ich mal auf und lasse die Beiden in den Garten. Tiger aufstehen.« »Och menno, es ist so gemütlich hier.«

Carsten beugte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Das verfehlte die Wirkung nicht und Andreas verschwand mit Carsten im Bad.

»Kaffee oder Tee?«, begrüßte Merlin seine Gastgeber. »An diesen Service kann ich mich gewöhnen. Ich möchte erst die Hunde raus lassen!« »Die sind draußen. Ich habe mir erlaubt, sie schon in den Garten zu lassen, nachdem Salvatore mich geweckt hatte.« »Gut, dann mache ich mal die Rationen der Beiden.« Carsten ging zu dem Kühlschrank mit den Zutaten für die Hunde, holte verschiedene Dosen daraus hervor und tastete die Beschriftungen ab. Merlin sah ihm dabei zu, wie er verschiedene Zutaten auf eine sprechende Waage tat und anschließend alles vermengte. »Merlin, falls du mal die Rationen für unsere Hunde machst. Andreas hat in der Schublade ein paar Rezepte für ihre Rationen aufgeschrieben.« »Das sieht bei dir so einfach aus, ist das denn nicht egal was sie bekommen?« »Nein, wir möchten ja keine übergewichtigen Begleiter. Daher werden alle Zutaten genau abgewogen. Es passen auch nicht immer alle Zutaten zusammen.« Zuletzt tat er es in die beiden Näpfe und stellte diese auf die Anrichte. Andreas bereitete währenddessen das Frühstück vor. Merlin kam sich ein wenig deplatziert vor.

»Merlin, hast du schon Charaid’s Näpfe gefüllt? Das ist deine Aufgabe,«, meinte Carsten plötzlich und holte den Jungen aus seinen Gedanken. »Den Wassernapf habe ich frisch befüllt und auch schon etwas frisches Futter in den anderen Napf gefüllt. Die Menge habe ich etwas reduziert, dazu habe ich gestern den Rest gewogen. Das Gewicht halbiert und abgezogen. Ich denke mit dieser Methode komme ich seinem Bedarf am schnellsten näher.« »Das denke ich auch. Was ist mit barfen? Hast du darüber schon nachgedacht?« »Nicht wirklich. Ich habe heute Nachmittag ein Termin bei Doc. Miller. Da kann ich ihn fragen.« Andreas hob fragend seine Augenbrauen. »Ist etwas mit Charaid?« »Nein, Mr. Miller bringt mir die Grundlagen für die Erstversorgung von Tieren bei. Verbände anlegen und das alles.« »Du magst Tiere?«, hakte Carsten nach. »Ich wollte schon immer ein eigenes Haustier haben. Daraus wurde nur nie etwas. Ich habe mal ein verwundetes Eichhörnchen mit nach Hause gebracht. Am nächsten Tag lag es tot in der Mülltonne. Mein Vater hatte ihm einfach das Genick gebrochen. Ungeziefer kommt mir nicht ins Haus, war sein einziger Kommentar. Ich habe es dann wieder aus der Tonne geholt und begraben.« Zum Ende hin wurde Merlin’s Stimme immer leiser und er schniefte etwas. Andreas stellte sich hinter ihn und legte seine Hände behutsam auf seine Schultern. »Es ist eine gute Idee, wir unterstützen dein Vorhaben.« Ein leises ›Miau‹ kam von der Küchentür und der Kater schlich zu dem Jungen. Dieser hob den kleinen Kater auf und streichelte ihn sanft. »Siehst du, auch Charaid ist der Ansicht, dass du das Richtige machst. Außerdem, wer anderen hilft, ist hier immer willkommen.«

Am späteren Nachmittag waren Merlin und der Tierarzt in der Praxis dabei, an einem großen Stofftier verschiedene Verbände anzulegen. »… Tieren kann man schlecht vermitteln ruhig zu bleiben, daher müssen Verbände immer besonders fest sitzen. Ohne das Tier zu stressen. Mache am besten einen Knoten am Ende. Sieht etwas seltsam aus, doch du hast in der Regel auch keine professionelle Ausrüstung dabei. Wo wir schon dabei sind, ich zeige dir jetzt noch einige Dinge, die du immer mal benötigst. Fiebermessen, Spritzen geben, Zecken ziehen und das alles.«

Merlin war ein aufmerksamer Schüler und die Handgriffe lernte er schnell. Das Stofftier ließ alles geduldig über sich ergehen. Nach drei Stunden brachte Doc. Miller den Jungen wieder zurück. Carsten lud ihn ein und der Arzt nahm dankend an. »Konnten Sie dem Jungen einiges vermitteln? Ich weiß, dass es nicht einfach ist und es kann auch nicht jeder.« »Oh, der Junge hat ein natürliches Talent. Mein Tierdummy hat selten so wenig gelitten wie bei ihm. Wissen sie schon, was er einmal machen möchte?«, stellte der Arzt neugierig die Frage. »Wir haben ihm versprochen, bei seiner Berufswahl zu helfen, doch noch nichts konkretes. Warum fragen sie?« Der Arzt räusperte sich. »Nun, wenn er einverstanden ist, würde ich ihm anbieten, mir in der Praxis zu helfen. Er könnte mir zur Hand gehen und er würde auch dafür entlohnt. Sabine, meine Helferin hat sich den Fuß verstaucht. Sie macht den Empfang, weil sie da sitzen kann«, erläuterte Mr. Miller sein Anliegen. »Ich habe nichts dagegen, wenn er möchte. Fragen sie ihn. Was halten Sie von barfen für Katzen?«, wechselte Carsten das Thema. »Es ist etwas aufwendiger aber richtig zubereitet sehr gesund. Ich kann Merlin die Grundlagen dazu beibringen. Wie halten Sie es?« »Ich habe mit meinem Vater einige Rezepte zusammengestellt. Dabei haben wir auf die energetischen Werte geachtet. Leonardo und Salvatore lieben ihr Futter, auch wenn die Rationen manchmal geringer ausfallen. Sie fühlen sich wohl und das ist uns wichtig. Manchmal gibt es Pansen, aber nur wenn dieser frisch ist. Auf Belohnungen aus Futter verzichten wir weitestgehend. Toben ist ihnen wichtiger und da geben wir ihnen viel Raum.« Dem stimmte der Arzt zu. Als Charaid zu ihm auf den Schoß sprang, wunderte sich der Tierarzt. »Also du bist ja schon richtig in Form.« »Oh ja, er springt aus dem Stand auf meinen Schreibtisch und der hat eine Höhe von einem Meter.« Der Arzt lachte. »Der Kater hat eine gute Muskulatur und seine Kondition ist erstaunlich gut. Bei der Nachuntersuchung meinte Merlin, dass der Verband schmutzig geworden ist. Ich habe ehrlich gesagt schon Schlimmeres gesehen, doch ich sah, dass Charaid sein Bein richtig belastet hatte. Nicht zu viel aber ausreichend um die Muskulatur zu trainieren. Merlin hat ihn gut gepflegt.« Charaid schnurrte wohlig bei den Streicheleinheiten. Dann sah Mr. Miller auf seine Uhr und wollte gehen. »Gut, ich werde einmal mit Merlin sprechen, vielleicht ist das ein Anfang.« »Er muss sich nicht sofort entscheiden. Doch er sollte mir seine Entscheidung, egal wie diese ausfällt, mitteilen.«

Carsten brachte seinen Besuch zur Tür und diese Aktion veranlasste Leonardo zu seinem Herrchen zu laufen. »Nun, mein Kleiner, ich brauche Bewegung, du auch?« ›Wuff‹ Carsten nahm das als Zustimmung und gemeinsam gingen sie spazieren.


Andreas hatte sich den ganzen Tag mit der Expertise für das Ehepaar beschäftigt und eine neue Ausschreibung verfasst. Die Beschreibung der auszuführenden Arbeiten nahm er dieses Mal sehr genau. Im letzten Absatz erwähnte er ausdrücklich, dass dieser Auftrag nur an Gärtnereien vergeben wird, die auch ausbilden. Zuletzt druckte er sich die Unterlagen aus. Das Gutachten unterschrieb er und machte es versandfertig. Zur Ausschreibung wollte er sich die Meinung von Carsten anhören. Danach rief er Salvatore und ging mit ihm durch seinen Park. An dem Pförtnerhäuschen traf er auf seinen Gatten, der sich dort auf eine Bank gesetzt hatte. Leonardo lief durch die Gegend und kam immer wieder mal zum Herrchen zurück. »Ein Penny für deinen Gedanken«, begann Andreas. »Hallo Schatz, ich gebe mich der Muse hin. Hier ist es so schön ruhig, das Aroma der Natur, die Geräusche, es wirkt so friedlich und beruhigt mich.« Andreas setzte sich zu ihm und Salvatore lief zu seinem Kumpel und begann diesem hinterherzujagen . »Du hast Recht, es ist ein ruhiges Plätzchen. Ich habe Mr. Miller gesehen, gibt es Probleme?« »Nein, er brachte Merlin zurück und bei einem kleinen Gespräch fragte er mich, ob Merlin nicht in seiner Praxis jobben wolle. Wir sollten ihn heute Abend einmal fragen, was er dazu meint. Du hast dich heute sehr zurückgezogen. Hattest du soviel zu tun?« »Ich habe ein Gutachten fertiggestellt und die Ausschreibung für den Park, den ich gestern besuchte, neu verfasst. Ich möchte später deine Meinung dazu hören, bevor ich sie veröffentliche.«

»Du weißt aber schon, dass ich nicht dein Fachwissen habe. Ansonsten gerne, vielleicht möchte Merlin auch etwas dazu sagen, immerhin kennt er den Park.« »Eine gute Idee. Sage mal, was sollen wir mit dem Pförtnerhaus machen?« »Wenn die Genehmigungen durch sind, könnten wir es vermieten. Einen Pförtner brauchen wir eigentlich nicht und für eine Schule ist die Akustik nicht gut. Leerstehen lassen möchte ich es nicht, dafür ist es zu schade.« »Ehrlich, Carsten. Wir haben schon ein recht großes Grundstück vielleicht sollten wir einen Verwalter einstellen? Du bist mindestens zwei mal die Woche in London und ich bin auch oft genug unterwegs. Bei Konzerten sind wir beide auch nicht da, dennoch muss alles hier organisiert werden.« »Ich behalte diesen Vorschlag mal im Hinterkopf. Noch ist es nicht soweit. Ich gehe jetzt zurück, mir wird langsam kalt. Leonardo!« Die Worte des Herren verfehlten nicht die gewünschte Wirkung. Gemeinsam mit Salvatore trabten er an und ließ sich erst einmal kraulen. Dann stand Carsten auf und nahm seinen Blindenstock. Andreas ließ einen letzten Blick zum Häuschen schweifen und schloss sich dann Carsten an.

Das Dinner bereiteten Andreas und Merlin vor. Dabei erzählte der Junge, was er bei dem Tierarzt alles gelernt hatte. »Es tat mir etwas leid, als ich dem Stofftier eine Spritze geben musste.« »Es ist manchmal nötig, Merlin. Unsere Hunde mögen es auch nicht, doch wenn es ihnen anschließend wieder gut geht, sind sie mehr als dankbar. Sie können uns nicht sagen, wo sie Schmerzen haben, da braucht es ein gewisses Feeling. Sieh dir einmal deinen Kater an. Charaid hatte starke Schmerzen nach dem Unfall. Das Schmerzmittel tat ihm gut und er hatte weniger Stress. Jetzt ist er eine echte Schmusebacke und vertraut dir. Ich habe unseren Hunden schon einige Spritzen geben müssen, sie haben es mir noch nicht übel genommen.« Beide lachten, als daraufhin Leonardo und Salvatore neugierig in die Küche kamen. »Sag mal Merlin, hättest du Spaß an der Arbeit mit Tieren? Dr. Miller würde dir eine Art Praktikum in seiner Praxis anbieten,«, mischte Carsten mit. Der Junge sah Carsten erstaunt an, bis ihm gewahr wurde, dass dieser ja nichts sah.

»Ich muss darüber nachdenken.« »Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet. Nur teile dem Arzt deine Entscheidung bis Ende kommender Woche mit. Die Hunde sind versorgt. Wie weit seid ihr mit dem Abendessen?« »Wasch dir die Hände und setz dich hin, Junge«, antwortete ihm Andreas.

Carsten und Merlin zogen erstaunt ihre Augenbrauen hoch. Dann brach bei Merlin und Carsten ein freches Grinsen durch. »Ja Mama«, antwortete ihm Carsten. Selbst Merlin konnte sich nicht mehr an sich halten. »Mutter, der Junge hat sich schon die Hände gewaschen«, imitierte er eine tiefe Stimme nach. Jetzt war es an Andreas, der verwundert die Augenbrauen hob und laut losprustete.

»Soviel zur Ernsthaftigkeit unser kleinen Gemeinschaft. Setzt euch, wir können essen«, sprach Merlin weiter in der tiefen Stimme. Das taten sie auch und während des Dinners wurde weiterhin viel gelacht und geschwätzt. Nach dem Dinner ging Carsten in sein Arbeitszimmer. Er nahm an seinen E-Piano Platz. Er begann wie immer mit seinen Fingerübungen und einfachen Etüden. Er wusste nicht warum, doch auf einmal kam ihm eine Melodie in den Sinn, die er auf seinem Instrument spielte. Er hörte wie die Tür geöffnet wurde. »Eine schöne Melodie, Tiger.« »Finde ich auch, fiel mir eben ein, kannst du mal meinen Laptop holen, bitte?« Andreas brauchte nicht lange und das Gewünschte stand auf dem Piano. Carsten schloss diesen an und spielte die Melodie. Auf dem Laptop erschienen in einem Notensystem die gespielten Töne. Andreas wusste, dass sein Gatte, wenn er kreativ war, gern allein war. Daher verließ er den Raum und schloss die Tür leise. Merlin kam ihm mit einem fragenden Blick entgegen. »Carsten ist gerade durchaus kreativ. Ich würde dich bitten, ihn jetzt nicht zu stören«, informierte ihn Andreas. »Kein Thema. Ich habe noch Kaffee gemacht und möchte noch etwas lesen.« »Eine gute Idee. Komm gehen wir in den Salon, dann sind die Hunde nicht so allein.«

Die Hunde waren nicht allein. Charaid lag zwischen ihnen, schnurrte und kuschelte sich an Salvatore. »Hat Carsten ein sehr großes Repertoire?« »Nun, die Sammlung an Noten in der Bibliothek ist schon sehr groß. Die Konzerte hat er mindestens einmal gespielt. Bevorzugt Beethoven, Brahms, Clara und Robert Schumann, Camille Saint-Saëns und Rachmaninow. Diese Konzerte interpretiert er schon fast wie im Schlaf. Für das College beschäftigt er sich auch mit den anderen Komponisten.« »Und wie macht er das bei Konzerten, wo er doch nichts sehen kann?«

»Carsten lernt die Konzerte quasi auswendig. Das fällt ihm gar nicht so schwer, wie es den ersten Anschein hat. Doch es steckt auch viel Arbeit dahinter. Zur Vorbereitung eines Konzertes beschäftigt er sich intensiv mit dem Stück. Dabei nimmt er sich auch seine eigene Partituren und Notizen vor, die er dann bei den Proben auf seinem Laptop vor sich hat. Dort notiert er sich auch Spezifikationen zum Orchester und Dirigenten. Ich war einmal bei einer Probe zu einem Klavierkonzert von Rachmaninow dabei. Ich weiß nicht, wie Carsten es jedes mal schafft, doch innerhalb kürzester Zeit hat er die Sympathie aller Musiker.« Andreas bekam leuchtende Augen als er davon sprach.

»Geht denn auch schon mal etwas schief bei den Proben?« »Klar, es sind ja keine Maschinen die Musik machen. Bei einer Probe zum dritten Konzert von Rachmaninow wusste Carsten für einen Moment nicht, wie es weiter ging. Als dann sein Einsatz kam, interpretierte er die Musik einer Warteschleife. Das führte erst einmal zur allgemeinen Heiterkeit bei den Anwesenden. Nach zwei Wiederholungen machte er in dem Konzert weiter, als sei nichts gewesen. Später entschuldigte er sich für diese Einlage, erklärte den Grund seines Handelns. Der Dirigent nahm es, wie auch das Orchester, mit Humor. Es ging auch anders herum. Carsten spielte ein Solo und erwartete den Einsatz des Orchesters. Doch nichts geschah, also wiederholte er seinen Part ein zweites Mal. Als danach noch immer alles ruhig blieb, fragte er leise den Dirigenten, ob er seinen Part noch ein drittes Mal spielen sollte. Dieser war so von Carsten’s Interpretation fasziniert, dass er ganz vergessen hatte, dass es eigentlich weiter gehen sollte.« Merlin hörte erstaunt zu und stellte sich die Situationen schmunzelnd vor. Diese Anekdoten gehörten wohl dazu, wenn Menschen zusammen für Unterhaltung sorgten. »Es ist für die Musiker eine harte Arbeit. Carsten kann schon mal bis zu vier Stunden ununterbrochen am Stück am Klavier sitzen und ein Konzert proben. Lediglich die Hunde durften zu ihm und erinnerten ihn daran, dass er auch mal eine Pause machen sollte. Ich weiß nicht, wie du zu klassischen Konzerten stehst. Ich war bei seinem ersten Konzert in der Mailänder Scala dabei, damals haben er und das Orchester durch ihre Interpretation das Publikum verzaubert. Ich bekam eine Gänsehaut, als das Publikum zu Applaudieren begann. Für diesen Augenblick, sagte mir Carsten, lebt ein Musiker. Der Abend in der Scala ging mit einem Potpourri von Vivaldi zu Ende und die letzte Zugabe war der Gefangene Chor aus Aida. Das ganze Publikum hat mitgesungen und es ist in Italien die beste Kritik, die ein konzertanter Abend bekommen kann.« »Nun, klassische Musik ist nicht unbedingt mein Favorit. Davon gibt es unter freiem Himmel nicht soviel. Ich habe mal eine Flash Mob Performance gesehen. War ganz interessant, doch meist war ich damit beschäftigt zuzusehen, wie ich zu Essbarem komme.«

Andreas sah dem Jungen an, dass er etwas geistesabwesend wirkte, als er davon erzählte. »Nun, das gehört der Vergangenheit an. Welche Musik magst du denn?« »Da wären einmal die traditionellen Folksongs. Ich mag die unterschiedlichen Versionen in den Dialekten. Ein und derselbe Song in Glasgow oder in Edinburgh gesungen klingen sehr unterschiedlich. Dann mag ich auch die Musik von Queen, Rod Steward, Phil Collins und so weiter. Eben die alte Garde des Rocks und Pops aus den Anfängen.« »Spielst du eigentlich ein Instrument?« »Ich habe mal in der Primary School Gitarrenunterricht gehabt, da ich jedoch kein eigenes Instrument hatte, musste ich den Unterricht wieder aufgeben.« »Nun, wenn du magst, kannst du gerne wieder Unterricht bekommen. Ein Instrument kannst du dir im Music Corner aussuchen«, meinte Carsten, der die letzten Worte gehört hatte, als er den Salon betrat. »Ich habe kein Geld, um mir eines zu leisten«, resignierte Merlin. »Irrtum. Dein Sozialbetreuer teilte uns mit, dass du Anspruch auf staatliche Unterstützung hast. Das steht allein dir zur Verfügung. Sieh dich einfach im Store um und wenn du etwas passendes gefunden hast, tu dir keinen Zwang an.« Zwischendurch kam Leonardo dazu und schubste Carsten an. Dieser verstand den Wink seines Vierbeiner. »So, Leonardo möchte noch einmal Gassi gehen. Haltet ihr mir mir noch eine Tasse Kaffee übrig?«

Andreas bestätigte seinen Wunsch. Dann machten sich die Beiden zu einer größeren Runde auf. Leonardo hatte es eilig, eine geeignet Stelle zu finden, um sich zu lösen. Danach flog ein Diskus durch die Luft und der Hund rannte freudig hinterher, um diesen anschließend seinem Herrchen zu bringen. Das Spiel begann von neuem. Als Carsten eine Stunde später wieder den Salon betrat, war Andreas dabei Salvatore ordentlich zu knuddeln. »Salvatore hatte sich mit einen Besuch im Garten begnügt. Bei ihm ist wohl die Luft raus. Dein Kaffee steht auf dem kleinen Beistelltisch.« »Wenn es ihm reichte, muss ja nicht immer noch eine große Runde am Abend sein. Leonardo war ja eigentlich den ganzen Tag im Haus und brauchte den Auslauf. Was steht denn morgen für uns an?« Dabei setzte sich Carsten in ihren gemütlichen Zweisitzer und schenkte sich eine Tasse ein. »Ich wollte mir die Statuen ansehen. Damit ich weiß, wie ich sie am besten Aufstellen kann. Jihan schrieb nicht, was und aus welchem Material sie sind. Wir sollen uns überraschen lassen.« »Ich hoffe, sie sind nicht aus einem Edelmetall, Bronze könnte ich mir schon vorstellen. Habt ihr darüber gesprochen, dass hier wilde Hunde leben? Du weißt ja, die Beiden können schon mal die Welt um sich vergessen, wenn sie toben.« Andreas lachte und Salvatore sah ihn fragend an. »Klar, das war meine wichtigste Bedingung. Dann kam noch ein Anruf vom Dorfvorsteher. Morgen Abend findet noch eine Versammlung im Pub statt. Es gibt nur ein Tagesordnungspunkt: Der Gemeindespielplatz.« »Nun, wenn wir zur Dorfgemeinschaft gehören wollen, müssen wir dort wohl hin. Könnte interessant werden. Wenn nichts dagegen spricht, können wir anschließend essen gehen.« »Gute Idee, machen wir uns alle einen schönen Abend.«

Carsten dachte einen Moment nach, was am folgenden Tag alles anstand. »Du möchtest dir die Statuen ansehen. Ich möchte mich noch ein wenig mit Fryderyk am Flügel vergnügen. Mir gefällt das zweite Konzert und vielleicht finde ich ja ein Orchester für ein Konzert. Später gehen wir gemeinsam Einkaufen, ich glaube morgen ist Markttag. Wann beginnt diese Versammlung?«

»18:30 Uhr laut dem Ortsvorsteher. Deine Planung klingt vernünftig. Komm es ist spät, wir sollten uns schlafen legen.« Carsten grinste ein wenig, ob sie wirklich zum schlafen kamen? Andreas ging noch einmal die Eingänge ab und schaltete die Alarmanlage ein.

Chapter 5

Gemeinsam mit Merlin machte sich Andreas an die Holzkisten mit den Statuen. Nach gut einer Stunde war der Inhalt freigelegt. Jihan hatte für die Sockel einfachen Sandstein verwendet. Die Skulpturen selbst waren aus verschiedene Materialien. Andreas sah sich alle gründlich an. Drei Skulpturen waren aus Bronze, vier aus weißem Marmor.

»Was meinst du, was stellen diese Figuren dar?« Merlin ging um jede Statue einmal herum und besah sie sich genauer. Bei manchen murmelte etwas vor sich hin. »Es handelt sich um griechische und römische Gottheiten. Genau weiß ich es aber nicht. Doch mir scheint, dass sie mir irgendwie bekannt vorkommen.« Andreas lächelte etwas. »Mein Onkel hat ein begnadetes Händchen. In jeder Statue findest du auch die Charaktere meiner Familie wieder. Du kannst ja mal versuchen, diese darin zu entdecken.« Merlin ging noch einmal um alle Figuren herum, er schien sich darüber Gedanken zu machen. Währenddessen ging Andreas zur Terrasse und sah sich im Garten um. Eigentlich war es müßig, er wusste ja wo Statuen aufgestellt werden konnten. So hatte er es auch als Architekt geplant. Da sein Onkel ihm aber nicht verriet, was er zu erwarten hatte, stand er vor dem Problem die Statuen richtig zu positionieren. Plötzlich wuselten die Hunde um ihn herum. »Na sucht ihr Gesellschaft oder treibt euch lediglich die Neugier zu mir?« »Ich denke beides Schatz. Sie wollen wohl wissen, was in ihrem Revier vor sich geht und ich war in den letzten Stunden auch nicht ihr bester Gesellschafter. Als Leonardo mir deutlich machte, eine Pause einzulegen, sind wir Drei raus.« Dabei legte er seinen Arm um Andreas. »Bist du mit dem Auspacken fertig, womit hat uns Zio Jihan überrascht?« »Gottheiten des Altertums. Drei aus Bronze und vier aus Marmor. Alle auf Sockel mit 50 Zentimeter im Durchmesser. An der Oberkante des Postaments hat Jihan in Blindenschrift den Titel der Statue modelliert. Ich wollte mir ansehen, wo wir diese nun aufstellen. Was meinst du?«

Es war nicht taktlos, Carsten einfach nach seiner Meinung zu fragen, wegen seiner Blindheit. Andreas interessierte es immer, was sein Gatte zu solchen Dingen meinte. Schon im Studium hatte er erkannt, dass ihm bei seinen Projekten Carsten’s philosophische Ader sehr half. »Du sagtest Gottheiten, um welche handelt es sich dabei denn?« Andreas beschrieb die einzelnen Statuen ausführlich. Carsten wirkte nachdenklich und etwas verträumt. Nachdem Andreas geendet hatte, blieb es eine Weile still. Lediglich das Herumtollen der Hunde durchbrach diese. »Wie wäre es mit Gruppierungen? Ich denke die Bronzen machen sich in der Nähe des Teichs ganz gut und die aus Marmor näher an der Terrasse. Das passt sicherlich auch von den Lichtverhältnissen am Besten. Die Terrasse hast du doch relativ hell gestaltet und der Teich mit dem Grün drum herum, lassen die Bronzen besser zur Geltung kommen.« Andreas ließ diese Idee vor seinem inneren Auge passieren. So ganz unrecht hatte Carsten nicht. Es müsste zwar für die Statuen am Teich ein weiterer Aufstellpunkt eingerichtet werden, doch das war einfach zu bewerkstelligen.

»Ich glaube, du hast vollkommen recht. Dazu an der Terrasse noch ein kleiner grüner Saum drum herum und es wäre perfekt.« »Da ich Jihan’s Vorlieben zur charakterlichen Darstellung kenne, wen aus der Familie hat er denn wo verewigt?« »Symbolisch deine Familie in den Bronzen und meine in drei der Anderen. Wir beiden wurden in Pan verewigt. Nicht nur durch unsere Berufungen sondern auch in manchen äußerlichen Details. Ich bin einmal gespannt, ob Merlin es auch bemerkt.« »Er ist ein guter Beobachter. So, wenn nichts dagegen spricht, möchte ich mit den Hunden eine Runde drehen. Nicht nur die beiden Rabauken brauchen Bewegung.«

Carsten gab Andreas einen leidenschaftlichen Kuss. Dann trennten sich ihre Wege. Als Carsten sich mit seinem Stock auf den Weg machte, folgten ihm Salvatore und Leonardo. Andreas wandte sich ebenfalls um und ging ins Haus. In der Küche machte er sich einen Kaffee und ging mit diesem in sein Büro. Aus einem Regal nahm er sich den Plan ihres Grundstücks. Diesen breitete er auf seinem Reißbrett aus. Mit seinem geübten Blick aus der Vogelperspektive gruppierte er die Statuen. Carsten hatte gar nicht mal so schlecht gelegen. Die Bronzen würden am Teich besser zur Geltung kommen. Mit ein paar gut platzierten Spots würden sie auch ins rechte Licht gerückt. Für Carsten hatte Jihan die Plastiken nicht größer als 1.70 m gestaltet, damit er sie auch ertasten konnte. An seinem PC machte er die nötigen Änderungen für die dritte Plattform und elektrische Anschlüsse. Sein Blick fiel auf die Lieferdokumente, ihn interessierte das Gewicht der einzelnen Statuen. Er würde einen hiesigen Steinmetz mit der Aufstellung beauftragen müssen. Dazu bedurfte es fachliches Wissen und die nötigen Gerätschaften. Daraufhin nahm er sein Smartphone zur Hand. »Tiger, wo bist du gerade? … Am Pförtnerhaus, ich wollte dich fragen, ob du mitkommen willst, einen Steinmetz aufzusuchen … Die Statuen haben ein ordentliches Gewicht. Ich habe nicht das nötige Wissen und die Gerätschaften, diese sicher aufzustellen … Ok. Ich nehme Merlin mit und schließe das Haus ab. Viel vergnügen mit den beiden Clowns.«

Salvatore und Leonardo hatten wirklich Bewegung nötig. Carsten hörte sie immer wieder sich jagen und miteinander kleine Kämpfe ausfechten. Es freute ihn, dass beide Hunde sich auspowerten und dabei Spaß hatten. Carsten genoss den Müßiggang und die ansonsten ruhige Umgebung. Leonardo und Salvatore waren der Meinung genug gespielt zu haben und gesellten sich zu ihrem Herrchen. Leonardo sprang wie Max auf die Bank und legte seinen Kopf in Carsten’s Schoß, während Salvatore sich vor ihm hinlegte und auf einem Ast kaute. Carsten kraulte Leonardo hinter seinen Ohren, wie er es bei Max immer tat. »Was meint ihr? Sollen wir uns auf den Weg machen?« ›Wuff‹ ›Wuff‹ »Dann mal auf Jungs.« Leonardo sprang von der Bank und Salvatore gesellte sich zu seinem Bruder. Carsten nahm sein Blindenstock und klappte diesen auseinander. Auf dem Weg zurück zum Haus ertastete Carsten sich seinen Weg. Langsam prägte sich ihm die Umgebung ein und sein Gang wurde sicherer. Dennoch sah Leonardo sich immer wieder mal prüfend zu seinem Herrchen um. Salvatore hielt sein Blick umsichtig nach vorn gerichtet. Hin und wieder lief er zu seinem Bruder und machte ihn auf etwas aufmerksam. Leonardo gesellte sich dann an Carsten’s Seite und lenkte dessen Schritt indem er einfach sehr dicht links oder rechts neben ihm ging. Der junge Mann korrigierte dann ein wenig seine Richtung. Am Haus angekommen, sprangen beide Hunde erst einmal in den kleinen Teich und badeten ausgiebig. »Ihr bleibt beide einfach unverbesserlich, ganz der Großpapa.« ›Wuff‹ ›Wuff‹ Carsten schüttelte seinen Kopf und ging zur Veranda. Nachdem er aufgeschlossen hatte, hörte er die Hunde hechelnd zu ihm kommen. Ein kurzes Kommando und beide saßen still vor ihm. Dann wuselte er ihnen durchs das noch feuchte Fell. »Dann kommt einmal herein, ich muss euch noch etwas trocken rubbeln. Mir scheint, ihr wolltet wohl noch eine Massage.«

Im Schmutzraum schnappe er sich zwei Handtücher und begann zuerst Leonardo trocken zu reiben und Salvatore sah ihm grinsend dabei zu. Dann war Salvatore an der Reihe und Leonardo sah geduldig zu. Nachdem auch diese Aktion beendet war und Carsten beide Tücher auf eine Leine zum Trocknen gehängt hatte, ging er weiter. Salvatore und Leonardo eilten ihm voraus und verzogen sich in den Salon. Er selbst ging in sein Arbeitszimmer und setzte sich an seinen Flügel, ihm war einfach danach etwas zu spielen.


»Andreas wohin fahren wir jetzt?« »Ich habe eine Adresse von einem Steinmetz und möchte ihn beauftragen unsere Statuen aufzustellen. Die einzelnen Dinger wiegen mehr als 200 Kg und dazu braucht es geeignete Hilfsmittel und auch spezielles Wissen, damit sie dann auch sicher stehen. Im Garten- und Landschaftsbau werden zwar auch die Grundlagen dazu vermittelt. Doch ich gebe ehrlich zu, diesen Bereich beherrsche ich nur in der Theorie.« »Wozu braucht ein Landschaftsgärtner solches Wissen?« »Gegenfrage, wo würdest du unsere Statuen aufstellen?«

»Naja, dort wo du diese kleinen Plattformen errichtet hast. Gut eine fehlt, aber das wird wohl kein Problem sein«, gab ihm Merlin zur Antwort. »Ich meine welche Statue stellst du wo auf?« »An der Terrasse würde ich die Bronzen aufstellen und die restlichen im Garten verteilt. Am Teich würden sich zwei der Marmorstatuen gut machen. Das passt ganz gut vom Kontrast.« »Carsten ist da ganz anderer Meinung. Er würde die aus Bronze am Teich aufstellen und die aus Marmor an der Terrasse. Seiner Ansicht nach passt es besser von den Lichtverhältnissen. Es geht also nicht nur um Kontraste, sondern auch um die Lichtverhältnisse. Wie macht sich eine Marmorsäule auf einer grüne Fläche und wie eine Bronze auf einem gepflasterten Platz.« »Ich verstehe, du brauchst das Wissen, um Statuen oder Kunstobjekte ins rechte Licht zu rücken, damit sie zur Geltung kommen.« »Genau deswegen. Es ist an sich auch eine Kunst einen kompletten Park zu gestalten. So wir sind da.«

Auf einem kleinen Parkplatz stellte er den Wagen ab. Hinter einem schmiedeeisernen Tor standen Ausstellungsstücke aus verschiedenen Materialien. Einige Grabsteinmodelle, Figuren und abstrakte Kunstobjekte. Kaum waren sie ausgestiegen, als eine resolute Frau ihnen entgegen kam.

»Oh, Mr. Zahradník. Welch eine Ehre für uns. Möchten Sie mit meinem Sohn sprechen?« »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite, Mrs. Palmer, wenn er der Steinmetz ist, gerne. Ich habe einen Auftrag für ihn.« »Bryan ist noch unterwegs, vielleicht kann ich ihnen ja weiter helfen? Komm lassen sie uns drinnen weitersprechen.« Mrs. Palmer geleitet den Besuch durch eine Werkstatt in ein kleines Büro. Ganz im Gegenteil zur Werkstatt, wo es irgendwie staubig wirkte, war das Büro sehr modern und absolut sauber. An den Wänden hingen einige Bilder von aufgestellten Figuren, Auszeichnungen und Diplome als Steinmetz. »Mrs. Palmer, ich habe sieben Statuen, die aufgestellt werden sollen. Drei Bronzen und vier aus Marmor auf Sockel. Ich habe zwar schon die Positionen, jedoch fehlt mir einfach das ganze Know-how um diese entsprechend sicher aufzustellen.« »Das sollte kein Problem sein. Darf ich fragen, wie die Dimensionen sind?«

»Nun, ich habe hier eine Kopie der Dokumente, darin sind alle Maße und Gewichte aufgelistet. Weiter ist hier eine Skizze unseres Gartens, damit sie schon einmal eine Vorstellung von der Örtlichkeit haben.« Mit gekonntem Blick überflog Mrs. Palmer die Dokumente. Setzte sich hinter einem Schreibtisch und rechnete etwas nach. Dann nahm sie einen Kalender und blätterte darin. »Wenn es Ihnen recht ist, kommt mein Sohn am Dienstag Vormittag und bespricht die Details. Es ist immer besser, wenn er sich selbst ein Bild macht.« »Das ist gut. Darf ich fragen was in etwa an Kosten auf uns zukommen?« »Wir berechnen bei diesem Gewicht pro Statue £200 plus Material. Ich mache Ihnen einen Kostenvoranschlag und gebe diesen meinem Sohn mit.« »Genauso soll es sein, Mrs. Palmer. Dann möchten wir uns verabschieden.« Mrs. Palmer begleitete Andreas und Merlin bis zum Ausgang. Dort verabschiedeten sie sich voneinander. Mit der Fernbedienung öffnete er ihren Wagen und langsam fuhren sie davon.

»Du hast den Auftrag einfach vergeben?« »Natürlich, Carsten hat mich einiges gelehrt. Hast du dich in dem Büro umgesehen? Mrs. Palmer ist die Geschäftsführerin und die Diplome an der Wand zeugten davon, dass der Betrieb auch ausbildet,«, teilte Andreas seine Beobachtungen mit. »Woher weißt du das?« »Sie setzte sich direkt an dem Schreibtisch, wo sich die Geschäftsunterlagen befanden und ging sehr routiniert mit den Programmen um. In ihrem Terminkalender waren alle Termine verzeichnet und sie konnte ad hoc mit den Preisen dienen. Das macht niemand, der sich nicht professionell damit auskennt. Sie haben zwar zur Zeit keine Auszubildenden, das sah man in der Werkstatt. Es war sehr staubig, aber es lagen keine Werkzeuge herum. Auszubildende lernen zuerst den Arbeitsplatz sauber zu halten. Verhindert Unfälle. Des Weiteren lernt jeder so erst einmal die einzelnen Werkzeuge kennen und pflegen. Ein Meister legt sein Werkzeug schon aus Gewohnheit immer wieder auf den Platz wo es hingehört, damit er es griffbereit hat. Kehrt aber sein Atelier nicht unbedingt aus. Wie du siehst reicht es aus, um sich selbst ein Bild zu machen, wenn man sich aufmerksam umsieht.«

Merlin musste darüber nachdenken. In seiner Zeit, wo er in der Tierarztpraxis aushalf, hatte er auch schon gelernt, seine Kunden genau zu beobachten. Vor allem wie Besitzer und Patient harmonierten. Ein verunsichertes Herrchen resp. Frauchen weckte oft den Schutzinstinkt bei Hunden. Aggressives Verhalten konnte man auf dominierende Besitzer zurückführen. Solche Beobachtungen notierte er sich bei der Anmeldung und Dr. Miller bereitete entsprechend seine Untersuchung vor. »Merlin, wenn wir gleich zu Hause sind, ist es möglich, dass Carsten am Flügel sitzt und übt.« »Ich muss mich sowieso erst um Charaid kümmern. Ich muss ihm noch seine Wunden versorgen und seine Medizin geben. Außerdem schafft er mir zur Zeit immer wieder eine tote Maus an«, grinste der Junge. »Er mag dich und das ist ein Zeichen, dass er sich auch um dich kümmert. Nur weiß er nicht, dass du keine Mäuse isst.« Die Mäuse hatte er immer stillschweigend entsorgt. Er musste sich eingestehen: Charaid hatte sich in sein Herz geschlichen.


Dieser kleine Kater schlich durch das Haus und suchte sich etwas Gesellschaft. Die beiden Hunde lagen relaxt in ihren Kudden, daher folgte er den Tönen. Ganz in Katzenmanier schlich er um den Flügel herum. Ob ihm sein Instinkt sagte, nicht in den Flügel zu springen? Auf seinen Samtpfoten nährte er sich den Beinen von Carsten. Beobachtete sehr aufmerksam seine Umgebung und harrte in den Bewegungen, wenn Carsten ein Pedal drückte. »Ich habe dich schon bemerkt Charaid. Suchst du jemanden zum Spielen?« ›Miau‹ Carsten ließ sich dennoch nicht bei seinen Etüden von Chopin ablenken. Er spürte wie der kleine Kater neben ihm auf die Bank sprang und sich ihm nährte bis seine kleine feuchte Nase an Carsten stieß. Carsten war mit seinen Übungen durch, die letzten Töne verstummten. Langsam nahm er den Tastenläufer und legte diesen über die Tasten. Danach schloss er behutsam die Tastenabdeckung. Dann erst tastete seine Hand zu Charaid und streichelte den kleinen Kopf. Der Kater schmiegte sich in diese Bewegung hinein. Carsten nahm das Tier langsam auf und hob ihn an. Er war es nicht gewohnt, dass Charaid sich etwas reckte. Dessen Schnurrhaare und die feuchte Nase berührten sein Gesicht und seine Reaktion war entsprechend etwas ruckartig. Der Kater harrte in seiner Bewegung und beobachtete. »Ich hoffe ich habe dich nicht erschreckt, mein kleiner Freund?« ›Miau‹ »Das tut mir leid.«

Charaid begann zu schnurren und Carsten nährte sich vorsichtig bis er seine feuchte Nase spürte. Dieses Vertrauen belohnte der Kater indem er nach einigen Momenten mit seiner Zunge über seine Nase leckte. »Sind die Beiden nicht süß, Merlin?« »Oh ja, das sind sie.« »Das ist dein Kater. Er ist echt knuffig. Möchtest du ihn versorgen? Ich glaube, das hast du heute noch nicht getan.« »Richtig, ich möchte ihm seine Wunden versorgen. Dr. Miller sagte, ich soll ihn noch mit der Salbe einreiben. Das wird aber langsam schwierig weil sein Fell schon dicht nachgewachsen ist. Lediglich sein Bein ist noch recht kahl.« »Wenn das Fell zu dicht ist, dann lohnt es sich nicht. Er leckt es ab. Die Fellpflege ist den Katzen eben sehr wichtig. Er hat schon ein Fellknäuel hochgewürgt?«, fragte Carsten nach. »Vielleicht, aber nicht ihm Haus«, lautete Merlin’s Antwort. »Selbst wenn, dann mach es einfach weg und gut ist. Ich weiß nicht, ob Katzen das kontrollieren können. Hier ist dein kleiner Freund.« Merlin nahm Charaid von Carsten entgegen und ging.

»Na, seid ihr erfolgreich gewesen?«, richtete sich Carsten an Andreas. »Ja, am Dienstag kommt der Steinmetz und sieht sich das alles an. Ich hoffe, er kann mir auch einen genauen Kostenvoranschlag mitbringen. Grob geschätzt kostet es uns wohl £2000.« »Dafür haben wir aber auch sehr schöne Statuen und die gehören ins rechte Licht gerückt. Wir sind es unserem Heim und Zio Jihan schuldig. Wie sieht es mit der Sicherheit aus, ich möchte nicht, dass sie jemand zerstört oder entwendet«, teilte Carsten seine Gedankengänge mit. »Das Grundstück ist von einem drei Meter hohen schmiedeeisernen Zaun umgeben. Ich habe einige marode Stellen richten lassen. Das Haupttor kann von Hand geschlossen werden. Zur Zeit steht es eigentlich permanent offen. Wenn du möchtest, können wir das elektrifizieren. Für das Pförtnerhaus gibt es noch einen Durchgang.« »Es ist mir lieber wenn wir das Tor und den Durchgang vom Haupthaus öffnen und schließen können.« Andreas verstand, was sein Mann ihm damit sagen wollte. »Ich werde es in Auftrag geben. Ich denke für die Versicherung wäre eine Videoüberwachung der Eingänge von Vorteil. Vom Park her ist das Haus und das Grundstück nicht einsichtbar. Vom Haupteingang kann man lediglich die Front des Hauses sehen. Wir haben also einen sehr privaten Bereich hinter dem Haus.« »Das ist gut, das Haus selbst ist alarmgesichert und wenn ich mich recht erinnere, hat Arthur rund herum eine gute Beleuchtung errichten lassen. Die Statuen lassen wir versichern, damit sollten wir an alles gedacht haben«, meinte Carsten schlicht. »Ok. Schatz. Was machst du heute noch?« »Ich habe meine Übungen am Klavier für heute beendet. An dem Konzert arbeite ich heute nicht und auch meine Vorlesungen lasse ich liegen. Ansonsten steht Einkaufen noch auf unserer Liste. Willst du jetzt schon los?« »Nein, das können wir später noch machen. Charaid wird noch von Merlin gepflegt und unsere beiden Clowns sind wohl noch KO vom herumtoben.«

Andreas wandte sich Carsten zu, nahm ihn sanft in die Arme und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Carsten ließ sich nicht lumpen und erwiderte die Aufforderung ebenso leidenschaftlich. Als sich ihre Lenden berührten, spürten sie ihre gegenseitigen Erregungen. Andreas ließ ein wenig von Carsten ab und knabberte an seinem Ohrläppchen. Dann flüsterte er ihm etwas ins Ohr. »Wir könnten jetzt nach oben gehen und unser Bett zerwühlen.« »Glaubst du nicht, dass Merlin es komisch findet?« »Ich denke er weiß schon, dass wir mehr als nur Händchen halten …«


Merlin wechselte, nach dem er den kleinen Patienten versorgt hatte, das Streu im Katzenklo. Im Dreckraum war es bei weitem ruhiger als in der ersten Etage im Haus. Seine Gastgeber waren recht leidenschaftlich in ihrem privaten Gemächern beim Matratzensport. Das alte Streu roch recht stark und er entsorgte es entsprechend. Es war gut, dass Andreas ihm die verschiedene Arten von Streu erklärte. Seine Wahl fiel auf das biologische Produkt, allein schon weil Charaid sein Stilles Örtchen nicht allzu oft aufsuchte und daher das Wechseln nur alle paar Tage erfolgen musste. Merlin ließ sich Zeit. Er schrubbte die untere Schale recht gründlich, bevor er diese mit neuem Inhalt füllte. Leonardo und Salvatore kamen zwischendurch nachsehen und verzogen sich, nachdem sie sich vergewisserten, dass alles seine Richtigkeit hatte. Nachdem alles wieder in Ordnung war und das Klo an seinem Platz stand, kam auch der keine Kater um mit frischen Fußtapsen das Streu zu verzieren. »Zufrieden mit meinem Service kleiner Kater?« ›Miau‹ »Dann habe ich wohl alles richtig gemacht. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich mache jetzt mal eine Kaffeepause.« In der Küche präparierte er die Kaffeemaschine und schaltete diese ein. Während die Maschine ihren Dienst verrichtete, deckte er den Tisch auf der Terrasse. Es war warm und die Fläche bot sich einladend an. Sein Blick fiel dabei auch auf die beiden Wassernäpfe für die Hunde, die dort standen. Wo er schon dabei war, füllte er frisches Wasser nach. Carsten achtete darauf, dass die Hunde immer Zugang zu frischem Wasser hatten. Selbst wenn diese sich schon mal aus dem Zierteich bedienten. Da er schon die Näpfe kontrollierte, nahm er anschließend die Futternäpfe an sich und reinigte diese. Normalerweise machten das Carsten oder Andreas nach dem Frühstück, doch heute hatten sich auch die Hunde Zeit gelassen diese zu leeren. »Oh, du hast schon Kaffee gemacht?«, stellte Andreas fest, als er die Küche betrat. »Ja, ich dachte, nach der schweißtreibenden Tätigkeit meiner Gastgeber täte eine Erfrischung ganz gut.« Andreas verkniff sich ein Grinsen und Carsten’s Gesichtsfarbe wurde rosig. »Ich habe mir gedacht, da es draußen schön ist, dort zu decken. Jetzt fehlt nur der Kaffee und vielleicht ein paar Kekse.«

»Wie wäre es mit Scones? Ich glaube, wir haben noch welche.« »Das wäre geil … die habe ich schon sehr lange nicht mehr gehabt. Habt ihr auch Sahne und eventuell Marmelade?« »Sieh einmal im Kühlschrank nach. Bei der Sahne bin ich mir nicht so sicher, wir sollten eventuell welche auf unsere Liste setzen.«

Die Kaffeerunde war wirklich gemütlich. Als waschechter Schotte zeigte er wie Scones richtig genossen wurden. Für Carsten war es ein wenig zu mächtig und er begnügte sich mit einem Einzigen. Andreas strich die Segel nach dem Zweiten, während Merlin sichtlich diese Spezialität genoss. »Die Hunde vertragen es nicht, auch wenn sie so einen Bettelblick aufsetzen. Die Sahne würde dafür sorgen, dass sie Durchfall und Krämpfe bekommen. Diese Sauerei müsstest du dann wegmachen«, meinte Carsten zwischendurch. »Ich weiß, Dr. Miller hat mir das mit allen Einzelheiten erklärt. Außerdem macht es uns Dreien mehr Spaß gemeinsam zu toben.« »Du liebst es bei ihm zu sein und mit Tieren umzugehen?« »Und wie! Dr. Miller sprach davon, dass ich bei ihm eine Ausbildung zum Assistenten machen könnte. Wir haben schon einmal über die Anforderungen gesprochen und da gibt es ein Problem. Ich habe keinen Schulabschluss.« »Das sind ja ganz zuversichtliche Töne und für das Problem gibt es sicher auch eine Lösung. Ich freue mich für dich.« »Danke, ohne euch wäre ich sicher nicht so weit gekommen.« »Manchmal braucht es eben eine helfende Hand. Da fällt mir ein, dein Sozialbetreuer möchte sich mit dir unterhalten. Er will wissen, was du so machst und wahrscheinlich auch mit dir über deine finanziellen Belange sprechen.« »Mir steht doch nichts zu!« »Au Contraire. Der Staat ist sogar dazu verpflichtet, weil du vor dem Gesetz noch minderjährig bist. Es wird wohl nicht viel sein. Dennoch solltest du dich mit ihm unterhalten.« »Schaden wird es mir wohl nicht, ich werde ihn kontaktieren.« Gedankenverloren tranken sie ihren Kaffee.

»Schatz, hast du dich schon nach einer Gärtnerei umgehört?« »Umgehört schon, es kommen wohl drei aus der Region in Frage. Einige Kollegen haben schon mit denen zusammengearbeitet und waren durchaus zufrieden.« »Darf ich fragen, war darunter auch die Gärtnerei von Hill & Son?« »Ja, warum?« »Nun, Mrs. Hill war vor zwei Wochen mit ihrem Hund beim Tierarzt. Das Tier hatte einen schweren Verlauf von Hüftdysplasie. Dr. Miller hat das Tier auf Wunsch eingeschläfert, weil es keine wirkliche effektive Behandlung mehr gab. Ich habe mich mit ihr während der Wartezeit etwas unterhalten. Das Geschäft würde nicht mehr so richtig laufen, weil die Gartencenter ihre Preise unterbieten. Sie beklagte, dass auch keine lohnenden Aufträge mehr hereinkommen. Hin und wieder kleine Gartenarbeiten oder öffentliche Anlagen ausbessern. Dann dass mit ihrem Hund. Irgendwie hatte ich danach das Gefühl, sie würden ihr Geschäft nun ganz aufgeben«, berichtete Merlin. »Ok. Nicht schön. Was war das für ein Hund?« »Ein Mischling, die Gene eines belgischen Schäferhunds haben sich durchgesetzt. Er war wohl ihr Wachhund.« »Wir haben heute Zeit, wir könnten auch einen Abstecher zu der Gärtnerei machen. Es gibt sicher noch einiges zu tun in unserem Park.« »Wenn dem so ist, räumen wir auf und machen uns auf den Weg.«

Die Gärtnerei befand sich in einem ehemaligen Cottage. Andreas erkannte hinter dem Haus ein typisches Dach eines Gewächshaus. Weiter sah er die Anpflanzungen einer Baumschule. Das Gebäude war von einer Steinmauer umgeben. Alles sah einladend und gepflegt aus. Andreas lenkte den Wagen auf den Parkplatz vor dem Gewächshaus. »Hallo … wir haben schon geschlossen!«, meinte ein älter Mann. »Mr. Hill? Mein Name ist Zahradník und das sind mein Mann Mr. von Feldbach und Merlin ist ihrer Frau wohl schon bekannt.« »Guten Tag Mr. Zahradník. Dennoch haben wir schon geschlossen.« »Ich bin nicht als Kunde hier, sondern wir möchten mit Ihnen über einen Auftrag sprechen. Dabei geht es um eine Parkanlage von ca. 1 Hektar. Wenn wir uns dennoch kurz darüber unterhalten könnten.« »Ich habe noch im Gewächshaus zu tun, wenn es ihnen nichts ausmacht sich schmutzig zu machen.« »Nein, natürlich nicht. Ich habe selbst in einer Gärtnerei gelernt und ich liebe den Geruch von frischer Erde und Kompost.«

Gemeinsam gingen sie zu dem Komplex und Andreas wunderte sich, wie weitläufig das Gewächshaus war. Darin waren sorgsam verschiedene Bereiche eingeteilt. Mr. Hill begann auf einer größeren Plattform verschiedene Stecklinge zu sichten. Einige sortierte er aus und Andreas erkannte, dass diese sich in einem anderen Stadium des Wachstums befanden als der Rest. So als ob er nichts anderes gemacht hätte, half er dem Gärtner und dabei sprachen sie über den Auftrag.

»Sie möchten den Park sich natürlich entwickeln lassen? Die Pflege können sie doch auch selbst durchführen«, resümierte Mr. Hill. »Im Prinzip schon, doch leider fehlt mir die nötige Zeit dazu. Als Landschaftsarchitekt bin ich öfters bei verschiedenen Projekten unterwegs. Carsten und ich sind daher zu der Überzeugung gelangt, dass ich mich nur um die Grünanlage um das Haus kümmere und den Park in professionelle Hände geben. Es gibt sehr schöne alte Baumbestände, wilde Hecken und alles was dazu gehört. Die meisten Arbeiten fallen wohl während der Wachstumsphase und im Herbst an. Zum Frühjahr eventuell Sturmschäden schonend beseitigen und Nachpflanzungen durchzuführen. Zu guter Letzt, habe ich einen Weg für meinen Mann eingerichtet, dieser ist so gestaltet, dass er ohne fremde Hilfe dort entlanggehen kann. Dieser Weg gehört gepflegt und instand gehalten«, konkretisierte Andreas den Auftrag.

»Haben sie schon eine Kalkulation des Auftragsvolumen?« »Das Grundvolumen des Auftrages sind £17,000 jährlich. Nicht enthalten sind Materialien für Nachpflanzungen. Es gibt auch eine Bedingung, würde ihre Gärtnerei auch ausbilden und das Handwerk lehren? Ich habe nun schon oft erlebt, dass viele Pseudogärtner zum Beispiel einen guten Strauchschnitt nicht mehr hinbekommen«, beklagte Andreas ein Problem, wohl wissend, dass auch Mr. Hill ähnliche Erfahrungen gemacht hatte. »Ich bilde nicht mehr aus, aber mein Sohn könnte ausbilden. Sehen sie sich meine Sträucher an. Diese entwickeln sich prächtig und sehen natürlich aus. Sie sind selbst vom Fach, ich sah, wie gekonnt sie die Stecklinge begutachteten.« »Was geschieht mit den aussortierten Pflanzen?«, hakte Andreas nach. »Ich hege sie noch ein weiteres Jahr und je nachdem, wie sich entwickeln, setzte ich sie ein. Manche eignen sich für ein Ensemble und einige machen sich als Solopflanzen sehr gut. Von allen Stecklingen eines Jahrgangs habe ich nur einen sehr geringen Ausschuss. Meine Baumschule besteht überwiegend aus heimischen Beständen. Leider sind diese nicht mehr so gefragt.« Andreas hörte sehr wohl die Kritik heraus. »Ich weiß, damit habe ich auch immer wieder zu kämpfen. Wie sieht es aus, ist der Auftrag für Sie interessant?« »Interessant auf jeden Fall. Brauchen sie sofort eine Entscheidung?« »Nicht sofort, doch sollen noch vor Herbstbeginn die wichtigsten Arbeiten abgeschlossen sein.« »Ich werde mich mit meiner Familie beraten und gebe Ihnen im Laufe der Woche Bescheid.« »Danke Mr. Hill.« Dann wechselte der alte Gärtner plötzlich das Thema. »Darf ich Sie fragen, ob Mr. von Feldbach hier in der Region ein Konzert geben wird?« »Den genauen Termin kenne ich nicht, doch es gab eine Anfrage vom Scottish Symphony Orchestra für ein Konzert von Rachmaninow in Edinburgh. Sie lieben klassische Konzerte?«

»Meine Frau interessiert sich für klassische Konzerte und ich würde ihr gern diesen Gefallen tun. Seit sie hierher gezogen sind, ist das ganze Dorf ein wenig Stolz, dass eine solche Berühmtheit zur Gemeinschaft gehört.« »Nun Rutherford Hall gefällt uns und vor allem ist es ruhiger als in der City. Carsten entspannt sich zwischen seinen Tätigkeiten und ich liebe es, die Natur in ihrer ganzen Schönheit genießen zu dürfen.« »Es gibt nicht sehr viele Menschen, die solchen Respekt vor der Natur haben.« »Es ist mein Beruf und ich habe viel von meinem Vater gelernt. Meine Großväter hatten ihre eigene Philosophie dazu und leben danach. In der Pizzeria meines Großvaters gab es nur frische Zutaten. Er selbst pflegte einen kleinen Garten und nutzte daraus auch einige Produkte für die Zubereitung im Ristorante«, erzählte Andreas von seiner Familie. »Meine Frau und ich fahren jedes Jahr nach London, überwiegend zu den Ausstellungen im Gartenbereich. Im vergangenen Jahr sind wir sogar noch einmal zur Last Night of the Proms dort hin gefahren. Doch wir sind auch froh wieder hier in der ruhigen Umgebung zu sein. Edinburgh besuchen wir schon öfters, ich habe dort gute Geschäftskontakte und meine Frau liebt es dort ins Theater oder Konzert zu gehen.«

Salvatore stand plötzlich bei Andreas und sah erwartungsvoll zu seinem Herrchen. Dieser sah ihn an und tätschelte sein Kopf. »Wie mir scheint, sucht Ihr Hund Ihre Aufmerksamkeit. Wie gesagt Mr. Zahradník ich bespreche mit meiner Familie ihren Auftrag und sage ihnen spätestens in einer Woche Bescheid.« »Danke Mr. Hill. Ich glaube wir sollten weiter, müssen noch Einkaufen.« Andreas drehte sich um und ging. Salvatore folgte ihm zum Wagen. Dort warteten bereits Leonardo auf seinen Bruder, Carsten und Merlin. »Am Ende der Woche sagt Mr. Hill uns Bescheid, ob er unseren Park pflegen möchte.« »Ich hoffe doch, Merlin hat mir einiges hier beschrieben und das, was ich hörte, gefällt mir wirklich. Ich denke, unser weitläufiger Garten ist bei ihnen in guten Händen«, meinte Carsten. »Wir werden sehen. Ich denke, ich werde mit dieser Gärtnerei und Baumschule auch beruflich zusammenarbeiten. Mr. Hill versteht sein Handwerk und sie haben sogar noch einen Baumbestand mit heimischen Arten. Leider bildet Mr. Hill selbst nicht mehr aus, dafür könnte es sein Sohn.« »Warten wir einfach ab, wenn es ihnen zur Zeit an finanziellen Möglichkeiten fehlt, kann ich es nachvollziehen«, fasste Carsten schlicht zusammen. »Du legst darauf Wert, dass ein Betrieb ausbildet?« »Natürlich, Merlin. Betriebe die ausbilden, haben ein gewisses pädagogisches Know-how. Ein Handwerk zu vermitteln ist eine Kunst und es dauert recht lange, bis jemand dieses auch sehr gut beherrscht. Doch letztendlich bleibt das Handwerk lebendig. Hast du nicht auch schon einiges dazugelernt, seit du den Job bei Dr. Miller machst?«

»Na ja. Alles was ich an der Rezeption mache, hat mir Sabine beigebracht. Lediglich meine Beobachtungen trage ich als Notiz für den Doktor hinzu. Alles bei den Untersuchungen hat mir Dr. Miller vermittelt. Also wie ich ein Tier halten muss, Instrumente reichen oder Spritzen aufziehen. Die gängigen Medikamente kenne ich schon. Sabine schaut mir auf die Finger, wenn ich abends die gebrauchten Instrumente wieder sterilisiere. Nur bei den Operationen bin ich nicht dabei. Dr. Miller erwartet, dass jeder Handgriff sitzt, selbst wenn etwas unerwartetes eintrifft.«

»Das kenne ich auch von meinem Vater. Ich durfte oft bei den Untersuchungen dabei sein, sobald aber eine OP anstand, musste ich das Zimmer verlassen. Nicht dass ich im Wege gestanden hätte, sondern weil dann die gebrauchten Instrumente für mich gefährlich waren. Das war auch ein Grund, warum ich nie allein in die Praxis gehen durfte. Jedoch war mein Vater unerbittlich wenn es darum ging, den Umgang mit meinem Blindenhund zu erlernen. Ich kann Spritzen geben, Temperatur messen und in beschränktem Umfang auch Verletzungen behandeln.« Währenddessen fuhr Andreas den Wagen zum Dorf. »So wir sind da, was brauchen wir denn alles?« »Lass uns erst einmal über den Markt gehen und uns inspirieren. Anschließend besorgen wir uns den Rest im Supermarkt.« Die Drei plus beide Hunde gingen gemütlich zwischen den Ständen. Andreas sah sich die Auslagen an und machte dazu einige Bemerkungen. Merlin sah den Beiden zu. Ihm gefiel, wie sie miteinander umgingen. Manchmal flirteten sie mitten im Gespräch oder - wenn sie glaubten unbeobachtet zu sein - küssten sie sich. Später hakte sich Carsten bei Andreas ein und Leonardo lief gesittet neben Salvatore her. Merlin sah wie zärtlich die Beiden miteinander umgingen.

»Tiger, ich brauche noch einige frische Zutaten für unsere beiden Hunde. Am Ende der Straße ist unseren Metzger, bei ihm hole ich normalerweise alle Zutaten«, dachte Carsten laut nach. »Schwebt dir etwas besonderes vor?«, wollte Andreas wissen. »Innereien, eventuell Pansen, wenn dieser frisch ist, ein paar Knochen für die Beißerchen und Muskelfleisch vom Rind. Nächste Woche fahren wir mal zum Hafen um frischen Fisch zu besorgen. Abwechslung tut den Tieren gut. Hast du schon begonnen, Charaid ebenfalls zu barfen?« »Noch nicht. Dr. Miller ist von der Idee angetan. Er meinte, das würde dem Kater wirklich mehr nutzen als fertiges Futter aus der Dose. Falls ich Trockenfutter verwende, muss ich darauf achten, dass er genügend Flüssigkeit zur Verfügung hat.«

»Nun, frisches Wasser gibt es bei uns zur Genüge. Dosenfutter ist oft nur ein Sammelsurium an Schlachtabfällen. Man sollte sich nicht von den Etiketten täuschen lassen, Papier ist bekanntlich geduldig, egal was darauf gedruckt wurde.« »Wir sind da, kommst du mit? Du weißt noch immer am besten was an Zutaten fehlt.« Alle Fünf betraten den Metzgerladen und wurden freundlich begrüßt. »Guten Tag Mr. von Feldbach, was kann ich für sie tun?« »Ich benötige einige Zutaten für die Hunde. Innereien vom Rind, Knochen zum abnagen und falls sie haben, frischen Pansen.«

»Frischen Pansen habe ich nicht. Darf es auch ein Mix aus Inneren sein? Ich habe noch Herz, Leber, Niere, Lunge.« »Nun von allem 2kg, bitte keinen Mix. Muskelfleisch ... davon bitte 3kg. Vier Knochen, am besten vom Bein. Das sollte genügen.«

Der Metzger stellte den Wunsch zusammen und verpackte es separat. Für die Knochen ging er noch einmal in den hinteren Bereich und kam mit vier Kochen zurück denen alle noch Fleischreste anhafteten. Das Muskelfleisch entnahm er aus einem Behälter.

»Ich habe Reste vom Nackenfleisch eines Cattles, würde das ihrem Wunsch nach Muskelfleisch entsprechen?« »Sicher. Andreas, Merlin habt ihr noch Wünsche?« »Was haltet ihr von Steak zum Dinner?« »Eine gute Idee, Merlin.« »Legen Sie zu Carsten’s Bestellungen noch drei Steaks hinzu. Was macht es zusammen?« Der Metzger arbeitet alles ordentlich ab. Die Steaks zeigte er Andreas, der die Auswahl traf. Dann packte er die einzeln verpackte Ware in eine Tragetasche und nannte den Preis von £33.57. Andreas bezahlte mit seiner Kreditkarte, während Merlin über den Preis staunte. Später erklärte Andreas, dass der Preis durchaus seine Berechtigung hat. Der Metzger legte bei seiner Ware Wert auf regionalen Bezug, keine Massenhaltung und artgerechte Aufzucht. Solche Lebensmittelphilosophie hat halt auch ihren Preis. »Wenn das so ist, könnte ich Charaid’s Futter nicht selbst zubereiten, das ist recht teuer.« »Quatsch, Katzen haben quasi den gleichen Bedarf wie Hunde. Du kannst ruhig von den Zutaten nehmen. Lediglich musst du die Zusammensetzung für Charaid anpassen. Der Kater gehört mit zum Haushalt und wie ich hörte, ist er ein guter Mäusejäger. Mir liegt das Wohl der Tiere am Herzen. Außerdem braucht dein kleiner Kater bei Weitem weniger als die Hunde.« »Danke, ich werde mich noch einmal dazu mit Dr. Miller zusammensetzen.« Im Wagen legte Andreas die Tasche und den Korb mit den Lebensmittel neben Merlin auf den Sitz. Die Hunde sprangen in den Fond des Wagens und Carsten setzte sich auf den Beifahrersitz. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung. »Leute, ich war vorgestern noch auf dem Dachboden. Dort gibt es eine verschlossene Tür, hat das einen besonderen Grund?« »Klar. Hinter der Tür befindet sich ein spezieller Raum für eine Kolonie an Fledermäusen. Der Raum ist schallisoliert und damit die putzigen Tierchen ungestört sind, ist die Tür verschlossen. Also nichts für ungut, das Wohl dieser geschützten Tiere ist uns wichtig. Bei der Renovierung haben wir extra einen Zoologen hinzugezogen und Arthur, unser Architekt, hat den Raum speziell dafür gestaltet. Platz haben wir im Haus wirklich genug, da kommt es auf die paar Quadratmeter nicht wirklich an. Es wurden sogar entsprechende Einflugschlitze im Giebel eingelassen. Mein Vater hat diese nicht einmal bemerkt, obwohl er ein guter Beobachter ist. Die Seite des Hauses ist auch nicht besonders beleuchtet, so dass die Tiere ungestört sind.« »Ok, kann Charaid ihnen gefährlich werden?« »Nein, es gibt nur einen Zugang über die Schlitze im Giebel, da kommt kein Tier hindurch welches größer ist als eine Fledermaus. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Charaid Interesse an den Tieren hat. Weiter ist unter dem Dach auch die ganze Steuerung für die Photovoltaikanlage. Ansonsten befindet sich dort nichts was von Interesse sein könnte. Andreas, könntest du nachher die Sauna anwärmen. Es ist abends recht frisch und ich hätte nichts dagegen ordentlich zu schwitzen.« »Klar, ich komme mit. Viel Bewegung hatte ich in der vergangenen Woche nicht, also schwitzen ist eine wirklich gute Idee.« Andreas lenkte den Wagen zur Veranda, wo er und Merlin die Lebensmittel ins Haus trugen. In der Küche sortierte Carsten alles ein. Dann fiel Carsten ein, dass sie noch einen Termin im Pub haben. Also fiel der Saunaabend und das heimische Dinner aus.


Im Pub wurde heftig diskutiert. Es ging um einen Spielplatz, der wegen einer neuen Straße weichen musste. Leider war es nicht möglich, eine entsprechende Ausweichstelle zu finden. Als zwei Hunde und drei junge Männer den Pub betraten wurde es augenblicklich ruhiger. Man hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Carsten und Andreas der Einladung folgten. »Guten Abend, sind wir zu spät?«, fragte Andreas nach. Immerhin hatten sie schon von außen den Lärm gehört. »Nein Andreas, die Sitzung beginnt in einer viertel Stunde. Was kann ich für dich und deine Begleitung tun?«, übernahm der Wirt die Initiative der Beantwortung. »Erst einmal brauchen wir für die Hunde Wasser, Leonardo und Salvatore hecheln. Carsten und ich nehmen jeweils ein kleines Lager und Merlin, was möchtest du?« »Ein Softdrink, bitte.« Der Wirt nickte bestätigend und begann die Bestellungen abzuarbeiten. Beim Servieren betrachtete er Merlin genauer. »Dich kenne ich, hast du nicht vor zwei Jahren ein Laib Brot bei meiner Frau stibitzt?« Merlin sah erschrocken zu dem Wirt auf. Etwas eingeschüchtert nickte er bestätigend. »Naja, es gibt Schlimmeres. Kannst du heute auch bezahlen?« »Ben, Merlin ist unser Gast und wir haben ihn eingeladen uns zu begleiten. Seine Wünsche gehen auf unsere Rechnung«, machte Carsten dem Wirt verständlich. »Wir haben Merlin als ehrlichen jungen Mann kennengelernt. Vielleicht möchtest du dich einmal in Ruhe mit ihm unterhalten? Doch etwas anderes, was hat das mit dem Spielplatz auf sich?« Ben, der Wirt setzte die kleine Gruppe mit wenigen Worten in Kenntnis. »Ist die Straße denn so wichtig?«, fragte Carsten nach. »Schon. Mit dem Neubau wird auch gleichzeitig ein Teil des Ver- und Entsorgungsnetzes erneuert. Bei heftigen Regen steht die alte Straße schon mal tagelang unter Wasser. Genauso marode ist die Trinkwasserversorgung. Wir brauchen einfach diese Straße und die Route ist die beste Lösung.« Ben wandte sich danach ab und die Drei am Tisch machten sich ihre Gedanken. Dann wurde es still und der Ortsvorsteher übernahm die Vorstellung des Tagespunkts. Zunächst dankte er für die rege Teilnahme und das Interesse der Bewohner. Dann ging es auch direkt zu dem Problem. Es wurden verschiedene Vorschläge dazu gemacht, letztendlich kristallisierte sich heraus, dass für den Spielplatz in der Nähe nicht genug Platz war. Merlin, Andreas und Carsten hörten eine Weile gespannt zu und diskutierten unter sich einige der angesprochene Punkte. »Also Jungs, unser Grundstück liegt etwas abseits und wir haben doch genug Platz. Was meint ihr dazu, den Spielplatz auf unserem Grund zu errichten, dort wo es ans Dorf grenzt. Die paar Quadratmeter tun uns nicht weh und wir helfen den Kindern.« Andreas Idee hatte etwas für sich. Es gab zum Grundstück einen Hauptweg. Ansonsten noch ein kleiner Weg, der wohl für Lieferanten in grauer Vorzeit gedacht war. Carsten räusperte sich und erlangte so Aufmerksamkeit im Pub. »Meine Damen und Herren, wie ich diese Diskussion hier entnehme, haben sie keine äquivalente Fläche für einen Spielplatz der Kinder. Mein Mann hat mir soeben den Vorschlag unterbreitet, den Spielplatz auf unserem Grundstück zu errichten, dort wo es ans Dorf grenzt. Es gibt einen kleinen Weg, der gefahrlos benutzt werden kann. Damit würden die Kinder einen Platz zum Toben haben und wenn es mal lauter werden sollte, stört es auch niemanden großartig.« Andreas sah wie einige Anwesenden bei den letzten Worten zu lachen begannen. Dann wurde der Vorschlag noch einmal im Pub diskutiert. Der Ortsvorsteher fasste dann nach einer Weile die Ergebnisse zusammen. »Also der Vorschlag, der uns unterbreitet wurde, scheint Allen zu gefallen. Es stört sie wirklich nicht?«, fragte er noch einmal nach. »Nein, es stört uns nicht«, antwortete Carsten souverän. Der Beschluss wurde aufgenommen, jetzt galt es noch, der Verwaltung den Vorschlag zu unterbreiten, die das Vorhaben offiziell genehmigen musste. Die Versammlung löste sich langsam auf und im Pub wurde es geselliger. »Mr. Zahradník, Mr. von Feldbach. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis der Spielplatz errichtet werden kann. Die Verwaltung der Grafschaft braucht immer etwas«, unterrichtete der Ortsvorsteher die Gruppe. »Nun, das ist nicht weiter schlimm, wir werden die Fläche schon einmal entsprechend vorbereiten.«

Carsten, Merlin und Andreas verabschiedeten sich nach einer Weile und gingen zu einem Restaurant. Dort hatte Andreas einen Tisch reservieren lassen. »Guten Abend, die Herren«, begrüßte sie am Empfang ein Kellner. »Haben sie reserviert?« »Ja, einen Tisch für Drei und zwei Hunde begleiten uns. Mein Name ist Zahradník.« Carsten hörte wie eine Seite umgeschlagen wurde. »Ja, da haben wir schon ihre Reservierung: Mr. Zahradník und Begleitung. Bitte folgen sie mir zu ihrem Tisch.« Der Kellner ging vor und Carsten ließ sich von Andreas führen. Der Tisch lag ruhig und etwas abseits, so dass auch für die beiden Hunde genügend Platz war. Als die Drei sich gesetzt hatten, kam ein Tischkellner mit drei Menükarten. »Ich hätte gern einen kleinen Aperitif.«

Der Ober empfahl einen Sherry aus der Region. Damit waren alle Drei einverstanden. Wie gewohnt las Andreas Carsten die Karte vor und dieser wählte sein Menü. Andreas sah Merlin an, der dem Ober seine Wünsche mitteilte. Andreas wählte ein ähnliches Menü wie Carsten. Dazu empfahl der Tischkellner verschiedene Getränke. Andreas fühlte sich rundum wohl.

»Herr Ober, ich hätte gern noch eine Wasserschale für unsere Hunde«, beendete Carsten die Bestellung. Danach entfernte sich der Ober und nach einigen Augenblicken brachte er einen Napf gefüllt mit Wasser und die Aperitifs. In lockerer Atmosphäre sprachen die Drei über die Ereignisse des Tages. So gemütlich klang der Abend auch aus. Zuhause versorgte Andreas die Hunde und Merlin seinen kleinen Kater.

»Tiger, ich werde die Sauna vorprogrammieren, dann gehen wir halt morgen.« »Das wollte ich dir auch vorschlagen. Jetzt möchte ich noch etwas lesen und später wollen sicher noch einmal die Hunde raus.« »Gute Idee, ich mache uns noch einen Kaffee. Ich könnte ja auch mal wieder Klavier spielen«, schlug Andreas vor. »Oh ja, spielt doch mal ein Duett!« »Wenn du dir das antun willst, Merlin. Hast du dich eigentlich schon einmal nach einem Instrument umgesehen?« »Ja. Im Music Corner gibt es eine super akustische Gitarre. Aber £100 sind wirklich viel.« »Wenn sie dir gefällt. Ein gutes Instrument ist nicht im Onlineshop zu haben. Du musst es spüren, in den Händen halten, darauf spielen. Ich begleite dich, wenn du magst«, unterstütze ihn Carsten mit seinem Vorschlag. »Mal sehen, ich habe da noch ein Anliegen. Charaid möchte nachts raus. Bisher habe ich den kleinen Kater immer mal hinausgelassen und morgens wieder herein.« »Wir können eine Katzenklappe in den Hintereingang einbauen. Dann kann er selbst heraus und wieder hinein.« »Das würdet ihr tun?«

»Natürlich, Charaid gehört mit zur Familie und Katzen sind Jäger der Nacht. Andreas würdest du das nächste Woche in Angriff nehmen?« »Klar, ist kein Thema. Ich werde mit unserem Schreiner sprechen.« »Du willst also ein Duett hören? Schatz darf ich bitten, mein Flügel wartet.« »Gerne!«

In Carsten’s Arbeitszimmer bereitete Andreas den Flügel vor. Merlin wunderte sich ein wenig, dass es in dem Zimmer recht angenehm temperiert war. Carsten erklärte ihm, dass sein Flügel empfindlich auf Temperaturschwankungen reagiert und dass sein Flügel außerdem eine gewisse relative Luftfeuchtigkeit benötigte, damit der Corpus sich nicht unnötig verzieht. Dann setzte er sich auf seine Klavierbank und Andreas neben ihn. Zunächst machten sie einige Lockerungsübungen, dann begann Andreas mit einem Stück von Ludwig van Beethoven ›Für Elise‹. Carsten ließ sich davon inspirieren und fiel mit ein. Danach grinste er diabolisch. Andreas machte eine kleine Pause die Carsten nutze um dem Stück mehr Elan zu geben. Er begann mit einer kleinen Überleitung und das Thema wurde zum Boogie-Woogie. Andreas reagierte indem er das Tempo und selbst das Thema anpasste. Merlin sah, wie viel Spaß die Beiden hatten. Er begann im Takt rhythmisch zu klatschen. Nach einigen Wiederholungen verlangsamte Andreas das Tempo und diesmal übernahm Carsten das Thema. Interpretierte den Beethoven Klassiker zu ›Pour Adeline‹. Jetzt fühlte sich Andreas herausgefordert und wechselte in einen Ragtime-Tempo. Merlin sah wie Carsten seine Augenbrauen etwas hob und passte sich dem Stil an. Merlin war überrascht, wie gut die Beiden am Klavier harmonierten. Nach einer Weile wurde es langsamer. Andreas flüsterte Carsten etwas zu und dieser nickte zur Bestätigung. Carsten war nun einmal Profi an dem Instrument und ohne dass Merlin es merkte, änderte sich die Stimmung. Die Töne drangen an sein Ohr und ihm kam das Gehörte irgendwie bekannt vor, wusste es aber nicht richtig einzuordnen. In dem Raum klangen die Töne nach und vermischten sich auf seltsame Weise. Dann fiel der Penny. Ohne es wirklich zu bemerken, erkannte er die Melodie der alten schottischen Weise ›Auld lang syne‹ und er begann leise mitzusingen. Andreas und Carsten konzertierten sich auf die Melodie und begleiteten den Jungen. Merlin wurde mit jeder Strophe leidenschaftlich und er gab dem Song eine persönliche Note. Andreas sah zur Tür, wo alle drei Tiere neugierig hineinblicken. Anscheinend verstanden sie gerade was dort abging und verhielten sich ruhig. Charaid schlich zu Merlin und sah ihn interessiert an. Leonardo und Salvatore gingen zu ihren Herrchen, ohne sie zu stören. Andreas sah, wie Merlin’s Augen leuchteten. Anscheinend hatte er die richtige Idee zur richtigen Zeit gehabt, als er Carsten den Titel zuflüsterte und Merlin mit in ihre musikalische Darbietung einbezog. Als Carsten die letzte Strophe erkannte, interpretierte er daraufhin einen sanften und nachdenklich wirkenden Schluss. Es dauerte etwas bis sich Merlin wieder im Griff hatte. Charaid sah ihn noch einmal an, um dann mit einem Satz direkt in seine Arme springen.

»Das war echt toll von euch. Danke.« »Musik ist eine wirklich feine Sache um seine Gefühle auszudrücken. Du hast eine wirklich gute Stimme. Klar, voll und leidenschaftlich.« »Och Carsten, Merlin wird ganz verlegen. Aber ich muss dir zustimmen, selbst unseren Rabauken hat es gefallen und Charaid hat sich bei Merlin eingekuschelt.« »Ich denke, das ist Beweis genug. Wie hat dir denn unsere Darbietung generell gefallen? Beethoven, Clayderman und Burns?« »Auch wenn ich Beethoven und Clayderman nicht sehr gut kenne, es war beeindruckend was ihr so spontan auf dem Flügel spielt. Andreas, warum bist du nicht auch Musiker geworden, du hast eine Gabe dafür?« »Weil ich leidenschaftlicher Gärtner und Landschaftsarchitekt bin. Musik wird für mich immer ein gutes Hobby bleiben. Ich nehme an, der Kaffee wird bereits kalt sein …« Merlin grinste.

»Du magst wirklich ein Hobbymusiker mit Leidenschaft sein, doch du hast auch die Gabe eine romantische Stimmung zu sabotieren …« »Also, dass kann ich nicht behaupten, Merlin. Mein Schatz hat sogar ein exzellentes Talent aus noch so kleinen Anlässen eine sehr romantische Stimmung zu zaubern. Er macht mich oft ganz schön wuschig …« »Muss das jetzt sein? Eure Leidenschaft durfte ich heute schon mithören … aber ich kann uns ja noch frischen Kaffee machen.« »Gerne, dieses kleine private Konzert war wirklich erfrischend. Danach werde ich mit den Hunden noch eine kleine Runde gehen.«

Merlin brachte den Kaffee in den Salon, wo Andreas und Carsten sich über den Tag unterhielten. Dann fiel Merlin etwas ein, was er noch wissen wollte. »Carsten, Andreas hat mir erzählt, wie bei einigen Proben etwas schief ging.« »Och, nicht nur bei den Proben geht schon mal etwas schief. In einem Konzert riss bei meinem Flügel eine Saite und der Ton fiel ganz aus. Das Orchester reagierte souverän indem es in eine andere Tonart wechselte und ich konnte das Konzert beenden, ohne diesen Ton spielen zu müssen. Andersherum gibt es auch Anekdoten die im Nachhinein zum schmunzeln waren. Das Schlimmste sind störende Ringtöne von Mobiltelefonen in sehr ruhigen Darbietungen. In der Alten Oper zu Frankfurt am Main, wir waren gerade auf der Bühne und alle konzentrierten sich auf den Beginn des Konzertes. Mitten in der Stille ertönte ein Handy. Das nahm ich zum Anlass, die störende Melodie auf meinem Flügel nachzuspielen. Einige Musiker fanden es amüsant und wir entwickelten daraus spontan einen Walzer. Gute Musiker lassen sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. Solche Pannen sind wie das Salz in der Suppe.«

»Ich glaube dir und wahrscheinlich gibt es noch viele solche kleinen Anekdoten. Ich finde sie lustig und so soll es auch bleiben.« »Ihr entschuldigt mich? Ich sollte mich zur Gassirunde fertig machen.« »Darf ich dich begleiten?« Carsten hatte nichts dagegen und bald schon waren sie unterwegs. Die Hunde bestimmten das Tempo und nachdem sie sich beide gelöst hatten wurde noch ein wenig mit einem Ast gespielt. Nachdem Leonardo sich ausgetobt hatte und Salvatore siegessicher den Ast im Fang trug, machten sie sich wieder zurück zum Haus.

Chapter 6

»Und wie gefällt es dir bei uns?« »Wirklich gut. Ich fühle mich wohl und habe das Gefühl angekommen zu sein.« »Das ist gut. Bleib solange du magst, vielleicht wird unser Haus dein Zuhause. Hilfe gibt du uns schon genug. Du machst einen sehr guten Kaffee … für einen kulturellen Teetrinker.« »Ich bin kein kultureller Teetrinker. Lediglich ist Tee billiger als Kaffee.« »Du hattest es in deiner Vergangenheit nicht leicht. Darf ich dich fragen, wann das alles begonnen hat?« »Nun, das hat vor drei Jahren begonnen. Meine Mom starb und mein Dad bekam sein Leben nicht mehr in den Griff, er wurde der beste Kunde im Pub. Zu Beginn habe ich mich noch um den Haushalt gekümmert, neben der Schule. Ich wurde in der Schule schlechter und das Geld ging uns aus. Als dann mein Dad eines Nachts aus der Kneipe zurückkam und nichts zu essen vorfand, ließ er seine Wut an mir aus. Daraufhin habe ich die Biege gemacht.« Carsten fühlte mit dem Jungen. »Shit. Seit dem hast du auf der Straße gelebt?« »Mehr oder weniger. Manchmal war ich in eurem Haus und habe es mir dort gemütlich gemacht. Ich habe mich dann um Lebensmittel bemüht. Manchmal habe ich mir Sachen unter der Hand besorgt.« »Das wird wohl von nun an zur Vergangenheit gehören. Unsere Küche steht dir offen.« »Danke. Carsten, du und Andreas habt wirklich Talent an den Tasten. Kannst du auch dirigieren, so richtig vor einem Orchester stehen?« »Natürlich. Ich habe ein halbes Jahr in Berlin ein Praktikum bei Sir Simon MacCollins gemacht. Nur dass ich immer meine Partitur auf dem Laptop hatte. Dort trug ich immer die Spezifikationen ein, dirigiert habe ich dann zur Aufführung aus dem Gedächtnis. Hört sich schlimmer an als es ist. Denn wer die Komposition versteht, merkt sehr schnell, wie alles sich entwickelt. Wir hatten viel Spaß bei den Proben und die Musiker lernten schnell, auf meine Besonderheiten zu achten. So gab ich den Takt immer mit meiner linken Hand vor und die Einsätze mit rechts. Wenn etwas unklar war, konnte ich es gut erklären. Am schwierigsten war es für mich, bei einem Klavierkonzert mit kleinem Orchester vom Flügel aus zu dirigieren. Da braucht es eine gewisse Eigenständigkeit und Konzentration der Musiker.« »Bewegst du dich dabei viel?« »Nein. Das Podest ist in der Regel etwa ein Quadratmeter groß. Ich sehe die Umrisse ja nicht. Auch bei meinen Handbewegungen gestikuliere ich nicht wild herum. Ich habe, auch wenn ich nicht sehen kann, bei den Einsätzen in der Richtung der Gruppe gesehen. Das funktioniert mit einer deutlichen Handbewegung sehr gut. Während meiner Zeit auf dem Internat hatte ich mit dem Schulorchester ein Musical einstudiert. Dort lernten die Musiker sich selbstständig vorzubereiten. Das Orchester lernte ihre Instrumente selbst aufeinander abzustimmen. Ich hörte mir lediglich zum Beginn der Probe die Gesamtstimmung an. Dann ging es auch sofort konzentriert los.« »Musik ist harte Arbeit. Salvatore hat wohl genug gespielt, wir sollten wieder nach Hause gehen.« »Wir sind schon fast wieder Zuhause. Meine letzte Runde habe ich so geplant, dass wir spätestens nach 45 Minuten wieder zurück sind.« Merlin sah sich erstaunt um. Nicht weit vor ihnen sah er schon den beleuchteten Giebel des Manor-House. »Du bist mit allen Wassern gewaschen.« »Erfahrung mit Hunden. Wenn ich länger als 45 Minuten gehe, sind beide wieder so aufgeregt, dass sie nicht zur Ruhe kommen. Andreas hält es genauso. Wenn Leonardo oder Salvatore keine Lust auf eine große Runde haben, machen sie sich bemerkbar. Dann kann es auch schon mal passieren, dass wir sie in der Nacht noch einmal rauslassen. Gleich auf der Veranda, rubble ich beide noch einmal ab und dann verziehen sie sich auch schon. Dabei entscheiden sie gemeinsam wo sie sein wollen. Im Salon oder bei uns im Schlafzimmer. Meist bleiben sie im Salon.« »Liegt wohl an euren Aktivitäten?« Carsten grinste. »Nein, nicht wirklich. Allen meinen Hunde hat es nichts ausgemacht, bei mir im Zimmer zu schlafen, selbst wenn Andreas und ich Sex hatten. Nein, ich glaube nicht, dass sie unser Liebesleben interessiert. Ich weiß wirklich nicht wonach sie das entscheiden. Ist mir auch nicht so wichtig, solange es ihnen gut geht.« »Wie Charaid. Er liebt es auf meinem Bett zu schlafen. Hin und wieder schleicht er sich unter die Bettdecke und kuschelt sich an mich. Es ist wirklich beruhigend, wenn ich seine Anwesenheit spüre … nur beim Aufstehen muss ich aufpassen. Manchmal liegt eine tote Maus vor dem Bett«, meinte Merlin mit einer verlegenden Stimme. »Dagegen wirst du nicht viel machen können. Nimm es einfach als gegeben hin, dass er dich sehr mag. Ich denke, wenn er eine Katze findet, lässt das auch nach.« »Ich bin einmal gespannt. Wir sind wieder da, kann ich Salvatore abrubbeln?« »Klar, wenn du dabei seine Pfoten kontrollierst. Manchmal setzen sich kleine Fremdkörper ab«, informierte Carsten über diese Routine. »Das kenne ich aus der Praxis. Dr. Miller kontrolliert das auch ständig bei seinen Patienten. Er zeigte mir auch ein Beispiel, wo ein Hund zwischen den Zehen deswegen schon eine Entzündung hatte. Sieht nicht schön aus und dem Tier ist es sehr lästig.« Auf der Veranda lagen schon die Tücher bereit und die Hunde genossen diese Aufmerksamkeit. Geduldig ließ Salvatore es über sich ergehen, dass Merlin seine Zehen kontrollierte. Der Junge musste feststellen, dass sein vierbeiniger Vertrauter etwas kitzelig an den Pfoten war. Nach der Prozedur verriegelte Carsten die Tür, während Merlin noch einmal nach den Näpfen sehen wollte.

Andreas erwartete die Gassigänger im Salon. Er hatte noch für jeden eine Tasse Tee vorbereitet.»Na wie war die Runde?« »Entspannend für alle. Salvatore und Leonardo wirkten relaxt und recht müde. Draußen wird es frischer und ich habe das Gefühl, ein Unwetter zieht auf. Die Luft schmeckte seltsam«, gab Carsten seine Empfindung bekannt. »So ganz unrecht hast du nicht. Im Wetterbericht sprachen sie von böigem bis stürmischem Wind, der heute Nacht und morgen über das Land zieht. Wird wohl unsere erste Nacht mit unruhigem Wetter hier werden.«

»Das Haus hat ja schon einiges erlebt und steht immer noch. Bin einmal gespannt, wie die Hunde reagieren.« »Es scheint ihnen egal zu sein. Sie haben sich schon in ihre Kudden verzogen und es ist hier auch angenehm warm. Wenn nichts mehr ansteht, gehe ich jetzt schlafen.« »Warte, ich komme mit. Merlin?« »Darf ich noch etwas TV sehen?« »Natürlich, fühl dich wie Zuhause. Denke nur daran, die Alarmanlage ist schon eingeschaltet, wenn Charaid nach draußen möchte.« »Ich glaube nicht, dass er noch hinaus will. Wie du sagtest, ist es kalt und Charaid mag das nicht besonders. Hier findet er auch bestimmt ein warmes Plätzchen.« »Gute Nacht.«

Am folgenden Morgen fand Andreas Charaid bei den Hunden im Salon. Zwischen den Hunden schien er sich wohlzufühlen. Dennoch, Leonardo sah Andreas an und machte sich vorsichtig auf. Andreas öffnete die Verandatür und, obwohl es regnete, sprintete der Hund hinaus. Kurz darauf kam auch Salvatore angetapst und folgte seinem Bruder. Im Salon sah sich Charaid um. Seine beiden Kumpels waren weg, also beschloss er auch, mal nach dem Rechten zu sehen. Erst streckte er sich und dann lockerte er seinen Kiefer indem er sein Schnäuzchen ganz weit öffnete. Andreas konnte seine Zähne ganz deutlich sehen und einige davon sahen wirklich spitz aus. »Ich hoffe nie Opfer deines Gebisses zu werden, mein Freund.« ›Miau?‹ »Du hast wirklich sehr spitze Beißerchen, Charaid!« »Nicht nur Beißerchen, seine Krallen sind auch nicht ohne. Morgen Andreas. Ist Carsten auch schon auf?« »Nein, er liegt noch im Bett. Manchmal kommt er nur schwer in die Puschen. Dann kümmere ich mich um die Hunde. Ansonsten ist er von uns Beiden eigentlich derjenige, der zuerst auf den Beinen ist. In London war er oft schon bei seiner zweiten Tasse Kaffee wenn ich aufgestanden bin. Ehrlich, er kann morgens früh aufstehen und ist abends noch fit für ein Konzert. Es ist also nur gerecht, wenn er dann mal länger braucht. Ich mache uns jetzt mal ein schönes Frühstück.« »Dann kann ich ja Charaid’s letztes Futter verwenden und morgen beginne ich mit dem Barfen. Ich habe mir von Dr. Miller einige Rezepte geben lassen. Er empfahl mir, auf ausreichend Eiweiß zu achten und weniger Kohlenhydrate. Alles andere würde sich Charaid schon selbst zusammensuchen.« »Morgen Zusammen. Stimmt Merlin. Katzen können die Aminosulfonsäure Taurin nicht ausreichend selbst synthetisieren, daher müssen sie es mit der Nahrung aufnehmen. Da Charaid selbst Mäuse jagt, würde ich empfehlen, Innereien und Fisch zu verwenden. Wir werden wohl doch öfters beim Fischhändler vorbeisehen. Den Hunden täte es auch hin und wieder gut.« »Morgen Carsten. Sag mal Andreas, ist er immer so am Morgen: Neunmalklug?« »Nicht immer, aber ich bin erstaunt, dass er so etwas weiß.« »Schatz, du vergisst, dass ich der Sohn eines Tierarztes bin. In der Praxis bekommt man sehr viel mit.« »Schon gut. Bekomme ich jetzt meinen Guten-Morgen-Kuss?« »Dann komm einmal her mein zweibeiniger Kater.«

Der Kuss war sehr sinnlich und Merlin wurde ein wenig neidisch auf die Beiden. Dann wandte er sich dem letzten Napf mit Fertigfutter für seinen Kater zu. Kurz darauf begann Carsten ebenfalls die Rationen für die Hunde zuzubereiten. Zuletzt streute er die abgewogenen Getreideflocken über die fertigen Näpfe. »Die Hunde benötigen diese Ballaststoffe und die darin enthaltenden Kohlenhydrate für ihre Verdauung. Für Charaid kannst du darauf verzichten. Kohlenhydrate sind für ihn auf Dauer ungesund.« »Ich habe mich schon gefragt, warum bei all den Vorschlägen kaum Gemüse oder der Gleichen Verwendung finden.« »Jetzt weißt du es. So, ich bin fertig. Wo stecken eigentlich unsere beiden Vierbeiner?« »Die sind noch draußen und toben im Regen.« »Gut, dann sammele ich sie mal ein.«

Carsten ging zur Veranda und öffnete die Tür. Dann rief er einmal die Namen der Hunde. Es dauerte auch nicht lange und beide standen vor ihm. Carsten strich einmal über ihr Fell und musste feststellen, dass es nass war. Anscheinend waren beide auch kurz im Teich baden. Er nahm Salvatore und rubbelte ihn wieder trocken. Anschließend war Leonardo dran. Die feuchten Tücher hängte er auf eine Leine und die Hunde sahen ihm sitzend dabei zu. »So ihr beiden Rabauken, es ist Zeit für eurer Frühstück. Kommt.« Gemeinsam gingen sie zurück in die Küche. »Sehen beide ja noch richtig feucht aus. So stark regnet es doch nicht.« »Ich denke eher sie waren im Teich baden. Da kommt ganz der Labrador Retriever in ihnen durch. Hauptsache sie sind glücklich, das ist das Wichtigste für uns. Ihre Lust am Baden wird nur noch durch ihre Nahrungsaufnahme getoppt.«

Carsten stellte beide Näpfe auf ihre Plätze und auch Merlin hatte den Napf für Charaid schon positioniert. Wie schon so oft beobachtet, saßen beide Hunde erwartungsvoll bei ihren Futterstellen, rührten sie jedoch nicht an. Erst als ein leises Kommando kam, machten sie mit ihren Rationen kurzen Prozess.

»Kaffee Carsten?« »Gerne.« »Milch und Zucker stehen auf Zehn vor Drei. Eigentlich wollten wir heute saunieren, das machen wir heute Abend. Sage einmal Merlin, du kennst dich doch in der Region etwas aus. Was weißt du über dieses Anwesen und die Gegend?«, begann Carsten ein interessantes Thema. Der Angesprochene sah sich aufgefordert und begann zu erzählen: »Diese Region war früher nicht sehr wohlhabend. Da gab es zum Ende der Ernte immer ein speziellen Bauernmarkt. Heute gibt es den nur noch dem Namen nach, ist aber mehr ein Rummel und für die Kinder mit Karussells und anderen Attraktivitäten ganz interessant. Dann gibt es noch den Weihnachtsmarkt. Auch wenn dieser weniger religiösen Ursprung hat. In den Zeiten wo es im Winter sehr kalt wurde und es noch viel Schnee gab. Dort wurde vom Herrenhaus Lebensmittel verteilt.« »Wie kam denn das zustande? Ich meine Lords haben sich doch früher immer als etwas besonderes betrachtet.« »Lord Rutherford war der Eigentümer der Ländereien und verpachtete es an die umliegenden Landwirte. Die Ernte wurde geteilt. Ein Drittel war die Pacht für das Herrenhaus, ein weiterer Teil gehörte den Familien und das letzte Drittel war Handelsware. Es gab aber auch Zeiten wo die Ernte schlecht ausfiel und die Familien nach Abzug der Pacht nicht genug hatten. Lady Rutherford hatte daraufhin zum Jahresende an die ärmsten Familien Lebensmittel aus der Pacht verteilen lassen. Wer sollte denn die Felder bewirtschaften wenn die Pächter hungern? So entstand der hiesige Weihnachtsmarkt. Jetzt ist dieser natürlich entsprechend dekoriert mit Weihnachtsbaum, Chorgesängen und dem ganzen Drumherum. Noch heute wird von einigen Dorfbewohnern für einen Basar Spenden gesammelt. Der Erlös kommt einem guten Zweck zu.« »Wo findet er eigentlich statt? Ist die Dorfmitte nicht durch die Baustelle der Straße unbrauchbar?« »Soweit ich informiert bin, beginnen die Bauarbeiten erst im kommenden Frühjahr. Bis dahin habe ich auch die Fläche für den Spielplatz vorbereitet. Ich habe im Plan nachgesehen. Die Fläche von circa 90 yd² sollte für eine Horde Kids ausreichend sein.« »Man, das ist ja fast doppelt so groß wie der alte Spielplatz«, rief Merlin erstaunt aus. »Ich bin Landschaftsgärtner und habe schon so manchen Park mit einem Spielplatz versehen. Dabei habe ich gelernt, dass kleine Ladies und Gentlemen einen enormen Bewegungsdrang haben und der Platz fast immer zu klein ausfiel. Ich habe die Fläche in zwei Altersbereiche unterteilt. Einen für bis Dreijährige und einen für ältere Kids. Carsten und ich haben uns gestern schon einmal darüber unterhalten welche Spielgeräte zum Einsatz kommen sollen. Klassische Geräte wie Rutsche, Wippe, Schaukel und Sandkiste sind obligatorisch. Dazu eine kindgerechte Kletterwand um die Koordination zu fördern. Carsten möchte ein Klangspiel integrieren.« »Das ist quasi ein überdimensioniertes Xylophon im Boden eingelassen. Wenn man auf die Platten tritt, wird ein darunter liegender Klangstab angeschlagen und ein Ton ertönt. Kids haben dabei viel Spaß.« »Ihr habt euch ja schon recht viel Gedanken zu dem Spielplatz gemacht.« »Nun, ich sagte ja, bereits einige Spielplätze geplant zu haben. Dabei habe ich die Erfahrung gemacht dass einige Monate vergehen können. Manche Spielgeräte werden extra entworfen und gebaut. Das würde auch für das Klangspiel gelten. Ich werde mich nächste Woche mit einem Hersteller in Verbindung setzen und um entsprechende Prospekte bitten.«

Alle Drei genossen dabei das Frühstück. Merlin machte sogar noch frischen Kaffee und Andreas holte frischen Toast. Die Tiere hatten sich schon wieder zurückgezogen. Andreas sah zwischendurch nach ihnen und entdeckte alle drei im Salon, dicht beieinander gekuschelt. Später machte sich Carsten mit Leonardo auf eine größere Runde auf. Salvatore hatte sich für den Salon zum relaxen entschieden und Charaid streifte auf Samtpfoten durch das Haus. Merlin sah ihn im Treppenhaus konzentriert irgendetwas beobachten. Er selbst ging in sein Zimmer. Seit er bei dem Tierarzt half, hatte er begonnen sich Notizen zu machen. Diese waren Grundlage sich intensiv mit Fachbegriffen, Vorschriften und was so in einer Tierarztpraxis anfiel zu beschäftigen. Andreas räumte die Küche wieder auf. Nachdem die Spülmaschine begonnen hatte ihre Arbeit zu verrichten, ging er in ihren Wellnessbereich. Carsten würde sicher nicht so früh in die Sauna wollen, also programmierte er das Vorheizen für den späten Nachmittag. Vorher konnte sich sein Gatte auch ruhig im Pool austoben. Hinter sich hörte er einige tapsende Pfoten.

»Na Salvatore, hast du Gesellschaft gesucht?« Als Antwort ging der Hund lediglich auf sein Herrchen zu. Andreas sah ihn an und tätschelte seinen Kopf. Salvatore drückte seinen Körper an Andreas’ Bein. Dies veranlasste den jungen Mann in die Hocke zu gehen und seinen vierbeinigen Freund ordentlich zu knuddeln. Salvatore genoss die Aufmerksamkeit. Plötzlich ruckte sein Kopf herum und konzentrierte sich. Dann hörte Andreas auch schon das Telefon. Gemeinsam gingen sie in sein Arbeitszimmer.

»Hallo!?« »Hi Andreas, hat aber lange gedauert.« »Ich war im Keller, Andrea. Schön dass du anrufst, wie geht es deiner Familie und unseren Eltern?« »Stefano ist bei seinen Eltern. Paul und Luise machen gerade eine Runde durch die Stadt. Ich habe Rufbereitschaft in der Praxis. Der Grund warum ich anrufe, in zwei Wochen bin ich auf einem Symposium für Tiermedizin in Edinburgh. Ich wollte fragen, ob ich bei euch unterkommen kann.« »Klar, wann reist du an?«

»Das Symposium geht von Donnerstag bis Sonntag. Ich nehme am Mittwoch den späten Flug von Leipzig aus, Umsteigen in London Gatwick und Ankunft in Inverness um 23 Uhr Ortszeit.« »Dann holen wir dich ab.« »Ist nicht nötig, ich werde mir einen Wagen mieten.« »Wir sind eh dort. Carsten und ich haben am Mittwoch in London zu tun.« »Wenn dem so ist, komme ich in Begleitung.«

»Nur eine Frage, ist deine Begleitung katzentauglich? Hier lebt ein kleiner Kater im Haus.«

»Keine Bange, sie kennt schon Katzen. Die kleine Lady blieb aus einem Wurf übrig. Leon war auf Freiersfüßen bei einer Retrieverdame. Paul meinte, dass ich sie nehmen sollte. Sie kommt im übrigen sehr gut mit anderen Tieren aus und reitet auch mit mir zusammen.« »Gut. Soll es eine Überraschung werden oder darf ich deinen Bruder informieren?« »Überraschen wir Carsten. Lass dir etwas einfallen wenn es dauert. Wo ist er eigentlich?« »Noch mit Leonardo unterwegs. Ich glaube, sie lassen sich beide heute Zeit mit ihrer Runde. Es ist Sonntag und keiner drängt uns.« »Ja mein Brüderchen war schon immer ein Genießer. Was hast du denn im Keller gemacht? Warst du im Kraftraum oder im Pool?« »Ich habe für uns die Sauna programmiert. Heute Nachmittag ist schwitzen angesagt. Ansonsten lassen wir den Tag heute generell ruhig angehen«, sprach Andreas locker weiter, bis Andrea ihn unterbrach. »Sorry Andreas, ein Anruf auf der anderen Leitung. Grüß meinen Bruder und die Tiere von mir.« »Mache ich. Bye Andrea.« Nachdem er den Hörer wieder aufgelegt hatte, meldete sich sein Hund. ›Wuff‹ »Deine Blase drückt? Komm, gehen wir auch eine Runde damit du dich erleichtern kannst.« Andreas ging zur Veranda und zog sich entsprechende Kleidung an, während Salvatore ihn dabei beobachtete. Danach öffnete er die Tür und der Hund stürmte hinaus. Andreas folgte ihm kopfschüttelnd. Wie Salvatore es von seinem Herrchen gelernt hat, ging er in den Park, wo er auch buddeln durfte. Suchte sich einen Baum und hob genüsslich sein Hinterlauf. »Du hast es ja nötig gehabt«, meinte sein Herrchen, als Salvatore mit entspannter Miene zu ihm zurück lief. Dann wandte er sich dem Weg zu und ging eine Weile. Der Hund folgte ihm und verschwand immer wieder mal im Dickicht. Dann hörte Andreas ihn hecheln. Anschließend stand der Hund vor ihm und das Spiel begann von Neuem. Salvatore verschwand und tauchte wenig später vor ihm wieder auf. Andreas sah sich suchend um und fand einen herumliegenden Ast. Diesen hob er auf und als sein Hund vor ihm stand warf er ihn weg. Salvatore rannte los und fing ihn auf, bevor dieser den Boden berührte. »Das war eine reife Leistung mein Großer. Noch einmal?« Als Antwort stand der Hund erwartungsvoll vor ihm, ließ den Ast fallen und sah Andreas an. Dieser nahm den Ast auf und warf ihn mit sehr viel Schwung wieder fort. Auch dieses Mal sprintete Salvatore hinterher und fing den Ast noch in der Luft wieder auf. Die beiden wiederholten das Spiel bis Salvatore keine Lust mehr hatte und sich bemühte, den Ast zu schreddern. Andreas sah ihn grinsend dabei zu. »Sollen wir weitergehen?« ›Wuff‹

Gemütlich gingen sie weiter, auch wenn der Nieselregen langsam durch Andreas Kleidung drang. Auf dem Rückweg zum Haus stoppte Salvatore plötzlich und stellte seine Ohren auf, soweit das bei seinen Schlappohren ging. Dann drehte er sich in eine Richtung und lief los. Hinter einer Kurve traf er auf Leonardo und im Schlepptau folgte dieser ihm zu Andreas. Interessiert sah Andreas sich um und entdeckte Carsten mit seinem Stock den Weg tastend. »Hier Tiger. Leonardo hat Salvatore gefunden.« »Ich habe mich schon gewundert, wo er so plötzlich hin ist. Er war nach dem Spiel mit dem Diskus schon gut ausgepowert. Musste sein Bruder pieseln?« »Ja, danach war noch ein wenig spielen dran und nun sind wir wieder auf dem Heimweg. Du siehst echt durchnässt aus.« »Kein Wunder, eine Stunde im Regen schlaucht. Ich ziehe mir gleich etwas Trockenes an. Hast du unsere Sauna programmiert?« »Klar, für heute Nachmittag. Ich dachte mir, dass du eventuell vorher noch etwas im Pool schwimmen willst.« »Eine gute Idee, Schatz. Vorher setze ich mich noch an den Flügel, ein paar Etüden spielen.«

»Tu was du nicht lassen kannst. Ich werde mich jedenfalls heute vom Büro fern halten. Dabei fällt mir ein, könntest du dich heute mal mit meinen Flügel auseinandersetzen? Ich glaube er ist verstimmt oder es liegt etwas anderes vor.« »Kein Thema, nun sehen wir zu, dass wir ins Warme kommen. Langsam wird mir nämlich kalt und auf eine Erkältung habe ich einfach keine Lust.«

Andreas nahm seinen Tiger in den Arm und gingen auf direktem Weg zu ihrem Haus. Auf der Veranda warteten beide Hunde auf ihre Besitzer. Anscheinend erwarteten sie ihre Massage, bevor sie mit ihrem feuchten Fell im Haus herumliefen. Andreas erledigte diese Aufgabe allein und schickte Carsten schon einmal vor sich etwas Trockenes anzuziehen. Später trafen sie sich in der Küche, wo Carsten schon eine heiße Schokolade für sie beide zubereitet hatte.

»Das tut gut, Tiger. Ich habe nicht bemerkt, wie frisch es wirklich ist.« »So kalt ist es eigentlich nicht, der Regen macht den Unterschied. Ich habe dennoch die Heizung etwas höher gedreht. Nachher zum Klavierspielen ziehe ich mir noch etwas über. Die Instrumente reagieren empfindlich auf Temperaturänderungen.« »Ich weiß, es wäre schade, wenn unsere Flügel Schaden nehmen würden. Ich habe uns die Sauna für 18 Uhr vorprogrammiert.« »Es passt. Essen wir halt etwas später. Ich hätte Lust auf eine typische Pizza von dir. Dazu einen italienischen Salat.« »Eine hervorragende Idee. Bin gespannt ob ich das noch so hinbekomme wie mein Nonno.« »Schatz, das bekommst du hin. Du hast die Fähigkeiten deines Großvaters nicht nur im Blut, sondern diese noch verfeinert«, bestätigte ihn Carsten. »Du machst Witze!« »Nein, kannst du dich noch an den Abend erinnern, wo deine Großeltern bei uns in London zu Besuch waren? Du hast da auch Pizza gemacht und als ich später mit Nonno auf der Gassirunde war, sagte er mir, dass deine Pizza ein sehr feines Aroma hatte, welches er nie so hinbekommen hätte. Dabei lag sehr viel Stolz und Bewunderung in seiner Stimme.« »Wow. Wenn er das sagte, ist das mehr als nur ein Kompliment. Er hat viele Pizzabäcker ausgebildet und nur eine Handvoll haben seine Kriterien erfüllt.« »Das sagte er mir auch. Wenn du nicht zur Familie gehören würdest, hättest du ein Zeugnis erhalten, welches dir die Türen zu den besten Restaurants geöffnet hätte.« »Vielleicht, ich bin aber so mit meiner Berufswahl zufrieden und freue mich, dass ich ein guter Landschaftsgärtner geworden bin und Inseln zum Entspannen schaffe.« »Du hast uns ein Paradies geschaffen, welches sogar unser Hunde respektieren und lieben.«

Merlin saß konzentriert an seinen Schreibtisch und las in einem Fachbuch. Plötzlich spürte er an seinen Beinen, wie Charaid um diese herumschlich. Langsam legte er die Literatur beiseite und bückte sich zu dem Kater hinunter. Noch bevor der Junge den Kater berühren konnte, sprang dieser in seine Arme und kuschelte sich da hinein. Merlin lächelte und begann seinen kleinen Freund auf vier Samtpfoten zu streicheln. Dass es dem Kater gefiel, hörte er an dem beruhigenden Schnurren. Charaid konnte nicht genug bekommen und kuschelte sich noch enger an Merlin. Plötzlich hob er sein Köpfchen und sah sich neugierig um, als schon die Türglocke ertönte. »Du hast ein sehr feinen Sinn für das Überraschende. Möchtest du nachsehen wer zu Besuch gekommen ist?« Charaid sah Merlin etwas fragend an, dann kuschelte er sich wieder ein und genoss die Streicheleinheiten.

Andreas ging, begleitet von Salvatore, zum Hauptportal und war erstaunt, dass Volker vor ihm stand. Salvatore ging schnüffelnd auf ihn zu, umrundete ihn einmal und blieb dann neben dem Besuch stehen. Der ehemalige Klavierlehrer nahm die Gelegenheit und tätschelte dem Hund den Kopf.

»Volker, was machst du hier? Komm herein, Carsten wir sich freuen.« »Hallo Andreas. Ich hatte auf der Insel zu tun und habe die Gelegenheit genutzt, euch zu besuchen. Ihr habt ja ein sehr imposantes Haus.« »Es war bei uns Beiden Liebe im ersten Moment. Für Carsten gibt es einen Salon mit einer wunderbaren Akustik und ich habe hier ein Studio, welches Ideal auf meine Bedürfnisse passt. Obendrein ist es ein Ort der Ruhe für uns Beide.«

Während des Gesprächs führte Andreas Volker in ihre Bibliothek. Im Hintergrund hörten sie Carsten einige Etüden spielen. Bei manchen Tönen hob der Lehrer seine Augenbrauen. »Carsten sitzt an meinem Flügel, der klingt einfach nicht richtig und ich bat ihn sich darum zu kümmern.« »Ich habe mich schon gewundert. Den Quintenzirkel kann er eigentlich perfekt ohne Fehler.« »Darf ich dir etwas anbieten?« »Einen Tee oder Kaffee.« »Kommt sofort. Ich sage Carsten, dass du hier bist.« Wenig später betraten Leonardo und Carsten die Bibliothek. »Hallo Volker, welch eine Ehre für unsere bescheidene Hütte.«

»Hütte? Ich wurde schon neidisch, als ich durch das Tor gefahren bin. Ihr habt euch ein wirklich schönes Refugium geschaffen. Andreas sagte mir eben, dass du seinen Flügel testest.« »Du hast mich gehört? Was meinst du dazu?« »Einige Akkorde klangen unschön im Quintenzirkel. Ist der Flügel verzogen?« »Nein, der Flügel ist soweit Ok, aber er muss neu bespannt werden. Einige der Resonanzsaiten sind ausgeleiert. Daher harmonieren die einzelnen Töne nicht mehr. Ich werde meinen Klavierstimmer bitten sich darum zu kümmern. Was führt dich zu uns? London ist für einen Abstecher zu weit weg.« »Meine besonderen Schüler besuche ich auch schon mal ohne Grund, doch du hast Recht. Die Gärtner-Stiftung hat mich kontaktiert und möchte zum Vierten Advent ein Benefizkonzert organisieren.« »Vierter Advent? Da müsste ich in meinem Timer nachschlagen.«

»Was ist mit dem Vierten Advent?« »Die Gärtner-Stiftung möchte ein Benefizkonzert mit mir machen, weißt du, ob wir da Zeit haben?« »Soweit ich weiß, haben wir das Wochenende frei. Wo soll denn das Konzert stattfinden?« »Leipzig, Gewandhaus. Das Programm behandelt Haydn und wird von eurem alten Internat gestaltet. Das D-Dur Konzert von Haydn Hob. XVIII/11 wäre dein Auftritt.« »Leipzig würde ich gern wieder besuchen. Was meinst du Andreas?« »Keine Einwände, soll ich das so im Timer eintragen?« »Generalprobe wäre am Freitag Vormittag. und abends ist das Konzert.« »Machen wir ein langes Wochenende daraus, Freitag bis Sonntag.«

»Volker, hast du heute noch vor wieder zurück nach London zu fahren?« »Nein, nicht wirklich. Auf dem Weg hier her gab es immer wieder starken Regen und es strengt wirklich an, dann konzentriert zu fahren. Ich suche mir ein kleines Hotel.« »Kommt nicht in Frage. Du bist unser Gast und kannst in unserem Gästezimmer übernachten.« »Ich möchte euch keine Arbeit machen.«

»Quatsch, das Gästezimmer ist vorbereitet. Wenn du etwas spezielles zum Dinner haben möchtest?« »Bloß nicht. Gestern Abend gab es ein Galadinner. Dabei wollte ich etwas Leichtes zu mir nehmen.« »Dann bleibt es bei einer Pizza von Andreas und dazu Salat.« »Gerne.« »Tiger, was ist mit meinem Flügel?« »Ich lasse ihn neu bespannen. Ansonsten ist er Ok. Ich denke, die Saiten sind einfach altersbedingt hinüber.« »Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Er wurde das letzte mal vor fünf Jahren neu bespannt.« »Dann wird es Zeit. Ich gebe es meinem Klavierstimmer in Auftrag, dann kann er ihn auch gleichzeitig reinigen.« »Spielst du eigentlich noch regelmäßig?«

»Natürlich. Manchmal brauche ich einfach einen klaren Kopf für meine Arbeit und da ist Klavierspielen die beste Alternative.« »Darf ich dich auch spielen hören?« Carsten grinste. »Du kannst mein Instrument benutzen.« »War ja klar, dass du damit kommst. Aber gerne. Carsten gibt mir hin und wieder immer noch Tipps, wenn ich beim Spielen Hürden zu überwinden habe.«

»Er ist eben ein Pädagoge, mit Leib und Seele. Solche Lehrer sind mir lieber als diejenigen, die nur ein Programm herunterspulen«, meinte Volker aus Erfahrung in seinem Metier. »Da fällt mir ein, Volker, wie kann ich die Kunst der Fuge am besten vermitteln?« »Ein schwieriges Thema, aber es lohnt sich für die Künstler. Wie kommst du darauf?« »Bei den letzten Prüfungen habe ich ein Thema vorgegeben, aus dem meine Studenten ein Werk von fünf Minuten erstellen sollten. Einer hat das Thema gut siebenmal wiederholt, was dem ollen Bach wohl Freude gemacht hätte. Vorwärts, Rückwärts, im Kontrapunkt und mit feinen Disharmonien.« »Ich weiß, das ist ein schweres Thema, weil es heutzutage im klassischen Sinn kaum noch Anwendung findet. In der sakralen Musik sind Fugen und Toccaten noch beliebt. Dagegen versteckt in der modernen Musik. Da muss man aber schon ein sehr gut ausgebildetes Gehör haben. Spieltechnisch gehört es zum Handwerkszeug eines guten Musikers. Dein Ansatz war durchaus richtig, die Studenten damit experimentieren zu lassen, so bekommen sie ein Feeling für den Kompositionsstil. Bach’s Lehrbücher ›Das wohl temperierte Klavier I und II‹ und ›Die Kunst der Fuge‹ sind immer ein guter Leitfaden. Nur eine Handvoll meiner Schüler habe ich sich damit auseinandersetzen lassen. Du bist einer von ihnen. Es gehört wirklich ein absolutes Gehör dazu und die Freude mit der Musik auch zu experimentieren. Ich würde dir empfehlen, deine Studenten sich damit theoretisch auseinandersetzen zu lassen. Wer sich dafür interessiert, wird auf dich zu kommen und mehr über diese Technik wissen wollen. Man mag es kaum glauben, viele der Pop- und Rockmusiker des zwanzigsten Jahrhunderts kannten diese Technik und wandten sie auch an.« »Du meinst Rod Stewart, Elton John, Freddie Mercury und so weiter?« »Genau Andreas. Bei Jimmy Hendrix bin ich mir nicht sicher, aber wer sich die Aufnahmen genauer anhört, wird auch dort diese Elemente wiederfinden.« »Danke. Oh Charaid was machst du denn hier?« »Wo? Wie, du kannst den kleinen Tiger hören?« »Klar, trotz seiner Samtpfoten macht er Geräusche.«

Der entdeckte Stubentiger machte ein fragendes Gesicht und sprang mit wenigen Sätzen auf Carsten’s Schoß. Kuschelte sich schnurrend ein und ließ sich von Carsten kraulen.

»Einen süßen Hausgenosse habt ihr. Verträgt er sich denn mit den Hunden?« »Die Drei sind sich sehr sympathisch und ich glaube, sie ergänzen ihre Eigenschaften. Der kleine Kater gehört jedoch nicht uns, sondern Merlin.« »Der Zauberer aus der Artus Saga?« »Nein, ein Junge, dem wir etwas helfen, seinen Weg zu finden. Wie haben ihn bei uns aufgenommen, um ihn ein Zuhause zu bieten. Ansonsten würde er auf der Straße leben. Er ist sehr intelligent und hat eine schnelle Auffassungsgabe. Obendrein ist er auch musikalisch und hat auch ein fundiertes Wissen über die Folklore Schottlands. Auf diesem Gebiet kann er mir sicher noch einiges beibringen.«

»Ich sehe schon, du hast dich kein bisschen geändert. Du lernst immer noch gerne etwas Neues hinzu. Selbst wenn es auf den ersten Schein nicht danach aussieht.« Die Person, über die gerade gesprochen wurde, betrat fragend die Bibliothek. »Carsten, hast du Charaid gesehen?« »Nein. Nicht gesehen aber gespürt! Er ist hier bei uns und darf ich dir meinen Klavierlehrer vorstellen? Volker, der junge Mann ist Merlin.« »Hello Sir.« Merlin ging auf den älteren Mann zu und reichte ihm seine Hand.

»Du bist also Merlin, ein zukünftiger Lehrer meines besten Schülers.« »Lehrer bin ich bestimmt nicht. Dazu kenne ich mich in der Musik nicht gut aus.« »Nicht im klassischen Sinn. Ich kann von dir etwas über Folklore und Volksmusik lernen. Ich lerne gerne, nicht nur wenn es über Musik geht. Bei traditionellen Balladen und Volksgut habe ich noch einige Lücken. Ich habe gehört, wie du den Song Auld lang syne interpretiert hast. Ich kenne nur die englische Version und fand deine Interpretation im gälischen sehr interessant. Es gibt einige harmonische Varianten die ich noch nicht kannte und hoffe, mehr darüber von dir zu lernen.« »Aber das kann ich doch nicht.«

»Abwarten, wir probieren es einfach aus. Komm mal mit, Volker möchte sich Andreas anhören.« Alle Vier gingen in Carsten’s Arbeitszimmer, wo sich Andreas mit Fingerübungen vorbereitete. Als die Vier das Zimmer betraten, sah er gespannt zur Tür. »Dann lege einmal los, Tiger.«

Andreas legte sich Noten zurecht und begann mit einem relativ einfachen Stück. Nicht nur Volker hörte aufmerksam hin. Dann wechselte der Pianist das Tempo. Seit er den Quintenzirkel beherrschte, wechselte er die Tonart und gleichzeitig die Harmonie. Volker staunte nicht schlecht, was sein ehemaliger Schüler an den Tasten präsentierte. Nach gut einer halben Stunde beendete Andreas das Vorspiel. »So und nun du Carsten«, forderte Volker auf. Carsten übergab Charaid Merlin und setzte sich an seinen Flügel. Dieser wählte einige spezielle Etüden von Chopin und Liszt. Nachdem auch Carsten sein Vorspiel beendet hatte, gingen sie zurück in die Bibliothek.

»Ich gestehe, dass Andreas sehr gute Fortschritte, sowohl in der Technik als auch bei der Interpretation, gemacht hat. Du machst deiner Mutter wirklich alle Ehre.« »Dein Lob geht wie Balsam herunter. Dennoch habe ich noch einige Probleme spieltechnisch mit Carsten mitzuhalten.« »Da du es als ein gutes Hobby betrachtest, bin ich jedenfalls mehr als zufrieden. Carsten hat sich auch hervorragend weiterentwickelt. Nimmst du noch Unterricht?«

»Im College treffe ich immer wieder Gastdozenten. Ich bin froh, dass ich bei manchen Pianisten dann auch eigene Lektionen bekomme. Zuletzt gab mir Mr. Lang eine Lektion in Interpretation von Mozarts Klaviersonaten. Davor haben mir Daniel Barenboim, Paul Lewis, Pierre-Laurent Aimard und Martha Argerich Lektionen erteilt. Im kommenden Jahr treffe ich auf Hélène Grimaud und Daniil Trifonow. Zumindest hat unser Fachbereich beide eingeladen. Aus anderen Fachrichtungen lerne ich hoffentlich noch den Gitarristen Brian May und die Violinisten Joshua Bell und Nigel Kennedy kennen. Von Mr. Bell werde ich sicher noch etwas über das Violinkonzert von Brahms und Beethoven erfahren. Gerade bei der Interpretation des Klavierkonzerts von Beethoven, welches auch als Violinkonzert existiert, kann ich in Sachen der Interpretation bestimmt Neues lernen. Mr. Kennedy ist ein Experte für moderne Musik und deren Interpretation.«

»Wow, ich kenne die Personen zwar nicht, aber ich dachte, als Dozent wüsstest du schon alles.«

»Mitnichten, Merlin. Die Spieltechnik entwickelt sich weiter und bei der Interpretation gibt es auch immer andere Aspekte. Manche meiner Studenten fragen sich bestimmt, was ich von einem Gitarristen, einer Rocklegende oder einem Violinisten erlernen könnte, wo ich doch ein ganz anderes Instrument spiele. Es ist schlicht ergreifend die musikalische Philosophie, die dahintersteckt«, erläuterte Carsten den Anwesenden. »Da kann ich Carsten nur zustimmen. Musik ist eine Kunst, in der die Philosophie eine sehr bedeutende Rolle spielt. Auch in den Folksongs findest du immer wieder philosophische Ansätze, selbst wenn es auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Als erfahrener Musikpädagoge kann ich jedem nur anraten, der ein Instrument erlernen will, sich mit allen Aspekten des Instruments auseinanderzusetzen.« Der alte Mann sah dem Jungen an, wie er über das Gesagte nachdachte und dabei den Kater weiter sanft streichelte.

»Volker, ich zeige dir schon mal das Gästezimmer. Vielleicht möchtest du dich noch etwas frisch machen?« »Eine glänzende Idee. Ich würde mich nach der anstrengenden Fahrt auch gern etwas hinlegen.« »Komm, uns drängt heute nichts und wir haben Zeit.«

Andreas führte seinen Klavierlehrer zum Gästezimmer und Salvatore folgte ihnen. »Mach es dir bequem, wenn etwas sein sollte, wir sind unten in der Bibliothek. Salvatore!« Der Hund folgte der Stimme seines Herren und gemeinsam verließen sie ihren Gast.

»Schatz, ich denke, heute kommen wir nicht mehr dazu die Sauna zu benutzen«, meinte Carsten.

»Ich habe die Programmierung schon abgebrochen. Vielleicht reicht dir auch eine heiße Dusche.«

»Die werde ich jetzt auch nehmen.« Andreas sah seinen Hund an. Dieser schien nicht genau zu wissen was er wollte und sah hinter Carsten her. Dann entschied er sich, seinem Bruder Gesellschaft zu leisten und suchte diesen. Andreas sah ihm kopfschüttelnd hinterher. »Noch unentschlossen was du machen möchtest?«, wandte er sich an Merlin. »Ich habe heute schon einiges für den Job bei Dr. Miller gemacht. Ich denke, ich gehe mal ins Dorf und spreche mit dem Wirt.« »Was meinte er eigentlich mit dem Laib Brot?« »Ich habe mal ein Brot bei ihm stibitzt, dass seine Frau zum Kühlen auf ein Fensterbrett gelegt hatte. Nun, dort lagen mehrere und ich nahm mir das Kleinste. Ben schien mich wohl noch gesehen zu haben. Ich möchte mich bei ihm entschuldigen und wenn er zustimmt, bezahle ich ihm das Brot.« »Gut, zieh dich aber entsprechend warm an.«

Merlin stellte den Kater wieder auf den Boden und Charaid schlich auf seinen Pfoten davon. Andreas stand ebenfalls auf und ging in Carsten’s Arbeitszimmer. Dort nahm er den Tastenläufer, legte diesen auf den Tasten und schloss den Deckel der Tastatur. Beim Hinausgehen löschte er noch das Licht und schloss die Tür. Zunächst ging er in die Küche, setzte frischen Kaffee an und machte ein paar Sandwiches. Er hatte etwas Hunger und Carsten würde auch nicht nein sagen. Wo er schon in der Küche war, suchte er sich noch die Zutaten für einen Pizzateig heraus und bereitete im Handumdrehen den Teig zu. Zwischenzeitlich hatte die Kaffeemaschine gurgelnd das Ende des Brühvorganges angekündigt und er füllte den Kaffee in eine Thermoskanne um. Zuletzt räumte er wieder auf und deckte den Tisch in der Bibliothek. Dann kam auch schon Carsten hinzu.

»Es duftet in der Küche nach Kaffee.« »Ich habe auch welchen gekocht und dazu ein paar Sandwiches gemacht. Setz dich Liebling und genieße, ich habe hier gedeckt. Falls Volker noch kommt, kann er auch am Imbiss teilnehmen. Merlin ist zu Ben.« »Wenn dem so ist, haben wir einen ruhigen Nachmittag. Die Hunde sind im Salon und ich glaube Charaid ist ebenfalls dort. Ich gehe später noch einmal eine Runde mit den beiden Rabauken raus. Danach können wir zu Abend essen. Würdest du heute ihr Futter machen?«

»Geht nicht, ich backe dann schon die Pizza. Mache deine Runde etwas kürzer, dann kannst du es selbst machen.«


Merlin stand vor dem Pub und seufzte etwas. Diese Aufgabe hatte er sich etwas leichter vorgestellt. Dennoch trat er entschlossen ein. »Hallo Merlin, Carsten und Andreas heute nicht dabei?« »Nein, die machen sich einen ruhigen Tag und haben auch einen Gast, um den sie sich kümmern. Ich bin hier, um mit dir zu sprechen.« »Dann setz dich dort hin, ich komme gleich, möchtest du etwas trinken?« »Wäre es unverschämt um einen Tee zu bitten? Es ich doch recht ungemütlich draußen.«

»Quatsch, ich mache mir selbst auch einen. War bis vorhin unten im Keller und dort ist es ebenfalls kalt.«

Als sich beide gesetzt hatten, wusste Merlin nicht wo er beginnen sollte. Ben McHarris war in seinem Inn wirklich ein rauer Mann, das musste er wohl auch in dem Metier sein. Privat zeigte er eine andere Seite. Merlin fasste sich und begann die Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen und der Wirt hörte aufmerksam zu.

»Du hast also nur immer versucht, etwas Essbares aufzutreiben. Du hättest auch nur fragen brauchen. Meine Frau und ich hätten dich auch eingeladen, mit uns zu essen«, kommentierte der Wirt den Vorfall. »Ich habe es öfters versucht. Die Kommentare waren wenig schmeichelhaft und manchmal drohte man mir Prügel an. Wie lange glaubst du danach noch an den guten Willen der Menschen?« Ben sah ein, dass dieses Argument sicher nicht aus der Luft gegriffen war. »Was stellst du dir denn für deine Zukunft vor?«, wechselte der Wirt das Thema. »Zur Zeit bin ich bei Dr. Miller und helfe in seiner Praxis aus. Andreas meinte, ich habe ein natürliches Gespür für Tiere und auch Dr. Miller ist dieser Ansicht. Der Arzt meinte, ich könnte bei ihm eine Ausbildung zum Tierarztassistent machen. Alternativ bietet sich auch die Möglichkeit zum Tierpfleger. Beides verlangt aber zumindest einen Abschluss der Highschool. Diesen habe ich aber nicht.« Ben hörte eine Spur Resignation in der Stimme des Jungen. »Nun, den könntest du nachholen. Meine Frau war Lehrerin und würde dir sicher gerne alles beibringen, was für die Prüfung notwendig ist.«

Merlin war mehr als überrascht, dass ihm soviel Hilfe angeboten wurde. Auch hier bat er darüber nachdenken zu dürfen. Dann grinste Ben den Jungen an und wirkte sehr sympathisch. »Der Tee geht aufs Haus. Es war sehr interessant und ich hätte nicht geglaubt, dass es Jugendliche gibt, die quasi auf der Straße leben. Normalerweise sind meine Gäste zwar zurückhaltende Schotten, doch unter der rauen Schale sind sie echt warmherzig. Ich denke, wenn sie dich erst kennengelernt haben, helfen sie dir auch. Versuche es einfach.« »Danke Ben. Ich glaube, ich sollte wieder los. Wann hat deine Frau Zeit, damit ich mit ihr sprechen kann?« »Gib mir einfach deine Nummer und sie ruft dich an.« »Ok, die Nummer ist der Hausanschluss von Carsten und Andreas. Ein Mobiltelefon besitze ich nicht.« »Oh, dann sind wir schon zwei. Ich mag die Dinger auch nicht. So ich muss mich mal wieder um den Pub kümmern. Bevor du gehst, ich lade dich mal auf ein Dinner bei meiner Familie ein. Meine Frau kennt wirklich noch die gute, alte, schottische Küche.«

»Le toileachas. Mar sin leat.« »Mar sin leat.«


»Du Schatz, wo wir schon einmal gemütlich zusammensitzen. Ich glaube wir benötigen noch etwas mehr Personal. Die Reinigung funktioniert ja, dennoch können wir uns im Haus nicht um alles kümmern.« »Was schwebt dir denn vor?« »So eine Art Butler, der sich um alles kümmert. Der sich auch mit der Etikette auskennt und sich um die Konzertkleidung kümmert.« »Nun, um die Kleidung sollte sich wirklich jemand kümmern. Ich bin einverstanden, frage doch einmal bei einer Agentur an. Vielleicht möchte sich Merlin auch dazu äußern, dazu muss der Butler aber tierfreundlich sein. Ansonsten könnte es schwierig werden.« »Ich werde mich umhören und sehen was sich machen lässt. Noch ein Sandwich?« »Nein, Kaffee reicht mir. Volker hat sich wohl hingelegt?« »Möglich, er soll sich ruhig entspannen und wohlfühlen.«

Carsten stand auf. Dann wandte er sich dem zweiten Teil ihrer Bibliothek zu. Durch eine integrierte Tür ging er hinein und kam wenig später mit einer CD wieder. Zielstrebig ging er zur Musikanlage und legte die CD ein. Andreas war angenehm überrascht, als leise Jazz erklang. Manchmal wunderte er sich, wie Carsten ihre Stimmung in Musik widerspiegeln ließ.

»Volker, möchtest du Kaffee und Sandwiches? Es ist Teatime«, lud Andreas ihren Gast ein, als er ihn ansichtig wurde. »Gerne. Ihr habt echt ein gemütliches Gästezimmer und sehr angenehm temperiert. Das kostet sicher doch«, bemerkte er skeptisch. »Nun, es hat den Anschein. Doch mit unserem Architekten haben wir ein sehr effizientes System aus Sonnenkollektoren und Photovoltaik entwickelt. Dazu beziehen wir noch Erdwärme«, begann Carsten zu erklären. »Oh ja, der Garten rund ums Haus wurde ausgebuddelt und überall wurden spezielle Rohre verlegt. Diese Wärme benutzen wir vor allem für die Räume im Keller. Der Pool wird damit geheizt und die Sauna, wenn wir diese in Betrieb nehmen. Carsten kann schwimmen gehen, wann immer er will. Nach drei Monaten habe ich dann endlich den Garten wieder herrichten können. Ich glaube, dass ist uns gut gelungen.« »Du machst Witze, Junge. Die Einfahrt, der Platz vor dem Haus, alles sieht sehr einladend aus. So als wäre es schon immer so gewesen.« »Es ist aber recht modern. Der ganze Bereich stammt aus meiner Hand. Ich habe die alten Sträucher ausgegraben und später wieder eingepflanzt. Dazu noch Pflanzen älteren Jahrgangs.« »Zurück zum Thema: Energie. Zusammen decken wir mehr als vier fünftel unseres Bedarfs. Den Rest beziehen wir aus dem allgemeinen Netz. Luthais, unser Statiker, hat sogar noch für den Notfall einen Generator vorgesehen.« »Ich sehe schon, es ist alles sinnvoll durchdacht.« »Wir haben beide von unseren Großeltern und Eltern gelernt. Da wir die Natur lieben, haben wir uns gedacht diese auch zu schonen, wo wir können. Daher haben wir keine offene Kamine. Es sind technische Attrappen in denen visuelle Feuer lodern und mittels Strahlung Wärme emittiert wird. Ansonsten sind die Räume alle mit Fußbodenheizungen ausgestattet. Ich finde es ist eine intelligente Lösung. Warme Füße und vor allem ein gesundes Raumklima.«

»Und dein Arbeitszimmer, die Instrumente?«, hakte Volker nach. Er wusste wie empfindlich Instrumente auf Temperaturschwankungen reagieren. »Da greifen wir beide auf technische Hilfsmittel zurück, die zusätzlich für eine gleichbleibende relative Luftfeuchtigkeit sorgen.« »Ich kenne diese Dinger, ganz nützlich bei sehr edlen Instrumenten. Sage mal Carsten, hast du auch ein Studio?« »Natürlich, es ist ein Raum in Raum System mit separatem Mischraum. Man gönnt sich ja sonst nichts.« Volker lachte herzhaft auf. »Im Ernst, wenn ich kreativ bin und komponiere oder arrangiere, kann ich mit dem Mischpult meine Werke orchestrieren. Manchmal kommt etwas sehr interessantes heraus.« »Klassik?« »Nein, davon habe ich ja genug. Ich arrangiere und cover Popmusik oder lyrische Songs. Manchmal komponiere ich auch Songs. So kann ich aus eigener Erfahrung meinen Studenten berichten. Mr. Lang hat zum Beispiel ein traditionelles chinesisches Volkslied für Klavier und Erhu - ein zweisaitiges Streichinstrument - arrangiert. Es klingt erst einmal ungewohnt. Doch wenn man genau hinhört, machen gerade die Disharmonien den Reiz der Melodie aus.«

»Interessant. Du suchst lebendige Beispiele für deine Vorlesungen und bist offen für jede Art. Ich habe mich immer nur auf die westliche Musik konzentriert. Ich muss mich mal in deine Vorlesung setzen.« »Ich habe nichts dagegen. Einige meiner fortgeschrittenen Studenten würden bestimmt nicht nein sagen, wenn du bei ihren Lektionen dabei bist.« »Suchst du dir deine Schüler aus?«

»Nicht direkt, beim Vorspielen der neuen Absolventen sitze ich meist im Hintergrund und mache mir Notizen. Im Kollegium sprechen wir dann über die Bewerbung des Kandidaten. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich einen Absolventen abgelehnt habe, weil er den Quintenzirkel nicht beherrschte. Dann kommt zum Schluss immer die ultimative Frage, welche Empfindungen der Kandidat respektive die Kandidatin hat. Allein diese Frage kann schon über die Zulassung bei manchen Professoren entscheiden.« »Nimmst du auch privat Schüler?« »Noch nicht. Ich muss mich noch einleben und dann habe ich auch keinen geeigneten Raum. Hier im Haus möchte wir gern unsere Privatsphäre beibehalten.« »Was ist mit dem Haus bei der Pforte?« »Hatte ich zuerst auch gedacht, doch die Akustik ist schlecht. Obendrein möchten wir es an einen Verwalter vermieten, wenn es wiederhergestellt ist. Andreas ist der Meinung, dass auch alles in Ordnung gehalten wird, wenn wir außer Haus ist. Für den Park haben wir hoffentlich bald einen Gärtner.«

»Macht Andreas das nicht selbst?« »Der Park ist schon recht groß und Andreas hat auch noch andere Aufgaben und Projekte, die seine volle Aufmerksamkeit bedürfen. Dann sind wir auch regelmäßig in London oder auf Tour. Den Park können wir ja nicht mitnehmen.«

Volker lachte. Doch er wusste, worauf Carsten hinauswollte. Ihr Haus sollte ihr Rückzugsort bleiben, von privaten Einladungen einmal abgesehen. Für privaten Unterricht brauchte Carsten Räume, die dafür geeignet waren. Er selbst bekam seine Räume von den Institutionen zur Verfügung gestellt. Das galt nicht für Carsten, wenn er hier Schüler unterrichten wollte. Auch kannte er Andreas gut und wusste, dass der Garten und der Park sich natürlich weiter entwickeln sollten. Dazu gehörte eben eine professionelle Pflege, die Einer allein nicht bewerkstelligen konnte. Seine Gedanken wurden durch Merlin unterbrochen, der die Bibliothek betrat. »Hallo zusammen.« »Möchtest du noch etwas? Sandwiches, Kaffee?«

»Nein, ich gehe erst einmal heiß duschen. Der Regen hat zugenommen und es ist wieder kühler geworden. Selbst die beste Kleidung hält es nicht lange durch.« »Kennen wir. Bevor du dich erkältest, kümmere dich um dich. Du kannst deine feuchte Kleidung auch im Waschraum aufhängen.« »Danke, ich müsste sowieso noch waschen.« »Tu, was du nicht lassen kannst. Wir machen heute Abend Pizza. Es dauert noch etwas bis es soweit ist. Doch zuvor sehe mal nach Charaid’s Näpfen.« »Mache ich.«

Merlin drehte sich um und ging in die Küche. Andreas hatte recht. In Charaid’s Fressnapf befanden sich noch Futterreste, die der kleine Kater sicher nicht mehr fraß. Also macht er sich dran den Napf zu säubern. Dazu füllte er bei allen noch frisches Wasser nach. Anschließend begab er sich in seinen Raum, zog sich aus und sprang unter die Dusche. Das heiße Wasser tat wirklich gut. Als er wieder zurück in sein Zimmer ging, lag der kleine Kater eingerollt auf seinem Bett. Er blinzelte lediglich bei dem Geräusch. »Du hast sicher auch einen warmen Platz gesucht. Es ist wirklich ungemütlich draußen.« Eine Antwort erwartete der Junge nicht wirklich. Dann zog er sich frische Sachen an und brachte die feuchte Kleidung in den Waschraum. Er wunderte sich etwas, weil die Waschmaschine lief. Wann hatten die Beiden Zeit, die Maschine in Betrieb zu setzen? Dabei fiel ihm ein, dass er selbst auch mal wieder waschen müsste. Seit er bei den Beiden wohnte, war seine Garderobe umfangreich. Er ging immer wieder auch in einen Secondhandladen. Andreas fand seine Auswahl interessant, die auch geschmackvoll an dem Jugendlichen aussahen.

»Oh, noch nicht fertig. Dann gehe ich jetzt mal mit den Hunden raus. Den ganzen Tag im Haus mögen die beiden nicht wirklich.« »Carsten! Ich habe dich nicht kommen gehört, hast du die Maschine angeworfen?« »Klar, ist ja nicht so, dass ich so etwas auch nicht kann. Meine Wäsche habe ich kennzeichnen lassen, damit ich diese auseinanderhalten kann. Dazu haben Andreas und ich auch ein System entwickelt. Wir trennen unsere Wäsche, so können wir Beide nach Bedarf waschen. Meine Eltern haben mir einige Kniffe beigebracht, damit ich das auch selbstständig hinbekomme.« »Es fällt dir nicht leicht, selbstständig sein zu können.«

»Mittlerweile schon, meine Familie hat mich immer unterstützt. Nach der Schule war das Schwierigste, mich in London zurecht zu finden. So manches Mal habe ich Andreas angerufen, der mich dann irgendwo auflesen musste. Dennoch hat er mir dann erklärt, wie ich mich zurechtfinden würde. Da kann er schon mal echt hart sein.« »Helfen dir die Hunde nicht auch?« »Ist ja ihre Aufgabe, dennoch haben sie auch ihren eigenen Kopf und dann bedarf es einer klaren Ansage. Max hat mich schon einmal im Karree geführt, weil sie keine Lust hatte.« Merlin musste unwillkürlich grinsen. »Komm, lassen wir die Hunde raus und grins nicht so frech.«

Andreas war froh, dass sich Carsten um die Hunde kümmerte und hatte die Küche für sich. Merlin unterhielt sich mit Volker über alles mögliche. Als Carsten wieder eintraf, war das Dinner servierfertig. Es wurde ein amüsantes Dinner. Volker brachte einige Geschichten, die er mit Andreas und Carsten erlebte. Selbst die Gastgeber konterten mit einigen Anekdoten. Leonardo und Salvatore hatten ihre Ration vertilgt und lagen entspannt in ihren Kudden. Lediglich Charaid streifte durch das Haus und fand ein geeignetes Spielzeug, mit dem er sich beschäftigte.

Das Frühstück am folgenden Morgen verdiente seinen Namen. Wie Carsten es schaffte, einen Bäcker zu finden, der seine Waren auslieferte, blieb für Andreas ein Geheimnis. Dennoch freute er sich, mit frischen Brötchen, Croissants und Toast aufwarten zu können. Dazu echte Marmelade, wie es auf der Insel üblich war. Merlin war dabei, das frische Futter für Charaid zuzubereiten und war sichtlich froh, Carsten an seiner Seite zu haben.

»Finde in der ersten Tagen heraus, wie groß die Menge sein muss. Charaid ist noch jung, da braucht es etwas mehr. 100 Gramm finde ich durchaus realistisch zum Tagesbeginn.«

Merlin suchte sich einige Innereien und legte diese auf die Waage. Anschließend schnitt er alles klein und gab es in Charaid’s Napf. Carsten hatte ebenfalls die Rationen für die Hunde fertig. Er war gerade dabei, die Zutaten wieder in den entsprechenden Kühlschrank zu sortieren, als Volker frisch und munter die Küche betrat. »Guten Morgen zusammen. Das sieht ja richtig professionell bei euch aus.« »Für unsere Gäste bewegen wir schon einiges. Guten Morgen Volker. Setz dich, falls es dir nichts ausmacht, in der Küche zu frühstücken.« »Nein, es ist hier doch richtig gemütlich und ich mag es formlos. Merlin, dein Kater hat mir heute Nacht einen Besuch abgestattet.« »Oh, ich hoffe er hat sich benommen. Charaid hat eine sehr neugierige kleine Nase.« »Die hat er. Auf dem Bett hat er ein kleines Schläfchen gehalten und heute morgen war er wieder verschwunden.«

Alle lachten, als der kleine Kater ein Miauen von sich gab. So als ob er seine Ansicht dazu beitragen wollte. Dann stellte Merlin die Näpfe auf dem Boden ab. Carsten gab den Hunden leise das Kommando und sie machten sich über ihre Rationen her. Charaid guckte von einem Napf zum anderen und tastete sich mit lang gestreckten Hals zu seine Ration vor. Es schien ihm nicht ganz geheuer zu sein und es sah anders aus als die Wochen zuvor. Letztendlich siegte seine Neugier und er probierte vom Inhalt. Merlin sah ihm dabei aufmerksam zu. Als Charaid sich neben seinen Napf setzte und genüsslich den Inhalt verzehrte, war der Junge zufrieden. »Bekommt dein Kater heute etwas anderes als üblich?«, lautete auch Volkers Frage, der ebenfalls das Geschehen beobachtete. »Ja. Bis gestern gab es kommerzielles Katzenfutter. Ich habe mich dazu entschieden, dem Beispiel Carsten und Andreas zu folgen und sein Futter frisch zuzubereiten. Es scheint ihm zumindest zu schmecken.« »Ist doch sicher aufwendiger als eine Dose zu öffnen.« »Klar, aber es hat den Vorteil, dass ich weiß, was mein kleiner Freund zu sich nimmt. Ich kann seine Ernährung auch entsprechend seines Bedarfs anpassen. Das ist mit Fertigfutter nicht so einfach.« »Obendrein hat es den Vorteil, ihm Medikamente besser zu verabreichen«, fügte Carsten aus Erfahrung hinzu.

Andreas schenkte jedem nach Wunsch ein und dann ließen sie es sich gut gehen. »Sagt einmal Jungs, was macht ihr mit eurem Haus in London?« »Wir vermieten es an Studenten. Noch muss es entsprechend umgestaltet werden. Ich habe unseren Architekten gebeten, sich darum zu kümmern. Insgesamt sollen dort vier Studenten unterkommen. Das wird aber erst im kommenden Sommer soweit sein. Da wir zwei mal die Woche in London sind, können wir uns auch um die Verwaltung kümmern.« »Ihr habt wirklich an alles gedacht.« »Naja, zugegeben Zio Jihan hat uns die Idee mit dem Haus schmackhaft gemacht. Doch nun zu dir. Was steht für dich als nächstes an?« »Bis Morgen bin ich noch in London. Dann geht es zurück nach Dresden. Im Dezember habe ich zwei Klavierabende, jedoch nichts besonderes. Im Internat laufen die Vorbereitungen zum Weihnachtsspektakel. Dieses Jahr gibt es wieder eine Aufführung. Dr. Walz stand den Schülern beratend zur Seite, um euer Musical zu verwirklichen. Er leitet auch das Orchester. Einen talentierten Schüler als Dirigent gibt es nicht.« »Gibt es auch eine Aufzeichnung?« »Ja. Da es Dr. Neubert’s letztes Jahr als Institutsleiter ist, wurde ein Aufnahmeteam damit beauftragt. Ich lasse dir eine DVD zukommen.« »Danke.« »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Carsten ist blind und dennoch bekommt er eine DVD?« »Das ist ganz einfach. Das Musical habe ich einmal selbst erlebt und ein kleines Orchester dazu geleitet. Davon gibt es ebenfalls eine Aufnahme als CD, die habe ich in meiner Bibliothek. Jetzt nach 10 Jahren würde ich gern einmal erfahren, wie sich unser Musical entwickelt hat. Ich sehe zwar die Bilder nicht, doch ich kann beide Aufnahmen sehr gut vergleichen. Ich habe sogar noch alle Unterlagen zu dem Musical.«

Merlin war sprachlos. Von Carsten hatte er schon sehr viel gelernt, besonders wie er sein Leben meisterte. Dass er sogar noch alte Unterlagen aus seiner Schulzeit hatte und diese scheinbar noch regelmäßig nutzte, war ihm neu. Dann fiel ihm ein, dass Andreas ja auch für jedes seiner Projekte ein Jahrbuch führte, um die Entwicklung zu verfolgen. Je mehr er darüber nachdachte, kam ihm die Idee, selbst ein Tagebuch zu führen.

Volker verabschiedete sich herzlich und machte sich auf den Weg zurück. Carsten rief seine beiden Vierbeiner zu sich. Leonardo sah sein Herrchen neugierig und erwartungsvoll an. »Du willst Gassi gehen?«

»Ja, eine große Runde, ich brauche Bewegung und es ist Zeit für unsere Beiden sich zu erleichtern. Ich nehme noch ihr Spielseil mit, das sollte wohl reichen, um sich zu beschäftigen.« »Dass denke ich auch, anschließend sollten die Beiden aber auch mal wieder baden.« »Das hatte ich auch vor. Leonardo's Fell ist recht sandig.« »Schön, ich stelle schon einmal die Utensilien in den Dreckraum. Danach bin ich unterwegs. Brauchst du noch etwas aus der Stadt?« »Eventuell Fisch, wenn dieser frisch ist. Ansonsten nichts, dass mir einfällt. Am Donnerstag und gegebenenfalls Freitag wird dein Flügel generalüberholt. Mein Klavierstimmer wird alle Saiten prüfen, die Mechanik und die Hammerpolster. So ich mache mich auf, Leonardo, Salvatore Gassi!«

Die Zauberworte verfehlten nicht ihre Wirkung. Carsten hielt die Tür offen und beide Hunde stürmten hinaus. Carsten nahm seinen Stock und folgte ihnen. Er stellte fest, dass der Weg durch den vielen Regen aufgeweicht war. Er musste später Andreas fragen, welche Auswirkungen es auf den Weg haben könnte. Er lauschte um sich zu orientieren. Die Hunde waren wohl dabei sich zu lösen. Er atmete tief ein und ging schon mal voraus, denn er wusste, dass Leonardo ihm folgen würde. Es dauerte auch nicht lange, bis beide um ihm herumwuselten. »So ihr beiden, wie wäre es mit ein wenig spielen? Hier ist euer Seil!« Er warf das Stück Tau und beide Hunde sprinteten hinterher. Den Geräuschen nach zu urteilen, hatten sie ihren Spaß. Carsten ging tastend weiter und genoss einfach die Ruhe um sich herum.

»Guten Morgen Carsten«, sprach ihn Ben an. »Ben, guten Morgen, was treibt dich hier her?«

»Meine Neugier und mein Hund. Wolf braucht einfach mal eine größere Runde und ich dachte mir, es ist ne gute Idee, euren Park einmal zu besichtigen. Der Wanderweg ist doch noch offen?«

»Natürlich, Andreas hat diesen instandsetzen lassen. Er war wohl etwas verwildert und es soll niemand drauf zu Schaden kommen. Lediglich der direkte Weg zum Haus bleibt privat und ich erinnere mich, dass Andreas entsprechende Hinweise aufgestellt hat. Wo du davon gesprochen hast, wo ist denn dein Wolf?«

»Der rauft gerade mit deinen Hunden um ein Seil. Die Drei verstehen sich prächtig. Hast du Merlin gesagt, dass er sich entschuldigen soll?«, hakte der Wirt nach. »Komm lass uns weitergehen«, schlug Carsten vor. »Nein. Es war seine Idee und so schätze ich den Jungen auch ein. Eine ehrliche Haut, er hatte es aber in der Vergangenheit auch nicht einfach. Wenn ich fragen darf, war der Schaden denn groß?« »Nein, bei mir war es ein kleiner Laib Brot und meine Frau meinte einmal, dass ihr ein Schinken etwas kleiner vorkam. Dabei hätte er nur fragen brauchen. Nun, wie er mir sagte, hatte er er es wohl öfters probiert und die Antworten waren nicht gastfreundlich. Ich an seiner Stelle hätte wohl danach ebenfalls geklaut. Heute morgen beim Frühstück sprach ich mit meiner Frau über ihn und sie war der Meinung, dass wir ihm helfen müssen. Er sprach davon eine Ausbildung machen zu wollen, dazu bedarf es aber einen Abschuss der Schule. Meine Frau war Lehrerin und sie sagte sofort zu, ihm alles beizubringen, was er für die Prüfung benötigt. Ich habe ihm auch zum Dinner eingeladen. So können wir schon einmal alles besprechen, wie es weitergehen soll.« »Das freut uns.« Carsten fand die Entwicklung für Merlin mehr als positiv. »Ihr habt vorbehaltlos dem Jungen geholfen und ihm eine Chance gegeben. Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass er seinen Weg geht. Jeder Jugendliche, der zufrieden ist, macht später keinen Unsinn. So genug geplaudert. Kommt doch mal wieder ins Pub.« »Machen wir gerne, mal sehen wann wir Zeit haben. Leonardo, Salvatore!« Beide Hunde stoben an und Wolf folgte ihnen. Ganz manierlich legte der Gasthund das Seil ab und wandte sich seinem Herrchen zu. Danach trennten sich ihre Wege. Zuhause hatte Andreas Wort gehalten. Im Nebenraum der Veranda stand alles für ein Badevergnügen der Hunde bereit. Anscheinend wussten beide Vierbeiner was bevorstand. Salvatore drängelte sich vor und stand als erster in der kleinen Nische. Carsten regelte die Temperatur und dann duschte er den Hund ab. Salvatore genoss die Behandlung und Carsten fühlte, wie sich aus dem Fell Staub und Sand wusch. Nach einer viertel Stunde kam Leonardo dran. Auch er genoss die Behandlung und die Massage beim Trockenreiben. Gut eine Stunde später war von diesem Badevergnügen nichts mehr zu sehen. Danach machte sich Carsten auf in die Küche. Nachsehen, ob noch Kaffee vom Morgen vorhanden war.

Chapter 7

Auf halben Weg läutete es an der Haustür. Leonardo und Salvatore standen bereit und warteten darauf, dass Carsten die Tür öffnete. »Guten Morgen. Sind Sie Mr. von Feldbach?«, sprach ihn eine junge männliche Stimme an. »Guten Morgen, ja und wer sind Sie?« »Ich bin der Steinmetz, Mr. Palmer Junior. Meine Mutter sagte mir, dass hier Statuen aufgestellt werden sollten.« Carsten war sichtlich erstaunt. »Wir haben Sie für morgen erwartet. Doch wo sie schon einmal hier sind, kann ich ihnen auch die Objekte zeigen und die Punkte wo diese aufgestellt werden sollen.«

Begleitet von den beiden Hunden gingen sie zur Garage, wo die Statuen noch standen. Der Steinmetz ging um diese herum und sah sich diese mit geübten Auge an. »Darf ich Sie fragen wer der Bildhauer ist?« »Mein Onkel Jihan. Er mag es einfach, Kunstwerke aus verschieden Materialien zu erstellen. Im Haus haben wir Statuen aus Macael-Marmor, Skulpturen aus Naturstein und anderen Marmorarten. Diese Statuen sind sein Geschenk an uns und das Haus«, beantwortete Carsten die Frage ausführlich. »Ich verstehe. Es sind echte Kunstwerke. Den Marktpreis würde ich aus Erfahrung auf mehr als £ 300,000 taxieren.« Carsten nahm diese Äußerung zur Kenntnis. Dann ließ Mr. Palmer sich die Orte zeigen, wo diese aufgestellt werden sollten.

»Am Teich sollen die Bronzen aufgestellt werden. Mein Mann richtet noch eine Plattform ein. Die Statuen aus Marmor kommen an die Terrasse, dort ist soweit alles vorbereitet. Wie Andreas mir sagte, fehlen ihm die nötigen Gerätschaften, um alles sicher aufzustellen.« »Ja, ich habe mir die Dokumente schon angesehen. Es bedarf eines kleinen mobiler Krans bei den Gewichten. Der Untergrund ist weich, da braucht es entsprechende Vorbereitungen«, stellte der Steinmetz fest. »Das haben wir uns schon gedacht. Wann könnten Sie denn die Figuren aufstellen?« »Nun, wenn alles soweit vorbereitet ist, in zwei Wochen. Es dauert in etwa einen ganzen Tag. Meine Mutter hatte ja schon eine Kostenabschätzung gegeben. Da ja schon die Plattformen vorhanden sind, wird es wohl etwas weniger werden.« »Sie müssen aber wirklich sicher stehen. Meine Hunde vergessen schon mal beim Toben, dass da etwas in ihrem Weg steht.« »Darum brauchen sie sich keine Gedanken machen. In den Sockel sind Vorrichtungen für eine stabile Verankerung und zur Statue hin gibt es, den Zeichnungen nach, ebenfalls eine feste Verbindung. Ich verwende eine schnelltrocknende Zementmischung. In welche Richtung sollen die Figuren blicken?«, lautete die nächste Frage. »Das kann Ihnen nur mein Mann sagen. Er hat hier alles entworfen und weiß, wie die Figuren am besten positioniert werden.« »Gut. Dann komme ich in zwei Wochen mit meinem Helfer und stellen die Figuren auf.« »Danke. Dann ist unser Garten wohl fertiggestellt.« Mr. Palmer sah sich interessiert um. »Ob ein Garten jemals fertiggestellt ist?«

»Andreas würde das wohl verneinen. Doch für dieses Jahr sollte es reichen. Jedenfalls haben wir nichts Umfangreiches mehr vor.« »Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich war hier noch bevor die Renovierungen begonnen haben. Es sah alles sehr trostlos aus. Während der Bauarbeiten habe ich einige Simse geliefert und habe mir die Frage gestellt, wie das alles einmal fertig aussehen wird. Jetzt muss ich gestehen, es ist ein gutes Ensemble geworden.« »Danke. Jetzt steht erst einmal die Vorbereitungen für den Spielplatz an. Haben sie noch etwas Zeit?« »Ja wieso?« »Kommen sie einmal mit ins Haus, dort ist es bei Weitem angenehmer als hier draußen.« Mr. Palmer folgte Carsten ins Haus, wo er ihn in sein Arbeitszimmer führte. Leonardo begleitete sie, während Salvatore sich zurückzog.

»Mein Mann und ich haben uns schon einige Gedanken zu den Spielgeräten gemacht. Ich weiß nicht, ob es hier üblich ist, doch haben wir uns unter Anderem vorgestellt, eine Kletterwand aufstellen zu lassen. Ich habe nur keine Ahnung, ob eine solche Wand aus Stein sinnvoll für die Kinder ist und wie man diese relativ unfallsicher gestalten könnte.« »Ich würde welche aus Sandstein verwenden, die Oberfläche versiegeln und mit Kletterhilfen versehen. Oben werden zusätzlich Taue angebracht, die ebenfalls als Hilfe dienen. Vor der Wand eine Sandaufschüttung, damit der Untergrund weich ist«, meinte er. »Wäre ihre Firma in der Lage, eine solche Wand anzufertigen unter Berücksichtigung des Alters? Vielleicht mit zwei Schwierigkeitskategorien und diese dann auch sicher aufstellen?« »Es wäre ein Novum für uns. Es gilt auch verschiedene Vorschriften für Spielgeräte einzuhalten. Mhh, eine Herausforderung für einen Steinmetz, ich müsste ein wenig recherchieren, aber für die Kids eine lohnende Aufgabe. Haben sie schon eine Vorstellung, wann der Spielplatz umgesetzt werden soll?« »Soweit ich informiert bin, beginnen die Bauarbeiten an der Straße im Frühjahr. Bis dahin sollte der Spielplatz fertig sein. Andreas hat eine entsprechende Fläche von 90 yd2 vorgesehen und wird sich auch noch mit einigen Herstellern für Spielgeräte in Verbindung setzen. Ich denke, die Verwaltung wird zwar einige Vorgaben machen, doch sicher erfreut sein, wenn die Gestaltung durch einen Landschaftsarchitekten erfolgt.« Während des Gesprächs lag Leonardo bei Carsten. Dann hörte er jemanden kommen und machte sich neugierig auf. Andreas betrat in seiner Begleitung das Arbeitszimmer. »Hallo Tiger, oh du hast Besuch.« »Komm ruhig herein. Andreas darf ich dir Mr. Palmer vorstellen. Er hat sich heute schon die Situation angesehen. Er benötigt noch einige Informationen zur Aufstellung der Statuen. Ansonsten sprechen wir gerade über den Spielplatz.« »Die Kletterwand? Ich habe dafür insgesamt 5 yd2 vorgesehen.« »Das ist ausreichend Platz, wie hoch sollte die Wand sein?« »Für die bis fünfjährigen nicht höher als 7 Fuß und 16 Fuß für die Älteren. Es soll ihnen Spaß machen zu klettern und kein Hochleistungssport sein. Dafür gibt es sicher auch entsprechende Institutionen, wo professionell das Klettern trainiert werden kann. Eventuell auf der Rückseite mit einer Schrägen versehen, damit die kleinen Ladies und Gentlemen sicher wieder herunter kommen.« »Man könnte eine entsprechende Rutsche installieren. Es gab immer mal Vandalismus auf dem Dorfspielplatz.« »Ohne entsprechende Vorsehung müssten wir damit rechnen. Ich habe noch eine Beleuchtung eingeplant, die bei Dämmerung auf Bewegung reagiert. Mehr ist erst einmal legal nicht drin. Möglich, dass in Absprache mit den Bewohnern im Dorf eine Videoüberwachung installiert werden kann. Aber das ist erst einmal nur Theorie, die ich im Plan vorgesehen habe.« »Das ist schon viel, um alles einigermaßen abzusichern. Nun, ich möchte mich entschuldigen, ich habe noch einiges zu tun. Mr. Zahradník ist es ihnen Recht, wenn die Statuen in zwei Wochen aufgestellt werden?« »Ja, bis dahin ist auch die letzte Plattform fertig. Wir sehen uns dann in zwei Wochen. Mr. Palmer, ich bringe Sie noch zu Tür.«

Der Gast verabschiedete sich von Carsten und die Hunde begleiteten den Gast mit zur Tür. Anschließend kam Andreas zurück ins Arbeitszimmer, wo Carsten noch etwas gedankenverloren am Schreibtisch saß.

»Warst du im Dorf erfolgreich?« »Ja und ich habe auch noch frischen Fisch bekommen. Du, hier im Dorf gibt es ein altes Schulgebäude. Es wird von den Bewohnern als Gemeindehaus benutzt. Wäre das keine Alternative für Klavierunterricht?« »Dazu müsste ich mir die Akustik mal anhören. Eine Alternative wäre es wirklich. Gibt es dort auch anderen musikalischen, künstlerischen Unterricht?« »So genau konnte ich das noch nicht in Erfahrung bringen. Wir könnten ja mal mit dem Dorfvorsteher reden.« »Ich habe eine bessere Idee, wir gehen heute ins Pub und sprechen mal mit einigen Gästen. Machst du uns bitte noch Kaffee?« »Ist Merlin nicht hier?«

»Er ist beim Doc, jobben. Er nimmt seine Pflichten wirklich ernst und dabei wird er jetzt auch noch von Ben’s Frau unterstützt. Sie hilft ihm seinen Abschluss zu machen. Damit er anschließend eine Ausbildung machen kann. Mit allem drum und dran.« »Salvatore hat es in dem Jungen gesehen und wir haben bisher wohl alles richtig gemacht. Ich bin Stolz auf unser Teamwork. Komm mit in die Küche, dort mache ich uns frischen Kaffee.«

Gemütlich saßen sie am Tresen, tranken Kaffee und flirteten. Einzig das Telefon unterbrach ihre Aktivitäten. Andreas ging in sein Büro und nahm das Gespräch an, während Carsten weiter seinen Kaffee trank. Dabei hörte er Phasen des Gesprächs. Andreas sprach französisch und seine Stimme wirkte professionell und hart. Ein wenig tat ihm der Anrufer leid, wenn sein Mann so reagierte, schien einiges nicht in Ordnung zu sein. Sein Französisch war sicher nicht so gut, jedoch entnahm er einigen Fetzen, dass es sich dabei um einen Park im Département Yonne handelte. Er kannte den Park nicht persönlich, doch er wusste, dass Andreas in seiner Abschlussprüfung für seinen Entwurf eine Auszeichnung bekam. Anscheinend wurde der Entwurf auch realisiert.

»Alles Ok Schatz?« »Nein. Ich habe gerade mit dem verantwortlichen Gärtner eines Parks in Villeneuve-sur-Yonne gesprochen. Er berichtete mir von Ereignissen der letzten Monate: Die Wasserknappheit im Sommer und jetzt hat ein Orkan einen heftigen Schaden angerichtet. Er bat mich um eine Expertise und um Hilfe den Park wieder herzustellen. Dabei habe ich in meinem Entwurf noch extra darauf hingewiesen, dass der Park bei Trockenheit entsprechend bewässert werden muss. Meine Empfehlung war eine automatisierte Bewässerung in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag.« »Das haben sie nicht berücksichtigt?«

»Der Gärtner hatte es bedacht, jedoch nicht die Präfektur. Sie haben während des Tages bewässert und damit mehr Schaden angerichtet.« Carsten hörte in Andreas Stimme Wut aufkeimen. »Was wirst du tun? Hinfahren und dir selbst ein Bild machen?« »Ich kenne den Entwurf, jedoch nicht die Realität.« »Fliege nach Villeneuve-sur-Yonne und sieh dir den Park an. Der Gärtner hat sich die Mühe gemacht dich zu kontaktieren, dem entnehme ich, dass er ebenfalls auf die Präfektur nicht gut zu sprechen ist«, analysierte Carsten die Situation. »Du würdest mich nicht vermissen?« »Klar doch, aber ich kenne dich, du wirst keine Ruhe finden. Deine Kontakte in London laufen dir nicht weg und Mr. Miller aus der Royal Albert Hall wird das verstehen.« Andreas sah erstaunt seinen Carsten an. Kannte Carsten ihn schon so gut? »Gut, ich buche mir einen Flug und werde sehen was ich tun kann.« »Du machst das schon mein kleiner Gärtner.«

Andreas ging zu Carsten und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss. Anschließend gingen beide in ihre Arbeitszimmer. Andreas suchte in seinem Archiv nach dem Entwurf und Carsten überarbeitete sein Script für die Studenten.


Der Flug nach London verlief ruhig und am Flughafen Gatwick trennten sich die Wege von Carsten und Andreas. Am Terminal nahm Carsten ein Taxi und ließ sich zur Uni fahren. Im Konferenzraum wurde er schon erwartet und das Meeting mit den Dozenten nahm Gestalt an.

Andreas wechselte nur das Gate und stieg mit Salvatore in eine Linienmaschine, welcher ihn direkt zum Airport Charles de Gaulle brachte. Dort mietete er sich einen Wagen und fuhr zum Ziel. Während der Fahrt nutzte er die Freisprecheinrichtung und ließ sich mit dem Gärtner verbinden.

»Monsieur Mathieu, ich bin auf dem Weg zu Ihnen, wo können wir uns am besten treffen?«

»Monsieur Zahradník, am Besten treffen wir uns am Haupteingang des Parks. Dort sind wir ungestört und ich kann Ihnen alles zeigen.« »Gut, laut dem Navigationsgerät benötige ich noch eine Stunde.«

Andreas benötigte weniger als eine Stunde. Am Eingang kam ihm ein Mann entgegen, den er auf Mitte dreißig schätzte. M. Mathieu begrüßte Andreas und Salvatore freundlich. Dann berichtete er auch schon von den Problemen, die er in dem Park hatte. Während des Berichts gingen sie zu den einzelnen Punkten. Andreas machte Fotos und auf seinem Tablet Notizen. Salvatore blieb dicht bei seinem Herrchen und schien sich neugierig zu orientieren. Die Besichtigung endete im Büro des Gärtners.

»Jetzt haben Sie alles Relevante gesehen. Was meinen Sie Mr. Zahradník?« »Ich habe es mir wirklich schlimmer vorgestellt. Darf ich fragen wie hoch die Wasserrechnung war? Ich hatte in meinem Entwurf einen Bedarf von jährlich 500 m3 vorgesehen.« »Wir haben das Wasser aus der Yonne entnommen und es belief sich in den letzten drei Jahren auf mehr als 1200 m3. Auch wenn die Präfektur meint es sei kostenlos, so belaufen sich die Kosten auf zusätzliche 500 Euro pro Monat und wir bewässern von Februar bis November.« »D'accord. Damit beginnen wir. Ich denke, Geld ist immer ein gutes Argument, um Veränderungen durchzusetzen. Nicht alles muss durchgehend bewässert werden. Ich würde vorschlagen, im Herbst die Pflanzen soweit zu ersetzen. In den Niederlanden gibt es eine Baumschule, die entsprechende Baumbestände hat. Über den Winter hin lassen wir den Pflanzen die nötige Ruhe. Im Frühjahr sollten die restlichen Reparaturen angegangen werden. Dann sollte die Bewässerung ebenfalls modernisiert werden. Neben Sprinkler gibt es auch wassersparende Drop-Systeme. Meiner Erfahrung nach eignen sich diese besonders für Blumenbeete und für Pflanzen die einen stetig feuchten Untergrundes bedürfen. In meinem Entwurf hatte ich eine automatisierte Bewässerung, die müssen wir der Trockenheit anpassen. So würde ich empfehlen, die Anlage um Feuchtigkeitssensoren zu erweitern. Strategisch sind die Neuanpflanzungen am wichtigsten. Dazu gibt es noch welche, die mit Funk arbeiten. Sie können diese über den Park nach Bedarf verteilen. Bewässern wie empfohlen nur in den kühlen Stunden des Tages. Wenn eine Rasenfläche mal braun wird, lassen Sie der Natur ihren Lauf. Es gibt wirklich Schlimmeres als das! M. Mathieu, wenn es sich lohnt, sammeln sie Regenwasser und nutzen dieses für die Bewässerung. Flusswasser ist nicht immer unbedenklich.« »Alle Achtung, Monsieur Zahradník. Ich hatte ja noch Bedenken, als mein Vorgänger mir vorschlug, Sie zu kontaktieren. Jetzt möchte ich mich entschuldigen. Sie haben ein gut durchdachtes Konzept, wassersparend, effizient und ökonomisch. Würden Sie mir eine Expertise und einen aktuellen Entwurf zur Bewässerung erstellen? Ich reiche diesen bei der Verwaltung ein und wenn dort noch mitdenkende Menschen arbeiten, sehen sie die Vorteile einer Investition gegenüber einem hohen Betriebskostenaufwand.« »Nun, bisher bin ich privat hier, weil mir mein Entwurf zum Park am Herzen liegt. Offiziell muss ich die Expertise und den Entwurf in Rechnung stellen.« »Das ist kein Problem. Ein hiesiger Landschaftsarchitekt würde auch eine Rechnung stellen, womöglich den ganzen Park umgestalten. Die Bewohner lieben jedoch den Park so wie er ist und waren betroffen, als der Orkan wütete. Weiter ist der Park so angelegt, dass es eine Frischluftschneise zum Stadtzentrum gibt. Sowohl landschaftsarchitektonisch als auch städtearchitektonisch muss der Park erhalten bleiben. Sie haben einen Namen und ich glaube nicht, dass ein Politiker sich gegen die Wähler stellen wird.« »Gut, ich nehme den Auftrag an und mache dazu eine Kostenaufstellung zu den Investitionen und Betriebskosten. Können Sie mir eine Bestandsliste des Parks mailen, dann passe ich meinen Entwurf dem Bestand an.« »Noch sind nicht alle Schäden erfasst, aber ja, das sollte bis Ende dieser Woche zu schaffen sein«, räumte M. Mathieu ein. »Dann machen wir es so und ich erstelle eine neue Version meines ersten Entwurfs. Hier ist meine Visitenkarte mit allen nötigen Daten. Es wird Zeit, dass ich zurück nach Hause komme, mein Mann erwartet mich heute Abend.« »Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich hatten. Ich hoffe auf eine zukünftige fruchtbare Zusammenarbeit.« »Das wird sich zeigen. Im Übrigen habe ich noch zwei Parks in Frankreich gestaltet. In der Bretagne und einen Themenpark im Languedoc-Roussillon. Salvatore, wir müssen los!« Der Hund erhob sich, stellte sich an Andreas Seite auf und sah ihn erwartungsvoll an. »Sie haben einen wohlerzogenen Gesellen an ihrer Seite.« »Er weiß wann seine Zeit ist, ansonsten begleitet er mich immer zu meinen Projekten. Salvatore ist ein Genießer, wenn es um den Erhalt der Natur geht. In gewisser Weise ist er auch eine Inspiration für mich. Wenn ihm etwas nicht gefällt, dann ist das die Vernachlässigung einer Anlage. Er macht mich auch immer wieder auf Defizite aufmerksam. Manchmal glaube ich, in ihm schlummert ein architektonisches Talent. Wir hören voneinander Monsieur Mathieu.«

Der Gärtner begleitete seine Besucher zurück zum Wagen. Andreas ließ seinen Hund im Fond einsteigen und setzte sich hinter das Steuer. Dann programmierte er den Navigator zurück nach Paris. Unterwegs machte er eine ausgedehnte Pause und spielte mit seinem vierbeinigen Begleiter.

In Gatwick wartete Carsten bereits auf die Ankunft des Fluges aus Paris. Andreas hatte ihm in einer Nachricht die Ankunftszeit geschrieben. Leonardo wartete geduldig und beobachtete die ankommenden Passagiere am Gate. Als er Salvatore erblickte wurde er unruhig und Carsten verstand sein Benehmen. »Geh schon zu deinem Bruder, ich warte hier auf euch.« Leonardo trabte los und empfing Andreas. Gemeinsam gingen sie zum wartenden Carsten. »Hallo Tiger, haben wir noch Zeit für einen Tee?« »Nein, unser Flug wurde schon aufgerufen.« »Dann mal los.« Am Gate wurden die Bordkarten kontrolliert. Das war jedoch reine Formalität, sowohl Carsten als auch Andreas waren der Fluglinie bereits bekannt.

»Hello Mr. von Feldbach, Mr. Zahradník. Ihre Plätze sind in der Businessclass, bitte die Hunde anschnallen bevor wir starten. Der Abflug verzögert sich um einige Minuten. Ein Anschlussflug kommt etwas verspätet und wir warten noch auf Passagiere«, informierte die Flugbegleiterin. »Wir haben es nicht so eilig. Können sie uns auf dem Flug nachher einen heißen Tee servieren?« »Ich gebe es an das Kabinenpersonal weiter.«

Es dauerte wirklich nur einige Minuten und das Flugzeug setzte sich in Bewegung. Nach dem Start dauerte es noch eine Weile und dann servierte ein Steward ihnen eine gute Tasse heißen Tee.

»Wie war es in Frankreich?« »Warm und ich habe einen Auftrag zum Park angenommen. Vor allem geht es um die Bewässerung. Ich hatte ganz vergessen, wie gut wir es auf der Insel haben. Mildes Klima, ausreichend Regen. Der Park in Frankreich hat augenscheinlich mit den Trockenperioden der vergangenen Jahre arg zu kämpfen.« »Nun, in London hatten wir auch so unsere Probleme, den Garten im Sommer zu wässern. Ich hoffe es bleibt uns jetzt erspart.«

»Keine Bange, ich habe vorgesorgt. Der weitläufige Park wird auch eine Trockenperiode gut verkraften. Rund um unser Haus wird eine effiziente Bewässerung dafür sorgen, dass die Pflanzen nicht eingehen. Lediglich der Rasen könnte im Sommer braun werden.«

»Ich habe von dir gelernt, dass es nicht so tragisch ist und die Grünflächen sich schnell wieder erholen. Selbst wenn unsere Hunde darauf toben.« »Da hast du Recht. Ein guter Schüler warst du schon immer.« Ihre Unterhaltung wurde durch die Ansage unterbrochen, dass man sich bereits im Landeanflug befand. »Wenn wir gelandet sind, würde ich gern noch ein Snack essen. Ich habe in Frankreich lediglich ein belegtes kleines Baguette gehabt.« »Ich habe nichts dagegen. Vielleicht könntest du auch für unsere beiden Hunde ein kleinen Snack auftreiben?« »Ich werde sehen, was ich tun kann.«

Die Landung auf dem kleinen Flughafen verlief reibungslos. Den Luxus einer komfortablen Gangway gab es nicht, es reichte für die kleine Maschine eine manuelle Treppe die an das Flugzeug gebracht wurde. Carsten und Andreas wandten sich anschließend dem kleinen Bistro zu. Da beide schon als Stammgäste bekannt waren, konnte das Bistro auch mit Kauknochen aufwarten. Anscheinend war noch jemand hungrig und Andreas sah Andrea durch den Eingang kommen. An einer Leine führte sie einen Golden Retriever Welpen. Leonardo und Salvatore bemerkten ebenfalls den kleinen Hund und erkannten Andrea.

»Andrea, hier sind wir«, rief ihr Andreas zu. »Andrea? Was macht sie denn hier?« »Eine Überraschung. Sie wurde zu einem Symposium in Edinburgh eingeladen und ich habe ihr den Vorschlag unterbreitet, bei uns solange zu bleiben.« Carsten war sichtlich perplex. »Die Überraschung ist euch geglückt.« »Noch mehr, sie ist in Begleitung von einem Welpen.« Andrea ging auf den Tisch zu, begrüßte erst Andreas, dann ihren Bruder mit einer Umarmung. Ihr kleiner Begleiter wurde von Leonardo und Salvatore in Empfang genommen und ausgiebig beschnüffelt. »Hallo Bruderherz. Wie ich deinem Gesicht entnehme, hat Andreas nichts gesagt.« »Nein hat er nicht, schön dass du hier bist. Die Idee, bei uns zu übernachten, ist genial. Hotels sind nicht so persönlich, wenn man kein Stammhotel wie Mama hat.« »Das ›Three golden Star‹ ist schon das Stammhotel unserer Familie. Ich steige dort auch immer ab, wenn wir London besuchen. Jetzt möchte ich dir noch Gina vorstellen. Leon war wieder auf Freiersfüßen bei einer Golden Retriever Dame. Gina hat das Gemüt ihres Großvaters. Leonardo, Salvatore könnt ihr mal Gina entbehren?«

Die großen Hunde hörten auf den kleinen Welpen zu beschmusen. Andrea nahm ihn auf und reichte diesen Carsten. Neugierig wuselte Carsten durch sein seidenes Fell und Gina leckte seine Hand. »Ist sie auch schon so selbstbewusst wie ihr Großvater?« Dabei strich Carsten über ihr seidenes Fell. »Und wie! In der Praxis hat sie eine sehr beruhigende Wirkung auf die tierischen Patienten und mutig ist sie auch. Sie reitet für ihr Leben gern.« Carsten hörte den Stolz in der Stimme seiner Schwester. »Oh, das ist Selbstvertrauen für Zwei. Andreas, Hunde mögen es nicht besonders auf bewegenden Untergründen zu stehen. Schon gar nicht, wenn diese noch hoch über den Boden schweben.« »Sie steht nicht nur, Gina fühlt die Bewegung und passt sich dem Rhythmus an. Diogenes mag sie jedenfalls, lässt sich auch von ihr führen.« »Ja, dann ist sie mehr als ihr Großvater war. Warum hast du sie mitgebracht?« »Sie sollte fliegen lernen, neue Eindrücke sammeln und ihre Neugier stillen.« »Ich verstehe. Doch langsam wird sie müde, wir sollten uns auf den Weg machen. Andreas?« »Unser Wagen steht auf unserem Parkplatz. Salvatore, Leonardo auf!« Die kleine Gruppe ging los und während Carsten den Welpen hielt, führte ihn seine Schwester. Am Wagen stiegen die Vierbeiner hinten ein und Andrea legte den Welpen dazu. Die beide großen Brüder legten sich neben Gina und hielten sie warm. Andreas hielt Andrea galant die Wagentür auf, während Carsten auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Die Tasche mit ihren Sachen stellte Andrea neben sich ab. Dann ging es auch schon los.

»Du hast einen Führerschein, kommst du auch mit dem Linksverkehr klar? Dann kannst du unseren kleinen Wagen nehmen.« »Wird ungewohnt sein, doch ich hätte auch mit einem Mietwagen zurechtkommen müssen.« »Dann ist das beschlossene Sache. Eine Frage habe ich noch, wie kommt Gina mit Katzen zurecht?« Eine Tatsache, die Carsten wichtig war. »Katzen machen ihr keine Angst, das Gegenteil ist eher der Fall. Die Katzen aus der Praxis haben einen sehr großen Respekt vor ihr. Als ein frecher Kater meinte sie ärgern zu müssen, hat sie kurzerhand ihre Zähne in dessen Fell vergraben. So schnell konnte der Kater nicht reagieren und ergab sich.«

Das Gelächter im Wagen war erfrischend. Das Haus war leicht beleuchtet, Merlin hatte die Außenbeleuchtung eingeschaltet und es wirkte auf Andrea sehr einladend. »Ich habe es so noch gar nicht gesehen. Es ist sehr schön und nicht zu hell.« »Die Fledermäuse mögen es nicht besonders hell. So haben wir mit dem Zoologen uns darauf geeinigt, dass Licht gedämmt zu halten. Die Seite mit den Einflugschlitzen ist gänzlich unbeleuchtet«, fügte Andreas hinzu. »Es macht sich besser, es gibt eurem Heim einen besonderen Charme. Ich mag es. Bleibt es die ganze Nacht an?« »Nein, es schaltet sich gegen Mitternacht aus. Dann wird lediglich die Zufahrt beleuchtet und diese auch nur gedimmt. Arthur hat darauf geachtet, dass Laternen verwendet werden, die das Licht auf den Weg bündeln.« »Selbst das ist sinnvoll durchdacht. Bei uns hat man die alten Laternen einfach durch grelle LEDs ersetzt. Die Helligkeit ist erschreckend.« Dabei wirkte Andrea’s Stimme enttäuscht. Carsten wusste, dass so manche Stadtplaner nur an den Geldbeutel dachten und weniger auf die Umwelt achteten. »Ich kenne diese grässlichen Dinger, in meinen Parks verzichte ich darauf. Leider kann ich nicht verhindern dass LEDs verwendet werden, doch wenn, dürfen diese bestimmte Lichttemperaturen nicht überschreiten. Da gibt es gesetzliche Vorgaben die ich einhalte. So wir sind da.«

Andreas stellte den Wagen vor dem Haus auf einem Parkplatz ab. Carsten wartete bis Leonardo sich an seine Seite gesellte und ging dann zum Eingang. Andrea nahm klein Gina und Salvatore blieb bei Andreas. Erst als dieser den Wagen verriegelte, folgte er den Anderen. Im Haus war es soweit ruhig. Lediglich aus dem Salon hörte man Stimmen. Andreas ging nachsehen. Er fand Merlin schlafend auf der Couch. Charaid lag neben ihm und die Stimmen kamen aus dem TV. Er rüttelte an dem schlafenden Jungen. »Merlin, im Bett schläft es sich besser als hier«, meinte er lapidar. Merlin sah sich etwas irritiert um und lächelte verlegen. »Oh, ich bin wohl eingenickt. Dr. Miller und ich hatten einen anstrengenden Tag.« »Das kannst du uns morgen erzählen. Jetzt solltest du wirklich ins Bett gehen. Wir machen auch nicht mehr lange. Danke, dass du das Licht eingeschaltet hast.« »Ihr habt ja gesagt, dass es spät werden könnte. Das war wohl das Sinnvollste was ich tun konnte. Charaid? Gehen wir schlafen.«

Nachdem der Junge samt Kater sich zurückgezogen hatte, ging Andreas zu den Anderen in die Küche. Carsten machte sicher noch die Rationen für die Hunde. Genauso war es auch. »Tiger, die Rationen sind fertig. Ich habe etwas weniger gemacht, erinnerst du mich morgen früh daran, etwas mehr zu machen?« »Klar, Andrea was ist mit Gina?« »Sie kann sicher eine kleine Portion vertragen, aber auch nicht mehr als 150g. Es ist schon spät und ich weiß nicht, ob sie dann noch ruhig durchschläft.« »Mach die Rationen fertig, ich scheuche unsere Beiden noch einmal in den Garten.«

Nach zehn Minuten war die kleine Gartenrunde auch schon vorbei. Alle drei Hunde machten sich über ihre Rationen her. Andrea hatte für sich selbst noch Sandwiches gemacht. Dazu servierte Carsten noch frisch gebrühten Tee. Am Küchentisch wurde still gegessen, lediglich das Schmatzen der Hunde durchbrach die Stille.

»Wo kann Gina schlafen?« »Ich nehme an, unsere Beiden nehmen sie mit in ihre Kudden. Die sind groß genug für die drei. Muss sie denn nachts noch einmal raus?« »Normal hält sie bis morgens durch. Doch selbst wenn sie nachts raus muss, meldet sie sich rechtzeitig. Du kennst es doch auch von Max und deinen Beiden.« Carsten nickte bestätigend. »Na gut. Das Haus ist alarmgesichert. Wenn, dann müsstest du einen von uns wecken. Wann geht dein Symposium morgen los?« »Am Nachmittag ist ein offizieller Empfang in der Heriot - Watt University. Wie lange benötige ich bis Edinburgh?« »Gut eineinhalb Stunden via der M9 und M8. Das Auto hat ein Navi und bringt dich direkt ans Ziel. Im Handschuhfach ist ein Ausweis für den Campusparkplatz.«

»Danke.« »Nicht der Rede wert. So mir fallen langsam die Augen zu.« »Geh schon Schatz, ich zeige Andrea noch ihr Zimmer und mache hier unten alles dicht.« »Sweet dreams.«

Andreas hielt Wort und schon dreißig Minuten später kehrte Ruhe ein. Am folgenden Morgen wurde Andreas von Charaid geweckt. Der Kater lag auf seiner Bettdecke und beobachtete den schlafenden jungen Mann. Als er sich umsah, bemerkte er, dass er allein im Zimmer war. Er schob die Bettdecke vorsichtig beiseite und stand auf. Er zog sich an und ging hinunter in die Küche, wo er seinen Mann vermutete.

»Nun Brüderchen, gefällt es dir immer noch hier oben im Norden?« »Und wie, Schwesterherz. Die Ruhe und die Natur bieten uns allen eine Oase zum Erholen. Leonardo und Salvatore genießen diese Abgeschiedenheit und wirken auch sehr entspannt. Die Bewohner der Umgebung akzeptieren uns in ihrer Gemeinschaft so wie wir sind. Ich habe noch kein böses Wort über unseren Lebensstil gehört. Keine Silbe über Neid, dass wir das riesige Areal unser Eigen nennen. Im Gegenteil, einige sind sogar stolz, dass wir vorbehaltlos einem Jugendlichen helfen seinen Weg zu finden. Auch dass wir die Unternehmen hier bevorzugen wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen. Vielleicht ist es unsere Philosophie, die diesen Menschen hier gut tut.«

»Da kann ich Carsten nur zustimmen. Auch dass wir den Park zum Teil der Öffentlichkeit zugänglich machen, hat das Dorf wohlwollend zur Kenntnis genommen. Dafür akzeptieren sie unsere Privatsphäre. Alle Besuche sind über den Hauptweg gekommen und ich denke nicht, dass es sich mit dem Spielplatz ändert. Habt ihr noch Kaffee für mich?« Carsten reichte ihm eine silberne Thermoskanne. »Merlin hat genug für alle gemacht. Er ist schon beim Doc.« Während sich Andreas Kaffee einschenkte, kam er auf Merlin zurück. »Hat er etwas gesagt, was gestern los war?« »Hat er. Dr. Miller wurde von einem Farmer gerufen. Eines seiner Cattle Kälber hat sich ein Bein gebrochen und er wollte, dass der Arzt es einschläfert. Merlin konnte den Arzt davon überzeugen, es mit einem klassischen Gips zu versuchen. Dr. Miller schloss sich dem Vorschlag an, es muss wohl ein schöner Bulle sein. Also haben sie erst einmal das Kalb versorgt, den Farmer gebeten, das Tier samt seiner Mutter auf die Farm zu holen, um dort die Behandlung fortzusetzen. So wie ich Merlin verstanden habe, wird er jeden Tag zur Farm fahren und das Kalb betreuen. Er soll dafür sorgen, dass es weiter Muttermilch bekommt. Dazu muss er das Kalb vorsichtig bewegen. Dr. Miller hat ihm einige Massagetechniken beigebracht, damit das Kalb wegen seiner Anatomie keine Probleme bekommt«, faste Carsten kurz zusammen. »Einfach ist es nicht. Ich habe von einem Kollegen gehört, dass sich die Arbeit lohnt. Vor allem darf es sich nicht auf die falsche Seite legen«, meinte Andrea. »Das will ich hoffen. Cattle sind hier sehr wertvoll. Der Verlust eines Zuchtbullen ist ein herber Rückschlag.« »Daher war wohl Charaid bei mir. Er vermisste seinen Bettwärmer. Ich mache mal sein Futter.« Alle Drei mussten grinsen. Andreas ging zum Kühlschrank mit den Vorräten für die Tiere. »Wie viel, sagtest du, ist in etwa die Menge für den Kater?«, vergewisserte er sich bei Carsten. »150g Maximum.« »Eher weniger, Andreas. Der Kater geht doch noch jagen?«, mischte das Fachwissen von Andrea mit. »Ja, ich denke 100g sind ausreichend. Mag er Innereien vom Fisch?« »Natürlich, ihm tun auch die Glycerine gut, ein wenig Fett vor der kalten Jahreszeit dürften ihm nicht schaden.«

Andreas präparierte die Katzenration und stellte den Napf auf den Boden. Die leeren Näpfe der Hunde stellte er auf die Anrichte und räumte alles wieder weg. Dann bediente er sich mit einer weiteren Tasse frischen Kaffee. Wie sein Gatte begnügte er sich mit einem einfachen Toast, während seine Schwägerin sich ausgiebig bediente.

»Glaubt ihr Dr. Miller würde mich empfangen, so von Kollege zu Kollegin?« »Fahr hin und probiere es. Es ist nie verkehrt Kontakte zu knüpfen. Dann lernst du sicher auch Merlin kennen. Wo ist eigentlich Gina?«, wunderte sich Carsten etwas. »So wie ich sie kenne, hält sie ihr Verdauungsschläfchen. Sie ist ein kleiner Morgenmuffel und wird erst richtig munter, wenn ich in die Praxis gehe.« Dabei musste Andrea etwas grinsen. »Gassi?« »Ich lasse sie vor dem Frühstück in den Garten, dann macht sie ihre Geschäfte und das war es dann auch. Eine richtige Runde macht sie mit Stefano einmal bis zum See und zurück. Da sie noch drei mal am Tag zu fressen bekommt, gibt es danach ihre zweite Ration. Anschließend beschäftigt sie sich mit ihrem Spielzeug oder Leon. Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Gegenüber Max ist Leon nachsichtiger und lässt dem Welpen mehr durchgehen.« »Wie läuft es denn in der Praxis?«

»Im nächsten Jahr wird Papa sich weiter aus der Praxis zurückziehen. Er möchte mehr Zeit mit Mama verbringen. Mama wird im Sommer die Uni verlassen. Dort steht ein Generationswechsel an. Beide sind ganz froh beruflich kürzer zu treten.« Andreas dachte daran, wie schwer es seinem Nonno fiel, den Übergang ins Rentnerleben zu meistern. »Bereiten sie sich denn auch darauf vor? Ich höre ja immer wieder, dass ein Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand keine leichte Sache ist.« »Da mache ich mir weniger Gedanken. Papa hat seine alternative Tiermedizin und hat dazu schon einige Fachartikel veröffentlicht. Mama hat ihren Garten und beide reisen gern.« »Dann werden wir wohl häufiger Besuch von ihnen bekommen. Kannst du mir einmal seine Fachartikel zukommen lassen? Es ist sicher nicht verkehrt, auch darüber mehr zu wissen.« »Ich maile dir die Artikel. Ich habe die Fachliteratur auf meinen Computer.« »Danke. So ich mache jetzt meine Runde mit den beiden Clowns.« »Darf ich mitkommen? Gina braucht auch ihren Auslauf.« »Tu dir keinen Zwang an.« »Gut ihr Beiden. Ich bin in meinem Arbeitszimmer. Mal sehen, wie ich dem Park und dem Gärtner in Frankreich helfen kann.«

Wie gesagt, machten sich die Drei an ihren selbst gestellten Aufgaben. Andrea begleitete ihren Bruder und war erstaunt, wie leicht es ihm fiel, sich zu orientieren. Selbst wenn die Hunde irgendwo in der Gegend herumtollten. »Hier in der Gegend gibt es einen kleinen Graben, Leonardo und Salvatore springen schon mal ganz gerne dort hinein. Ich hoffe das macht deiner Gina nichts aus.« »Machst du Witze? Sie springt sogar in jede kleine Pfütze am Wegesrand selbst wenn es Brackwasser ist. Es ist noch gar nicht so lange her, da badete sie in einer kleinen Jauchenkuhle. Stefano badete sie mehrmals und sie hatte dabei das Vergnügen ihres Lebens«, meinte Andrea belustigt von der Vorstellung. »Du kannst sie später auf der Veranda duschen, wenn sie zu dreckig ist.«

»Mal sehen. Es ist ein schöner Park, ich hatte noch gar nicht das Vergnügen, ihn mir richtig anzusehen.« »Andreas hat sehr viel in diesen kleine Paradies investiert und wir hoffen beide, dass es auch weiterhin so bleibt. Ben, der Wirt vom Pub, mag ihn. Er und sein Hund gehen hier manchmal spazieren. Es gibt einen Wanderweg, der steht jedem offen.« »Hast du keine Angst, dass jemand über diesen Weg zum Haus kommt?« »Verhindern können wir es nicht. Andreas hat die privaten Wege gekennzeichnet und eine dichte Hecke als optische Grenze angelegt. Ansonsten ist unser Grundstück von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben. Wir haben beschlossen, das Haupttor und die kleinen Pforten Videoüberwachen zu lassen und entsprechend elektrisch zu verriegeln. Jihan hat uns sieben sehr schöne Statuen angefertigt, wir möchten nicht, dass diese beschädigt werden.« »Ist das der Grund, warum Andreas vor der Tür parkt?« »Ja, die Statuen stehen noch in der Garage. In einer Woche werden sie aufgestellt. Ich zeige sie dir nachher und auch das Auto. Leonardo, auf nach Hause.«

Die Hunde stoben an und wie Carsten vermutete, waren sie im Bach. Ihr Fell war feucht und ihre Pfoten matschig. Selbst Gina hatte wohl daran Gefallen gefunden und wegen ihrer noch geringen Bodenfreiheit war sie bis zum Bauch dreckig. Andrea lachte bei dem Anblick. »Ja eine kleine Dusche hat sie wirklich nötig.« »Warte einmal ab, bis zum Haus ist sicher schon einiges wieder abgefallen. Du weißt ja, Retriever sind selbstreinigend.« Genießend gingen die Geschwister zurück. Carsten’s Vorhersage traf nur zum Teil zu. Im Fell des Welpen hatten sich mit dem Schmutz kleine Knötchen gebildet und die mussten herausgewaschen werden. Andrea machte sich ans Werk und die Hunde sahen ihr dabei zu, wie Gina, ganz ihrer Art, das Bad liebte.

»Na alles wieder sauber?«, fragte Carsten nach, als Andrea die Küche später betrat. »Ja, und die Massage liebt sie wie Leon. Habt ihr noch Kaffee?« »Mal nachsehen. Andreas macht für mich immer eine kleine Thermoskanne fertig. Er weiß, dass ich zwischendurch Kaffee trinke. Selbst wenn ich zur Uni fahre, stellt er mir eine Kanne hin.« »Ist ja süß. Stefano macht für mich so etwas nicht. Wie hast du ihn dazu gebracht?« »Als wir studierten, begleitete er mich zur Uni und probierte dort den Kaffee. Ich glaube, davor hat er noch nie einen Becher Kaffee stehen lassen. Er hatte Mitleid mit meinen Geschmacksnerven und seit dem macht er mir seinen Kaffee zum mitnehmen. Leider hat Nonna ihm noch nicht verraten, wie sie ihren speziellen Cappuccino macht.« »Das findet er sicher auch noch heraus.« In der Küche stand die Kanne mit duftenden heißen Kaffee und Andrea bediente sich. »Du bist sicher, dass der Linksverkehr dir nichts ausmacht?« »Nein, Papa empfahl mir, bei einer Fahrschule Unterricht zu nehmen. Das habe ich in London auch gemacht. Sogar eine provisorische Prüfung habe ich bestanden.« »Keine halben Sachen. Andreas hat während seiner Ausbildung seine Lizenz gemacht. Da haben wir, also seine Großeltern und ich, zusammengelegt und ihm den Führerschein bezahlt. Dazu hat Mama darauf bestanden auch ein Fahrsicherheitstraining zu absolvieren. Andreas fand die Idee gut. Gerade wenn er mit dem Geländewagen in unebenes Gelände muss.« »Sollte ich vielleicht auch noch machen. Papa hat mich schon ein paarmal aus einem Schlammloch ziehen müssen.« »Nun, es bedarf schon einiges Können mit einem Wagen über eine Wiese zum Patienten zu fahren. Papa hat auch so manches mal einen Bauer gebeten, ihm mit dem Traktor zu helfen.«

Andrea wusste das. Hatte schon selbst von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Der Kaffee war wirklich gut und hatte sogar eine persönliche Note, die nur Andreas so machte. Dennoch, ein Blick auf die Uhr zeigte ihr, dass es langsam Zeit wurde.

»Dann zeige mir mal eure Statuen und das Auto. Ich hole nur noch meine Unterlagen für das Symposium.« »Hältst du auch eine Rede?« »Nein, dort wird unter anderem eine neue OP-Methode vorgestellt. Endoskopisch wird bei Tieren noch wenig operiert. Ich möchte gerade bei den Großtieren mehr von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.« »Sicher kein billiges Vergnügen.« »Nun, die Geräte sind mittlerweile erschwinglich. Leider fehlt uns das Know-how der Anwendung. Daher bin ich hier. Heute gibt es eine allgemeine Einführung und dann in den nächsten drei Tagen praktische Anwendungen.« »Dann bleibst du bis zum Wochenende?« »Hat dir das Andreas nicht gesagt?« »Nein, ist auch nicht so wichtig. Du bist immer willkommen.«

Carsten ging zur Garage und öffnete das Tor. Dort standen die Statuen und Andrea bewunderte diese.

»Jihan hat wirklich ein geniales Händchen. Mama, Papa, Andreas’ Großeltern und euch beide. Alle hat er charakterlich darin dargestellt. Warum er Andreas und dich in den Hirtengott verewigt hat, bleibt mir noch ein Rätsel, aber es ist ein schöner Korpus.« »Du bist wie immer klug, Schwesterchen. Pan ist ein Gott der Natur und liebte Musik. Daher lag es für Zio Jihan wohl nahe uns darin zu verewigen. So, du kannst den Stadtwagen benutzen. Andreas fährt eh lieber mit dem Land Rover oder dem Jeep.« »Du sagtest gestern etwas von kleinem Wagen. Der ist aber schon recht groß. Wozu habt ihr überhaupt den Wagen?« »Der ist nicht nur schneller, sondern auch repräsentativer, wenn er mich zu Konzerten begleitet. Im Fond haben wir eine Transportbox einbauen lassen. Die Navigation brauche ich dir ja nicht zu erklären. Sobald du Bluetooth einschaltest, verbindet sich die Freisprecheinrichtung. Bitte nutze diese Möglichkeit auch. Die Bußgelder hier sind nicht ohne.« »Oh, ich benutze immer diese Freisprecheinrichtungen. Es ist bequemer als ein Telefon in den Händen zu halten.« »Anders hätte ich dich auch nicht eingeschätzt, Sicherheit geht vor. Wann möchtest du bei Dr. Miller vorbeischauen?«

»Morgen Vormittag. Ich kenne dann schon den Weg nach Edinburgh, der Kurs beginnt am Nachmittag. Was machst du eigentlich nachher?« »Ich habe bald ein Konzert und ich übe an den Feinheiten. Dazu brauche ich einfach meine Ruhe.« »Darf ich dir Gina hier lassen?« »Natürlich, dann kann sie ihre großen Brüder auch richtig kennenlernen und unsere Beiden bringen ihr sicher noch genug Unsinn bei.« »Bloß nicht, Unsinn hat sie schon genug im Kopf«, lachte seine Schwester.

Andrea war über den Komfort des Wagens erstaunt. Carsten hatte nicht untertrieben, der Wagen gleitet förmlich über den Motorway. Der Hybridantrieb sorgte für ausreichend Leistung und durch die Elektromotoren war er auch sehr leise. Das Navigationsgerät, auch wenn in englischer Sprache, leitet sie sehr informativ zum Ziel. Selbst ein Umweg machte der Tierärztin kein Problem. Im Handschuhfach fand sie den Ausweis und konnte somit auf dem Campus parken. Der Empfang war förmlich. Die Organisatoren teilten verschiedene Gruppen mit jeweils einem eigenen Dozenten ein. Andrea’s Gruppe ging in einen eigenen Raum. Dort war eine Tafel mit diversen Köstlichkeiten und Tee gedeckt. Der Dozent stellte sich als Tierarzt vor. Sein Fachgebiet war die Endoskopie und daher genau der Richtige für dieses Vorhaben. In lockerer Runde sprach er mit den Teilnehmern.

»Mrs. von Feldbach - Lombardo, ich freue mich Sie begrüßen zu dürfen. Sie interessieren sich also für die Endoskopie. Haben sie schon eine genaue Vorstellung, wo sie diese Technik verwenden möchten?«, fing er eine Unterhaltung an. »Ja, vor allem bei den Großtieren in der Landwirtschaft. Ich möchte nicht immer eine umfangreiche OP machen, wenn es sich vermeiden lässt. Mein Vater nutzt diese Technik zur Zeit nur für orale und rektale Untersuchungen. Zum Beispiel wenn eine Katze ein Magenverschluss hat und ihr Fellknäuel nicht erwürgen kann.« »Ich verstehe und Sie würden gerne auch diese Technik operativ einsetzen?« »Ja! Sie wissen sicher auch, dass es in einem Stall nicht sehr steril ist und ich erwarte dass Sekundärinfektionen ausbleiben«, beantwortete Andrea die Frage. »Ich sehe schon, Sie haben sich gut vorbereitet. Der Termin der Endoskopie bei Großtieren beginnt morgen um 2 p.m. Wir nutzen dazu mobiles Endoskop Equipment. Meine Universität hat mit einem Unternehmen ein solches Gerät entwickelt, um solchen Bedürfnissen gerecht zu werden.« Andrea war angenehm überrascht. »Ich freue mich schon darauf.« Der Dozent druckste etwas herum, doch seine Neugier siegte. »Darf ich sie fragen, ob sie mit dem Pianisten Carsten von Feldbach verwandt sind?« »Er ist mein Bruder und ich bin bei ihm und meinen Schwager zu Gast.« »Es ist nicht höflich von mir. Sie werden bestimmt oft mit dieser Frage konfrontiert.« Andrea lachte. »Mir macht es nichts aus, ich liebe ihn und bin es gewohnt. Auch wenn er blind ist, habe ich immer sehr viel von ihm gelernt. Gerade wenn es um das Wohlergehen von Tieren geht. Auch in Sachen positive Lebenseinstellung kann so manch Einer von ihm und seinem Mann lernen. Andreas ist Landschaftsarchitekt und wenn ich es nicht besser wüsste, komponiert er Gärten und Parkanlagen so wie mein Bruder an den Tasten seines Flügels ein Konzert interpretiert«, meinte Andrea schlicht, jedoch nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme. »Er wohnt hier in Schottland? Ich dachte er lebt in London.« »Er ist hierher gezogen, weil es ihm in London wohl zu hektisch wurde. Hier hat er seine Ruhe für seine Arbeit und kann sich konzentrieren. Zu dem Termin morgen, muss ich etwas mitbringen?«, kam Andrea auf das eigentliche Thema zurück. »Lediglich ihre Schutzkleidung und etwas, wo sie sich ihre Notizen machen können. Ich werde morgen eine allgemeine Einführung machen und mittels einer Simulation werden wir uns mit der Handhabung schon einmal vertraut machen. Haben sie heute noch etwas vor?« »Nein. Ich dachte der Empfang dauert bis in den späten Abend.« »Der Empfang wird jetzt recht steif und betrifft nur die lehrenden Veterinäre der Universitäten. Dabei geht es vor allem um moderne Techniken, digitale Anwendungen und e-Learning. Da sind Sie wohl schon heraus.« »Moderne Techniken gibt es in meiner Praxis genug und ich denke dass ist noch lange nicht das Ende. Na, ob sich bei uns in Deutschland das e-Learning durchsetzen wird, wage ich zu bezweifeln. Die Praktikanten in meiner Praxis haben schon jetzt Defizite bei den Untersuchungen. Die lernt keiner einfach so aus Büchern oder in Onlinevorlesungen. Wenn sie sagen, dass der Empfang keine Pflicht ist, sehe ich mir dir Stadt an. So oft komme ich nicht nach Edinburgh.« »Wenn Sie erlauben, würde ich Sie begleiten und ihnen Plätze zeigen, die abseits der Touristenrouten liegen.« Andrea freute sich, so würde der Nachmittag sicher interessant werden. »Ein verlockendes Angebot. Wäre es unverschämt, wenn wir mit einem Tearoom beginnen, wo es auch guten Kaffee gibt?« »Nein, ich kenne da ein Café, wo es so etwas gibt. Ich gebe es nur ungern zu, doch als geborener Teetrinker mag ich hin und wieder einen kräftigen italienischen Espresso. Ich habe jetzt noch etwas zu tun, sagen wir in einer Stunde am Campusparkplatz?«


»Guten Morgen Mrs. Sanches.« »Guten Morgen Carsten. Ist es Ihnen Recht, wenn ich heute die oberen Etagen zuerst reinige?« »Ja, natürlich. Würden Sie heute bitte auch das kleine Gästezimmer machen? Meine Schwester ist für einige Tage unser Gast. Wie macht sich Merlin, hält er sein Reich sauber?« »Merlin ist sehr gründlich. Sein Zimmer staubsaugt er selbst und im Bad putzt er Waschbecken, Dusche und Wanne nach Benutzung trocken. Ansonsten mache ich dort, wie in allen anderen Bädern auch, einmal die Woche eine Grundreinigung.« »Danke. Ich denke hier unten brauchen Sie heute keine Hand anzulegen. Die Tiere halten sich überwiegend hier unten auf und da die Hunde im Fellwechsel sind, haaren sie auch mehr.«

»Ok, dann mache ich übermorgen hier unten sauber.«

Carsten ging in sein Büro und setzte sich an seinen Flügel. Nachdem er seine Fingerübungen absolviert hatte, nahm er sein Notebook und lud sich die Partitur des Konzertes hoch. Er suchte sich einige Stellen heraus, die ihm noch Schwierigkeiten bereiteten. Nach gute einer Stunde machte er eine kleine Pause. Aus seinem Archiv suchte er sich eine CD mit dem Konzert heraus. Er legte diese in seine Anlage ein und die Fernbedienung neben sich auf die Klavierbank. Er entspannte sich etwas und regelte die Lautstärke ein. Zunächst hörte er sich einige Takte des Orchesters an. Nachdem er genug gehört hatte, ließ er die Aufnahme wiederholen und setzte mit seinem Part ein. Lediglich Gina kam in sein Zimmer und hörte ihm zu. Carsten war mit seinem Spiel nicht ganz zufrieden. Er hatte noch immer Probleme bei einigen Passagen. Gerade bei den schnellen Abschnitten des Rachmaninow Konzerts hing er etwas nach. Ihm stand der Sinn nach einer Tasse Tee und ging in die Küche. Gefolgt von Gina, die sehr neugierig alles beobachtete.

»Ein schönes Konzert«, sprach ihn Mrs. Sanches an. »Ja und sehr anspruchsvoll. Noch bin ich nicht zufrieden mit mir. Darf ich sie fragen, ob sie einen Tee mit mir trinken?«, lud Carsten höflich ein. »Gerne ich habe gerade welchen gemacht. Dass mit dem Konzert wird schon. Nur schade, dass es im Dorf keine Musikschule mehr gibt. Früher hatte der alte Organist Unterricht in der alten Dorfschule erteilt«, plauderte die Raumpflegerin munter drauf los. »Warum hat er aufgehört?« »Er war schon über siebzig und starb im vergangenen Jahr. Er hat Zeit seines Lebens sich ehrenamtlich für den Musikunterricht eingesetzt. Der neue Organist ist mehr um seine Orgel besorgt. Hat den Pfarrer davon überzeugt für eine neue Orgel zu sammeln. Bisher ohne nennenswerten Erfolg.«

»Ehrlich? Für die Kirchenmusik kann ich mich nicht wirklich erwärmen. Können Sie mir mehr über die alte Schule erzählen? Ich würde gerne Klavierunterricht erteilen, habe aber keinen geeigneten Raum. Ich denke nicht, dass Sie begeistert wären, wenn ich hier Schüler unterrichten würde.« »Die Schule wurde restauriert und nun als Gemeindehaus verwendet. George, der Organist, hatte darauf bestanden, wenigsten einen Raum für Musikunterricht zu gestalten. Ich glaube, dort steht noch ein altes Klavier und einige weitere Instrumente. Ansonsten gibt es in der Grafschaft noch das Bagpipe Corps. Die proben jedoch im großen Gemeindesaal der Nachbargemeinde.« »Wann kann ich mir den Raum einmal anhören? Vielleicht ist das genau wonach ich gesucht habe«, dachte Carsten laut nach. »Es gibt drei Schlüssel. Der Gemeindevorsteher hat einen, dann die Vorsitzende des Frauenvereins. Den letzten Schlüssel kann jeder in der Library bekommen. Der Inhaber, Mr. Goodman, ist auch der Hauswart.« »Danke Mrs. Sanches, auch für den Tee.« »Wenn Sie erlauben, würde ich gerne ihre Küche nutzen und ein paar Scones machen. Draußen regnet es wieder und ich habe einfach keine Lust durchnässt zu werden.« »Machen Sie nur, ich hoffe wir haben alle Zutaten vorrätig. Ich gehe wieder an meinem Konzert üben. Gina, kommst du mit oder möchtest du hier bleiben?«

Der Welpe sah zwischen Mrs. Sanches und Carsten und entschied sich zu bleiben. Die Frau schien ihr interessanter zu sein. Carsten begab sich wieder in sein Arbeitszimmer und setzte sich an seinen Flügel. Bald schon ertönten die ersten Takte.

Mrs. Sanches suchte sich ihre Zutaten zusammen. Die Küche war wirklich gut ausgestattet und sie machte sich ans Werk. »Du bist also Gina? Ein schöner Name für einen Hund. Bist du die Hündin von Mrs. von Feldbach - Lombardo?« Der Welpe wedelte aufgeregt mit seinem Schweif, um zu signalisieren, dass die Annahme wohl zutraf. Die Raumpflegerin schüttelte lächelnd ihren Kopf. Dann hörte sie der Musik zu. Ihr Arbeitgeber war wirklich diszipliniert bei der Sache. Im Grunde hatte sie es wirklich gut in diesem Haushalt. Es war ein großes Haus und ihr erster Gedanke war, dass es sehr viel Arbeit machen würde. Da ihre Arbeitgeber ihr freie Hand ließen die Aufgaben zu erledigen, konnte sie sich die Arbeit einteilen. Drei mal die Woche putzte sie und wurde dafür ehrlich entlohnt. Zu Beginn kam es auch schon einmal vor, dass sie einen zusätzlichen Tag reinigte. Doch dass war einer generellen Reinigung geschuldet. Dann, nachdem die Familie zu Gast war. Als dann Merlin einzog und mit ihm Charaid, wollte sie schon protestieren, doch der Junge räumte sein Zimmer zuverlässig auf und machte keine zusätzliche Arbeit. Nein, in diesem Haushalt lief alles etwas anders.

Die Scones waren bereit für den Ofen. Auch hier wurde sie nicht enttäuscht. Der Architekt hatte zwei Backröhren vorgesehen. Ein kleiner, der elektrisch betrieben wurde und mit einem Dampfgarer ausgestattet war. Daneben gab es einen großen Gasofen. Der Gasraum konnte mit einem Drehspieß ausgestattet werden. Für die Scones nahm sie den elektrischen und bald schon erfüllte ein angenehmer Duft die Küche. Während der Ofen seinen Dienst erfüllte, räumte sie alles wieder auf und da der Welpe beim Wassernapf eine kleine Pfütze hinterließ, wischte sie auch den Boden auf.

»Das duftet aber sehr angenehm, Mrs. Sanches.« »Andreas, ich habe Sie nicht bemerkt.« »Ich war den ganzen Vormittag mit einem Projekt beschäftigt. Carsten hatte ich schon gesagt, dass ich mich in mein Arbeitszimmer zurückziehen werde. Haben Sie eine Tasse Tee für mich?« »Ich mache ihnen schnell einen. Die Scones benötigen noch etwas und müssen danach noch etwas abkühlen.« Flink ging Mrs. Sanches ans Werk und bald schon stand ein kräftiger Tee vor Andreas. »Mrs. Sanches, heute sollten Sie nicht in den Wellness Bereich gehen. Ich habe die Desinfizierung des Wassers im Pool eingeschaltet.« »Danke für die Information. Aber diese Woche ist der Bereich gar nicht dran. Am Freitag ist die Nassreinigung der Bäder und hier unten alle Räume außer die Arbeitszimmer.« »Sorry, dass die Hunde soviel ins Haus schleppen.« Erstaunt sah die Raumpflegerin ihren Arbeitgeber an. »Sie wollen mich auf den Arm nehmen. Leonardo und Salvatore sind richtige kleine Gentlemen. Um ihrem Futterplatz ist es recht sauber, gut manchmal eine kleine Pfütze Wasser, aber ich kenne Hunde, die ihr Futter rund um den Napf verteilen. Auch wenn sie von draußen hereinkommen, sehe ich nur selten ihre Fußabdrücke. Ich habe Beide im Verdacht, zuvor über eine Matte zu laufen, um sich ihre Pfoten abzuwischen.« »Das sähe sicher lustig aus. Im Gang von der Veranda ins Haus ist ein alter Läufer, da bleibt sicher schon einiges hängen. Über die Terrasse geht es ja über die Bodenplatten und im Vestibül ist eine breite Fußmatte«, dachte Andreas laut über die Begebenheiten nach. »Habt ihr noch eine Tasse Tee für mich?«, erklang es von der Tür her. »Natürlich setzt dich zu uns.« »Die Scones sollten auch gerade richtig sein. Essen sie diese mit Konfitüre oder Sahne?« »Kann ich diese auch ohne das alles essen? Sahne ist so mächtig«, meinte Carsten schlicht. »Sie sind wie mein Gatte. Sie können Scones auch ohne das alles essen.« »Mrs. Sanches, wir wollten eigentlich erst mit einer Agentur sprechen, doch vielleicht haben sie eine Idee. Carsten und ich haben uns überlegt, einen Butler einzustellen, der sich um alles hier kümmert, wenn wir unterwegs sind.« Mrs. Sanches wunderte sich über das Ansinnen. »Ist ein Butler nicht etwas altmodisch? Ich würde eher für eine Wirtschaftskraft plädieren. Sie kann sich um den Haushalt kümmern und was alles so im Haus anfällt.« »Was meinst du Andreas?« »Eine Wirtschaftskraft könnte sich auch um die Verwaltung des Guts kümmern. Wir werden es uns überlegen, ihre Idee hat etwas für sich.«

»Vielleicht lehne ich mich jetzt ein wenig weit aus dem Fenster. Ich kenne jemanden der sich für eine solche Stelle interessieren würde. Er hat Erfahrung im organisieren und verwalten eines Betriebes.« »Kommt er auch mit Tieren zurecht? Ich möchte unsere Tiere in sicheren Händen wissen«, fragte Carsten nach. »Er ist auf einer Farm groß geworden. Hat aber als Jüngster seiner Familie kaum Chancen den eigenen Betrieb weiterzuführen. Er hat Betriebswirtschaft studiert«, berichtete die Raumpflegerin weiter. »Nun, wenn wir ihn einstellen, müsste er auch hier wohnen. Carsten, wir können uns ihn ja mal ansehen und kennenlernen. Vielleicht ist das genau die Lösung, die wir benötigen.« »Ansehen ist nicht so mein Ding, aber die Idee hat etwas für sich. Wäre er auch bereit hier auf dem Gut zu wohnen, wir würden ihm das Pförtnerhaus zur Verfügung stellen?« »Das sollten sie ihn selbst fragen. Wenn sie einverstanden sind, spreche ich einmal mit ihm.« »Gut, sprechen Sie mit ihm und wenn er interessiert ist, kann er am Samstag Vormittag vorsprechen.« »Er wird sicher interessiert sein und darf ich ihm Ihre Telefonnummer geben?« »Geben Sie ihm meine Visitenkarte«, schlug Andreas vor. »Ok. So, ich mache mich auf den Weg.« »Darf Andreas Sie nach Hause bringen? Es regnet noch und im Jeep ist sicher Platz für ihr Rad.« »Ich muss eh noch zur Gärtnerei Hill und es ist kein Umweg.«

Das Rad war schnell verstaut und Salvatore nahm auf dem Rücksicht Platz. Mrs. Sanches war sichtlich froh trocken Zuhause angekommen zu sein und Andreas verabschiedete sich. Mr. Hill war überrascht, Andreas so schnell wieder zu sehen. »Haben sie sich es anders überlegt?«, fragte er daher auch skeptisch. »Nein, ich habe eine Frage. In Frankreich habe ich ein Projekt und ich benötige den Rat eines erfahrenen Gärtners. Sehen Sie, es müssen neue Rabatten angelegt werden und weil dort rund neun Monate im Jahr bewässert werden muss, wollte ich Sie fragen, wie viel Wasser von Nöten ist. Es ist noch immer ein großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis.« Erleichtert blickte Mr. Hill Senior Andreas an. »Dann zeigen Sie mal was dort wächst.« Andreas überreichte eine Liste und der Gärtner überflog diese mit gekonntem Blick. Bei einigen nahm er einen Stift und markierte einige Stellen.

»Ich sehe schon, diese Rabatten vertragen selbst im Hochsommer einige Tage Trockenheit. In der Literatur wird oft von geringer Bodenfeuchte gesprochen. Die Pflanzen speichern im Wurzelwerk Feuchtigkeit für rund drei bis vier Tage. Sie bilden einfach kleinere Blüten und ein dichteres Blattwerk. Ist auch einfacher zu pflegen. Wenn es nicht unbedingt erforderlich ist, würde ich auf diese Pflanzen ganz verzichten.« Dabei zeigte er auf ein Gattung auf der Liste. »Stattdessen lohnen sich dort Pflanzen aus den südlichen Regionen Europas. Diese vertragen eine Trockenperiode von einigen Wochen, da sie ein sehr tiefes Wurzelwerk bilden. Einige Palmen würden sich optisch sehr gut machen. Ansonsten sind ihre Berechnungen zum Wasserbedarf optimal. Ich würde aus meiner Erfahrung eher eine Reserve von 100 m3 mit einplanen. Selbst wenn ich die Bodenverhältnisse dort nicht kenne, die Trockenheit der vergangenen Jahre hinterlässt ihre Spuren.« »Danke Mr. Hill. Sie haben mir sehr geholfen. Ich berücksichtige in meinem revidierten Entwurf ihre Vorschläge.« »Ich hätte da ebenfalls noch ein Anliegen. Sie planen doch den neuen Spielplatz für das Dorf. Ist es möglich den Auftrag für die Bepflanzung zu erhalten?« »Bisher haben Carsten und ich uns über die Spielgeräte Gedanken gemacht. Da wir noch nicht wissen, was wir erreichen, kann ich auch nicht die Bepflanzung planen. Lediglich eine Hecke zum Grundstück ist schon vorgesehen. Diese soll noch vor diesem Herbst gepflanzt werden. Das bespreche ich dann mit ihrem Sohn, wenn Sie einverstanden sind.« »Ja, so machen wir es. Danke Mr. Zahradník.«

Im Auto wartete Salvatore liegend auf dem Rücksitz. Andreas hatte ihn im Verdacht heute allein wegen des Regens ihn nicht begleiten zu wollen. »Na alter Knabe, hast du genug relaxt? Es regnet wieder heftiger, meinst du Merlin wäre froh uns zu sehen?« Salvatore hob seinen Kopf und blinzelte. Andreas sah das als Zustimmung an. In der Praxis wurde er freundlich empfangen und Dr. Miller stimmte dem Vorschlag zu. Jedoch musste noch ein kleiner Umweg gemacht werden. Merlin musste noch zu der Farm. Andreas war damit einverstanden, so lernte er auch seine Nachbarn kennen. Merlin lotste Andreas zu der Adresse. Dort wurde der Junge schon erwartet. Andreas war etwas überrascht, dem Dorfältesten gegenüber zu stehen. »Mr. Gilles, Dr. Miller gab mir dieses Aufbaumittel mit und sagte, dass Sie wissen, wie es angewendet wird. Wie macht sich denn das Kalb?«, begann Merlin. »Der Kleine ist recht munter und ein Kämpfer. Komm und sieh ihn dir an. Meine Kinder haben sogar eine Idee gehabt, um seine Mobilität zu fördern.«

Gemeinsam gingen sie zum Stall, wo der Patient und seine Mutter untergebracht waren. Merlin musste etwas grinsen. Die Brust des Kalbes hing in Schlingen und diese entlasteten das eingegipste Bein. Unter dem Kalb befand sich ein altes Förderband, was dem Tier als Laufband diente. »Es sieht etwas ulkig aus, doch der Bulle mag es und bleibt so immer auch in Bewegung.«

»Er kann sich aber auch zur Verdauung hinlegen?« »Natürlich, er liegt die meiste Zeit des Tages. Drei, viermal am Tag stellen wir das Kalb in diese Vorrichtung, wo es dann seinem Bewegungsdrang nachkommen kann. Obendrein nutzt er diese Zeit um bei seiner Mutter zu säugen.« »Der Doktor wird sich in den nächsten Tagen die Fortschritte selbst ansehen. Doch nun zur Massage. Lassen sie das Kalb ruhig erst einmal dort. So kann ich die Elektroden besser anlegen.« »Ja mach nur.« Andreas staunte nicht schlecht. Unter einem Kalb verstand er etwas anderes als das was er sah. Das Kalb wog sicherlich schon um die 200 Kg und war gute 1.20 m groß. Merlin ging zur Mutter und dann erst zu seinem Patienten. Der Junge wirkte neben dem Bullen wie ein schmales Handtuch.

»Mr. Zahradník, lassen wir Merlin in Ruhe seine Arbeit machen. Der Junge kommt gut allein zurecht und beide Tiere mögen ihn.« »Ist das denn wichtig?« »Ich rate jeden davon ab, sich einem Kalb zu nähern ohne die Sympathie seiner Mutter sicher zu sein. Cattles sind sehr friedliche Tiere, jedoch wie jede Mutter schützen sie ihren Nachwuchs. Da können sie schon recht rabiat werden und die Hörner sind wirklich nicht ohne.« »Wir, mein Mann und ich, glauben an die Fähigkeiten des Jungen. Haben Sie schon etwas zum Spielplatz gehört?« »Die Bezirksverwaltung hat dem Plan schon zugestimmt und mir die Unterlagen zugesandt. Ich möchte gerne, dass Sie die Gestaltung übernehmen. Sie haben wohl auch schon Erfahrung in dieser Hinsicht,« brachte der Dorfvorsteher Andreas auf den neusten Stand. »Ja, ich habe schon so einige Spielplätze gestaltet und kenne die meisten Vorschriften.« »Sie müssen noch etwas mehr tun. Der Spielplatz muss für Rettungsfahrzeuge zugänglich sein.« »Das stellt kein Problem dar. Zum Grundstück gehören zwei breite befestigte Zufahrten. Unser Architekt hat bei der Sanierung darauf bestanden. Der Spielplatz kann von dem ehemaligen Lieferantenweg aus erreicht werden.« »Dann können doch Autos bis an den Spielplatz fahren?« »Nein, diese Zufahrt ist mit einem Poller ausgestattet, den können Rettungsdienste mit einem speziellen Schlüssel entfernen. Ansonsten ist der Weg gesperrt. Wenn unsere Gemeinschaft es wünscht, übernehme ich den Auftrag. Es gibt eine kleine Bedingung dazu, ich habe schon mit Mr. Palmer über die Errichtung einer Kletterwand gesprochen. Ich würde die ortsansässigen Betriebe mit einbeziehen. Die Bepflanzung und Pflege der Grünanlage wird die Gärtnerei Hill übernehmen.« »Ich spreche jetzt einmal in meiner Funktion als Ortsvorsteher. Diese Bedingung ist akzeptabel. Kommen sie ins Haus und ich kann ihnen den Auftrag schriftlich erteilen. Damit sind wir gegenüber der Verwaltung auf der sicheren Seite.«

Mr. Gilles führte Andreas in sein Büro und übergab die entsprechenden Unterlagen. Andreas las sich alles aufmerksam durch und unterschrieb den Auftrag. Wie üblich wurde der Abschluss mit einem Glas Whisky begossen. Anschließend gingen sie zurück zu Merlin, der gerade dabei, war seine Sachen wieder zusammenzupacken. Das Muttertier stand ganz dicht bei ihm und ihrem Kalb. Doch der Junge ließ sich nicht davon beeindrucken. Zuletzt strich er dem Bullen über den Kopf und anschließend seiner Mutter. Danach ging er zu dem wartenden Besitzer. Diese sahen wie sich die Mutter zurechtstellte und säugte ihr Junges.

»Ich bin für heute fertig. Sie sollten das Kalb nicht mehr so lange stehen lassen. Die Muskeln sind alle warm. Das Bein wird gut durchblutet. Ich teile Dr. Miller meine Beobachtungen mit, möglich dass er bei seinem nächsten Besuch ein Röntgenbild anfertigt.« »Danke Merlin, ich werde vorbereitet sein. Können wir sonst noch etwas für das Kalb tun?« »Aus der medizinischen Sicht kann ich dazu nichts sagen. Vielleicht darauf achten dass es nicht zu kalt wird und für gute Durchblutung sorgen.« »Ich werde meine Kindern sagen, dass sie beide Tieren eine Fellpflege zukommen lassen. Möchtest du noch mit ins Haus kommen?« »Danke nein, der Tag war lang und in der Praxis viele Routineuntersuchungen. Ich freue mich auf eine heiße Dusche. Ich komme dann morgen früh. Denken Sie an das Aufbaumittel.« »Mach ich.«

Andreas nahm dem Jungen die Tasche ab und gingen zum Wagen. Auch dieses Mal lag Salvatore friedlich auf dem Rücksitz. Nachdem sich Mr. Gilles verabschiedet hatte, setzte sich der Wagen auch schon in Bewegung. Merlin wunderte sich jedoch, dass Salvatore im Wagen blieb, wo er doch der neugierigste Hund war, den er kannte. »Salvatore bist du neuerdings wasserscheu?« Andreas lachte. »Das habe ich mich heute auch schon gefragt. Doch solches Verhalten legt er hin und wieder an den Tag. Kein Grund zur Besorgnis, heute Abend wird Leonardo ihn schon ausreichend motivieren eine große Runde zu absolvieren.« »Andreas, darf ich mal telefonieren?« »Klar nimm dir das Mobiltelefon.« Merlin nahm das Telefon aus der Halterung und wählte die Nummer der Praxis. Da die Freisprecheinrichtung noch aktiv war konnte auch Andreas mithören. »Dr. Miller, ich bin bei den Gilles fertig. Ich habe aber bemerkt, dass das Bein etwas geschwollen und sehr warm war. Sie haben mir ja gesagt, dass ich Bescheid geben soll, wenn mir ungewöhnliches auffällt.« »Du bist wirklich sehr aufmerksam, ich rufe ihn gleich an und wir röntgen das Bein noch einmal.« »Gut, Mr. Gilles wird dafür alles vorbereiten. Ansonsten scheint mir der kleine Bulle recht zufrieden zu sein.« »Das klingt wirklich gut. Merlin ich muss mich noch einmal bei dir bedanken, dass du dich für das Tier eingesetzt hast.« »Das habe ich gern gemacht. Ich fahre morgen als erstes hin und kann dann später hoffentlich noch mehr dazu sagen.« »Nein, wir treffen uns morgen dort. Ich möchte so schnell wie möglich Gewissheit haben. Bis morgen Junge und genieße den Abend.«

Die Verbindung wurde unterbrochen. Andreas sah nur kurz zu seinem Beifahrer. Er sah ihm an, dass das Kalb ihm am Herzen lag. Dann wandte er sich wieder der Straße zu. »Was wollte Mr. Gilles noch von dir?« »Ich habe durch ihn offiziell den Auftrag erhalten, den Spielplatz zu gestalten und auszustatten. Er akzeptierte, dass ich die ortsansässigen Betriebe bevorzugen werde.« »Warum?« »Einmal unterstütze ich die Betriebe. Warum soll ein Auftrag an ein auswärtiges Unternehmen gehen, wenn ein qualifizierter Handwerker vor Ort genau so gut ist. Ein Vorteil ist auch, dass Reparaturen und Wartungen schneller erledigt werden und oft auch kostengünstiger sind. Ein weiterer Punkt ist etwas hinterhältig. Die Kinder sind aus der Umgebung und wenn ihre Eltern die Spielgeräte herstellen, werden diese auch weniger mutwillig beschädigt.« »Man, soweit muss man erst einmal denken. Sicher werden dann auch die Wünsche der Kinder etwas mehr berücksichtigt.« »Das versuche ich in meiner Planung schon zu berücksichtigen. Ich habe schon viele Kriterien von kleinen Ladies und Gentlemen gesammelt und archiviert. Diese ziehe ich auch bei der Gestaltung immer zu Rate. Ich finde, dass Spielgeräte den Bedürfnissen der Kinder gerecht sein sollen. Für die Sicherheit sind dann die Erwachsene verantwortlich.« »Ich muss sagen, das ist eine sehr interessante Philosophie.« »Ist es auch. Darf ich dich fragen, warum du Mr. Gilles nichts von deiner Beobachtung gesagt hast?« Andreas interessierte sich dafür, ohne neugierig zu wirken. »Ich wollte ihn nicht beunruhigen. Schwellungen sind nicht ungewöhnlich bei Tieren die ein Gips haben, sagte mir Dr. Miller. Es kann auch eine Infektion sein und dann heißt es den Gips entfernen die Infektion behandeln und einen neuen Gips anlegen.« »Mr. Gilles würde dann eine hohe Rechnung ablehnen?« »Das eher weniger. Ein guter Zuchtbulle kostet bei einer Anschaffung mehrere Tausend Pfund. Dagegen ist die Rechnung ein Klacks. Nein, für das Kalb ist es enormer Stress, weil es betäubt werden muss. Das gilt es zu vermeiden.« »Bist du dir sicher, nicht doch Tiermedizin studieren zu wollen? Du bist wirklich gut.« »Mal sehen, wie ich den Abschluss hinbekomme. Es ist eine Option, die ich mir offen halten möchte.«

Andreas fuhr die Einfahrt entlang und im Scheinwerferlicht sahen sie ihren Charaid über den Weg huschen. Merlin musste unwillkürlich grinsen. Obwohl Andreas wirklich langsam fuhr, reagierte er sehr schnell und trat auf die Bremse. Bei seinen Gastgebern brauchte er sich keine Gedanken zu machen, dass sie jemals ein Tier anfahren würden. Wie schon üblich stellte Andreas seinen Wagen auf dem Platz vor dem Haus. Merlin stieg aus und schnappte sich die Tasche. Dann öffnete er die Hecktür und holte sein Fahrrad heraus. Andreas ließ Salvatore aussteigen und dieser lief direkt zum Eingang. Der Hund mochte an diesem Tag wirklich nicht nass werden. »Ich bringe das Rad zur Garage und komme dann nach.« Andreas nickte lediglich und folgte seinem Hund. Mit der Fernbedienung schloss er seinen Wagen ab. Am Haupteingang wurden sie schon von Leonardo und Gina in Empfang genommen. Andreas lauschte einen Moment. Er hörte Klaviermusik, also war Carsten wieder bei der Arbeit und wollte nicht gestört werden.

»Kommt, gehen wir in die Küche und machen einen Tee.« Die Hunde verstanden wohl was ihr Herrchen sagte und folgten ihm zum besagten Raum. Dort folgte auch kurze Zeit später Merlin’s Weg hin. »Sag einmal, war die Verandatür offen?«, fragte Andreas den Jungen. »Nein, warum?« »Wie ist Charaid aus dem Haus gekommen?« »Vielleicht steht irgendwo ein Fenster offen«, mutmaßte Merlin. »Nein, ihr Beiden. Ich war vor einer Stunde kurz draußen, da ist er sicher hinausgelaufen. Ich habe ihn seit dem auch nicht nicht mehr bemerkt.« »Hallo Tiger, ich mache gerade Tee. Draußen ist es recht ungemütlich.« »Das wollte ich auch gerade machen. Für heute bin ich durch. Konntest du alles erledigen?« »Ja und ich habe dazu noch einen neuen Auftrag erhalten. Ganz offiziell kann ich den Spielplatz gestalten.« »Freut mich Schatz. Wie hoch ist das Budget?« »Aus Erfahrung eher durchschnittlich, dafür darf ich die örtlichen Unternehmen bevorzugen. Macht die Beschaffung der Geräte günstiger. Ich glaube nicht, dass ein Betrieb hier absichtlich die Kosten in die Höhe treibt.« »Da stimme ich dir zu, ich würde sogar eher sagen, dass alle daran interessiert sind, gute Qualität für die Kids abzuliefern.« »Wenn ich euch Beiden so zuhöre, habt ihr wohl auch schon andere Erfahrung machen müssen.« »Leider ja, Merlin. Auf einem Spielplatz ist ein Kind zu Schaden gekommen, weil bei einer Schaukel ein minderwertiger Haltebolzen verwendet wurde. Dabei habe ich darauf bestanden, dass die Spielgeräte qualitativ den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen müssen. Die verantwortliche Firma wurde zu Schadenersatz verurteilt. Wichtiger ist aber, dass viele Landschaftsarchitekten dieser Firma keine Aufträge mehr erteilen. So etwas spricht sich in meiner Branche schnell herum.« »Ich schließe mich eurer Ansicht an. Die Kids haben die besten Spielgeräte verdient. Für einige der Betriebe wird sich dadurch eventuell auch ein neues Geschäftsfeld eröffnen.« »Genau. Wie geht es dem Kalb?«

»Er ist ein Kämpfer, dennoch hoffe ich, dass sich keine Komplikationen einstellen. Heute bemerkte ich eine Schwellung unter dem Gips und das Bein war sehr warm.« »Klingt nach einer Infektion, das sollte untersucht werden.« »Das machen Dr. Miller und ich morgen auch. Er will noch einmal röntgen. Ich hoffe für das Kalb, dass es etwas harmloses ist. Ein neuer Gipsverband wäre mit Stress verbunden.« Carsten hörte die Traurigkeit in der Stimme. Er wusste, dass Merlin Recht hatte. Paul hat auch so manchen gebrochenen Knochen zwei mal versorgen müssen, weil sich die OP-Wunde entzündet hatte. Bei einem Cattle war es sicher schwieriger, weil es schon einiges wog. Andreas dachte über gebrochene Arme und Beine nach. Sein Schwager hatte sich den Arm gebrochen und trug anstelle eines Gips eine Hartschale aus Kunststoff.

»Sagt einmal, so eine moderne Kunststoffschiene in Kombination mit Gips, wäre das nicht eine Alternative? Der Kunststoff schützt die Wunde und der Gips sorgt für die nötige Stabilität. Möglich, dass man auch rund um die Wunde eine Aussparung machen könnte um diese besser zu versorgen.« »Im Prinzip hast du recht, Tiger. Nur funktioniert das beim Menschen, weil die Hartschalen schon entsprechend geformt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Entsprechende für Tiere gibt. Wir können ja mal Andrea fragen, wenn sie wieder zurück ist.« »Hat sie eigentlich gesagt, wann sie wieder zurück sein wollte?« »Nein, ich mache mir da auch keine Gedanken. Vielleicht nutzt sie den Besuch auch, um sich Edinburgh anzusehen. Gönne ihr den Spaß.« Merlin lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen Teller. »Eh, ihr habt ja frische Scones.« »Nimm dir ruhig, die hat heute Vormittag Mrs. Sanches gemacht.« »Sahne?« »Im Kühlschrank. Wie verträgst du nur so viele Kalorien?« »Scones mit Cream sind hier schon fast ein Nationalgericht zur Teezeit und was die Kalorien betrifft, ich bin körperlich sehr aktiv. Den ganzen Tag komme ich kaum zur Ruhe und bin ständig unterwegs. Dass hält sich die Waage.« »Wie du meinst. Da ich den ganzen Tag am Flügel gesessen habe, wird es Zeit mir Bewegung zu verschaffen. Leonardo, kommst du?«

Der Hund hob seinen Kopf und schien zu grinsen. Jeder konnte sehen, dass er sich freute draußen zu toben. »Es regnet!« »Seit wann stört es die Hunde ob es regnet?« »Den sicher nicht, obwohl ich mir heute bei Salvatore nicht so sicher bin. Doch was ist mit dir?« »Ich ziehe mich entsprechend an und dann geht das auch gut.«

Carsten ging auf die Veranda und zog über seine warme Kleidung seinen gelben Friesennerz an. So ausgestattet öffnete er die Tür. Normalerweise zog Leonardo an ihm vorbei, doch an diesem Tag zögerte er ein wenig, weil sein Bruder nicht bei ihm war. Carsten spürte sein Zögern und räumte kurzerhand auf. »Salvatore raus!« Merlin staunte, dass der Hund dem Kommando folgten. Anscheinend hatte Carsten etwas in seiner Stimme, was dem Hund eine Wahl nicht möglich machte. Denn Beide liefen gemeinsam durch die Tür und Carsten folgte ihnen. Einmal draußen, begannen sie auch miteinander zu toben. »Wie macht er das bloß?«, wollte Merlin dann auch wissen. »Wahrscheinlich viel Erfahrung mit den Tieren. Er hat dann auch so etwas bestimmendes in der Stimme, dass ihn als Rudelführer qualifiziert. Salvatore weiß, dass er es sich dann nicht mit ihm verscherzen sollte.« Merlin zog seine Schultern hoch, er akzeptierte einfach die Erklärung. »So, wenn ich darf, nehme ich eine heiße Dusche. Meine Knochen tun mir weh.« »Wohl eher die Muskeln, wenn du fertig bist, komm doch mal in den Fitnessraum.«

Eine viertel Stunde später betrat Merlin den Kraftraum der Jungs und wunderte sich, dass mitten im Raum ein hoher Tisch stand. »Schön, Merlin und jetzt mach mal deinen Oberkörper frei und lege dich auf die Bank. Den Kopf legst du in das Loch. Deine Arme lässt du einfach locker herunterbaumeln.« Merlin tat wie ihm geheißen und als er lag, trat Andreas an seine Seite. Dann fühlte er eine warme Flüssigkeit auf seinem Rücken. Andreas verteilte mit seinen Handflächen die Flüssigkeit und begann damit eine entspannende Massage. Merlin wusste nicht, wie ihm geschah, doch es fühlte sich himmlisch an. »Gerade vor Konzerten neigt Carsten sich zu verspannen und dann massiere ich ihn auch, damit er sich entspannt. Außerdem lockert es die Muskeln.« »Womit habe ich das denn verdient?« »Gar nicht, ich mache das freiwillig für einen lieben Menschen. Obendrein habe ich für uns die Sauna angeheizt. Carsten hat den ganzen Tag am Flügel gesessen und jetzt wo er raus ist, wird ihm die Kälte zusetzen. Er neigt manchmal dazu sich schnell zu erkälten und dem beuge ich vor.« »Andreas, ich habe ja schon oft davon gehört. Aber wie funktioniert das mit der Sauna, stimmt es, dass alle darin nackt sind?« »Carsten und ich legen uns ein Handtuch um die Hüfte, das ist angenehmer als ganz nackt zu sein. In traditionellen Saunen Skandinaviens sind die Männer wirklich nackt und heizen nicht nur den Ofen ein, sondern trinken dabei auch viel. Im Grunde bleibt es aber jedem überlassen, wie er das handhabt. Ein Gang sollte nicht länger als 15 Minuten dauern, danach gehen Carsten und ich uns duschen und legen uns hin. Dabei trinken wir meist Fruchtsäfte. Schwitzen ist für den Organismus Schwerstarbeit, daher braucht er Ruhe.« »Was ist wenn jemand …« Obwohl Merlin auf dem Bauch lag konnte Andreas seine rote Ohren sehen. »Wenn jemand eine Latte hat?« Merlin nickte etwas. »Who cares? Es kann jedem passieren und keiner kann sich deswegen herausreden. In so einer Sauna ist es heiß, alle schwitzen. Ob du es glaubst oder nicht, es wirkt erotisch. Carsten hat manchmal eine Erregung und die macht mich nun einmal an. In London waren wir einmal gemeinsam in einer Gay-Sauna, dort trug wohl jeder Zweite seine Latte vor sich her. Carsten meinte einmal, dass dort mit Pheromone nachgeholfen wird.« »Das sind doch Lockstoffe, Dr. Miller hat auch welche, die er bei künstlicher Besamung einsetzt. Wirken die denn auch bei Menschen?« »Merlin, wir Menschen sind nichts anderes als eine Spezies der Säugetiere. Davon lebt eine megaschwere Parfümindustrie. Ich bin ehrlich froh, dass Carsten darauf verzichtet. Er hat so einen ganz spezifisches und natürliches Aroma.« »Du bist noch immer schwer in ihn verliebt«, zog Merlin Andreas ein wenig auf. »Der Kandidat erhält 100 Phantasypoints. Es beruht aber auf Gegenseitigkeit, der Junge kann unverschämt gut flirten. So wie fühlst du dich?« »Gut, du hättest auch Masseur werden können. Darf ich noch etwas liegen bleiben?« »Klar, nur schlaf nicht ein.«

Andreas nahm ein großes Tuch und deckte den Jungen zu. Er ahnte schon, warum der Junge nicht aufstehen wollte. Das Gespräch hatte eine erotische Komponente angenommen und es wäre unfair von ihm, ihn in eine peinliche Situation zu bringen. Er stellte seine Utensilien wieder zurück und ging zurück. Aus der Küche hörte er Geräusche und lenkte seinen Weg dorthin. Carsten stand am Tresen und schenkte sich gerade ein Fruchtsaft ein. »Wie lang hat eure Runde gedauert und wo sind die Hunde?« »Wir waren ungefähr 45 Minuten unterwegs. Salvatore hatte zwar keine große Lust, doch Leonardo hat ihn gut beschäftigt. Zum Schluss waren beide so gut drauf, dass sie noch einmal im Teich waren. Hieß natürlich, dass ich sie kurz geduscht habe, trockengerubbelt und ich denke, sie haben sich auf ihre Ruheplätze zurückgezogen. Bis zur Fütterung dauert es auch noch. Was hast du gemacht?« »Ich habe Merlin massiert.« »Muss ich mir Gedanken machen?« »Absolut nicht. Der Junge war völlig verspannt. Obendrein, dir kann keiner das Wasser reichen. Tiger ich liebe dich.« »Ich dich auch, Schatz.« »Ich habe für uns die Sauna programmiert. Nicht dass du dich erkältest.« Carsten drehte sich zu seinem Mann um und nahm ihn sehr liebevoll in die Arme. »Hallo, bin wieder zurück!« »Wir sind in der Küche. Wie war es in unserer Hauptstadt?« »Es ist eine Perle. Mein Dozent hat mir ein paar Ecken gezeigt, ganz abseits von den touristischen Routen. Ich habe auch schon einen kleinen Snack gehabt. Wie war es mit dem Welpen?« »Sie war ganz lieb. Unsere Hunde haben schon ihre große Runde hinter sich, später geht es nur kurz in den Garten.« »Ich glaube, dass reicht Gina später auch. Ist sie im Salon?« »Glaube ja, ist auch mal ganz schön etwas Ruhe vor der Bande zu haben. Andreas hat die Sauna programmiert, wir gehen später noch schwitzen.« »Darf ich mich euch anschließen? Hier ist es wirklich schon sehr frisch. Stefano hat auch schon angerufen, er ist noch in Italien und genießt bei 25°C den Aufenthalt bei seinen Eltern. Er wird aber einen Tag früher nach Hause kommen.« »Wie geht es denn seinen Eltern? Wollte er nicht nach dem Rechten sehen?« »Ihnen geht es gut und auf ihrem Pferdehof ist alles Ok. Stefano hat die Bücher für die Steuer durchgesehen. Sein Vater hat ihn darum gebeten.« »Fährst du dann auch früher?«, wollte dann Andreas wissen. »Nein, das habe ich ihm auch gesagt und ich soll euch herzlich von ihm grüßen.« »Gruß zurück. Sag einmal, wir hatten vorhin das Thema. Gibt es für Kälber eigentlich Kunststoffschienen zur Behandlung von Beinbrüchen?« »Ja und nein. Es gibt eine Studie einer Veterinärklinik, wo eine Kombination aus Kunststoff und Stahl bei gebrochenen Beinen von Pferden getestet wird. Aber das ist wie gesagt eine Studie und Pferde werden dann auch eigentlich in Schlingen ruhig gestellt. Das geht anatomisch nicht bei Wiederkäuern, weil diese zur Verdauung liegen müssen. Darf ich fragen, wie ihr darauf kommt?« »Merlin hat ein Cattlekalb mit einem gebrochenen Bein. Das Tier ist ca. 1.20 m und wiegt schätzungsweise 200 kg.« »Nun, in diesem Fall würde ich einen Gips mit Einlage aus Kunststoff empfehlen. Papa hat gute Erfahrung bei einem Uckermärker Kalb gemacht. Dazu hat er zwei Stahlstangen parallel zum Bruch eingegipst und so den Bruch stabilisiert. Aber das war ein wenige Tage altes Kalb. Bei einem so schweren Tier geht das nicht. Der Gips muss neben der Stabilisierung auch das Gewicht tragen. Man könnte es mit einer Kunststoffhartschale für Menschen probieren. Diese müsste wohl etwas gekürzt werden, könnte aber fest genug sein, um ein Teil des Gewichts zu stützen. Ein Versuch wäre es jedenfalls Wert.« »Hallo Andrea!« »Hallo Merlin, sag einmal wir sprechen gerade von deinem Patienten. Ich würde gern Dr. Miller über die Schulter blicken wenn er das Kalb behandelt.« »Wir beginnen dort morgen um 9 Uhr. Du kannst gerne dazu kommen. Ich denke Dr. Miller ist einer fachkundigen Meinung nicht abgeneigt. Und wenn es doch noch zu einer OP kommen sollte, bist du sicher besser geeignet als ich.« »Jetzt mach einmal halblang. Du hast ihm ja auch beim ersten Mal geholfen und bisher wissen wir auch nichts genaues. Sag einmal, kennst du hier jemanden, der sich in letzter Zeit ein Bein gebrochen hatte und keinen Gips trug?« »Der einzige der so etwas hier in der Gegend hatte war der Sohn vom Bäcker aus dem Nachbardorf. Ich glaube, es gab keine Alternative, weil er - sagen wir einmal so - etwas stark gebaut ist. Bill spielt Rugby und das sieht man ihm auch an.« »Hervorragend, glaubst du er hat dieses Teil noch?« »Da müsstest du ihn selbst fragen. Er hat das Geschäft seines Vaters übernommen.« Andreas nickte lediglich, holte sein Mobiltelefon hervor und wählte die Nummer vom Bäcker. »Du hast die Nummer vom Bäcker gespeichert?« »Natürlich, ich will dich doch immer gut versorgt wissen. Außerdem haben sie schon für uns gearbeitet. Das Überraschungsfrühstück für die Bauarbeiter hat er uns geliefert.« »Hallo, mein Name ist Zahradník. Spreche ich mit Bill McJohn? … Mr. McJohn ich hätte da eine Frage etwas privater Natur. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie sich im vergangenen Jahr das Bein gebrochen hatten. Haben Sie zufällig noch die Schiene? … Brauchen Sie das Teil noch? Es geht um folgendes …«

Andreas erklärte seinem Gesprächspartner den Grund und die mögliche Verwendung. Carsten bekam noch mit, wie McJohn lauthals lachte, als er erfuhr, dass ein Cattle eventuell damit geschient werden sollte. Andreas ließ sich nicht beirren und verhandelte. Dann legte er auf.

»Bill lässt uns die Schiene mit seinem Lieferservice bringen. Er möchte jedoch anschließend erfahren, wie die Aktion ausgegangen ist.« »Helfen die Menschen sich hier wirklich so einfach?« »Innerhalb einer Grafschaft auf jeden Fall. Du musst wissen, dass alle irgendwie auch aufeinander angewiesen sind.« »Dann seid ihr auch schon Teil der Gemeinschaft?« »Wir arbeiten daran. Im Pub kennt man uns bereits und wir haben schon Aufträge an einige hiesige Unternehmen vergeben.« »Es freut mich für euch. So, wie steht es mit eurem Angebot, ich würde gerne eure Heimsauna testen.« »Noch eine halbe Stunde!« »Bruderherz, was ist mit den Hunden, können sie allein bleiben?« »Leonardo und Salvatore stellen nichts an und passen sicher auch auf Gina auf. Ist eigentlich noch Charaid draußen.?« »Nein, der Kater ist eben mit mir durch die Tür. So wie er aussah, wird er sich erst einmal um sein Äußeres kümmern. Bekommt er kein Fressen?« »Mit den Hunden. Der kleine Kater ist recht genügsam und es reicht ihm zwei mal am Tag frisches Futter zu bekommen. Er geht zwischendurch jagen. Zumindest habe ich, seit er hier ist, keine Maus oder Ratte bemerkt.« »Sieht man ihm gar nicht an. Er ist recht klein und er hinkt ein wenig«, stellte Andrea ihre Beobachtungen klar. »Er wurde angefahren und sein Bein war gebrochen. Dr. Miller hat ihn behandelt und er sagte, dass sein Bein etwas kürzer bleiben wird. Ansonsten keine weiteren Einschränkungen, alles ist gut verheilt.« »Dass er ein guter Jäger ist, hat er schon bewiesen. Er bringt Merlin hin und wieder eine tote Maus und scheint diese ihm vor sein Bett zu legen.« Andrea lachte bei der Vorstellung.

Die Sauna tat allen gut. Carsten entspannte sich und fühlte sich wohl. Andreas schien ihn schon besser zu kennen als er sich selbst. Andrea war von der Einrichtung sehr angetan. Sein Bruder und ihr Schwager hatten Stil. Die Kabine bot für mehreren Personen Platz ohne sich zu nah zu kommen. Obwohl, Andreas und Carsten saßen schon dicht beisammen. Unwillkürlich verglich Andrea ihre Gastgeber. Carsten hatte noch immer eine athletische Figur und Andreas ein wohl geformten Oberkörper. Beide schienen auch regelmäßig ihren Kraftraum zu benutzen.

Ein wenig später trat auch Merlin ein und die kleine Gruppe rückte etwas zusammen. »Setzt dich erst einmal unten hin, dein Körper muss sich erst an diese Hitze gewöhnen«, schlug Andreas vor. »Dein erster Saunabesuch?« »Ja, es ist etwas ungewohnt für mich. Ich hoffe, ich rieche nicht unangenehm.« »Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Der Schweiß ist reinigend. Entspann dich einfach.« Für Merlin war es alles andere als einfach sich zu entspannen. Sich quasi unbekleidet zu präsentieren, war für ihn ungewohnt. Wie Andreas und Carsten hatte er sich ein Tuch um die Hüfte geschlagen. Dagegen sah er Andrea’s nackten Oberkörper und prompt reagierte er. Andreas bemerkte seine Erregung und wohl nicht er allein. »Du hast noch nicht viele Brüste gesehen? Oder wie darf ich deine Reaktion verstehen?« »Andrea, das ist aber nicht sehr taktvoll. Du weißt doch, dass es Merlin’s erster Gang ist.« »Sorry Merlin, ich wollte dich nicht kränken. Du solltest wissen, dass ich mit Carsten groß geworden bin und es gab in dieser Hinsicht nie Geheimnisse zwischen uns. Wir teilten uns noch ein Zimmer als wir unsere Sexualität entdeckten. Ich habe Carsten gesehen, wie er sich einen runterholt und er hat mitbekommen, wie ich mich masturbierte. Wir sind immer locker damit umgegangen. Das ist leider nicht überall so und wenn es in einer Familie tabuisiert wird, macht es den Teenagern nicht leichter.« »Ich muss mich an den Gedanken erst noch gewöhnen und um deine Neugier zu stillen. Nein, ich habe noch nicht so viele nackte Brüste gesehen. Andreas sagte mir schon, dass eine Erektion passieren kann und ich mich dafür nicht schämen brauche.« »Das ist die richtige Einstellung. Im übrigen, mein Bruder hatte bei seinem ersten Saunabesuch einen wirklich harten Ständer.« Jetzt war es an Carsten rote Ohren zu bekommen. Doch er kannte seine Schwester, wenn sie die Situation entspannen möchte. »Jetzt sei einmal nicht so kleinlich Schwesterchen, ich hatte eine Megalatte und bin fast gekommen. Doch soweit ich mich erinnere, hattest du beim ersten mal, laut Mutti, aufgerichtete Brustwarzen.« Jetzt war es an Andrea rot zu werden. So langsam begannen die anderen Anwesenden zu schmunzeln und die Anspannung lockerte sich. »Ehrlich Merlin, die Beiden sind wirklich wie Katz und Maus. Sind aber auch beide sehr süß dabei.« Alle lachten bei Andreas’ Bemerkung und Merlin entspannte sich bei der wohltuende Hitze. Der Abend ging gemütlich zu Ende. Andrea bat darum zeitig geweckt zu werden, als sie sich zurück zog. Merlin, Carsten und Andreas saßen noch im Salon und gönnten sich noch ein Schluck Whisky.

»Darf ich euch etwas fragen? Wie merkt man ob man schwul ist oder nicht?« »Es gibt keine pauschale Antwort darauf, weil es sich bei jedem anders manifestiert. Ich wusste es, weil ich mir immer vorstellte, etwas mit Jungen zu machen. In der Schule lag mein Interesse nicht bei den Mädchen. Erst dachte ich es sei eine Phase der Orientierung, doch als ein Mädchen mit mir intim werden wollte, passierte bei mir nichts. Während ich Mühe hatte beim gemeinsamen Duschen nach dem Sport meine Erregung zu verbergen.« »Bei mir war es etwas anders. Ich war auf dem Internat und ein Mädchen hatte sich in mich verliebt. Da ich ja nichts sehen kann, verließ ich mich auf die anderen Sinne. Bei mir fühlte es sich nicht richtig an. Dann hörte ich eines Tages eine Stimme und war fasziniert, was diese in mir alles auslöste. Da wusste ich was ich immer suchte.« »Also, wenn mich Brüste anmachen, dann bin ich heterosexuell?« »So pauschal würde ich es nicht sagen. Die Situation eben war schon sehr erotisch und dagegen kann keiner etwas machen. Ich würde dir eher raten darauf zu achten was du wirklich willst. Nicht nur sexuell. Stell dir einmal die Frage, mit wem du glücklich werden möchtest, in wen du dich verlieben könntest. In einen Jungen oder in ein Mädchen. So findest du es wohl am ehesten heraus. Beobachte dich selbst, reflektiere über deine Träume, zum Beispiel.« »Danke Jungs. Ich glaube ich habe nun genug zum nachdenken. Sweet dreams.« »Gute Nacht Merlin, ich räume hier noch etwas auf.« »Ich helfe dir.« »Wenn dem so ist. Ich bringe die Gläser in die Küche und werfe die Spülmaschine an. Mach du hier etwas Ordnung.«

»Yes Sir! Ach Andreas, bitte sei nicht so laut mit dem werfen … Andrea schläft sicher schon.«

»Wie bitte? Quatschkopf …« Andreas ging grinsend die Gläser wegbringen, während Carsten noch ein wenig die Kissen in dem Sessel und auf dem Zweisitzer wieder in Position brachte. Danach ging er zum Haupteingang und prüfte ob dieser verschlossen war. Andreas war in der Küche fertig, ging zur Veranda und prüfte dort die Türen. Anschließend aktivierte er die Alarmanlage. Zum Schluss sah er noch einmal nach den Hunden, die friedlich in ihren Kudden lagen. Gemeinsam mit Carsten ging er zu Bett.

Am folgenden Morgen war es Carsten, der von Charaid geweckt wurde. Der kleine Kater sprang auf das Bett und schlich, ganz in Katzenmanier, langsam auf Carsten zu. »Guten Morgen Charaid. Möchtest du hinaus?« ›Miau!‹ »Gut, gib mir fünf Minuten.«

So als ob der kleine Kater ihn verstand, sprang er wieder vom Bett und ging. Carsten tastete seine Uhr ab und stellte fest, dass es noch recht früh war. Daher ließ er Andreas schlafen und machte sich auf. Zunächst schaltete er die Alarmanlage aus und öffnete dem Kater die Tür. Das schien auch den Hunden zu gefallen und alle Drei liefen hinaus. Carsten wunderte sich ein wenig und entschied sich dafür, in der Küche schon einmal Kaffee aufzusetzen. Da Merlin wieder Tee zum Tagesanbruch trank, machte er auch gleich einen kräftigen Tee für ihn. Als beides soweit vorbereitet war, machte er die Tür zum Garten auf und atmete die frische und feuchte Luft tief ein.

»Morgen Carsten. Hast du schon die Hunde raus gelassen?« »Morgen Andrea, sie sind gerade im Garten. Wenn sie soweit sind, können sie hier wieder herein. Selbst Charaid ist draußen.« »Es ist ein untypisches Verhalten für Katzen.« »Er ist eben ein kleiner Frischluftfanatiker. Mir ist es recht, solange er sich wohl fühlt. Kaffee ist in der silbernen Kanne.« »Seit wann kennst du Farben auseinander halten?« »Gar nicht, unter dem Griff ist die Kennzeichnung für mich. Andreas sagt nur immer, dass Kaffee in der silbernen Kanne ist.« »Was ist denn in der weißen Kanne?« »Kräftiger Breakfast Tea für Merlin. Ist zwar nicht ganz üblich, aber Merlin ist zufrieden und manchmal nimmt er die Kanne auch mit. Mrs. Sanches, unsere Raumpflegerin, macht Tee in der Porzellankanne und stellt diese dann auf eine Warmhalteplatte. Sie ist echt ein Original und ich muss sagen, sie macht ihre Sache sehr gut. Selbst die Hunde mögen sie und das beruht auf Gegenseitigkeit.« »Morgen ihr Beiden. Hast du schon Tee?« »Morgen, in deiner Kanne. Ich hoffe er ist dir recht.« »Für einen Ausländer machst du einen perfekten Tee. Ich mag ihn.« »Das geht runter wie Balsam. Falls du deinen Kater suchst, der ist schon raus.« »Wenn es ihm gefällt, mich stört es nicht solange er glücklich und gesund ist.« »Morgen zusammen. Ihr seid ja schon alle auf. Tiger, hast du noch Tee?« Andreas sah zu dem Jungen und dieser schenkte Andreas eine Tasse ein. Dann ging Andreas zu seinem Mann und gab ihm einen liebevollen Kuss. »Ist frisch hier. Warum sind die Türen offen?« »Die Hunde sind draußen und ich fand, dass frische Luft uns alle etwas munterer macht.«

Wie auf Stichwort kamen die drei Hunde über die Terrasse in die Küche. Ihr Fell war feucht und sie hinterließen auf den Fliesen ihre Pfotenabdrücke. Ihr Ziel waren ihre Wassernäpfe und sie schlabberten intensiv. Carsten sah sich in der Pflicht, ihre Rationen zuzubereiten. Nach dem ersten Schluck Tee begann Andreas das Frühstück vorzubereiten. Merlin zögerte etwas und gesellte sich zu Carsten, um die Ration für den Kater zu machen. Andrea unterstütze Andreas und deckte den Tisch. Schon bald war alles vorbereitet und plötzlich stand auch Charaid in der Küche. »So sind alle wieder da, darf ich die Tür schließen? Ich denke, die Luft ist jetzt frisch genug.« »Mach nur. Die Rationen sind auch fertig.«

Carsten orientierte sich und stellte die Näpfe auf ihre Plätze. Gina sah zu ihren Brüdern, die erwartungsvoll vor ihrem Fressen standen. Anscheinend war sie es noch nicht gewohnt auf ein Kommando zu warten. Dennoch machte sie es ihren Brüdern nach und wartete. Dann folgte das leise Kommando und das große Fressen begann. Lediglich Charaid wartete noch, weil er mit ein wenig Fellpflege beschäftigt war.

»Ich muss sagen, Leonardo und Salvatore haben einen guten Einfluss auf Gina. Normalerweise stürzt sie sich auf ihre Ration, wenn der Napf den Boden berührt.« »Wenn sie sich das jetzt angewöhnt, ist es für dich in Zukunft leichter.« »Bestimmt. Leon konnte es ihr bisher noch nicht vermitteln. Vielleicht war Stefano auch nicht konsequent genug.« »Müßig darüber zu diskutieren. Hauptsache ihr macht es von nun an konsequent, wie bei ihrem Vater.«

Merlin hatte zwischenzeitlich alle Zutaten wieder im Kühlschrank verstaut. Dann setzte er sich an den gedeckten Tisch und ein sehr gemütliches Frühstück begann. Es wurde zunächst leichte Konversation über die lokale Politik und irgendwelche Vorkommnisse der vergangenen Tage gehalten.

»Schatz, machst du heute am Park in Frankreich weiter?« »Nur noch die Expertise zu den Schäden und zum hohen Wasserverbrauch. Ich füge noch an, dass das Wasser der Yonne analysiert wird. Möglich, dass es nicht ganz unbedenklich für Pflanzen ist. Anschließend mache ich mir die ersten Gedanken zur Gestaltung des Spielplatzes. Dazu werde ich mir einmal die behördlichen Vorgaben durchlesen.« »Wozu sind die notwendig?«, fragte Merlin interessiert. »Einmal sind die minimale Sicherheitsvorgaben darin festgehalten. Weiter gibt es hygienische Anweisungen. Einige Regionen verlangen einen regelmäßigen Austausch des Sandes, andere möchten den lediglich regelmäßig gereinigt wissen. Dann sind bestimmte Vorgaben zu den Spielgeräten, der zur Verfügung gestellten Fläche, wie viel davon beschattet sein müssen und so weiter und so weiter.« »Woher bekommst du diese?« »Als Architekt habe ich zugriff auf bestimmte Datenbanken der Verwaltungen. Oft stellen auch die Verwaltungen ihre Vorgaben ins Netz. Hin und wieder rufe ich auch in der Verwaltung an und bitte um die Zusendungen der Vorschriften. Das geht relativ einfach. Jede Seite will ja kooperieren.« »Ist sicher nicht so einfach wie es sich anhört, alles richtig anzuwenden.« »Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt, es ist ja immer die gleiche Vorgehensweise.« »Planst du denn am Computer?«, wollte nun Andrea wissen. »Meine Entwürfe mache ich noch am Reißbrett, erst mit den Details greife ich auf den Computer zurück. Da werden im Hintergrund schon detaillierte Berechnungen gemacht. Gerade wenn es um die Kostenkalkulation geht. Ich habe ja nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, dass ich einhalten muss. Der Ausdruck wird anschließend der Behörde zur Genehmigung vorgelegt. Daran geht kein Weg vorbei, weil diese dann in den Archiven abgelegt werden. Mit der Genehmigung kann ich auf meine digitale Version zurückgreifen. Jede Änderung bedarf dann auch wieder einer Genehmigung. Meinen Entwurf lege ich nach Abschluss in unserer Bibliothek zu dem Portfolio ab.« Merlin kannte Andreas System schon und auch die Sammlung in der Bibliothek. »Carsten, was machst du heute Vormittag?« »Ich gehe die Übungsstücke zu meinen Vorlesungen durch. Es ist noch nicht alles passend zu den Themen. Einige Etüden können noch optimiert werden. Doch zuvor geht es mit den Hunden raus. Heute Nachmittag erkundige ich mich über die Räumlichkeiten der Schule. Wenn alles passt, habe ich einen Raum für Klavierunterricht. Wir dürfen nicht vergessen, dass Mr. Hill Junior noch kommen wollte.« »Ich bin ja da, dann kann ich ihm auch schon einmal den Spielbereich zeigen und wie ich mir die Hecke vorstelle. Ach Andrea, ich denke du solltest heute den Jeep nehmen. Die Gegend ist nichts für die Limousine.« »Das wollte ich euch eigentlich auch fragen. Danke Andreas.«


Im Stall hatte Mr. Gilles alles zum Röntgen vorbereitet. Er war ein wenig überrascht, dass Dr. Miller, Merlin, eine weitere Person und ein Welpe den Stall betraten. »John, darf ich dir eine Kollegin vorstellen. Dr. von Feldbach - Lombardo ist Tierärztin und möchte mit uns kooperieren.« »Mrs. von Feldbach - Lombardo? Sind Sie mit Carsten von Feldbach verwandt?« »Er ist mein Bruder und ich bin zur Zeit sein Gast, weil ich eine Fortbildung in Edinburgh mache. In meiner Praxis gab es schon einmal ein Fall, wo einem Kalb ein Bein geschient wurde. Jetzt möchte ich meine Erfahrung bei Cattles sammeln. Sie erlauben es?« »Nur zu, für mich ist es etwas Neues und ich muss gestehen, dass meine Familie an diesem Kalb hängt.« »Dann lass uns einmal beginnen. Merlin kümmerst du dich um das Muttertier?«

Der Junge ging auf das Cattle zu und streichelte es ausgiebig. Gina sah neugierig zu dem blond-braunen Tier. Neugierig schnüffelte sie und wurde ebenfalls neugierig begutachtet. Zuletzt fuhr eine raue Zunge über das Fell des Welpen. Merlin hatte zuerst bedenken, doch Gina hielt still und ließ es sich gefallen. Anschließend machte sie gleiches bei ihrem gegenüber. Merlin spürte wie das Cattle sich entspannt. Dann sprach er beruhigend auf das Tier ein. Dr. Miller und Andrea gingen zu dem Kalb und untersuchten das Bein. Einen Moment diskutierten beide über ihre Ergebnisse. Dann entschieden sie sich das Bein doch erst einmal zu röntgen. Die moderne Technik machte es möglich und auf einem Laptop sah man den Bruch und auch die Schwellung.

»So wie es aussieht, wächst der Bruch gut zusammen. Die Schwellung ist etwa so groß wie ein Ei und liegt etwas darüber, eine Eitergeschwulst?« »Das würde zu den Symptomen passen. Merlin kannst du mal Fieber messen?« »42°C!« »Nicht schön. Wie sollen wir vorgehen?«, dachte Dr. Miller laut nach. »Jetzt wäre die Endoskopie hilfreich. Wir könnten ein kleines Loch in den Gips bohren und mit einer Spritze die Flüssigkeit abziehen. Anschließend spülen und desinfizieren. So ersparen wir dem Kalb einen neuen Gips. Dem Cattle geben wir ein Antibiotikum«, beantwortete Andrea die Frage professionell.

Dr. Miller stimmte dem Vorschlag zu. Routiniert wurde das Bein betäubt und der Arzt setzte einen Bohrer an. Behutsam bohrte er durch den Gips. Andrea bereitete die Spritze vor. Merlin sah wie groß die Kanüle war und hoffte, dass der kleine Bulle keine Schmerzen litt. Gekonnt schob Andrea die Nadel durch das Loch und begann kräftig zu ziehen. Der Verdacht traf zu. Der Glaskolben färbte sich gelblich. Insgesamt musste die Tierärztin viermal die Spritze leeren. Zwischenzeitlich suchte Dr. Miller die Sachen zum Spülen zusammen. Andrea nickte ihm zu, als sie etwas Blut aufzog. Dann begann die Spülung. Insgesamt spülte Dr. Miller einen halben Liter Flüssigkeit. »So Andrea, wir haben es. Jetzt desinfizieren wir noch einmal.« »Gute Arbeit Herbert. Ich gebe dem Tier noch das Antibiotikum, damit sollten wir auf der sicheren Seite sein. Darf ich Sie fragen, wie sie den Gips an das Gewicht angepasst haben? Er sieht sehr stabil aus.« »Erfahrung. Ich habe den Gips mit einem seitlich halb aufgeschnittenen Kunststoffrohr stabilisiert. Ist nicht ideal aber es erfüllt seinen Zweck.« »Ähnliches hätte ich bei einem neuen Gips auch vorgeschlagen. Dazu habe ich eine Hartschale für einen Oberschenkel mitgebracht. Zum Glück brauchen wir diese ja nicht.« »Wäre aber sicher eine lohnende Überlegung wert. Ich meine, eine anatomisch vorgefertigte Hartschale für Tiere. Das würde solche Aktionen sicher erleichtern. Haben Sie schon mal davon gehört?« »Es gibt eine ähnliche Studie in Deutschland für Pferde. Leider nicht für Nutzvieh. Ich habe heute noch einen Kurs an der Heriot - Watt University und werde einmal mit meinem Dozenten sprechen, ob es nicht ein lohnender Forschungsbereich wäre. Auch bei mir in der Region werden bei Knochenbrüche der Extremitäten die Tiere noch überwiegend getötet.« »Dr. von Feldbach – Lombardo, es war auch mein erster Gedanke. Merlin hat uns davon überzeugt es zu versuchen und ich danke ihm. Dieser kleine Bulle hängt meinen Kindern am Herzen und wird sicher einmal eine gute Zucht bringen.« »Ich muss zugeben, Hochlandrinder gibt es in meiner Region nicht, doch der kleine Zottelbär hat Charme.« Die Anwesenden lachten. Der Bulle sah sich etwas irritiert um und versuchte aufzustehen. Doch Dr. Miller verhinderte das mit leichtem Druck auf dessen Schädel. »Glaubst du, dass wir den Bullen auf das Laufband stellen sollten?« »John, warte damit noch eine Stunde. Einmal ist das Bein noch lokal betäubt und das Antibiotikum braucht noch etwas sich in seinem Kreislauf zu verteilen. Hast du noch Muttermilch?«

Der Farmer ging aus der Box und kam mit einer großen dreiviertel gefüllten Flasche zurück. Die Spitze sah einer Zitze sehr ähnlich und gekonnt bot der Arzt dem Kalb das Teil ans Maul. Mit viel Eifer begann das Cattle daran zu saugen und schien zufrieden zu sein.

»John, bitte wirklich erst in einer Stunde und auch nicht länger als eine halbe Stunde. Wenn jetzt alles sich weiter so positiv entwickelt, würde ich sagen, dass der kleine Kerl hier ab nächste Woche wieder fit genug ist, um allein zu stehen. Merlin wird weiter jeden Tag kommen, um die Muskeln zu trainieren. Merlin, ab morgen erhöhst du den Impuls auf 100 mA, das muss reichen, mehr möchte ich dem Tier auch nicht zumuten. Hast du noch von den pflanzlichen Pellets? Dann gib ihm abends eine kleine Portion davon in Wasser eingeweicht. So bekommt der Verdauungstrakt auch ausreichend zu tun.« Nachdem sie alles wieder zusammengepackt hatten, trennten sich ihre Wege. Dr. Miller und Merlin fuhren zurück zur Praxis, während Andrea sich auf den Weg nach Edinburgh machte.

»Mrs. von Feldbach - Lombardo Sie haben einen Jeep?« »Nein, den habe ich von meinem Schwager. Andreas ist Landschaftsarchitekt und benötigt den Wagen wohl bei seiner Arbeit. Ich war heute morgen schon mit dem örtlichen Tierarzt Dr. Miller unterwegs.« »Sie meinen Dr. Herbert Miller?« »Ja, wir waren bei einem seiner Patienten. Das Kalb eines Cattles hat sich ein Bein gebrochen. Sein Assistent hat eine Schwellung unter dem Gips bemerkt und heute morgen haben wir diese klassisch behandelt. Es ist soweit alles gut gegangen.« »Wie hat er den Gips stabilisiert? Das Tier wiegt doch sicher seine 150 Kg.« »Er sagte, er habe ein halbes Kunststoffrohr verwendet. Ich muss sagen keine schlechte Idee. Es wäre sicher auch ein Forschungsthema. Leichte Schienen zum stabilisieren von Extremitäten bei Nutzvieh.« »Wie soll das gehen?« »Nun zum einen benötigt man ein Material, welches stabil genug ist. Weiter müssten diese Schienen anatomisch vorgeformt sein. Bei der Formgebung ist es wichtig, die Statik so auszubalancieren, dass ohne weiteres bis zu 1000 Kg aufgenommen werden können.« »Das sind ja schon sehr konkrete Vorstellungen. Wissen Sie was, schreiben Sie mir ein Positionspapier dazu und ich werde es an meiner Universität unter ihrem Namen zur Diskussion bringen. Mich sollte es nicht wundern, wenn einige Fachbereiche sich an dieser Herausforderung messen möchten.« »Kann ich machen, doch ich möchte es gern mit Dr. Miller und seinem Assistenten besprechen.« »Tun Sie das. Wir sollten langsam zum Vorlesungssaal. Darf ich Sie fragen, wie sie die Endoskopie heute eingesetzt hätten?« »Nun, durch ein kleines Loch im Gips haben wir das Eitergeschwulst behandelt. Die Frage, wodurch es entstanden ist, bleibt unbeantwortet. Auf dem Röntgenbild konnte man es nicht erkennen. Ich hätte mit dem Endoskop mir die Wunde genauer angesehen, um die Ursache festzustellen. Möglich, dass ich anschließend die Wunde mit der Technik noch weiter gesäubert und punktuell behandelt hätte. Wir haben zwar ausgiebig mit desinfizierendem Mittel gespült, können aber auch nicht sicher sein, dass wir den Herd vollständig beseitigt haben. Daher mein Interesse an dieser Technik und der Verwendung.« »Gut, wenn Sie nach dem Kurs etwas Zeit haben, möchte ich ihnen etwas zeigen.«


Andreas zog sich wetterfest an und ging mit Carsten und den Hunden raus. Ihr Weg führte zum Gelände des neuen Spielplatzes. Dort wurden sie von einem jungen Mann überrascht. »Guten Morgen.« »Guten Morgen, mein Name ist Bryan Hill. Mein Vater sagte mir, dass Sie einen Auftrag für unsere Gärtnerei hätten.« »Guten Morgen Mr. Hill. Ja das trifft zu. Mein Mann und ich wünschen, dass dieses Gelände durch fachkundige Hände betreut wird. Das trifft zum einen auf alles zu, was außerhalb des Gartens ist und dieser Spielplatz. Wo sie schon hier sind, dieser Platz soll von einer dichten Hecke zum Grundstück abgegrenzt werden. Wegen der Kinder soll eine dichte Laubhecke gepflanzt werden. Dabei werden die heimische Arten bevorzugt. Es gibt ein schönes Spiel der Farben und ist dicht genug. Diese soll noch im Spätsommer angelegt werden. Für den Spielplatz gibt es einige Anpflanzungen, um ausreichend Schattenflächen darauf zu haben. Das wird ein gesonderter Auftrag, den ich ihrer Gärtnerei anvertrauen möchte. In dem weitläufigen Gelände ist maßgeblich, dass die Wanderwege gewartet werden.« »Können wir uns das ansehen und Sie erklären mir, was ihnen da vorschwebt.« »Sicher, wir sind eh auf einer großen Runde mit den Hunden.« Die kleine Gruppe machte sich auf den Weg. An einzelnen Punkten machten sie halt und es wurde die Maßnahmen konkretisiert.

»Hier ist eine Abzweigung zu unserem Haus. Die Orientierungsmale für Carsten gehören zum Auftrag dazu.« »Gut, ich werde mich darum kümmern. Wie ist ihre Philosophie zum Erhalt des Parks?« »Wir streben eine natürliche Entwicklung an. Eingriffe soviel wie nötig und so wenig wie möglich. Ich habe viele alte Baumbestände gesehen, diese sollen weitestgehend sich selbst überlassen werden und die Verjüngung sich entwickeln. Lediglich massive Schäden sollen beseitigt und entsprechend nachgepflanzt werden. Ich denke, dass zwei mal die Woche nach dem Rechten gesehen wird. Lediglich im Frühjahr und im Herbst fällt mehr Arbeit an.« »Gut, ich bin damit einverstanden. Das Budget von 17,000 Pfund bleibt erhalten?« »Das ist das Grundvolumen, hinzu kommen die Materialien für die Nachpflanzungen.« »Ich hätte da auch noch ein Anliegen, Ihr Vater sagte sie können auch ausbilden?« »Ja, ich habe alle Qualifizierungen dafür. Mit diesem Auftrag werde ich auch eine neue Kraft einstellen können. Mein Vater kümmert sich um die Baumschule und so langsam fällt es ihm auch nicht mehr so leicht, alles allein zu bewerkstelligen. Ein junger Mensch kann bei ihm sehr viel im Umgang mit Pflanzen lernen.« »Wann können sie beginnen?« »Ich werde mit meinem Vater in der kommenden Woche durch das Gelände gehen und die Arbeiten besprechen.« »Wenn Sie uns zum Haus begleiten, können wir auch den Vertrag unterzeichnen. Ist alles vorbereitet. Dazu gebe ich ihnen auch schon den Auftrag für die Hecke.«

Der Vorschlag hatte etwas für sich. Mr. Hill begleitet Andreas und Carsten zum Haus. Mit geübten Auge sah er den gestalteten Garten. Dieser wirkte ein wenig verspielt und doch hatte er etwas sehr einladendes. Es fehlten nur noch Statuen für das gewisse Etwas. Andreas bemerkte den interessierten Blick. »Mr. Palmer wird hier noch Statuen aufstellen, dann ist für dieses Jahr erst einmal Schluss.« »Sie pflegen ihren Garten selbst?« »Ja, ich mag es selbst in der Natur zu werkeln. Der Garten bietet mir genug Möglichkeiten genau das zu tun und es inspiriert mich.« Der Gärtner verstand es. »So ich verabschiede mich von Ihnen, die Hunde benötigen etwas Aufmerksamkeit und dann habe ich noch genug zu tun.« Carsten ging mit den Hunden zur Veranda. Andreas führte Mr. Hill in sein Arbeitszimmer, wo er ihm den Vertrag vorlegte. Mr. Hill las ihn durch, stellte zu einzelnen Punkten noch Fragen und unterschrieb letztendlich. Dann legte Andreas ihm den Auftrag zur Anpflanzung der Hecke vor. Der Gärtner staunte nicht schlecht, welches Budget der Landschaftsarchitekt dafür vorgesehen hatte. »Ich möchte nicht nur eine Hecke die fachmännisch angelegt wurde, sondern diese auch im Rahmen des Spielplatzes regelmäßig pflegen. Alle Stecklinge sind mindestens drei Jahre alt und es bedarf in der ersten Zeit einiges an Pflege. Aus dem Anhang ersehen Sie die Anordnung und die vorgesehenen Gattungen. In der Theorie sieht alles anders aus als in der Praxis, wenn Sie Bedenken hegen, sprechen Sie diese ruhig an. Landschaftsarchitekten sind nicht unfehlbar. Haben Sie noch abschließende Fragen?« »Wie erfolgt die Bezahlung?« »Ich gewähre Ihnen einen Vorschuss und der Auftrag für das Grundstück wird monatlich bezahlt. Für die Nachpflanzungen benötige ich dann eine Rechnung.« Andreas machte eine Pause und ging zu einem Schrank hinüber. Dort öffnete er ein Fach und entnahm eine Flasche und zwei Gläser. Er schenkte jedem einen fingerbreiten Schluck ein. Dann reichte er Mr. Hill ein Glas. »Ich weiß, dass die Wirtschaftskrise auch in dieser Region ihre Spuren hinterlassen hat. Alle Rechnungen zu diesem Auftrag werden innerhalb von 10 Banktagen beglichen.« »Das ist fair und eine solide Geschäftsbasis.« »Dann besiegeln wir diese Beziehung.« Beide hoben ihr Glas an. Mr. Hill war überrascht, dass Andreas auch in der Wahl seiner Getränke einen erlesenen Geschmack bewies. Danach brachte Andreas Mr. Hill zur Tür. Auf dem Rückweg hörte er seinen Mann wieder am Klavier sitzen. Das Konzert von Rachmaninow schien ihm doch nicht so einfach von der Hand zu gehen. Er ging wieder in sein Arbeitszimmer und holte die Entwürfe zum Spielplatz hervor. Er breitete diese auf sein Reißbrett aus und begann daran zu zeichnen. Zwei Stunden später war er ganz zufrieden. Er hatte den Spielplatz in mehrere Bereiche eingeteilt und diese durch einen umlaufenen Weg getrennt. Die amtlichen Vorgaben schrieben eine beschattete Fläche von 10% vor. Andreas hatte dafür zwei Bäume und ein Sonnensegel vorgesehen. Das Sonnensegel war für die Sandkiste vorgesehen. So konnten die kleinsten Benutzer im Sand spielen und waren doch vor intensiver Sonneneinstrahlung oder Regen geschützt. Die Kletterwand würde im Halbschatten eines Baumes stehen und die Rutsche plante er davon in einem Viertelkreis weg. In einem weiteren Bereich sah der Entwurf Wippen vor. Er hatte sich dazu entschieden, verschiedene Modelle zu verwenden. Neben modernen Federwippen gab es eine Balkenwippe. Damit diese jedoch nicht langweilig wirkte, sollte der Balken an den Enden mit Schnitzereien ausgestattet sein. Für Carsten’s Klangspiel hatte er eine Fläche neben einer Sitzgelegenheit vorgesehen. Die Schaukeln integrierte er in ein Klettergestell, welches die Form einer Burg hatte. Selbst mit einer Hängebrücke, einer Seilwand und einer gewellten Rutsche konnte diese aufwarten. Dann integrierte er noch eine Vorrichtung, die eine Baustelle darstellte. Nachdem er noch einen prüfenden Blick auf den Entwurf warf, entschied er sich eine Pause einzulegen. Ein Sandwich würde sicher nicht das Verkehrteste sein.

»Treibt dich der kleine Hunger aus deinem Büro?« »Ja und wie ich sehe bei dir deine Tasten. Du hast dir den Rachmaninow einfacher vorgestellt?« »Ein wenig schon. Ich liebe Herausforderungen. Es geht um viele Feinheiten bei diesem Konzert. Es ist spieltechnisch ausgefeilt und beim Pedalspiel muss ich sehr aufpassen. Aber es gibt ein weiteres Problem. Das Orchester teilte mir mit, dass wegen einer Grippe das Konzert verschoben werden muss. Das kollidiert nun mit meinen Vorlesungen und einer Konzertanfrage aus New York.« »New York?« »Ja, die New Yorker Philharmoniker haben mich gebeten ein Konzert zu geben. Geplant sind in verschiedenen Lokalitäten der Stadt vier Konzerte für die jüngere Zuhörerschaft. Ein Benefizkonzert widmet sich der The Opus 118 Music Center, Inc..«

»Das Opus 118 ist doch die Organisation von der Violinistin Roberta Guaspari, welche ärmeren Kindern den Musikunterricht ermöglicht.« »Wow, dass weiß nicht jeder. Ja, die Einnahmen für dieses Konzert gehen an diese Organisation. Ansonsten ist es ein lohnendes Angebot.« »Warte einmal, ich hole mein Tablet und wir sehen mal nach, wie die Planungen im kommenden Jahr aussehen.«

Andreas brauchte nicht lange und am Küchentisch trugen sie ihre Termine in ihren Timer ein. Dabei diskutierten sie auch verschiedene Alternativen.

»Schatz, so wie es aussieht, würde ich sagen, dass du Ende März oder Anfang April die Konzerte in New York geben kannst. Deine Studenten haben Ferien und ich mache dann Urlaub.« »Lass uns noch einige Nächte darüber schlafen. Die Philharmoniker erwarten in zwei Wochen eine Antwort. Außerdem kenne ich das Programm noch nicht im einzelnen.« »So ich mache mich jetzt an die Kalkulation und schreibe die Aufträge für die Spielgeräte aus. Hast du schon von einem Hersteller des Klangspiels gehört?« »Nein. Die Anfragen sind auch nicht so lange heraus. Ich spende das Spielgerät, somit kannst du die Kalkulation abschließen.« »Wenn es dein Wunsch ist. Sag einmal, Salvatore steht in der Tür, gehst du mit ihm raus?« »Ich kann Bewegung gebrauchen. Ein Spaziergang würde mir sicher gut tun. Leonardo, Salvatore Gassi!«

Die Wirkung der Worte verfehlten nicht ihren Zweck. Beide Hunde standen in der Tür bereit. Carsten ging zur Veranda und zog sich entsprechend an. Dann gingen sie gemeinsam hinaus. Salvatore stürmte quasi hinaus während Leonardo sich an Carsten’s Seite gesellte. Ganz gemütlich gingen die Zwei ihren Weg, während sich Salvatore im Dickicht herumtrieb. Carsten sinnierte etwas über den Hund. Einen Tag zuvor wollte er nicht eine Pfote vor die Tür setzen und heute hielt ihn nichts im Haus. Salvatore’s Charakter war nur schwer einzuschätzen. Leonardo war da kontinuierlicher. Er mochte einfach seine Runden und ging auch bei strömenden Regen gern hinaus. Relaxen konnte er anschließend sehr gut im Salon und wenn sein Herrchen arbeitet, blieb er ruhig. Er wusste, dass ihm seine Aufmerksamkeit noch gewährt wurde. Doch plötzlich wurde auch Leonardo abgelenkt und lief einige Meter voraus. Er hatte Charaid entdeckt und begrüßte den kleinen Kater. Gemeinsam kamen sie zu Carsten zurück. Charaid schlich um seine Beine herum und Carsten bückte sich um den Kater zu streicheln. Dieser nahm es als eine Einladung an und sprang in seine Arme. »Du hast ja ganz kalte Pfoten mein Freund. Bist du sicher, dass es hier draußen nicht doch schon zu kalt für dich ist?« ›Miau?‹ »Schon gut, Merlin sagte schon, dass du ein kleiner Streuner bist und auch gerne durch die Gegend streifst. Ich hoffe, wir haben dich jetzt nicht gestört.« Ein paar mal fuhr Carsten über sein Fell und dann setzte er ihn behutsam wieder ab. Charaid sah sich noch einmal nach Leonardo um und zog seiner Wege. Carsten griff sich an sein Handgelenk und las die Zeit ab. »Leonardo wir gehen wieder zurück. Ich habe noch an meinen Vorlesungen zu arbeiten. Suchst du deinen Bruder und bringst ihn mit?«

Carsten sah es nicht, doch der Hund grinste ihn mit seinem breitesten Lächeln an. Danach machte er sich auf den Weg um Salvatore zu suchen. Noch bevor Carsten 100 m weiter war, liefen seine Begleiter gesittet neben ihm her. Auf der Veranda rieb Carsten beide Tiere ab und dann verschwanden sie im Haus. Er selbst zog seine Funktionskleidung aus und ging in sein Arbeitszimmer. Am Schreibtisch lud er sich seine Unterlagen zur Vorlesung auf sein Laptop und begann zu den einzelnen Kapiteln entsprechende Beispiele und Übungsstücke zu notieren. Hin und wieder setzte er sich an seinen Flügel und probte das ausgewählte Stück. Gegen Mittag hatte er bereits Zweidrittel seiner Vorlesung durchgearbeitet. »Tiger, wie steht es mit einem kräftigen Imbiss?« »Lieber eine kräftige Bouillon dazu einen Salat und etwas Brot. Bist du mit deiner Kalkulation durch?« »Ja, vom Budget bleibt eine kleine Reserve. Ich denke, das Dorf wird mir zustimmen, wenn ich alle Geräte hier herstellen lasse. Die Aufträge mit entsprechenden Skizzen habe ich bereits ausgedruckt. Jetzt heißt es entsprechende Betriebe zu finden. Mr. Palmer hat ja schon zugesagt, der Auftrag muss nur noch unterzeichnet werden. Die Bepflanzung und Pflege des Spielplatzes erteilte ich der Gärtnerei Hill. Jetzt fehlt mir noch ein geeigneter Schreiner oder Tischler und ein Unternehmen, welches mir den Sand liefert.« »Was ist mit den Rutschen?« »Ich habe eine Metallwerkstatt im Nachbardorf gefunden, ihnen erteile ich die Konstruktion der Rutschen. Dazu müssen sie sich dann mit Mr. Palmer und dem Schreiner in Verbindung setzen. Durch die Gemeinschaftsarbeit spare ich im Budget. Ich selbst habe meine standardisierte Provision eingesetzt.« »Gut. Morgen kommt mein Klavierbauer und kümmert sich um deinen Flügel. Mrs. Sanches wird die Nassreinigung machen. Wie sieht es im Keller aus?« »Da ist soweit alles sauber. Vielleicht rund um den Pool die Fliesen wischen. Ich drehe die Heizung etwas auf, es soll heute Nacht Einstellig werden.« »Ja, eine gute Idee. Charaid war auch draußen, ich denke er sucht sich dann auch ein warmes Plätzchen. Hat der Schreiner die Klappe schon eingebaut?« »Er wechselt die komplette Tür aus. Das macht er heute. Das ist einfacher zu bewerkstelligen.« »Gut. Noch einmal zu morgen. Bist du hier oder soll ich die Stellung halten?« »Ich bin hier. Jedoch mehr im Garten die dritte Plattform einrichten. Andrea wird ja auch noch den Vormittag da sein. Hast du etwas bestimmtes vor?« »Nein. Zumindest nichts konkretes. Es hängt davon ab, was ich heute zu dem Unterrichtsraum herausfinde.« Andreas hatte während des Gesprächs einen Salat zubereitet und Carsten eine Bouillon aus dem Vorrat aufgewärmt. Zuletzt hatte er noch einige Scheiben Brot geröstet. Andreas deckte wie immer den Tisch ein und servierte die Speisen. Carsten ließ sich die warme Suppe schmecken und selbst Andreas musste eingestehen, dass die Wärme ihm gut tat.


Der Hauswart des Gemeindehauses begleitete Carsten und Leonardo in die entsprechenden Räume. Dort standen einige Instrumente und ein Unterrichtsklavier. Carsten setzte sich an das Instrument und schlug einige Tasten an. Die Akustik hätte für einen Unterrichtsraum schlechter sein können. »Darf ich fragen, ob noch anderer Unterricht hier gegeben wird?« »Nein, wir haben die Instrumente hier eingelagert, weil wir den dafür vorgesehenen Raum für ein Kopiergerät und als Ablage zweckentfremdet haben«, informierte Mr. Goodman. »Wie groß ist der Raum hier?« »Der alte Organist hatte sich durchsetzen können. Dieser Raum hat eine Fläche von ca. 30 yd2. Die Wände und Decke sind schallisolierend verkleidet. Es kam immer wieder vor, dass der Gemeinderat zur gleichen Zeit tagte wie der Klavierunterricht.« »Können die Instrumente auch wieder ausgelagert werden?« »Es gibt noch eine Abstellkammer unter dem Dach. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dieser den Instrumenten gut tun würde«, gab der Hauswart zu bedenken. »Was würde es mich an Miete kosten, wenn ich hier Klavierunterricht geben würde?« »Es ist das Gemeindezentrum. Miete wird nicht erhoben. Sie müssten nur in einem Plan ihre Zeiten eintragen, das würde aber kein Problem darstellen, da kein Musikunterricht erteilt wird. Wie oft dachten Sie den Raum zu nutzen?« »Vielleicht an zwei Nachmittagen die Woche. Es kommt auf die Reaktion der Bevölkerung an.« »Ich würde Ihnen aus Erfahrung raten, erst einmal einen Termin die Woche einzutragen. Es ist immer leichter einen Termin dazuzunehmen.« »Gut. Kann ich hier auch ein weiteres Unterrichtsinstrument hereinstellen?« »Das Instrument hier gehört der Gemeinde, es ist Platz für ein weiteres Upright-Piano vorhanden. Benötigen sie einen Tisch?« »Ein Kleiner als Ablage und für meinen Hund benötige ich einen Platz, wo er sich ablegen kann.« »Wenn Sie möchten, werde ich mich darum kümmern. Mr. von Feldbach, es wäre wirklich schön, wenn hier wieder Musik unterrichtet werden würde.« »Ich werde es mit meinem Mann besprechen. Es ist nicht unbedingt das, was ich mir als Unterrichtsraum vorgestellt habe, es erfüllt jedoch seinen Zweck. Haben Sie auch eine Nummer unter der ich Sie erreichen kann?« »Ich gebe Ihnen meine Visitenkarte, dort habe ich alle relevanten Nummern notiert.« »Danke. Komm Leonardo.« Carsten ließ sich von seinem Hund hinausführen. Auf der Straße orientierte sich der Hund um sein Herrchen sicher zu führen. Gemeinsam gingen sie in Richtung ihres Domizils. »Hallo Carsten, hast du Zeit mit mir einen Tee zu trinken?«, überraschte Ben Carsten. »Hallo Ben. Sicher.« »Dann komm mit hinein. Meine Frau hat frischen Tee zubereitet und sie würde dich gern einmal kennenlernen.« Carsten folgte der Einladung und anstelle ins Pub ging es direkt zur Wohnung des Wirts. Ben’s Frau war erfreut den Gast zu sehen. »Gwenda, darf ich dir Carsten und seinen Begleiter Leonardo vorstellen. Du hast doch sicher eine Tasse Tee für unseren Gast.« »Setzen Sie sich Mr. von Feldbach. Wolf wird sicher nichts einzuwenden haben, wenn ihr Hund aus seiner Wasserschüssel trinkt.« »Das glaube ich auch nicht, die Beiden verstehen sich prächtig. Ich war gerade im Gemeindehaus und habe mir den Unterrichtsraum angehört.« »Eignet er sich für Sie? Ich könnte dafür sorgen, dass er gesäubert wird und die Instrumente wieder in den ursprünglichen Raum zurückgebracht werden.« »Wird dieser denn nicht für die Gemeindearbeit benötigt?« »Der Kopierer ist schon seit geraumer Zeit kaputt und die Ablage gehört eigentlich ins Büro des Gemeindevorstehers. Es war seiner Zeit einfach nur praktisch. Mr. Gilles hat obendrein einen sehr modernen Kopierer in seinem Gemeindebüro. Dort können auch die Vereine, wenn nötig, Kopien anfertigen. Also ist der Raum an sich frei. Weshalb wir mit Ihnen sprechen möchten, ist ein ganz anderer Grund. Es gibt Gerüchte wegen ihres Lebensstils. Die Quelle ist der neue Organist.« »Ich habe nicht damit gerechnet, dass alles in der Gemeinde reibungslos verläuft. Bisher haben Andreas und ich uns nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, der größte Teil der Gemeinde akzeptiert uns wie wir sind. Das liegt sicher nicht daran, dass Andreas ein namhafter Landschaftsarchitekt ist und ich in der Musikwelt kein unbekannter Musiker.« »Das muss ich zugeben. Sie Beide sind einfach normale Menschen, die jeden so respektieren wie sie sind. Merlin haben sie mehr als nur ein Dach über seinem Kopf geboten. Die Gemeinde ist froh, dass den Kindern ein Spielplatz erhalten bleibt und wie ich von Mrs. Hill und Mrs. Palmer erfuhr, unterstützten sie die ortsansässigen Unternehmen. Sie haben den Menschen hier wieder eine Perspektive gegeben. Das scheint der Organist ihnen zu neiden.« »Ich sehe das ehrlich gelassen. Wenn es darauf ankommt, werden wir uns schon zu wehren wissen. Mich interessiert mehr, ob Merlin eine Chance hat, einen guten Abschluss zu bekommen. Wir möchten ihm gerne alle Möglichkeiten geben seine Zukunft zu gestalten.« »Ich habe ihm schon einen entsprechenden Unterrichtsplan zusammengestellt. Wenn er nicht auf den Kopf gefallen ist, könnte er sogar einen College- oder Universitätsabschluss machen. Er benötigt jedoch mehr Erfahrungen im Umgang mit Computer und modernen Medien. Da wird er wohl noch ein enormes Defizit haben.« »Können Sie ihm denn diese Medien vermitteln?« »Sie machen einen Scherz. Ich bin vielleicht nicht mehr aktiv Lehrerin, jedoch schon zu meiner aktiven Zeit haben mir meine Schüler gezeigt, dass die modernen Kommunikationsmittel in ihrem Leben eine wichtige Einrichtung sind. Ich hatte keine Wahl, wenn ich mit meinen Schülern mithalten wollte. Ich habe sogar schon einige Erfahrung im Online-Unterricht gemacht.« »Gut, ich kümmere mich um die Ausstattung und Sie machen ihn damit vertraut. Das kann ich leider nicht und Andreas hat an sich auch immer gut zu tun.« »Warum tun Sie das?« »Weil ich Merlin jede Unterstützung geben möchte sein eigenes Leben zu gestalten. Bisher hat er keinen von uns enttäuscht. Er hat sich für Charaid, seinem Kater, und gegenüber Dr. Miller für ein Cattlekalb eingesetzt.« »Du meinst doch nicht das Cattle von John mit dem gebrochenen Bein? Es ist das Thema schlecht hin unter den Farmern«, rief Ben erstaunt aus. »Doch genau dieses Kalb. Jeden Tag ist er bei ihm und sorgt dafür, dass der Bruch gut verheilt.« »Wenn das gelingt, habt ihr Drei einen weiteren Stein im Brett der Gemeinde.« »Es wird gelingen. Da bin ich mir sicher. Der Bulle scheint ein kleiner Kämpfer zu sein, Merlin gibt ihn nicht auf und mit der Erfahrung von Dr. Miller sind sie ein starkes Team.« »Ich spreche jetzt einmal als Mutter. Sie und ihr Mann tun dem Jungen gut. Wir bräuchten mehr Menschen mit ihrem Charakter und ihrer Philosophie.« »Andreas und ich geben uns Mühe. Und wirklich, um den Organisten brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Letztendlich wird die Wahrheit ihn entlarven. Es ist nicht das erste Mal, dass es Schwierigkeiten wegen unseres Lebensstil gibt. Davon lassen wir uns nicht im geringsten einschüchtern.« »Mir scheint, dass ihr auch ein kämpferisches Team seid. Noch eine Tasse Tee?« »Danke nein. Ich sollte mich langsam auf den Weg machen, bis zum Haus ist noch ein Stück zu gehen. Leonardo!«

Der Hund gesellte sich an Carsten’s Seite und dieser nahm den Bügel auf. Ben begleitete ihn noch zur Tür und verabschiedete sich. Carsten hielt sich an seinen Hund, der wohl auch nach Hause wollte. Auf dem Weg brauchte Carsten kaum irgendwelche Korrekturen anzugeben. Kurz vor dem Haupttor spannte Leonardo seine Körperhaltung an. Carsten wusste, dass es nichts Gutes bedeutete.

»Sie einmal an, der perverse Pianist. Haut ab aus meiner Gemeinde oder es passiert etwas.« Carsten blieb ruhig und ganz entspannt stehen. Selbst Leonardo entspannte sich und setzte sich neben sein Herrchen. Dieser drehte sich zu der Stimme um. »Ich nehme an, sie sind der konservative Organist. Nein, wir bleiben in der Gemeinde und wenn es Ihnen nicht passt, es zwingt Sie Keiner, Teil dieser Gemeinde zu bleiben.« Jetzt wurde Carsten’s Stimme kalt wie Marmor. »Seien Sie gewarnt. Passiert auch nur das Geringste gegen die Bewohner meines Haushalts, so werden Sie die Erfahrung machen, was es bedeutet sich mit mir anzulegen. Jetzt empfehle ich ihnen zur Seite zu gehen.«

Er wandte sich an Leonardo und mit einer ganz relaxten Stimme gab er ihm das Kommando weiterzugehen. Das kurze Statement verfehlte seine Wirkung nicht. Denn sie ließen einen verunsicherten Organisten zurück. Carsten war schon ein gutes Stück weiter, als der Organist sich in Bewegung setzte. Gerade noch rechtzeitig, um den Jeep zu erkennen und einen Schritt zur Seite zu gehen. Er hatte den Wagen nicht kommen gehört. Andrea sah einen dunkel gekleideten Mann auf der Straße und wich diesem geschickt aus. Dennoch benutzte sie die Hupe wütend. Carsten war schon fast am Haus, als Andrea vor der Garage hielt. Er hörte noch wie Andrea sich über den fast Unfall ärgerlich äußerte. »Hallo Andrea, wie war es in Edinburgh?« »Oh, sehr gut. Der Dozent gab mir nach dem offiziellen Kurs noch praktischen Unterricht an einem neuen mobilen Gerät. Ich denke, für meine Praxis wäre es eine sinnvolle Ergänzung. Doch etwas anderes, laufen hier die Typen einfach auf der Straße herum und dann noch fast schwarz gekleidet?« »Nein, die meisten benutzen den Gehweg. Du hast den Organisten doch nicht etwa über den Haufen gefahren? Ich sagte ihm noch, dass er zur Seite gehen sollte, weil ich ein Auto hörte.« »Nein. Es war knapp, doch meine Reaktion hat Schlimmeres verhindert. Ich wollte doch euren Wagen heil nach Hause bringen. Wieso war er denn auf eurer Zufahrtsstraße?« »Es gab eine Meinungsverschiedenheit wegen unseres Lebensstils. Ich befürchte, er lässt nicht locker.« »Dann sollte er aufpassen. Ich kann mit dem Blasrohr besser zielen als Papa.« Carsten grinste. Paul liebte das Betäubungsgerät und machte noch immer regelmäßig Zielschießen auf eine Scheibe. Ihn in dieser Disziplin zu schlagen bedeutet schon etwas. »Na lass das mal besser. Du könntest dich in der Dosis des Mittels vertun und dann hätte die Dorfkirche wieder keinen Organisten. Er macht zwar Ärger, doch mit Andreas und mir ist nicht zu Spaßen. Auch wenn wir hier noch nicht solange wohnen, haben wir schon einige gute Kontakte geknüpft. Über Merlin kennen wir einen Kriminalbeamten, die Farmer scheinen über die Aktion mit dem Cattle uns wohlgesonnen, einige Unternehmen sind froh, dass wir ihnen Aufträge erteilen und mit einem potentiellen guten Kunden verscherzt man es sich nicht. Zumal Andreas in seinem Metier ebenfalls schon weitreichenden Einfluss hat. Wichtiger ist doch, dass Ben, der Wirt vom Pub, und seine Gattin hinter uns stehen. Wir sind hier bekannt und bisher akzeptiert man uns wie wir sind.« »Nicht zuletzt bist du ein bekannter Künstler. Ihm könnte es seine Karriere kosten,«, ergänzte Andrea ihren Bruder. »Wie ich sehe hast du es erfasst. Komm, lass uns reingehen. Andreas fährt den Wagen später in die Garage. Du sagtest etwas von einem mobilen Gerät, ist das denn nicht etwas kostspielig?« »Eigentlich schon, doch auf dem Rückweg habe ich darüber nachgedacht. Papa benutzt in der Praxis schon ein stationäres Endoskop. Das Mobile bietet noch einige weiteren Features. Es ist möglich, nicht nur mit einer Kamera direkt zum Ort vorzustoßen, sondern ich kann mittels Sonden auch kleinere Eingriffe vornehmen. Das Wichtigste ist jedoch, es kann über die Steckdose im Auto mit Energie versorgt werden. Also ist es auch auf einer abgelegenen Wiese einsetzbar. Die Finanzierung bespreche ich später mit meinen Kollegen. Ich durfte das Gerät ausgiebig testen, als Testobjekt wurde das Model des Verdauungsapparates eines Wiederkäuers verwendet. Ich habe damit ein Fremdkörper aus dem Blättermagen entfernt. Dazu wurde die Sonde rund drei Meter in das Model geschoben. Anschließend habe ich noch an einem Euter durch eine Zitze die Geschwulst einer Milchdrüse behandelt. Es war zwar nur ein Model, doch ich habe den Vorteil erfahren, dass die OP für das Tier schonender ist als die klassische Messermethode.« »Also, ich unterstütze dein Vorhaben. Du kannst dafür ruhig auf unsere Reserve zurückgreifen. Oma und Opa hätten es so gewollt.« »Wir werden sehen, ich werde dich dennoch vorher um deine schriftliche Erlaubnis bitten. Was hast du gemacht?« »Ich habe mir die Räumlichkeiten des Gemeindehauses angehört. Für Klavierunterricht stünde mir dort ein Raum zur Verfügung. Doch das möchte ich erst noch mit Andreas besprechen. Weiter möchte ich Merlin mit einem Computer beglücken. Die Frau von Ben empfahl mir, Merlin dabei zu helfen, weil er da noch Defizite habe. Dabei könntest du mir sogar helfen, weil ich nicht auf dem neusten Stand der Technik bin.« »Das mache ich doch gerne. Darf es teuer werden?« »Nun, gebrauchte Geräte wären zwar günstig, doch bringen sie nicht viel, da sollte Merlin schon ein System up-to-date haben. Andreas und ich setzen auf das gleiche System. Was ist in deiner Praxis üblich?« »Ich habe Papas Software übernommen, sie hat sich bewährt. Die Software wird regelmäßig durch eine Firma gewartet und - toi toi toi - keine Abstürze, Würmer, Viren und Trojaner. Weiter sind alle relevanten Geräte miteinander vernetzt. CT-Bilder sind sofort abrufbar und werden auf meinem Rechner als 3D Ansichten dargestellt.« »Ich denke, ich werde ihm etwas ganz modernes besorgen und dazu auch mobile Endgeräte. Komm, lass uns mal stöbern.«

Andrea ließ Carsten bei sich einhaken und gemeinsam gingen sie ins Haus. Leonardo und Gina folgten ihnen und Andrea rubbelte beide Hunde ab. Carsten ging in den Salon, wo er hoffte Andreas anzutreffen. »Schatz?« »Ich bin noch im Arbeitszimmer, warte ich komme.« »Hallo Tiger. Wie ist der Raum im Gemeindehaus?« »Er eignet sich. Die Akustik könnte besser sein, nicht so schön wie im Internat. Doch es reicht für Anfänger und regelmäßigen Unterricht. Der Hauswart, Mr. Goodman und Gwenda, die Frau von Ben, wollen ihn noch etwas herrichten.« »Dann wirst du dort deinen Unterricht anbieten?« »Ich wollte dich um deine Meinung bitten. Ich benötige dazu noch ein weiteres Instrument.« »Tiger, ich sehe dir an, dass du es gerne machen möchtest. Das zweite Instrument stellt doch nicht wirklich ein Problem dar. Tu es einfach, Musik ist etwas Schönes. Mach die Menschen hier einfach glücklich.« »Da hast du Recht. Dir tut die Musik ja auch gut und seit dem du wieder selbst spielst, hast du mehr Harmonie in dein Leben gebracht.« »Ich glaube, das liegt eher an meinem Freund und Mann.« »Och, müsst ihr immer soviel Süßholz raspeln?«, mischte Andrea dazwischen. »Bist du etwa neidisch?« Andrea drehte sich um und grinste in sich hinein. In Andreas hatte sie nicht nur einen sehr guten Schwager, mehr noch, er tat ihrem Bruder sehr gut. »Was wollt ihr jetzt machen?« »Wir wollten uns um einen Computer und solch Zeug für Merlin kümmern. Er sollte auch diese Hilfsmittel beherrschen. Gwenda meinte, dass er da noch Defizite habe.« »Da stimme ich ihr zu. Kommt, lass uns mal zusammen stöbern.«

Andreas holte sein Tablet und brachte auch Carsten’s mit in die Küche. Am Tresen wurde dann eifrig diskutiert, welches System wohl das Geeignetste sei. Andreas telefonierte dann noch einmal mit Ben’s Frau, um auch ihre Meinung einzuholen. Nach vier Tassen Kaffee, Tee und ein Dutzend Kekse war der Deal perfekt. Andreas kontaktierte ihren Fachmann und bestellte ihre Auswahl. Als er den Preis nannte, nickte Carsten zustimmend. »Ja, setzen sie es auf unsere Rechnung. Dazu benötige ich noch Toner für meinen Drucker und einen kompletten Satz Tinte für meinen Plotter. Wann können Sie liefern?« »Kein Problem, dann komme ich Montag die Ware bei Ihnen abholen.« »Jungs ihr gebt 3,000 Pfund für den Jungen aus?« »Klar, ist doch ein Schnäppchen, dafür hat Merlin ein gutes System und obendrein kostenlose Wartung bei Problemen. Ich lasse es über mein Büro laufen und damit kann ich es auch steuerlich absetzen.« »Wenn du am Montag schon in Edinburgh bist, kannst du dann auch mal beim Musikgeschäft nachfragen, ob sie ein passendes Klavier haben?« »Warum kommst du nicht einfach mit und probierst es vor Ort aus?« »Wenn du mich hinbringst, wäre das natürlich besser.« »Warum macht ihr nicht einfach mal einen Tag frei? Eure Hauptstadt ist wirklich einen Besuch wert.« »Was meinst du Tiger? Hört sich gar nicht mal so schlecht an.« »Ich habe meine Aufträge up-to-date. Ach, morgen kommt ein gewisser Mr. Edward Moore. Er stellt sich uns vor.« »Gut. Morgen sind wir wohl alle hier, oder?« »Am Nachmittag bin ich noch einmal bei meinem Dozenten. Abschlussbesprechung und vorher wird eine OP mit dem Gerät demonstriert.« »Welche OP?« »Die Kastration einer Katze.« »Autsch. Ich hoffe Charaid hat das nicht gehört.« »Eine weibliche Katze. Es ist nötig, das Tier hat laut Krankenakte ein Tumor an den Eierstöcken.« »Dann wünsche ich ein gutes Gelingen.« »Hallo zusammen. Was soll gelingen Carsten?« »OP via Endoskope an einer Katze.« »Interessant. Gibt es vielleicht ein Video dazu, ich muss morgen zum Cattle.« »Ich kann ja mal fragen und wenn ja, vielleicht auf eine DVD kopieren. Papa hätte sicher auch Interesse daran.« »Darf ich fragen, ob ihr noch eine Tasse Tee für mich habt?« »Bediene dich. Wie war dein Tag?« »So la la. Dr. Miller musste bei einem Hund einen Zahn ziehen. Es gab einige Nachuntersuchungen, Impfungen und Wurmkuren. Morgen macht er seine Kontrollrunde bei einigen Farmern. Währenddessen ist die Praxis geschlossen und Sabine will dann die Akten auf den neusten Stand bringen.« »Macht ihr das nicht sofort?« »Normal schon, Andrea. Doch es ging nicht. Wir hatten soviel zu tun, so dass Sabine und ich nur handschriftliche Notizen gemacht haben«, berichtete Merlin. »Da bin ich froh, dass in unserer Praxis eine Assistentin den Empfang macht und jeder Arzt seine Assistenten hat. Das entlastet die Bürokratie enorm.« »Macht ihr auch die Kontrollen?« »Im Auftrag des Amtsarztes führen wir die Kontrollen durch. Das macht vor allem Papa, weil er die Bauern alle persönlich kennt. Diese wissen, dass Paul nicht mit sich feilschen lässt, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ansonsten halten wir alle unsere Augen offen wenn wir Hausbesuche machen. Manuel, ein Kollege von mir, hat auch schon Paul gebeten, bei einem Landwirt nachzuhaken. Einige Rinder hatten auf ihn einen ungesunden Eindruck gemacht und er war alarmiert. Papa ist los und hat sich die ganze Sache einmal angesehen. Die Rinder waren einige Zeit draußen geblieben, weil der Stall renoviert wurde. Papa hat dann dafür gesorgt, dass für die Rinder auf der Weide ein Unterstand errichtet wurde. Dort muss es vor allem trocken sein. Falls der Landwirt dem nicht nachkommen würde, wäre Papa gezwungen dem Amtstierarzt zu berichten. Schon am nächsten Tag wurde ein Unterstand errichtet und war sogar an zwei Seiten geschlossen. Für trockenes Futter und Wasser wurde gesorgt. Papa war mit dem Provisorium zufrieden. Er konnte den Landwirt davon überzeugen, den Unterstand für die Zukunft auszubauen, mit dem Vorteil, dass die Rinder dann die Sommermonate auch draußen bleiben konnten.« »Cattles bleiben das ganze Jahr draußen. Einen Unterstand benötigen sie eigentlich nicht. Mr. Gilles hat dennoch auf einer seiner Weiden einen festen Unterstand errichtet. Das ist die Weide, wo die Tiere überwintern. Im Unterstand wird vor allem bei sehr viel Schnee Futter angeboten. Jedenfalls wird Sabine morgen unsere Notizen alle in die Akten nachtragen während Dr. Miller und ich Hausbesuche machen.«

Nach dem Frühstück gingen Andrea und Carsten mit den Hunden raus. Gina genoss mit ihren Brüdern zu toben und zu spielen. Sie lief ihnen hinterher und brachte zu Andrea’s Staunen einen Ast mit, der doppelt so groß war wie sie selbst. »Ganz wie die Familie. Sie gibt sich nicht mit halben Sachen zufrieden.« »Eben ein waschechter Retriever. Max hatte bei meinem ersten Besuch in London in einem Park einen Ast angeschleppt, der laut Andreas gute fünf Meter lang und armdick war. Ich wundere mich noch immer, wie sie das gemacht hat.« Andrea lachte bei der Vorstellung. Carsten lenkte ihren Weg zurück zum Haus. Aus Erfahrung wusste er, das Welpen bei ausgedehnten Spaziergängen schnell ermüdeten. Andrea war froh wieder vor dem Haus zu stehen. Weniger wegen Gina, als dass es ihr langsam kalt wurde. »Am Besten du ziehst dir schon einmal trockene Sachen an. Ich kümmere mich um die Hunde«, meinte Carsten schlicht. »Woher wusstest du das?« »Ich bin dein Bruder und das Klappern deiner Zähne war nicht zu überhören. Aber auch meine Kleidung ist schon reichlich schwer vom Wasser. Nur habe ich darunter noch warme Sachen an.« Andrea gab dem Vorschlag nach. Carsten brauchte nicht lange um die Hunde trockenzureiben. Im Haus gingen sie in die Küche. Salvatore und Leonardo waren durstig und auf Gina erwartete eine keine Ration. Carsten hängte seine nasse Kleidung auf und folgte ihnen. Gegen ein heißes Getränk hatte er selbst nichts einzuwenden. Sein Vorhaben wurde durch das Läuten der Türglocke unterbrochen. Er hörte Andreas zur Tür gehen und natürlich beide Rüden. »Carsten, kommst du bitte in den Salon?«, klang Andreas Stimme. Carsten folgte der Aufforderung, dabei kamen ihm Leonardo und Salvatore entgegen. »Carsten, das ist der junge Mann, den Mrs. Sanches empfohlen hat«, stellte er den Besuch vor. »Mr. Moore, das ist Carsten, mein Mann. Darf ich Sie fragen, was Ihnen Mrs. Sanches gesagt hat?«

Das Vorstellungsgespräch im Salon dauerte dann doch länger. Carsten hielt sich etwas im Hintergrund, gab hin und wieder ergänzende Erläuterungen. Der junge Mann war der Stimme nach aufgeschlossen und wirkte dabei selbstbewusst. Gerade wenn er seine Meinung vertrat. »Gut«, meinte Andreas abschließend. »Wenn es Ihnen Recht ist, können Sie übernächste Woche beginnen. Ich bereite den Arbeitsvertrag vor.« Mr. Moore verabschiedete sich und Carsten brachte ihn zur Haustür. Dann entsann er sich etwas Warmes trinken zu wollen. Andreas hatte wohl die gleiche Idee. So trafen sie sich in der Küche. »Ein angenehmer junger Mann«, meinte Carsten. »Ja, das ist er. Ich denke, er wird ganz gut in unseren kleinen Haushalt passen.«


»So, die Geräte sind im Wagen. Wo wir schon einmal hier sind, hast du noch einen Wunsch?« Andreas kam zurück in das Computerfachgeschäft. »Ich glaube mein Druckerpapier geht aus.« »Dann nehmen wie noch zwei Pakete mit. So, das war es dann«, resümierte Andreas den Besuch. »Wenn dem so ist, dann auf zum Klavierhändler.«

»Ein Schulklavier, Mr. von Feldbach?« »Ja. Es sollte robust sein. Ich denke, im Schulraum wird die Temperatur nicht so konstant sein wie bei mir Zuhause«, konkretisierte Carsten seinen Wunsch. »Wir haben eine Auswahl einfacher Pianos. Möchten sie diese testen?« Carsten grinste etwas. »Ich wäre wohl ein schlechter Lehrer, wenn ich nicht darauf achte. Also was haben Sie da?« Es dauerte wirklich eine ganze Weile bis sich Carsten für ein Klavier entschied. Doch er hatte es sich auch nicht besonders einfach vorgestellt. »Das hier ist es. Genau wonach ich gesucht habe. Ein guter Sound und der Anschlag ist ähnlich meinem Flügel. Wann liefern sie das Instrument ins Gemeindehaus unserer Gemeinde?« »Morgen, zwischen 10 und 11 Uhr. Soll das Instrument noch intoniert und gestimmt werden?« Carsten dachte nach. Die Klaviere sollten schon eine gemeinsame Stimmung haben. »Ja, das wäre nett. Intonieren und Stimmen sie beide Klaviere.« Andreas und Carsten verabschiedeten sich vom Händler. Danach machten sie sich einen wunderbaren Nachmittag. Selbst ein Abstecher zum Schottischen Symphonie Orchester tat dem kein Abbruch.


Mr. Hill hatte begonnen, um den Spielplatz eine Hecke zu pflanzen. Dabei legte sein Vater wert auf Pflanzen verschiedener Jahrgänge. Auch die Anordnung wich von der Planung am Reißbrett ab. Andreas sah sich die Anlage an. »Mr. Hill, sieht ja schon ganz gut aus. Doch warum haben sie an den Ecken Gruppen gepflanzt?« »Mein Vater war der Meinung, dass so die Pflanzen dichter wachsen. Optisch wirkt es dann natürlicher.« Andreas stellte sich die Entwicklung vor seinem geistigen Auge vor. Das Argument hatte etwas für sich. Die Anordnung würde letztendlich eine weiche, gewellte Linie ergeben. »Weiter haben Sie in ihrem Plan einen Schutzzaun vorgesehen. Soll das ein Standardzaun sein?« »Nein, der Zaun wird mehr als sechs Fuß zum Grundstück hoch. Dieser wird dem Zaun des Grundstücks angepasst. Der Auftrag wurde schon der Schmiede von Mrs. Baker vergeben. Aufgestellt wird er wohl erst im kommenden Frühjahr. Im Abstand von drei Fuß zur Hecke. Zur Straßenseite wird ein vier Fuß Standardzaun verwendet. Mit einem Durchgangstor. Dort befinden sich auch die Laternen zur Beleuchtung.« »Sie geben sich wirklich viel Mühe mit diesem Platz. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grafschaft ein solches Budget eingeplant hat.« »Sie haben Recht. Carsten und ich sind jedoch der Meinung, dass diese Anlage die gleiche Aufmerksamkeit erhalten sollte wie der Garten des Balmoral Castle. Was das Budget betrifft, so werden wir es nicht ganz ausschöpfen. Der übriggebliebene Betrag wird für Instandsetzung und Reparatur der Spielgeräte verwendet. So habe ich es auch in meinem offiziellen Bericht an die Grafschaft vermerkt. Es gilt auch einige Vorschriften einzuhalten. Das machen die Betriebe freiwillig. Sie möchten ihre Kinder immer an sicheren Spielgeräten wissen. Einmal im Jahr wird eine unabhängige technische Prüfung durch die Verwaltung angeordnet. Das habe ich in meiner Planung ausdrücklich verlangt.« Dabei verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. »Sie haben negative Erfahrung gemacht?«, fragte Mr. Hill vorsichtig. »Ja leider. Ein Kind kam auf einem Londoner Spielplatz zu Schaden. Das zuständige Büro bestätigte anschließend in deren Gutachten, dass die technischen Prüfungen mangelhaft durchgeführt wurden. Der kleine Junge musste viel über sich ergehen lassen, bis seine Verletzungen alle wieder verheilten. Das alles hätte vermieden werden können.« »Da stimme ich Ihnen zu. Auf Spielplätzen passieren Unfälle. Es liegt in der Natur von spielenden Kindern. Daher ist es um so wichtiger, dass alle Geräte in Ordnung sind. Ich denke, keine der beteiligten Unternehmen wird Ihnen diese Maßnahme übel nehmen.«

Aus dem Augenwinkel sah Andreas Charaid sich dem Ort nähern. Auch der Gärtner sah den Kater auf den Ort zuzuschleichen. »Es sieht so aus, als ob wir neugierigen Besuch bekommen.« »Der kleine Kater gehört zu unserer Gemeinschaft. Er interessiert sich wohl, was in seinem Revier vor sich geht. Merlin hat sich vorbildlich um ihn gekümmert.« »Ist er nicht ein wenig klein?« Andreas sah in der Richtung des Katers. »Das mag sein, doch er ist ein ausgezeichneter Jäger. Ich habe jedenfalls noch keine Maus in der Umgebung des Hauses entdecken können.« Mr. Hill lachte. »Mr. Hill, ich bin mit den Fortschritten zufrieden. Vor dem Wintereinbruch wird wohl alles fertig gepflanzt sein.« Der Angesprochene nickte zur Bestätigung. Daraufhin verabschiedete sich Andreas. Er rief nach Salvatore, der sich in der Gegend herumtrieb.

Am Haus sah er die Vorbereitungen zum Aufstellen der Statuen. Mr. Palmer war mit einem Gehilfen dabei, rund um die Plattformen den Boden mit Brettern zu stabilisieren. Andreas hatte es schon oft gesehen, Bagger konnten tiefe Spuren hinterlassen. »Hallo Mr. Palmer.« »Mr. Zahradník, das Wetter ist gut. Heute Abend sind wir fertig.« »Da wird Carsten sich freuen. Dann sollte es wohl vorerst gewesen sein. Im Frühjahr hoffen wir auf die Genehmigung der Baubehörde zum Pförtnerhaus. Möglich, dass wir da noch auf ihr Fachwissen zurückkommen. Auf alten Fotografien kann man einen sehr schönen Sims an Fenster und Türen erkennen.« »Das ist nicht ungewöhnlich. Pförtnerhäuser sind oft eine Kopie in Klein vom Herrenhaus. Ich habe für das Manor-House ja auch einige der Simse angefertigt. Die Modelle sind noch in meiner Werkstatt.« »Wir werden sehen, ich komme dann auf Sie zu.« Plötzlich wuselte auch Leonardo um sie herum. Als er seinen Bruder sah, flitzte er los und eine kleine Verfolgungsjagd begann. Jetzt sah auch Mr. Palmer wie stürmisch die Hunde sein konnten. »Ich sehe schon, wie sicher die Statuen stehen sollten«, erwähnte er und zeigte in Richtung der spielenden Hunde. »Ja. Ich denke, sobald sie sich damit vertraut gemacht haben, sind die Statuen einigermaßen sicher. Ich glaube nicht, dass sie diese markieren. Das machen sie hier im Garten nicht.« »Wie haben sie das geschafft?« »Dafür ist Carsten verantwortlich. In der ersten Zeit ist er mit ihnen immer zu bestimmten Punkten gegangen, bevor sie sich lösen konnten. Dabei ist er weitläufig um das Haus gegangen. So konnten sie ihr Revier abstecken. Wenn wir jetzt mit ihnen Gassi gehen, prüfen die Beiden ihre Markierungen. Lediglich wenn sie einfach keine Lust haben, machen sie schon mal auf dem Rasen. Doch selbst das ist relativ selten. Sehen sie dort den Übergang zum Park?« Andreas deutete auf eine optische Grenze zum Grundstück. »Dort befinden sich ihre Stammbäume. Dafür dürfen sie im Teich baden, wenn ihnen danach ist.« Wie auf Stichwort endete die wilde Verfolgung in besagtem Teich. Die beiden Männer lachten. »Mr. Zahradník! Ich habe da noch eine Frage zu den Kletterwänden. Sie haben auf dem Spielplatz zwei Schwierigkeitsgrade vorgesehen. Ich habe das mit meinem Gehilfen besprochen. Er meinte, dass es besser wäre die Wand für die Kleinsten etwas zu neigen. Das beste Resultat ist ein Winkel von 15°. So fällt es ihnen nicht zu schwer die Wand hochzuklettern. Dafür benötigen wir etwas mehr Platz.« »Ich habe für die beiden Wände ja reichlich Platz vorgesehen. Ihre Idee ist durchaus sinnvoll. Es spricht aus Sicherheitsgründen nichts dagegen. Denken sie nur daran, dass die Haltepunkte für sehr kleine Hände und Füße geeignet sein müssen.« »Das haben wir schon umgesetzt. Mein Gehilfe hat spielerisch von einigen Kindern Handabdrücke genommen, diese dienen uns als Maßstab. Ich habe gesehen, dass Bob schon begonnen hat die Pflanzen zu setzen. Wenn er damit fertig ist, werden wir die Wände aufstellen. Mrs. Baker wird ebenfalls dazukommen, um die Dimension der Rutsche zu bestimmen.« »Ich habe in meiner kurzen Laufbahn ja schon einige Spielplätze geplant, doch so organisiert wie die Unternehmen diesen einrichten, ist mir dabei noch nicht untergekommen. Es sieht so aus, dass zum Frühling der Spielplatz eingeweiht werden kann.« »Wäre dazu nicht auch ein kleines Dorffest angebracht?« Andreas fand die Idee ausgesprochen interessant. Warum nicht mal die Kinder in den Mittelpunkt stellen? »Ich werde es mit Mr. Gilles besprechen. Mir schwebt da auch Werbung für die beteiligten Unternehmen in der Grafschaft vor. Mrs. Baker erwähnte mir gegenüber, dass sich ihr da ein neues Geschäftsfeld eröffnet.« »Das gilt eigentlich für alle Unternehmen. Kletterwände sind auch für mich etwas Neues und ich liebe diese Herausforderung. Meine Mutter bekam schon eine Anfrage von anderen Steinmetzen, unsere Erfahrung zu teilen«, informierte Mr. Palmer Andreas. Jetzt wurde Andreas richtig bewusst, was er mit seinem Vorhaben in die Wege geleitet hatte. Soweit hatte er nicht gedacht, dass es sich auch positiv auf die Wirtschaft der Region auswirkte. »Salvatore, Leonardo hier! Mr. Palmer, ich überlasse Sie ihrer Arbeit. Mrs. Sanches hat sicher schon Tee vorbereitet. Ich lasse die Tür zur Küche offen.«

Andreas drehte sich um und die beiden Hunde folgten ihm ins Haus. Er selbst gönnte sich einen Becher Kaffee und ging damit in sein Arbeitszimmer. Carsten saß bereits wieder am Flügel und probte am Konzert. Wahrscheinlich war deswegen auch Leonardo draußen spielen. Er nahm sich noch einmal den Plan des Spielplatzes vor und trug die neuen Daten zur Kletterwand ein. Dann galt es die Korrespondenz durchzugehen. Zunächst sah er sich die Bewerbung verschiedener Gärtnereien zu seiner Ausschreibung an. Davon schieden schon einige aus, da diese vorwiegend auf Hilfskräfte setzten. In engerer Wahl kamen dann vier Unternehmen die seine Kriterien erfüllten. Er musste sie sich wohl selbst ansehen. Dazu trug er Termine in seinem Timer ein. Danach ließ er sich den Ausschreibungsstand des Projekts in Glasgow anzeigen. Die Bewerbungsfrist war schon einige Zeit verstrichen und die Verwaltung sollte langsam zu einem Ergebnis kommen. Erfreut stellte er fest, dass seine Bewerbung noch nicht ausgeschieden war. Die endgültige Entscheidung sollte bei der nächsten Ratssitzung erfolgen.

Zuletzt rief er M. Mathieu an. Die Bezirksverwaltung Villeneuve-sur-Yonne hatte die Ausgaben zum Park bewilligt und nun wollte er sich vom Gärtner selbst einen Statusbericht geben lassen. »M. Zahradník, es sieht alles ganz gut aus. Die neue Bewässerungsanlage wurde bereits fertiggestellt und die Analysen des Flusses liegen auch schon vor. Sie haben Recht. Das Wasser ist wirklich nicht unbedenklich und muss für die Pflanzen aufbereitet werden. Ich war noch einmal bei der Präfektur vorstellig. Ich bekomme einen größeren Regenwasserspeicher. Dazu habe ich ein Labor beauftragt zu ermitteln, ob es ausreichend ist, das Flusswasser mit dem Regenwasser zu vermischen. Das Resultat sollte bald vorliegen«, berichtete M. Mathieu. »Ich würde mit dem Mischen vorsichtig sein. Ansonsten bin ich zufrieden mit dem Stand der Dinge. Ich werde mir in zwei Wochen selbst ein Bild vom Park machen. Haben Sie da Zeit?«, antwortete Andreas in fließendem Französisch. M. Mathieu stimmte einer Visite zu. Immerhin war Andreas der Projektleiter und mit ihm wollte er es sich nicht verscherzen. »Wenn es möglich ist, laden Sie dazu auch den Verantwortlichen aus der Präfektur ein. Wenn da noch Fragen sind, kann ich diese ihm direkt beantworten.« M. Mathieu stimmte dem erfreut zu. Er war sogar der Meinung, dass niemand M. Zahradník und seine Kompetenz in Frage stellen würde.

»Andreas, ich gehe zum Gemeindehaus. Mrs. Gilles wollte heute den Raum reinigen und das Klavier sollte ja auch schon da sein. Dann kann ich beide Instrumente auch testen.« »Mach nur. Ich habe noch einiges zu tun. Würdest du Salvatore mitnehmen. Er braucht einfach mal eine Abwechslung.« »Selbstverständlich. Leonardo mag es in den ›Hunde-News‹ der Gemeinde zu lesen. Dann wohl auch Salvatore«, resümierte Carsten. »Möglich, dass wir auch den einem oder anderen Hund begegnen. Die Hunde sollen ja auch die Dorfmeute kennenlernen.« Andreas ging auf ihn zu und gab ihm einen Kuss.

Salvatore und Leonardo liefen ganz gesittet neben Carsten. Nun, Leonardo führte Carsten. Salvatore war aber nicht untätig, er lief immer etwas voraus und schien den Weg zu begutachten. Wenn ihm etwas suspekt war, sah er nach Leonardo. Dieser konnte die Situation besser beurteilen. So manches mal korrigierte er daraufhin den Weg. Carsten nahm es zur Kenntnis. Er war sogar etwas stolz, wie beide Tiere miteinander kommunizierten. Er war sich auch sicher, dass Salvatore mit seiner Nase nicht ganz untätig war. Am Gemeindehaus wurden sie schon erwartet und Mrs. Gilles und einige Frauen knuddelten die Beiden. »Mr. von Feldbach, der Raum ist soweit gereinigt. Wir wollten gerade ein Teepause machen. Wenn Sie möchten?« Carsten sagte nicht nein und die Hunde inspizierten gemeinsam spielerisch das Gemeindehaus. »Heute Morgen wurde ein weiteres Klavier geliefert und beide Klaviere wurden wohl neu gestimmt«, informierte Mrs. Gilles. »Das habe ich auch so in Auftrag gegeben. Was nutzt mir ein Klavier, wenn das Zweite nicht harmonisch dazu passt? Ich hoffe, es war kein so großer Aufwand den Raum zu säubern?« Die anwesenden Frauen verneinten. Im Gegenteil, sie hatten sogar Spaß daran und es gab auch genug Unterhaltungsstoff. Nach der kleinen Pause machte sich Carsten daran, beide Klaviere auf Herz und Saiten zu testen. Der Klavierstimmer hatte ordentlich gearbeitet. Beide Klaviere klangen wunderbar. Der Raumklang war sogar besser als beim ersten Besuch. Was wohl daran lag, dass weniger Krempel darin herumlag. Carsten spielte an dem neuen Klavier noch weiter aus dem Konzert von Rachmaninow. »Das fehlte diesem Zentrum«, fing Mrs. Gilles an, als die Frauen sich auch die anderen Räumlichkeiten zur Brust nahmen. »Lynn, ich glaube, diese beiden jungen Männer tun der ganzen Gemeinschaft gut. Schade, dass sie schon miteinander verheiratet sind.« »Höre ich da etwa Enttäuschung heraus?«, lachte die Frau des Ortsvorstehers. »Natürlich! Mr. Zahradník und Mr. von Feldbach sehen nicht nur gut aus. Sie haben auch das gewisse Etwas und vor allem Esprit. Glaubst du, er würde hier auch mal ein Konzert geben?« Mrs. Gilles dachte darüber nach. Klar, ihr Dorf war nicht mit den großen Kulturzentren zu vergleichen. Doch touristisch würde es sich positiv machen. »Da müssten wir Mr. von Feldbach fragen. Aber ich habe da eine Idee für das kommende Dorffest. Dazu müssten wir nur zusehen, dass unsere Gemeinde sich etwas herausputzt.« In konspirierender Runde sammelten die Frauen Vorschläge, während Carsten im Hintergrund spielte.

»Lynn, ich werde mit den Gartenfreunden sprechen. Möglich, dass wir mit Blumenarrangements den Anger aufhübschen können … Ach nein, da sind ja schon die Vorbereitungen für die Baustelle.« »Mary, vor dem Gemeindehaus ist doch genug Platz. Lasst uns das Fest doch direkt hier vor den Türen machen. Einige Blumen würden sich gut machen. Dazu nehmen wir noch die Pavillons und schon haben wir einen Ersatzplatz. Mein Mann sagte mir, dass die Straße wohl zum Sommer nächsten Jahres fertiggestellt sein wird. Also genau passend zum Herbstfest. Machen wir das Dorffest dieses Jahr etwas intimer.« Einige Frauen kicherten. Neugierig von den Geräuschen, stoben die Hunde an. Eine der Anwesenden stellte ihnen eine Schüssel mit Wasser hin. »Ich glaube, ihr Beiden könnt es gebrauchen. Wir sollten dauerhaft Wassernäpfe aufstellen. Ihr Beiden seid ja in Zukunft öfters hier.« »Eigentlich nur Leonardo. Salvatore begleitet uns heute. Er braucht auch mal etwas anderes als nur unseren Garten und Park. Dennoch ist das eine gute Idee«, erklärte Carsten den Ladies. »Mr. von Feldbach, wir haben da eine Frage. Würden Sie hier im Dorf ein Konzert zum Dorffest im Frühjahr geben?« »Nein, nicht zum Dorffest. Ich denke es wäre besser, wenn meine möglichen Schüler dann ihr Gelerntes vorstellen. Das täte allen gut. Die Eltern sehen, was ihr Nachwuchs kann und die Kinder sehen, dass es keine vergeudete Zeit ist ein Instrument zu erlernen. Ein Dorffest ist dazu ideal.« »Die Idee hat etwas für sich«, meinte Mary. »Ich kann das olle Glockenspiel nicht mehr hören.« »Das wird dem Organisten aber nicht gefallen. Er ist sowieso schon nicht gut auf uns zu sprechen. Wenn wir ihm noch seine Show nehmen, gibt es unnötig Probleme.« »So ganz unrecht hat Mr. von Feldbach nicht. Es ist ein offenes Geheimnis, dass er homophob eingestellt ist.« »Er kann ja auch mal eine neue Melodie einstudieren. Es gibt auch sehr gute Kompositionen für ein Carillon oder Kirchenglocken.« »Sie wissen über solche Instrumente Bescheid?«, fragte eine der Anwesenden. »Es gehört zwar nicht direkt zur Ausbildung eines Pianisten. Doch ich bin auch Dozent und so etwas gehört, meiner Meinung nach, zum Handwerkszeug eines guten Lehrers. Wenn er seinem Stand treu bleiben will, kann er auch Kompositionen der Kirchenmusik arrangieren. Dann zeigt sich, ob er wirklich ein Meister seines Fachs ist«, meinte Carsten lapidar. »So, ich möchte die gesellige Runde wieder verlassen. Mrs. Gilles, würden sie mir einen Termin im Plan eintragen? Freitag Nachmittag von 3 pm bis 6 pm. Mal sehen wie das Interesse ist.« »Geben sie nur Kindern Unterricht?« »Nein, wieso?« »Erwachsene haben meist Vormittags Zeit. Aus Erfahrung mit dem alten Organisten würde ich vorschlagen, einen Vormittag für die Erwachsenen anbieten Freitags Nachmittag für die Jüngeren.« »Nein. Lassen wir es erst bei dem einen Nachmittag. Ich möchte erst die Resonanz abwarten. Möglich, dass der Andrang groß ist, weil ich Unterricht erteile. Aber das Interesse schwindet oft nach einiger Zeit. Wenn einer wirklich Klavierspielen lernen will, wird er oder sie einen Weg finden.« Die Ladies sahen zwar etwas enttäuscht in die Runde, doch Mrs. Gilles verstand die Absicht dahinter. »Lassen wir es so wie Sie es vorgeschlagen haben. Termine sind ja nicht in Stein gemeißelt.« Carsten grinste bei dieser sinnbildlichen Umschreibung. »Leonardo, Salvatore! Bei Fuß!« Beide Hunde folgten der Stimme ihres Rudelführer. Leonardo ließ sich das Geschirr anlegen. Danach machten sie sich auf. »Ein wirklich sympathischer junger Mann«, meinte Mary. Lynn lachte. »Wenn dem so ist, Mary, sollten wir es uns mit den jungen Herren nicht verscherzen.«

Am Dorfanger trafen sich Carsten und der Pastor der Gemeinde. »Guten Morgen Mr. von Feldbach. Ich sehe sie führen ihre Hunde aus.« Carsten blieb stehen und interpretierte die Signale, die von Leonardo aus gingen. Der Hund blieb gelassen und auch Salvatore schien relaxt zu bleiben. »Guten Morgen. Darf ich fragen, mit wem ich das Vergnügen habe?« »Oh, entschuldigen Sie. Mr. O’Toole. Ich bin der Gemeindepastor. Sie haben unsere Kirche noch nicht besucht?« »Nein. Mein Mann und ich halten nicht viel von den Religionen. Obendrein lehnen die westlichen Glaubensgemeinschaften unsere Lebenseinstellung ab. Zumindest hat ihr Organist eine entsprechende Ansicht.« »Darf ich Sie ein wenig begleiten?« Carsten hörte sehr wohl eine gewisse Unsicherheit heraus. »Gerne, solange Sie meine Begleitung nicht stört.« Mr. O’Toole beeilte sich dieses zu verneinen. Beide gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. »Ich bin nicht geneigt anzunehmen, dass ihre Neugier zu meiner Person unsere Wege hat kreuzen lassen.« »Sie sind sehr direkt. Nein. Ich habe sie heute Morgen auf dem Weg zum Gemeindehaus gesehen. Da habe ich sie eben abgepasst. Ich habe von dem Vorfall meines Organisten gehört und möchte Ihnen versichern, dass ich nicht seiner Meinung bin. Mr. Johnson wurde mir quasi vom Bischof vorgesetzt. Er mag zwar ein guter Kirchenmusiker sein, das beschränkt sich aber auch nur auf die liturgische Musik. Der alte Organist hatte mehr Mut bewiesen und auch immer was Neues probiert. Mein Chor hatte ein gutes Repertoire an geistlicher und weltlicher Musik. Zum Beispiel hatte er ein schwieriges mehrstimmiges A-Cappella Stück einstudiert.« »Wenn ich das um den heißen Brei reden auch nicht mag, fasse ich zusammen, dass ich den Chor leiten soll? Ich bin Pianist und kein Chorleiter.« »Ich kenne einige ihrer Konzerte. Dabei war auch das Konzert, welches Sie vom Piano aus dirigierten.« »Das war ein Konzert mit Berufsmusikern. Sie wissen wie schwierig es ist, wenn ich selbst am Piano sitze und wissen, worauf es dabei ankommt. Außerdem möchte ich Mr. Johnson nicht herabsetzen. Er ist zwar ein unangenehmer Zeitgenosse, doch respektiere ich ihn als Mitglied meiner Zunft.« »Darf ich ihnen dennoch vorschlagen, dass Sie sich mit dem Vorstand des Chores unverbindlich treffen?« Carsten hatte zwar keine Ambitionen dazu, dennoch gab er seine Zustimmung. »Am kommenden Freitag um 06:15 p.m. im Gemeindezentrum. Wie steht es denn mit ihrer neuen Orgel?«, wechselte er das Thema. Er mochte zwar die Religionsgemeinschaft nicht, doch Instrumente, wie eine Orgel, konnten nichts dafür, wo sie sich befanden. »Eigentlich würde eine Generalreinigung und Stimmung der alten Orgel ausreichen. Das Dach der Kirche wäre dringender als ein neues Instrument.« »Warum sammeln Sie dann nicht für ein neues Dach. Sind Sie nicht auch der Hausherr? Was nutzt Ihnen letztendlich ein neues, teures Instrument, wenn es durch Regen wieder beschädigt wird?« »Mr. Johnson ist mit dem Bischof befreundet und dieser hat halt dem Drängen des Organisten nachgegeben.« Carsten schüttelte innerlich seinen Kopf. Ein Gemeindepfarrer ohne Rückgrat. Wie froh war er, dass Andreas und er ihre Entscheidungen immer ausdiskutierten. Dabei fanden sie immer einen optimalen Kompromiss. »Ohne in Ihre Kompetenzen eingreifen zu wollen. So etwas sollte doch eher der Kirchenvorstand vor Ort entscheiden und nicht irgendein Mann im Hintergrund.« Mr. O’Toole war über die klare Ansage ein wenig erstaunt. Mr. von Feldbach brachte es einfach auf den Punkt. Er war der Hausherr und letztendlich hatte auch der Kirchenvorstand sich schon ablehnend zu einem neuen Instrument entschieden. Es war wohl Zeit Prioritäten zu setzen. Einfach würde es nicht werden, sich gegen seinen Bischof zu wenden. Doch es gab ja noch jemanden, der über den Bischof stand.

»Mr. O’Toole,«, begann Carsten, »ich möchte nicht unhöflich erscheinen, doch ich möchte noch einen Freund aufsuchen.« Der Pfarrer verstand den Wink. Er bedankte sich bei Carsten und verabschiedete sich. Carsten gab Leonardo das Kommando zum Richtungswechsel. Sein Ziel war das Pub. Bei Ben und Gwenda wollte er sich über die Fortschritte bei Merlin informieren.

»Hallo Carsten. Für ein Bier bist du reichlich früh«, meinte Ben augenzwinkernd. »Wenn du hast, nehme ich auch einen Tee. Ich wollte mit Gwenda und dir über Merlin’s Entwicklung sprechen.« »Dann komm mit. Meine Frau werkelt in der Küche und sie macht einen besseren Tee als ich hier im Pub.« Carsten grinste. »Kann ich meine beiden Clowns deinem Hund überlassen? Es gilt wohl auch News zwischen ihnen auszutauschen.« »Klar, Wolf hat beide schon begrüßt. Sie können hier im Pub bleiben.« Carsten folgte dem Wirt in seine privaten Räumlichkeiten. Gwenda war über den Besuch erfreut und bei einem guten Tee besprachen sie das weitere Vorgehen bei Merlin’s Ausbildung. »Der Junge ist wirklich nicht auf den Kopf gefallen. Im Umgang mit der modernen Technik hapert es noch ein wenig, doch das ist nur eine Frage der Zeit. So wie ich das sehe, könnte er seine Prüfung im kommenden Jahr ablegen. Ich denke, er könnte sogar einen Abschluss mit Auszeichnung machen. Dann stünden ihm auch die Türen des College offen«, fasste Gwenda ihre Beobachtungen zusammen. »Das wäre wunderbar. Ich denke, er hat sehr gute Anlagen ein Veterinärstudium zu absolvieren.« »Apropos Veterinär. John teilte gestern im Pub mit, dass es seinem Kalb sehr gut geht. Der Bruch verheilt nach Dr. Miller besser als gedacht. Der Gips wurde noch einmal verstärkt, weil der Bulle schon versucht einige Schritte selbst zu gehen. John glaubt, dass beide Tiere in gut einer Woche wieder zur Herde zurück können.« »Das sind ja sehr gute Neuigkeiten. Dann hat es sich für alle gelohnt. Das Tier lebt und für die Medizin sind sicher neue Erkenntnisse gewonnen worden.« »Mehr noch. Dr. Miller hat eine Anfrage der Universität Edinburgh erhalten. Sie möchten auf diesem Gebiet weiter forschen.« »Ich hoffe doch, dass sie Merlin nicht ausschließen. Immerhin hat er die meiste Arbeit zum Erfolg geleistet.« »Dr. Miller hat da schon vorgebeugt. Merlin hat ja auch eigene Ideen bei der Behandlung umgesetzt. Die Massage war nicht das Einzige. So wie Andreas mir berichtete, hat er auch die Muskeln mit elektrischen Impulsen angeregt. Ich kenne das nur aus dem Bereich der Sportmedizin. Damit die Muskeln nicht abbauen.« »Bei einem so schweren Kalb ist das sicher nötig. Sag einmal Carsten, geben Sie in absehbarer Zeit Klavierunterricht? Ein Upright-Piano wurde ins Gemeindehaus geliefert.« »Ich biete es zumindest an. Ich habe den Freitag Nachmittag dafür vorgesehen. Erst einmal die Resonanz abwarten. Wo wir schon bei Musik sind. Kennt ihr den Gemeindechor?« Gwenda sah Carsten fragend an, bis ihr bewusst wurde, dass er ja nichts sah. »Unter dem alten Organisten ein sehr guter Chor. Er hat sogar ein siebenstimmiges Stück einstudiert und damit einen Wettbewerb gewonnen. Mr. Johnson findet solche Musik unpassend für einen Kirchenchor.« »So langsam Zweifel ich an seiner Kompetenz. Es gibt sogar sehr viele Kirchenkompositionen für einen zwölfstimmigen A-Cappella Chor. Während meines Studiums wohnte ich einer Aufführung in der Westminster Abby bei. Ich war beeindruckt.« »Warum wollen Sie das wissen?« Carsten lachte auf. »Der Pfarrer sprach mich darauf an. Er scheint die Experimente des alten Organisten zu vermissen.« »Man mag es ihm nicht ansehen. Doch er ist kein Laie was Musik angeht. In seinem Arbeitszimmer findet sich eine Sammlung zeitgenössischer Musik. Da kann selbst der Bischof nichts ausrichten. Dieser sieht ihm nämlich sehr genau auf die Finger, seit der neue Organist eingestellt wurde.« »Hat er denn Rückgrat?«, wurde Carsten direkt. »Er ist in Irland geboren. Gehört aber zu denjenigen, die Irland lieber vereint sehen. Unabhängig der Religion. Er war sogar als Jugendlicher in einem irischen Boxclub und kann sowohl einstecken als auch austeilen.« »Woher weißt du das alles?«, fragte Carsten Ben. »Es gab mal eine Schlägerei im Pub. Die Gegner des Pfarrers hatten das Nachsehen. Wir kamen dann bei einem Whisky ins Gespräch. Ich würde sagen Patrick hat Rückgrat. Er braucht nur hin und wieder jemanden, der ihn daran erinnert«, fasste Ben zusammen. »Das habe ich dann wohl heute schon erledigt.« Carsten fasste kurz das Gespräch mit dem Pfarrer zusammen. »Das waren wirklich klare Worte«, meinte Gwenda nachdenklich. »Ich denke Patrick wird nun auch Tacheles reden«, meinte Ben. »Wir werden es wohl sehen. Da fällt mir ein, der neue Spielplatz wird wohl weit vor dem Baubeginn fertig sein. Mr. Palmer schlug zur Einweihung ein kleines Fest vor. Wie denkt ihr darüber?« »Ein Fest? Für die Kids?« Gwenda war begeistert. »Wenn Du - ops - Sie wünschen, organisieren wir das. So ein Event brauchen die Leute hier.« Carsten schmunzelte etwas über diesen Versprecher. »›Du‹ ist schon Ok. Es wäre wirklich nett von euch. Ihr wisst, was die Menschen hier wünschen und brauchen. Danke für den Tee.« »Nicht der Rede wert. Ehrlich, Du und Andreas tun unserer Gemeinde gut. Passt auf euch auf.« Carsten errötete leicht ob dieses Kompliment. Dann rief er seine Hunde. Begleite von Wolf kamen die zu ihrem Herrn und Leonardo gesellte sich sofort an seine Seite. Ben brachte seinen Besuch noch zum Ausgang. Anschließend machte sich Carsten auf nach Hause zu kommen.

Am Abend gingen Andreas und Carsten nach der Gassirunde durch ihren Garten zum Haus. Mr. Palmer hatte wie versprochen alle Statuen aufgestellt. Andreas hatte sich noch nicht die Zeit genommen, diese genauer zu betrachten. Jetzt wurden sie sanft beleuchtet und Andreas war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Beide Hunde saßen in einigem Abstand ruhig auf dem Rasen und sahen ebenfalls in die Richtung. »Bist du zufrieden?«, holte Carsten ihn aus seinen Gedanken. »Mehr noch. Schatz, ich weiß nicht wie Zio das immer macht. In der Garage sahen sie aus wie Statuen: Kalt und leblos. Hier im Garten sprechen sie mich emotional an. Sie wirken warm. Das liegt sicher nicht nur an der Beleuchtung.« »Weißt du, ob Merlin sie hier schon gesehen hat?« Andreas überlegte einen Moment. »Er kam ja erst sehr spät zurück. Nein, ich kann mich nicht erinnern, dass er noch mal draußen. war. Wieso?« »Lass ihn sie sich ansehen und frage ihn nach seinen Empfindungen«, erklärte Carsten seine Gedankengänge. »Ich werde sie mir erst in ein paar Tagen ertasten. Erst müssen sich die Hunde daran gewöhnen. Wenn ich das jetzt schon mache, ignorieren sie womöglich die Kunstwerke.« »Ich habe sie heute zwar daran schnüffeln sehen, doch das war es auch schon. Glaubst du sie werden diese auch markieren?« »Nein, sie respektieren dieses Terrain als unser Revier. Du hast doch diese großen Terrakotta Kübel mit den Pflanzen auf die Terrasse gestellt. Ok, sie haben wohl ihre Nase daran gehalten, aber keiner hat sein Bein gehoben. Das hätte mir Mrs. Sanches dann auch gesagt.« »Du bist ein Künstler Schatz. Ich wundere mich immer wieder, wie du das hinbekommen hast.« »Ich bin ihr Rudelführer. Komm lass uns rein gehen, mir wird kalt.« Andreas nahm Carsten und führte ihn ins Haus. In der Küche machte er noch eine heiße Schokolade für jeden. Dann sah er durch die Glastür auf die Terrasse. Er gestand sich ein, dass er sich ebenfalls an die neue Aussicht gewöhnen muss. Aber es war alles perfekt. Carsten hatte recht. Das Marmor fügte sich ins Gesamtbild ein. Er schalte die Beleuchtung aus. Dann nahm er beide Tassen und ging in den Salon. Carsten saß im Zweisitzer und las in einem Buch. Im Hintergrund lief leise Musik. Andreas musste lächeln. Er stellte die Tasse auf dem kleinen Beistelltisch ab und setzte sich neben ihn. »New Orleans Jazz. Eine schöne Stimmung.« »Mir war danach.« Andreas lehnte sich an seinen Partner und sah ihm beim Lesen zu. Carsten hatte sich an diese liebe Geste gewöhnt. Besonders weil Andreas ein angenehmes Aroma verströmte. Es war immer eine Mischung aus seiner persönlichen Note und Natur. Als Andreas seine Ausbildung machte, brachte er auch immer eine Mischung seiner Tätigkeit mit. Er empfand es nie als unangenehm, wenn sein Schweiß auch nach Erde roch.

»Deine Schokolade wird kalt. Sie steht auf dem kleinen Tisch.« »Danke.« Carsten legte behutsam das Buch beiseite und tastete nach der Tasse. Andreas hatte sich mit der Schokolade viel Mühe gemacht, inklusive einer kleinen Sahnehaube. Beim Trinken kuschelte er sich dicht an seinen Mann. »Komm lass uns schlafen gehen. Aufräumen kann ich morgen noch.«

Chapter 8

Carsten war über die Resonanz erstaunt. Im Unterrichtsraum standen gut ein Dutzend Interessierte. Carsten trennte die Gruppe zwischen denjenigen mit Vorkenntnissen und Anfänger. Die schon Klavierspielen konnten, bat er am folgenden Freitag wieder zu kommen. Nach wenigen Minuten standen noch vier Kinder und Jugendliche im Raum. »Darf ich euch fragen, ob ihr in der Schule Musikunterricht hattet?« Ein Junge hob seine Hand. »Mr. von Feldbach sieht nichts. Es bringt also nichts sich mit Handzeichen zu melden. Ja, es gehört zum Unterrichtsstoff der Primeschool. Das Notensystem, Akkorde und vor allem Gesang.« »Gut. Ich habe hier für jeden eine Klavierfibel. Wir werden uns da durcharbeiten. Zuhause lest ihr bitte die ersten beiden Kapitel. Da wird noch einmal alles Grundlegende erklärt. Dazu gibt es eine Zeichnung von einer Klaviatur und den dazugehörigen Tönen. Ich weiß, dass es trockene Literatur ist, doch diese zu verstehen ist sehr wichtig.« »Mr. von Feldbach, wir haben kein Klavier Zuhause.« »Das ist erst einmal zweitrangig. Mrs. Gilles hat mir versprochen, dass ihr auch hier auf dem Schulklavier üben dürft. Dazu wäre es natürlich vorteilhaft, wenn ihr euch in die Liste eintragt. Jetzt beginnen wir mit den ersten Übungen.« Carsten verteilte Tennisbälle die jeder nach seinem Vorbild halten sollte. Er erklärte jedem den Zweck dieser Übung. Erst lachten einige und auch Carsten nahm es mit Humor. Später zeigte er ihnen an seinem Klavier welche Übungen sie machen sollten. Nach zwei Stunden beendete er seinen Unterricht. Er teilte jedem einen Termin zu. Dabei waren die Kleinsten zuerst dran. »Ich danke euch und hoffe es hat euch allen Spaß gemacht. Für eure Eltern habe ich hier noch einige Unterlagen mit Informationen. Die letzte Seite ist ein Formular, das sie unterschreiben müssen. Bitte bringt mir dieses Schreiben zu euren Terminen wieder.« Jeder nahm sich ein Exemplar vom Stapel und verabschiedete sich. Carsten räumte etwas auf. Der Hauswart hatte noch ein abschließbaren Schrank in den Raum stellen lassen und Carsten verstaute darin die Materialien. Zuletzt setzte er sich an sein Klavier und spielte einige Melodien vor sich hin. Mary vom Frauenverein brachte ihm noch eine Tasse Tee. »Es ist schön, dass Sie hier den Kindern Unterricht erteilen. Ganz im Sinne des Schulhauses und des alten Organisten.« »Ich hatte zuerst meine Bedenken zu diesem Raum. Doch ich habe meine Meinung revidiert. Einige der Schüler haben kein eigenes Klavier zur Verfügung. Ich hoffe es geht in Ordnung, wenn sie dann hier ihre Übungen machen.« »Das war früher auch schon so. Mrs. Gilles hat schon entsprechendes organisiert.« »Danke. Ich habe heute noch ein Meeting mit dem Vorstand des Kirchenchores. Mal sehen was deren Anliegen ist.«

Das Anliegen stellte sich genau zu der Thematik heraus, die Carsten befürchtete. Der Vorstand wollte ihn als Leiter des Gesangsvereins. »Sie haben eine zu große Erwartung an meine Person. Ich kann dirigieren, doch das bezieht sich auf Profimusiker. Diese sind selbst in der Lage auch ein Orchester leiten zu könnten. Es würde sicher auch nicht ihre Probleme mit Mr. Johnson lösen. Wenn der Chor mehr als nur liturgische Lieder singen möchte, tragen sie es mit Bestimmtheit vor. Letztendlich nutzt einem Dirigenten die beste Kunst nichts, wenn das Ensemble nicht mitspielt. Denken sie darüber noch einmal nach.« Es brauchte einige Momente, bis jedem im Raum klar wurde, was Carsten da sagte. Seine Position war in dieser Hinsicht sehr deutlich. Doch die Anspielung auf einen Boykott des Chores eröffnete Chancen etwas zu ändern. Der Besuch ging mit anderen Erwartungen als er gekommen war. Carsten schloss den Raum und das Gemeindehaus ab. Die Schlüssel gab er in der Library ab. Danach führte ihn Leonardo nach Hause.

Carsten war etwas überrascht, als Leonardo ihn zum kleinen Pförtnerdurchgang lotste. Dieser war zudem noch geschlossen. »Jetzt haben wir ein Problem. Wie kommen wir hinein? Hier gab es doch einen Klingelknopf, kannst du mir ihn zeigen?«, sprach Carsten seine Gedanken an Leonardo gerichtet aus. Dieser sah sich kurz um und führte ihn zum besagten Objekt. Erst tastet Carsten die Oberfläche ab und als er einen Taster spürte drückte er darauf. »Ja bitte?«, schallte es aus einem Lautsprecher. »Ich bin es Andreas, kannst du mir die kleine Pforte öffnen?«, sprach Carsten in dessen Richtung. Hoffend, dass die Sprechanlage funktionierte. Kurz darauf ertönte ein Summen und klicken. Leonardo führte ihn zur Pforte und diese öffnete sich. Nach dem er durchgegangen war, fiel sie wieder ins Schloss.

»Sorry, Carsten! Der Elektriker hat heute die Schließmechanik installiert. Du warst schon unterwegs«, entschuldigte sich Andreas, als Carsten die Küche betrat. »Das war ja unser Anliegen, dass die Tore elektrifiziert werden. Wie ist denn die Mechanik?«, vertiefte Carsten das Thema. »Die Durchfahrt öffnet sich zu beiden Seiten hin bis zu einem Anschlag. Es kann durch eine Fernbedienung geöffnet und geschlossen werden. Zudem gibt es Schaltflächen an jedem Hauseingang und dem Panel der Alarmanlage. Die Sprechanlage hast du ja bereits kennengelernt. Für das kleine Tor bekommst du einen Schlüssel. Es kann von hier aus durch die Sprechanlage entriegelt werden und später auch vom Pförtnerhaus. Es fällt automatisch wieder ins Schloss und ist verriegelt. Die Sprechanlage selbst ist mit unserem Festnetz-Telefon verbunden. Du kannst von jedem Telefon durch drücken der Raute-Taste das Tor entriegeln.« »Eine gut durchdachte Lösung. Die Videoanlage? Wurde diese auch schon Installiert?« »Noch nicht vollständig. Das wird in den nächsten Tagen erledigt. Wie war es im Gemeindehaus?« »Ich habe vier kleine Ladies und Gentlemen für Freitag Nachmittag und werde den Termin um eine Stunde verlängern. Mal sehen, wie viele davon bleiben.« »Was wollte denn der Vorstand vom Chor von dir? Ich habe den Termin im Timer gesehen.« »Sie wollten mich als ihren Chorleiter, doch dem habe ich sofort widersprochen. Ich mische mich nicht in deren Probleme mit Mr. Johnson ein. Jedoch habe ich sie daran erinnert, dass sie im übertragenden Sinne dessen Instrumente sind.« Andreas schüttelte schmunzelnd den Kopf. Klar, dass Carsten so eine Sache mit seiner spitzen Zunge entgegnete. Er wusste, dass der Organist ihnen nicht wohl gesonnen war. Dazu kam noch, dass innerhalb der kurzen Zeit das Dorf sie in ihrer Gemeinschaft aufgenommen hat. Was nicht zuletzt an ihre offene Art lag. »Wo ist Merlin?«, wunderte sich Carsten. »Der ist zum Dinner bei Gwenda und Ben. Vielleicht sollten wir heute auch wieder das Pub aufsuchen?« »Du willst doch nur den neuen Tratsch hören. Die Idee ist gut. Wir nehmen unsere Hunde mit, dann haben sie auch gleich ihre Gassirunde hinter sich. Im Notfall nehmen wir zurück ein Taxi.« »Gut, was möchtest du zum Dinner?« »Eine Quiche, dazu Salat und etwas Brot. Ich denke es würde ein spanischer Rosé dazu passen.« »Wow, machen wir uns einen südeuropäisches Dinner. Italienischer Salat, französische Quiche Lorraine und ein spanischer Wein. Brot gehört in allen Ländern dazu. Ich mache uns das Dinner und du die Rationen für die Tiere.«

Das Dinner machte seinen Namen alle Ehre. Andreas zauberte eine sehr gute Quiche Lorraine und seinen italienischer Salat empfand Carsten als Gedicht. Der Wein rundete mit seinem weichen Geschmack das Genusserlebnis ab. Mit einer kleinen Käseplatte beschlossen sie das Abendessen.

Die Hunde hatten sich nach ihrer Ration zurückgezogen. Lediglich Charaid’s Napf enthielt noch eine kleine Menge. Der kleine Kater teilte sich sein Fressen etwas ein. Merlin hatte die richtige Menge gefunden und Charaid ließ davon nur sehr selten etwas übrig. »Hier ist der Schlüssel zur Pforte. Brauchst du auch eine Fernbedienung?« »Nicht wirklich, ich fahre selten selbst Auto. Im Fall eines Falles, gibt es noch die Sprechanlage. Das muss genügen.« »Es gibt noch eine Alternative. Eine Fernbedienung ist handlich, doch du kannst auch von deinem Telefon das Tor öffnen. Rufe unsere Festnetznummer an, dann drücke die Raute-Taste und gib eine PIN ein. Dann öffnet sich das Tor ebenfalls. Es ist halt umständlicher.« »Für mich kein Problem. Es wäre wohl besser wenn Merlin eine Fernbedienung bekommt, dann braucht er nicht von seinem Rad absteigen. Weiterhin brauchen wir noch eine für Mrs. Sanches und Mr. Moore.« »Was hältst du von Mr. Moore?«, frage Andreas beim Abräumen des Tisches. »Ich finde ihn sympathisch. Selbstsicheres Auftreten und seiner Stimme nach zu urteilen, lässt er sich kein X für ein U vormachen. Dann sind da noch unsere Hunde.« »Die waren doch gar nicht bei dem Gespräch dabei.« »Genau. Wenn Salvatore oder Leonardo argwöhnisch sind, begleiten sie uns. Doch nichts von dem bei seinem Besuch. Wir haben immer auf ihre Instinkte vertraut«, erklärte Carsten. »Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. So, wir können los, die Hunde brauchen Bewegung.«

Wieder machten sie sich zu Fuß auf. Da Andreas Carsten führte, liefen die Hunde um sie herum. Leonardo blickte dennoch immer wieder zu seinem Herrchen. Im Pub war schon einiges los und als sie eintraten, wurden sie wie alte Freunde willkommen geheißen. Leonardo und Salvatore suchten Wolf. Andreas sah ihnen kurz hinterher. »Andreas, Carsten ein Lager?«,fragte Ben vom Tresen aus. »Klar.« Beim Servieren meinte Ben, dass Merlin noch bei seiner Frau ist. Es galt noch etwas zu seinem Unterricht zu klären. »Er kommt später nach. Meist auf ein Softdrink oder Tee.« Ben lachte. »Meinen Kaffee mag er nicht. Er meinte ihr macht besseren.« »Kein Wunder, wir sind halt mit Kaffee groß geworden. Aber auch Merlin macht einen guten Kaffee, keine Ahnung woher er das kann.« Ben lachte wieder. »Carsten, Patrick ist auch hier, ihr solltet euch mal unterhalten und News austauschen.« Ben ging wieder zum Tresen zurück. »Wer ist Patrick?« »Der Dorfpfarrer. Er gehört zu den liberalen seines Standes. Ben meinte, er ist schon in Ordnung. Jetzt genießen wir das Bier und mal sehen wie sich der Abend entwickelt.«

Der Abend wurde wirklich gemütlich. Jeder unterhielt sich mit jedem und als Merlin auftauchte, musste er sich vielen Fragen zum Cattle stellen. Ein wenig waren die Farmer stolz, dass er sich gegen die üblichen Praxis des Einschläfern durchsetzen konnte. Mehr noch, Mr. Gilles sprach oft davon, wie er sich um das Kalb kümmerte. Bei Wind und Wetter mit dem Rad zweimal am Tag zur Farm fuhr und das sieben Tage die Woche. Carsten und Andreas hörten ihnen zu und freuten sich das Richtige getan zu haben, als sie Merlin einluden. Der Abend wurde ausgelassen beendet. Ob es üblich war, dass Carsten am Klavier saß und singende, leicht angeheiterte Männer begleitete? Merlin läutete mit seiner Version eines gälischen Volksliedes dann den Abschluss ein. Ben gab noch eine letzte Runde aus und so langsam trennten sich ihre Wege. Leonardo führte Carsten nach Hause, während Salvatore um Andreas und Merlin herumlief. »Merlin, wenn du magst bringe ich dich morgen zur Farm.« »Das brauchst du nicht. Dr. Miller hat gestern den Gips abgenommen. Der Bruch ist sehr gut zusammengeheilt und schränkt das Kalb nicht ein. Morgen wird es mit seiner Mutter wieder zur Herde gebracht. Das machen Mr. Gilles und der Doktor gemeinsam. Ich bin mit dem Erfolg zufrieden und es fühlt sich sehr gut an«, informierte der Junge die Beiden. »Ausschlafen?« »Wohl eher nicht. Charaid hat so seine Zeit und dann hat mir Gwenda auch einige Aufgaben gegeben, die ich lösen muss. Sie meinte, dass ich in Physik einiges nachholen muss.« »Dennoch, aus Erfahrung wissen wir, dass es auch eine Zeit zum Entspannen braucht. Vorschlag, vor dem Frühstück lass es ruhig angehen. Nach dem Frühstück kannst du dann loslegen. Ich möchte im Garten die letzten Handgriffe machen und ich nehme an, Carsten wird dann an dem Konzert üben.« »Wann ist denn das Konzert?«, fragte Merlin nach. »Nächste Woche Samstag in Edinburgh. Das Orchester hat die Grippe überstanden. Sie haben mir schon ein Kontingent von zehn Eintrittskarten zugesandt.« »Wäre es möglich, dass ich mitkommen könnte?«, fragte der junge Mann vorsichtig. »Natürlich. Du kannst mit uns fahren und dann sicher auch hinter den Kulissen der Usher Hall schauen.« »Was ist mit Salvatore und Leonardo?« »Die Hunde kommen selbstverständlich mit. Das ist eine grundlegende Voraussetzung wenn ich Konzerte gebe. Andreas kümmert sich dann um beide wenn ich auf der Bühne bin. Man mag es kaum glauben, aber beide lieben meine Musik und wissen sich zu benehmen.« »Was wird mit Charaid?« »Er weiß sich gut auch für einige Stunden allein zu beschäftigen. Heute war er ja auch allein. Er kann ja auch durch die Katzenklappe nach draußen. So wie er es mag.« Während des Gesprächs erreichten sie ihr Domizil. Vor der Pforte machte Carsten von seinem Schlüssel Gebrauch. Das Tor sah zwar sehr schwer aus, doch es ließ sich leicht öffnen. Nachdem alle hindurchgegangen waren schloss es sich leichtgängig. »Hier Merlin, dein Schlüssel für die Pforte und deine Fernbedienung für das große Tor.« »Danke.« Wie üblich wurde der Weg zum Haus leicht beleuchtet. Das Haus selbst erschien in einem weichen, milchigen Licht.

»Merlin, Charaid hat schon seine Ration bekommen. Du musst lediglich nachsehen, ob davon noch etwas übrig geblieben ist.« »Das mache ich jeden Abend bevor ich ins Bett gehe. Der Napf muss ja gereinigt werden.« Im Haus ging jeder seine Pflicht nach. Andreas kontrollierte die Eingänge. Währenddessen kontrollierten Carsten und Merlin die Näpfe. Die Wassernäpfe wurden frisch befüllt. Danach zogen sie sich zurück.

Andreas weckte Merlin spät. Selbst Charaid hatte den Jungen schlafen lassen und war auf leisen Pfoten in die Küche gekommen. Carsten hatte die Rationen schon vorbereitet. Der kleine Kater war wohl hungrig und sprang einfach auf den Tresen zu seinem Napf. Als Andreas das sah, nahm er den Kater behutsam auf. »Charaid, wir mögen es nicht, wenn du auf dem Tresen isst. Ich denke, der Boden ist viel geeigneter, da kannst du auch deinen Napf beruhigt verschieben.« Dieser guckte neugierig auf. Als Andreas auch den Napf nahm und auf den Boden stellte wirkte er zufrieden. Andreas hatte das Gefühl, der kleine Kater hatte verstanden. An seinem Platz nahm Charaid die Nahrungsaufnahme wieder auf, als sei nichts gewesen. Leonardo und Salvatore waren mit Carsten noch im Garten. Es würde sicher nicht mehr lange dauern, denn Andreas wusste, dass beide Hunde, nachdem sie sich erleichtert hatten, Hunger hatten. Er hörte wie Carsten auf der Veranda war und mit den Hunden sprach. Anscheinend hatten sie einen Abstecher in den Teich gemacht. »Schatz, ist etwas geschehen?« »Klar, unsere beiden Clowns waren im Teich. An sich nichts Tragisches, aber danach meinten sie sich direkt neben mir schütteln zu müssen. Sieh mich an, alles nass!« Andreas lachte lauthals los. »Seit wann bist du wasserscheu? Geh hoch und zieh dich um. Ich mache hier weiter.« »Du bist lieb.« Andreas gab seinem Schatz noch einen Klaps auf seinen Allerwertesten. Dann nahm er ein Handtuch und rubbelte beide Hunde trocken. Als Carsten wieder in der Küche erschien, begleitete ihn Merlin. Dieser hatte sich lediglich einen Morgenmantel übergezogen. Nach einem allgemeinen Guten Morgen, sah er nach den Näpfen von seinem Kater. Der kleine Tiger hatte sein Frühstück bereits beendet und widmete sich seiner Fellpflege. Carsten stellte die Näpfe der Hunde auf den Boden und weckte Charaid’s Neugier. Leonardo und Salvatore sahen zu ihren Rationen, doch erst als Carsten das Zauberwort sprach ging das große Fressen los.

»Nun Merlin, hast du ausgeschlafen?«, fragte Andreas. »Ja. Ich fühle mich ausgeruht. Der Tag kann beginnen.« »Tee oder Kaffee?« »Einen kräftigen Tee mit einem Schuss Milch. Was werdet ihr heute Nachmittag machen?« Merlin hatte wohl schon weitere Pläne für seinen Tag gemacht. »Also, wir gehen zum Markt. Anschließend zum Fleischer und Fischhändler. Leonardo und Salvatore haben einen gesunden Appetit. Zuletzt in den Supermarkt. Eigentlich sollte Leonardo das schon kennen, doch mir scheint, dass er sich manchmal ablenken lässt.« »Darf denn der Hund mit in den Laden?« Merlin schnappte sich ein frisches Croissant und bestrich es mit Marmelade. »Wir haben mit dem Inhaber gesprochen. Nach Geschäftsschluss haben wir auch eine gemeinsame Runde durch den Supermarkt gedreht. Danach hatte er keine Bedenken mehr, wenn Leonardo mich begleitet. Dennoch darf er sich nicht ablenken lassen. Das werden wir heute trainieren. Hast du einen Wunsch? Brauchst du etwas?« Merlin dachte angestrengt nach. »Im Moment fällt mir nichts ein.« »Wir sind ja noch hier. Wenn du etwas brauchst, schreib es mit auf die Liste am Kühlschrank. Dann vergessen wir es auch nicht«, mischte Andreas sich in das Gespräch ein. »Danke.« Jetzt tunkte er sein Croissant in den Tee und genoss das wabblige Croissant. »Bist du dir sicher, nicht doch Franzose zu sein? So genießen diese nämlich ihr Croissant … nur eben mit einem französischen Café au Lait.« »Ich mag es so. Eigentlich ist es aus der Not geboren. Brot wird ja mit der Zeit hart und so konnte ich immer das ganze Laib essen. Selbst nach einigen Tagen. Lediglich die Marmelade ist neu hinzugekommen. Ich muss sagen, dass ihr selbst auch Genießer seid. Orangen-Limetten Marmelade konnte ich mir nicht leisten.« »Ehrlich, Merlin, ich musste mich an den Geschmack gewöhnen. Erst den etwas herb-sauren Geschmack und dann die süße Nachwirkung. Was anderes als die üblichen Konfitüren.« »Als wir das erste Mal in London waren, hatte sich Carsten ein typisches englisches Frühstück gegönnt. Gebratene Würstchen, Bacon and Egg und eine so würzige Sauce, war nicht so nach unserem Geschmack für den Start in den Tag. Aber ein guter Breakfast Tee, Toast und Marmelade machen wirklich munter. Während meiner Ausbildung habe ich auch immer eine Thermoskanne Tee dabei gehabt. In den warmen Sommermonaten löschte dieser den Durst und bei ungemütlichem Wetter wärmte er auf. Tee trinken wir auch heute noch gern zwischendurch. Sag mal Merlin, hast du dir die Statuen schon angesehen?«, wechselte er das Thema. »Klar. Carsten hattest vollkommen recht mit den Lichtverhältnissen. Die Bronzen im Garten wirken dort viel besser, weil diese weniger im Kontrast zum Grün stehen. Die Marmorplastiken heben sich durch ihr elfenbeinfarbiges Erscheinungsbild von der beigefarbigen Terrasse ab. Dadurch, dass die Blickrichtungen der Modelle leicht Diagonal gehalten sind, geben sie eine Art Portal zum Haus. Während die Bronzen irgendwie wie Wächter wirken. Ich habe sie mir auch genauer im Tageslicht betrachtet. Einer der Bronzen sieht Andrea ähnlich. Während der Pan mich irgendwie an euch Beide erinnert.«

»Du hast Recht. Zio Jihan, hat in den Figuren unsere Familien charakterlich dargestellt. Ich hoffe nur, er war nicht zu detailgetreu bei dem Hirtengott«, grinste Carsten. »Nein, ab der Hüfte ist er ein Widder. Ich werde mich jetzt mal fertigmachen und Physik lernen.« »Merlin, wenn du dazu Fragen hast. Wir waren beide nicht ganz so schlecht in diesem Fach.« »Danke. Ich werde darauf zurückkommen, wenn ich selbst nicht mehr weiterweiß.« Merlin nahm sich seine Tasse Tee mit. »Schatz, ich räume hier noch auf und gehe in den Garten. Die Tür lasse ich offen, dann können die Hunde selbst entscheiden wo sie hinwollen.« »Danke. Ich denke, ich habe das Konzert soweit im Griff. Es wird lediglich eine Generalprobe am Nachmittag geben.«

Andreas nahm seine Schubkarre mit den Utensilien und begann am Haupteingang die Sträucher etwas zurückzuschneiden. Nach zwei Stunden wandte er sich den Pflanzen auf der Terrasse zu. Einige von denen gehörten an einen geschützten Ort. Mit einer Sackkarre beförderte er die Kübel in sein Gewächshaus. Anschließend säuberte er noch die freie Fläche vor der Küche. Zwischendurch kamen Salvatore und Leonardo raus und jagten sich gegenseitig. Auch ein obligatorisches Bad im Teich durfte nicht fehlen. »Na Schatz, alles Ok?« Andreas hatte Carsten nicht kommen gehört. »Ich verstehe das nicht. Das Wetter hier ist nicht ganz so extrem wie auf dem Kontinent. Milde Temperaturen am Tag und fallende in der Nacht.« »Nun, Schottland ist da abhängig vom Golfstrom. Die milden Temperaturen bringt der Atlantik mit. Sobald die Sonne untergeht, ändert sich das. Da wird der Effekt von der Landmasse bestimmt. Dann da auch die geographische Nähe zum Polarkreis. Damit werden wir leben müssen. Denn an den natürlichen klimatischen Bedingungen können wir wohl schlecht etwas ändern.« »Das ist auch gut so. Die kälteempfindlichen Pflanzen sind im Gewächshaus. Am Eingang habe ich die Stauden und Sträucher etwas zurückgeschnitten. Die werden im kommenden Jahr gut austreiben.« »Was ist mit dem Weg?« »Ich werde nur den Hauptweg später vom Laub befreien. Sonst wird es zu rutschig. Dein Weg wird von Mr. Hill in Ordnung gehalten. Mehr aber auch nicht.« »Mir reicht es. Ich habe nicht vor querfeldein durch den Park zu laufen. Wann sollen wir los?« »Ich räume meine Geräte noch weg. In einer Stunde?« »Gut, dann gehe ich noch eine kleine Runde mit den Hunden spielen.«


Das Konzert in der Usher Hall gab Merlin ein ganz neuen Einblick in die Musikwelt. Als Merlin Carsten in seinem Konzert Outfit sah, schien ein ganz andere Mann vor ihm zu stehen. Sowohl Carsten als auch Andreas trugen ein Ensemble, was ihnen Seriosität verlieh und doch verspielt wirkte. Andreas hatte ihm gesagt, dass diese Kleidung von einem Mailänder Herrenschneider entworfen wurde. Hier sah Merlin zwei junge Männer von einer ganz anderen Seite. Dennoch kannte er die Beiden gut genug, dass sie wegen ihres Erscheinungsbildes nicht abhoben. Andreas nahm Leonardo und Salvatore mit zu ihren Plätzen. Merlin sah sich interessiert im Konzertsaal um. Er sah einige Männer in sehr dunklen Anzügen. Als er Andreas darauf aufmerksam machte, klärte er ihn auf. »Neben der lokalen Prominenz sind auch einige Politiker und Sponsoren anwesend. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zu deren Schutz Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. In manchen Städten bekommt sogar Carsten einen Bodyguard zur Seite gestellt. Aber Carsten hat klar gemacht, dass die Hunde und ich ungehindert Zutritt zu seiner Garderobe haben. Es kommt vor, dass Leonardo einfach nur relaxen und seine Ruhe haben will. Dann ist die Garderobe für ihn der beste Ort. So, die Musiker treten auf. Handy aus und genieße die Darbietung.« Merlin kontrollierte sein neues Smartphone ob er es wirklich ausgeschaltet hatte. Leonardo legte sich zu seinen Füssen und Salvatore wählte Andreas Nähe. Das Licht dimmte etwas und eine sanfte Ouvertüre begann. Nach wenigen Minuten gab es Applaus für die Musiker. Der Dirigent verbeugte sich und verließ die Bühne um wenige Augenblicke in Begleitung des Pianisten wieder zu erscheinen. Am Flügel richtete sich Carsten ein. Dann sah Merlin wie Carsten kurz in Richtung des Orchesterleiters nickte. Jetzt wurde das Licht im Konzerthaus gänzlich heruntergefahren und die Bühne besser ausgeleuchtet. Merlin hörte leise Taktschläge und das Orchester begann leise zu spielen. Carsten setzte einige Augenblicke später ebenso sanft ein. Merlin überkam eine Gänsehaut, als er das hörte. Was die Musiker dort boten war eine Kunst, die er so noch nicht kennenlernen durfte. Gespannt sah er dem Geschehen zu. Viel zu schnell nach seinem Empfinden, begann ein erst verhaltener dann immer stürmischer werdender Applaus. Carsten und der Dirigent honorierten dies mit einer typischen Verbeugung zum Publikum und zum Orchester. »Jetzt wird Carsten erst einmal die Bühne verlassen. Im Backstage bekommt er etwas zu trinken. Dann folgt eine Zugabe.« »Was wird er spielen?«, flüsterte Merlin. »Das wissen nur das Orchester und Carsten. Es ist aber immer spannend, weil Carsten auch eine Zugabe frei wählt.«

Die letzte Zugabe begann Carsten wie immer im Solo. Andreas schmunzelte, als er die ersten Takte vernahm. Von Prokofjew spielte er ein kleines Potpourri aus seiner Komposition ›Peter und der Wolf‹. Auch wenn Carsten im Solo begann, so konnte das Orchester sich dem Einfluss nicht verwehren, das Thema selbst aufzugreifen.

»Jetzt beginnt die Pause. Carsten hat noch gesellschaftliche Verpflichtungen und nach der Pause ist Feierabend.« »Was sind das für Verpflichtungen?«, hakte Merlin nach. »Komm, lass uns etwas trinken gehen.« Im Foyer war am Ausschank einiges los. Andreas gab Merlin die Leinen der Hunde und holte für jeden ein alkoholfreies Getränk. »In der Pause trifft er sich oft mit dem Konzertmeister und dem Dirigenten. Gemeinsam stellen sie sich den ersten Reaktionen. Manchmal kommen Sponsoren auf ihn zu, um ihn zu engagieren. Nach seinem ersten Konzert in London bekam er ein Angebot für die Aufnahme aller fünf Beethoven Klavierkonzerte. Mit den Einnahmen hat er sein Studium in London finanziert.« »Und was ist mit dir?« »Ich begleite ihn nur im Ausland zu diesen Verpflichtungen oder wenn er Leonardo dabei hat. Er spricht deutsch, etwas französisch und fließend englisch. Ich stehe ihm in anderen Sprachen bei. Tschechisch, Italienisch, Französisch und Spanisch. Ich kann zwar auch etwas arabisch, aber nur im Dialekt meines Onkels. Dann habe ich auch noch die Funktion des Hundesitters inne. Es klingt zwar etwas absurd, doch ich genieße diese Abende mit ihm.« Andreas Mobiltelefon summte. Carsten hatte ihm gebeten in die Garderobe zu kommen. »Carsten ist fertig. Möchtest du noch bleiben?«, fragte Andreas. »Nein, ich habe genug erlebt. Es war schön, einen Einblick in die klassische Musik zu bekommen.« Merlin stellte sein Glas auf einen der kleinen Stehtische ab. Dann sah er Mrs. und Mr. Hill im Foyer. »Andreas, kannst du noch einen Moment warten? Ich würde gern noch einige Worte mit den Hills wechseln«, bat er seine Begleitung. Der Angesprochene nickte lediglich zustimmend.

»Guten Abend Mrs. Hill, Mr. Hill.« »Hallo Merlin, Konzertluft schnuppern?« »Ja, ich bat Carsten darum, ein solches Event einmal live erleben zu dürfen. Doch ich habe ein kleines Anliegen. In unserem Tierheim gibt es momentan Personalmangel. Könnten sie sich vorstellen dort zwei, drei mal die Woche vorübergehend mit einigen Hunden Gassi zu gehen?« »Natürlich«, meinte Mrs. Hill. »Meine Männer kommen auch gut ohne mich zurecht. Ich rufe dort einmal an und frage wann es am besten passt.« »Danke. Dr. Miller hat in seiner Praxis zwar einen entsprechenden Aushang, jedoch kaum Reaktion.« Ein kleiner Gong unterbrach das Gespräch. »Das Konzert geht weiter. Ich möchte mich jedoch schon verabschieden. Wir fahren jetzt schon nach Hause.« Merlin drückte mit dem typischen gälischen Gruß beiden die Hand. Darauf hin gingen er und Andreas mit den Hunden zur Garderobe. Carsten hatte sich bereits umgezogen und über einer Stuhllehne lag seine Konzertkleidung. Andreas nahm diese und verstaute diese in einem Kleiderschutzsack. Durch den Hinterausgang verließen sie die Konzerthalle. Merlin ließ beide Hunde in den Fond einsteigen, wo sie sich auch sofort hinlegten. Er selbst nahm auf dem Rücksitz Platz. Den Kleiderschoner legte Andreas sorgsam neben ihn ab. »Das war ein schönes Konzert. Bist du zufrieden, Carsten?« »Ja. Es war eine sehr schöne Interpretation. Andreas, meine Sachen müssen in die Reinigung.« »Das erledige ich in den nächsten Tagen. Zuhause hänge ich sie zum Lüften raus.«

Sie hatten gerade den Randbezirk von Edinburgh passiert, als von der Rückbank ein leichtes Schnarchen zu vernehmen war. Carsten lächelte vor sich hin. »Sieht so aus, als sei Merlin eingenickt.« »Für ihn war es wohl auch ein langer Tag. Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie leise unsere Limousine ist.« »Da gebe ich dir Recht. Sie war zwar etwas teurer, doch die Anschaffung hat sich bezahlt gemacht. Selbst unsere beiden Hausgenossen liegen friedlich schlummernd im Fond.« »Du bist auch ein guter Chauffeur. Wie lange werden wir brauchen?« »Ich denke etwas mehr als eine Stunde. Willst du noch mit den Hunden raus?« »Nein, Bewegung hatten sie genug, kurz in den Garten und gut ist. Ich hätte aber nichts gegen eine Kleinigkeit zum Essen.« »Was hältst du von einem kleinen Obstsalat?« »Das wäre ideal. Wie fandest du das Konzert?« »Es war gut. So wie ich gehört habe, gab es im dritten Teil kleine Unstimmigkeiten.«

»Ja, war nicht zu vermeiden. Dem Bass ist eine Saite gerissen. Aber er hat gut pariert. Du weißt, dass du schon ein sehr gutes Gehör hast? Es ist nämlich dem Kritiker der Alba-News nicht aufgefallen.« »Kunststück, du spielst das Konzert mit Begleitung schon eine ganze Weile. Da fallen Abweichungen auf. Doch jeder mit Sinn für Harmonien hätte die kleine Dissonanz auffallen müssen.« »Wow. Volker hatte durchaus damals Recht gehabt. Du hast ein feinen Sinn für Musik.« »Das habe ich meiner Familie zu verdanken. Mama hat mich mit der Musik spielerisch vertraut gemacht und Papa hat uns gefördert. Später haben Nonno und Nonna dafür gesorgt, dass ich auch Klavierunterricht bekam. Du hast Signore Pittore ja kennengelernt.« »Ja, so konservativ er auch wirkte, er war offen für jede noch so kleine Änderung in der Spieltechnik. Er hat mir sogar noch einige Kniffe im ›Spiel mit der flachen Hand‹ von Horowitz gelehrt. Oder wie er sich mit dem Laptop vertraut machte, allein um Fabrio zu unterrichten. Das ist alles andere als selbstverständlich für einen Klavierlehrer.« »Ehrlich Tiger, ich verstehe diese Technik mit der flachen Hand nicht wirklich.« »Man kann sie auch nicht richtig verstehen, weil sie eine spieltechnische Philosophie ist. Man muss es einfach fühlen. Diese passt auch nicht auf jede Komposition. Vladimir Horowitz war wirklich ein Pianist der Extraklasse, doch er hat mit seiner Technik auch so manches Stück einfach nur versaut. Ich habe einige Aufnahmen von ihm die schrecklich sind. Für dieses Konzert von Rachmaninow war vor allem die Technik von Swjatoslaw Richter ausschlaggebend: Präzise Technik.« »Wie viele Techniken hast du eigentlich?« »Du meinst wie viele Techniken ich beherrsche. Denn eigentlich habe ich nur eine, meine eigene Technik. Beherrsche aber noch ein halbes Dutzend andere Spieltechniken.« »Wie entscheidest du welche Technik du verwendest?« »Ehrlich, ich lasse meinen Bauch entscheiden. Du weißt doch, dass ich mich immer erst mit der Komposition auseinandersetze. Auch wenn ich ein Stück schon öfters gespielt habe, die Interpretation ist immer eine Neue.« »So, wir sind gleich Zuhause. Kannst du einmal versuchen, das Tor mit einem Anruf zu öffnen?«, bat Andreas. Carsten holte sein Smartphone hervor und ließ ihre Festnetznummer wählen. Dann drückte er die Raute-Taste und gab anschließend seine PIN ein. »Wie lange bleibt das Tor offen?« »Der Elektriker hat fünf Minuten vorgegeben, wir können das aber noch anpassen. Andersherum schließt es sich schneller, sobald jemand durchgefahren ist.« »Dann bin ich jetzt einmal gespannt.«

Das Tor war schon geöffnet, als die Scheinwerfer die Einfahrt beleuchteten. Auch der Weg war gut ausgeleuchtet. Im Rückspiegel sah Andreas wie das Tor sich nach dem Passieren schloss. Auch die Beleuchtung des Weges dimmte hinter dem Wagen.

»Es sieht gut aus. Das Tor ist wieder zu und die Laternen gehen langsam aus.« »Dann hat ja alles funktioniert. Mein Kompliment an die Technik. Wie ist das eigentlich, wenn der Strom ausfällt?« »Für die Schließmechanismen gibt es eine separate Stromversorgung. Damit kann das Tor geöffnet werden. Weiter kann das Tor auch manuell geöffnet werden. Das wird aber erst umgesetzt, wenn das Pförtnerhaus renoviert wurde. Das kleine Tor ist nicht elektrifiziert. Dafür aktiviert sich die Videoüberwachung sobald das Schloss entriegelt wird.« »Nun, eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme. So, ich gehe mit den Hunden ums Haus.« Vor der Garage ließ Carsten Leonardo und Salvatore aussteigen und ging in den Garten. Andreas weckte Merlin und gab ihm Carsten’s Kleider. Dann fuhr er den Wagen in die Garage. Mit der Fernbedienung schloss er den Wagen ab und wenig später schloss sich das Garagentor.

»Das hat aber etwas länger gedauert, Tiger.« »Beide waren noch einmal kurz im Teich, daher musste ich sie noch ein wenig trocken rubbeln. Jetzt haben sie sich aber zurückgezogen.« »Komm setzt dich. Der Salat steht auf sechs Uhr und eine Tasse Kakao auf drei. Merlin ist schon schlafen gegangen.«

Beide ließen den Abend in der Küche ausklingen. Zwischendurch ging Andreas die Eingänge kontrollieren und schaltete die Alarmanlage ein. Im Haus wurde es still. Hin und wieder konnte man tapsende Geräusche hören. Leonardo und Salvatore bedienten sich am Wassernapf und streifen durchs Haus.

Weit nach Mitternacht weckte Salvatore Andreas. »Du willst raus?«, meinte er verschlafen. Schläfrig stand er auf, zog sich etwas über und ging mit dem Hund auf die Veranda. Mit einem Druck auf das Tastenfeld der Alarmanlage deaktivierte er die Sicherheitseinrichtung und öffnete die Tür. Salvatore lief hinaus und begann zu bellen. Jetzt war Andreas hellwach. Salvatore bellte normalerweise nicht, wenn er mal kurz pieseln musste. Auch Leonardo lief plötzlich hinaus. Neugierig, was beide Hunde so aufbrachte, folgte er ihnen. Während Salvatore vorauslief, bewegte Leonardo sich in Sichtweite von Andreas. Salvatore führte beide in Richtung des Spielplatzes. So langsam fröstelte es Andreas. »Sag einmal Leonardo, was hat dein Bruder nur?«, meinte er und erwartete nicht wirklich eine Antwort. Dennoch begann der Hund sein Tempo zu erhöhen. Andreas blieb nichts weiter übrig und verfiel in ein leichtes Joggen. »Salvatore! Leonardo!« Leonardo drehte um und lief Andreas entgegen. Am Spielplatz angekommen, versuchte Andreas die Hunde ausfindig zu machen. »Ich hätte eine Taschenlampe mitnehmen sollen. Wo seid ihr nur?«, ärgerte Andreas über sich selbst. »Wuff, Wuff…!«, bekam er als Antwort. Ok, von Carsten hatte er gelernt, dass es manchmal gut ist einfach stehenzubleiben und den Geräuschen zuzuhören. Nach einigen Augenblicken hatte er die ungefähre Richtung. Da kam ihm auch schon Leonardo entgegen und dieser führte ihn direkt zu Salvatore.

Andreas hatte sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt und konnte jetzt schon einiges Erkennen. Salvatore schubste und schnüffelte an einem dicken Bündel. Als Andreas neben ihm stand, setzte er sich. Andreas erkannte eine dicke Wolldecke. Vorsichtig nährte er sich und versuchte diese anzuheben. Ein leises Wimmern ertönte. »Leonardo, lauf nach Hause!«, lautete Andreas erstes Kommando. Carsten’s Hund lief sofort los. »Salvatore, danke. Wir nehmen das Bündel jetzt mit nach Hause.« Vorsichtig hob Andreas die Wolldecke samt Inhalt auf. Behutsam gingen sie den Weg zurück. Salvatore zeigte einmal mehr, dass er von seinem Bruder etwas gelernt hat. Umsichtig achtete er auf den Weg vor ihnen.

Im Haus weckte Leonardo sein Herrchen indem er einfach bellend auf das Bett sprang. »Leonardo was ist los? Runter!« Der Retriever folgte den Worten, blieb aber im Zimmer. Dann tastete Carsten auf die andere Bettseite. Diese war nur leicht warm und von Andreas keine Spur. Carsten ahnte, dass etwas passiert sein musste. Als er aufstand und sich seinen Morgenmantel überzog, beruhigte sich der Hund. »Dann mal los.« »Carsten was ist los?«, fragte Merlin. »Ich weiß es nicht. Andreas ist weg und Leonardo weckte mich. Was ist mit dir?« »Ich wurde von Charaid geweckt. Er hat wohl Tumult gehört. Gehen wir nachsehen was ist!« Gemeinsam gingen sie ins Erdgeschoss. Leonardo folgte ihnen und auf der Treppe schloss sich auch Charaid ihnen an. »Sieh du in den Arbeitszimmern und im Salon nach. Ich gehe zur Veranda. Ach, schalte die Außenbeleuchtung ein, vielleicht ist Andreas ja raus.«

Auf der Veranda war Keiner und Carsten ging in Begleitung von Leonardo in den Garten. »Andreas?«, rief er. »Hier, danke, dass du das Licht eingeschaltet hast. Ich hätte eine Lampe mitnehmen sollen«, antwortete ihm Andreas. »Was ist den passiert? Leonardo hat mich rüde geweckt.« »Salvatore hat etwas gefunden und ich habe es mitgebracht.« »Wo?« »Ich mag es kaum glauben, in der Nähe des Spielplatzes. Wir sollten hineingehen. Mir ist kalt.« Andreas ging weiter und Carsten folgte ihm, begleitet von beiden Hunden. In der Küche legte er das Bündel auf den Tisch und vorsichtig wickelte er die Decke auseinander. Hervor kam ein kleiner Mensch. Andreas sah kleine bläuliche Fäustchen. Dann berührte er sanft das Gesicht. Er fror bei der Berührung. Das Kind fühlte sich sehr kalt an. »Wir brauchen einen Arzt«, meinte er sofort. »Was ist denn? Ist dir etwas passiert?« »Nein, jemand hat ein Baby ausgesetzt. Es ist schon leicht blau und sehr kalt.« Merlin hatte beide gehört und brachte sein Telefon mit. »Notarzt?«, schaltete er sofort. »Das dauert wohl länger. Ruf den Dorfarzt an und einen Rettungswagen. Dann benötigen wir auch die Polizei.« Merlin wählte eine Nummer. Es dauerte einen Moment und Andreas hörte wie energisch er dem Arzt die Situation schilderte. »Dr. Peters, es ist ein Notfall. Ich verständige auch einen Rettungswagen, doch dieser braucht länger. Danke. In zehn Minuten, wir lassen das Tor offen, Rutherford Hall.« Dann wählte er die Nummer vom Rettungsdienst. Andreas hörte noch wie er ebenfalls die Situation schilderte und dass er Dr. Peters schon angerufen hatte. Seine Annahme bestätigte sich, der Rettungswagen würde etwa dreißig Minuten benötigen. »So, was machen wir in der Zwischenzeit?«, fragte er. »Erst einmal nicht viel«, begann Carsten. Er hat schweigend dem Geschehen beigewohnt. »Lassen wir das Baby sich langsam aufwärmen. Hier ist es warm genug. Merlin, kannst du mir mein Handy bringen? Es liegt auf meinem Schreibtisch. Andreas, kannst du mal Fieber messen?« Beide wunderten sich etwas über die Bitten. Doch jeder tat wie Carsten ihnen geheißen. Andreas holte ein modernes Thermometer und hielt es an ein Ohr des Kindes. »34°C! Nicht gut.« »Nein wirklich nicht. Aber lassen wir es langsam aufwärmen. Es wäre besser, wenn du unter dem Kind noch einige weiche Unterlagen legen könntest und auch seine Windeln müssten gewechselt werden.« Dann gab ihm Merlin sein Smartphone. Schnell hatte Carsten in seiner Kontaktliste einen Namen gefunden, deren Nummer er wählen ließ. »Mr. Blackmoore? Sie erinnern sich bestimmt noch an uns. Mr. Zahradník und von Feldbach. Wir haben auf unserem Anwesen ein ausgesetztes Baby gefunden.« Carsten wurde unterbrochen. »Danke, dass Sie kommen. Rutherford Hall in Skerray. Ein Arzt und der Rettungswagen sind schon verständigt.« »Wer ist Mr. Blackmoore?« »Der Kriminalbeamte, der uns bat dich aufzunehmen. Einen kleinen Menschen auszusetzen ist eine Straftat. Wenn wir die hiesige Polizei verständigen, weiß die ganze Grafschaft schon morgen Bescheid. Mr. Blackmoore ist da diskreter. Merlin, kannst du das Tor öffnen und den Schließmechanismus deaktivieren?« Merlin ging der Bitte nach. Interessiert folgten ihm die Tiere. Währenddessen hatte Andreas einige Decken geholt und diese unter dem Baby gelegt. Dieses war ruhig und schien eingeschlafen zu sein. Andreas fühlte nach seinem Puls. »Ein schwacher Puls, kaum fühlbar. Es wird doch hoffentlich nicht sterben?«, fragte er ängstlich in den Raum. »Das werden wir zu verhindern wissen. Der Arzt sollte bald eintreffen.« »Tiger, ich traue mich nicht die Windeln zu wechseln.« »Dann lass mich einmal machen. Ich kenne das noch von Ercan.« Carsten ging zu dem Baby. Geschickt wickelte er das kleine Wesen aus. Ein penetranter Geruch kam ihm entgegen. Die Windel war mehr als voll und sehr durchnässt. »Bring mir doch eine Schüssel mit handwarmen Wasser etwas Seife, ein Waschlappen und ein Handtuch. Dazu noch aus dem Bad Handcreme und wenn wir haben Puder.« Er selbst ging zum Schrank wo ihrer Küchenwäsche lag. Dort entnahm er eine Rolle mit Küchenpapier. So bewaffnet ging er zurück und machte den kleinen Jungen grob sauber. Andreas stellte die Schüssel und die anderen Sachen neben dem Baby ab. Carsten nahm den Lappen und machte vorsichtig sauber. Andreas sah bewundernd zu. Alle Handgriffe sahen gekonnt aus und bald schon lag der Junge sauber vor ihnen. Dann wickelte er das Handtuch als Ersatzwindel um den den Jungen. »So, das wäre erledigt. Ein kleiner kräftiger Mann. Seine Körpertemperatur ist gestiegen.« Carsten konnte es nicht lassen, strich dem Jungen über seine Hände. Ganz überraschend öffnete dieser eine kleine Faust und griff sich Carsten’s Finger. Es sah so aus, als ob er sich an Carsten klammerte. »Carsten, der Arzt ist da. Dann herein, er soll den Jungen untersuchen.« Dr. Peters war überrascht, als er die Utensilien sah. »Sorry, wir haben improvisieren müssen. Seine Windeln waren voll.« »Mr. von Feldbach, es war gut. Besser als nichts. Ich untersuche jetzt einmal den kleinen Mann.« Andreas räumte die gebrauchten Gegenstände weg und entsorgte Windeln und Papier. Carsten wusch sich seine Hände und begann für alle Tee zuzubereiten. Dem Arzt wollte er nicht im Wege stehen und nach der Aufregung brauchten wohl alle etwas Warmes.

»Es war gut, den Jungen nicht in ein warmes Bad zu stecken. Er ist etwas dehydriert. Der Rettungswagen ist verständigt?« »Ja, er müsste auch bald eintreffen.« »Ich gebe ihm eine physiologische Infusion. Mehr kann ich im Moment nicht tun. Ich schätze das Baby nicht älter als 72 Stunden. Ich glaube nicht, dass es schon untersucht wurde. Das werde ich durch die Klinik veranlassen. Sie wissen, dass ich die Polizei verständigen muss?« »Ja, auch das haben wir schon veranlasst. Wir erwarten einen Beamter der Kripo. Konnten sie irgendwelche besonderen Merkmale feststellen, dann können wir dem Beamten schon berichten. Die Decke, in der das Baby gewickelt war, übergeben wir ihm. Oder brauchen sie diese?« »Nein, wir werden im Rettungswagen entsprechende Decken haben. Die sind auch steril. Weiß der Rettungsdienst, um welchen Notfall es geht?« »Soweit ich informiert bin ja. Warum?« »Nun, der Junge gehört in einen Brutkasten. Leider nicht Standardausstattung eines Rettungswagen. Wenn aber die Information vorliegt, wird einer dabei sein.« Merlin kam herein. Seine Begleitung waren zwei Sanitäter, die einen gläsernen Kasten trugen. »Ah, gut«, meinte der Arzt. Dann besprach er die Maßnahmen mit dem Rettungsteam. Vorsichtig legten sie den kleinen Mann in den Kasten und führten die Infusion durch entsprechende Öffnungen. An einer Vorrichtung hängten sie den Beutel auf. Dann befestigten sie diverse kleine Elektroden an der kleinen Brust und auf einem Monitor wurden die entsprechende Vitalfunktionen angezeigt. Danach schlossen sie den Kasten. Andreas sah noch, wie einer der Sanitäter an diverse Knöpfe drehte. »Wozu sind die gut?«, wollte er wissen. »Damit regeln wir die Wärme des Innenraums. Bis zur Klinik sollte seine Temperatur wieder normal für Babys sein. Da braucht es etwas Fingerspitzengefühl.« »Danke, ich gebe Ihnen unsere Kontaktdaten, falls Sie noch Fragen haben.« Der Sanitäter nahm die Visitenkarte dankend entgegen. »Möchten sie uns begleiten Dr.?« »Ja, falls unterwegs etwas passiert, sollte ein Arzt sofort handeln«, gab sich Dr. Peters seiner Aufgabe hin. »Mr. Zahradník, kann ich meinen Wagen hier stehen lassen?« »Klar, es stellt kein Problem dar. Hier ist meine Visitenkarte, die benötigen sie eventuell, wenn die Polizei sie kontaktiert.« Dr. Peters steckte die ihm dargebotene Karte ein und folgte den Sanitätern zum Rettungswagen. Dieser setzte sich in Bewegung. Auf der Einfahrt kam diesem ein Wagen entgegen, der sofort Platz machte. Vor dem Haus stellte DI Blackmoore seine Wagen ab. Dieses Mal öffnet Andreas die Tür und begrüßte den Beamten. »Kommen Sie herein. Carsten hat schon Tee zubereitet.« Mr. Blackmoore sah erfreut den jungen Mann an. Dann folgte er Andreas in den Salon. Dort saßen schon Carsten und Merlin. »Merlin kennen sie ja. Mein Mann Carsten. Carsten … Mr. Blackmoore. Er steht zu meiner Rechten«, stellte Andreas den Besuch vor. Carsten stand auf und begrüßte den Neuankömmling. »Setzen Sie sich. Möchten Sie eine Tasse Tee?«, bot Carsten an. Dankend nahm der Beamte die Einladung an. Dann, nach wenigen Minuten des Schweigens, begann Mr. Blackmoore. »Was genau ist denn geschehen?« Andreas erklärte die Umstände und was genau passiert ist. Von dem Augenblick an, wo Salvatore ihn weckte bis der Rettungswagen sie verließ. Mr. Blackmoore machte sich Notizen. Danach goss er sich noch eine Tasse Tee ein. »Ich sehe …«, fasste er die letzte Stunde zusammen, »… es bedarf einer diskreten Untersuchung. Falls jemand aus der Gegend das Baby ausgesetzt hat, hat er kriminell gehandelt. Ich werde mich mit Dr. Peters und der Klinik in Verbindung setzen, damit die Sache so schnell nicht publik wird. Ich lasse auch meine Beziehungen zur Presse spielen. Zum Schutz des Kindes wird davon nichts berichtet.« Die Anwesenden verstanden die Absicht. »Merlin, wie ich sehe, geht es dir gut. Müssen wir uns noch Sorgen um dich machen? Ich habe schon einige Zeit nichts mehr von deinem Sozialbetreuer gehört.« »Sir, ich habe hier ein Zuhause gefunden. Andreas und Carsten haben mir eine zweite Chance ermöglicht. Ich jobbe beim Tierarzt und mit Hilfe einiger Bewohner kann ich die Schule abschießen. Außerdem habe ich drei weitere Aufpasser auf vier Pfoten.« Zur Demonstration schlich Charaid zu ihm und sprang auf seinen Schoß. Mr. Blackmoore nahm es wohlwollend zu Kenntnis. Dann wandte er sich wieder an Andreas. »Ich müsste eigentlich noch den Ort sehen, an dem der Junge abgelegt war. Vielleicht gibt es da noch mehrere Hinweise. Ich komme morgen wieder und bitte gehen Sie dort nicht hin.« Andreas nickte zur Bestätigung. »Ich werde mich jetzt zur Klinik begeben. Bis Morgen.« Andreas brachte Mr. Blackmoore zu seinem Wagen. Im Haus aktivierte er die Alarmanlage und den Schließmechanismus des Tores. Dann ging er zurück in den Salon. Merlin hatte schon wieder die Teeutensilien abgeräumt. Carsten war bei den Hunden und tätschelte beide. »Das habt ihr gut gemacht. Morgen gibt es etwas besonderes.« »Versuchen wir noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen. Es war eine aufregende Nacht.«

DI Blackmoore untersuchte mit einem Kollegen die Fundstelle schon zu Tagesanbruch, konnten jedoch nichts Neues entdecken. Dann weiteten sie die Suche bis zum Spielplatz aus. Doch auch da gab es nichts, was auf einen Täter schließen ließ. »Jim, wir gehen jetzt zurück zum Haus. Halten wir die Augen offen, vielleicht ist Mr. Zahradník unterwegs etwas heruntergefallen.« Sein Kollege machte ein skeptisches Gesicht, doch ein Versuch war es allemal wert. Auf dem Weg unterhielten sie sich etwas. Hin und wieder blieben sie stehen, wenn einer glaubte etwas entdeckt zu haben. »Martin, ich will ja nichts vorweg nehmen. Aber mir scheint es suspekt, dass jemand auf diese Entfernung überhaupt etwas hören konnte. Selbst Hunde haben irgendwo ihre Grenzen.« »Ich gebe dir Recht, die gleichen Gedanken hatte ich auch. Aber ich habe Salvatore kennengelernt. Der Hund hat einen siebten Sinn für solche Dinge. Auch seine Herren sind über jeden Zweifel erhaben. Es ist einfach nicht ihre Art. Mr. Zahradník und Mr. von Feldbach begegnen jeden Menschen offen. Sie haben Merlin einfach bei sich aufgenommen, obwohl sie von seiner Vergangenheit wussten. Heute Morgen habe ich noch einmal seinen Sozialbetreuer gesprochen. Er ist auf einem guten Weg, sein Leben zu meistern. Es brauchte lediglich Menschen, die ihm eine Chance geben Fuß zu fassen.« »Gibt es wirklich noch solche Charaktere?« »Ja. Was ist das da?« Dabei deutete er auf einen Zettel. Jim ging nachsehen und hob diesen auf. Er faltete das Stück auseinander und las. »Das erklärt einiges. Der Junge wurde dort abgelegt, weil seine Mutter nicht mehr weiterwusste. Sie bat die Herren, sich gut um ihm zu kümmern,« fasste er kurz zusammen. »Lass den Brief auf Fingerabdrücke untersuchen.« Jim tütete das Schreiben sorgfältig ein und verstaute es in seinen Koffer. Bis zum Haus fanden sie nichts mehr, was in Zusammenhang mit dem Fund stand. Carsten war im Garten und spielte mit den Hunden. Als diese die beiden Personen näherkommen sahen, wandte sich Salvatore ihnen neugierig zu. Sein Bruder ging zu Carsten und macht ihn auf seine Weise auf den Besuch aufmerksam. »Mr. von Feldbach, Guten Morgen«, begrüßte Mr. Blackmoore Carsten. »Mein Kollege von der Spurensicherung, Mr. Fisher.« »Guten Morgen. Konnten Sie neue Erkenntnisse sammeln?« »Nein, die Untersuchung brachte bisher keine neuen Ergebnisse. Die Wolldecke ist ein Massenprodukt und in jedem Supermarkt mit Babyartikel erhältlich. Es gab auch keine verwertbare DNA, außer die vom Kind selbst. Wir haben auf dem Weg hierher einen Zettel gefunden. Das Baby wurde bei Ihnen ausgesetzt, damit Sie ihm eine Zukunft bieten. Seine Mutter war wohl sehr verzweifelt, wenn sie keine andere Lösung sah. Jim wird den Hinweis noch auf Fingerabdrücke untersuchen«, informierte der Kriminalist. »Wie geht es dem kleinen Mann?«, war Carsten’s wichtigste Frage. »Er hat die Nacht gut überstanden. Ein kleiner Kämpfer. Die Untersuchungen haben heute Morgen begonnen. Sie wollten ihn nicht extra wecken. Der Kleine ist im Rettungswagen eingeschlafen und nach der Ankunft haben die Ärzte ihn erst einmal in dem Brutkasten gelassen. Heute Morgen bekam er schon seine erste Nahrung. Die Untersuchungen werden wohl den ganzen Tag in Anspruch nehmen. Der zuständige Kinderarzt möchte ihn nicht überfordern. Im Übrigen unterstützt er uns. Seine Pfleger hat er angewiesen, nichts über den Vorfall zu berichten.« »Können Andreas und ich ihn besuchen?« »Das müssen Sie mit dem zuständigen Jugendamt klären. Es ging kein Weg daran vorbei, diese Behörde einzuschalten.« »Gut, ich werde mich erkundigen. Darf ich Ihnen etwas anbieten?« »Danke nein, wir müssen zurück. Es gibt noch viel zu tun. Wir bleiben in Verbindung. Ich halte Sie auf dem laufenden Stand der Ermittlungen.« Beide Männer verabschiedeten sich und Salvatore begleitete sie noch bis zu ihrem Fahrzeug. Carsten entschied sich wieder ins Haus zu gehen. »Leonardo, Salvatore!« Beide Hunde flitzen zu ihrem Herrchen und folgten ihm ins Haus. »Andreas?« »Ich bin im Arbeitszimmer.« Carsten ging zu ihm. »Hast du Zeit? Ich möchte nach Inverness und dort zum Jugendamt. Mr. Blackmoore hat eine Nachricht gefunden, in der geschrieben stand, dass wir uns um den Jungen kümmern sollen.« »Willst du wirklich den Jungen adoptieren?«, fragte Andreas, obwohl er die Antwort schon kannte. »Wenn es machbar ist: Ja! Wir können ihm eine Zukunft bieten. Glaubst du, dass er sich in einem Heim wohlfühlen würde?« »Ehrliche Antwort? Nein. Er hat sich an deinem Finger festgehalten und es sah sehr vertraut aus. Komm, lass uns fahren. Wir sollten unseren Anwalt verständigen. Der kleine Mann hat Rechte und die sollten wir ihm gewähren.« Carsten zog sich fertig an. Andreas hatte das Navigationsgerät der Limousine bereits programmiert. Carsten öffnete das Heck und beide Hunde sprangen hinein. Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Als Andreas durch das Tor fuhr, kam ihnen Mrs. Sanches entgegen. »Mrs. Sanches, wir sind heute wohl den ganzen Tag unterwegs. Mr. Moore wird heute das Gästezimmer im östlichen Flügel beziehen. Seien Sie doch so freundlich und helfen Sie ihm dabei.« »Gut. Ich werde Edward auch das Haus zeigen.« »In meinem Arbeitszimmer ist auch eine Karte vom Anwesen. Falls er sich umsehen möchte, soll er die Karte nehmen. Seinen Wagen kann er auf dem freien Platz neben der Garage abstellen. Alles weitere erklären wir ihm dann beim Dinner heute Abend.« »Was ist mit Merlin?« »Er ist schon beim Tierarzt. Vielleicht freut er sich über frische Scones zur Teatime?« Dabei zwinkerte er Mrs. Sanches zu. Die Lady verstand den Wink. Dann wünschte sie ihren Arbeitgebern eine gute Fahrt. Auf dem Motorway ging es zügig ihrem Ziel entgegen. »Hast du unsere Hunde schon belohnt?« »Klar, beide haben einen großen Knochen zu ihrer Ration bekommen. Ich weiß nur nicht, wo sie diese hingeschleppt haben.« »Salvatore genießt solche Leckereien meist auf der Terrasse. Bei Leonardo bin ich mir nicht sicher. Wir werden es erfahren, wenn wir zurück sind.« Carsten grinste.

Bei der Behörde hatte Mr. Blackmoore den Besuch bereits angekündigt. So wurden Andreas und Carsten direkt von dem Sachbearbeiter empfangen. Dieser erläuterte ihnen ausführlich den Stand der Dinge aus Sicht der Behörde. »Zum Schutz des Jungen gilt ein behördlicher Nachrichtenstopp. Damit gilt auch für Ihren Haushalt absolute Schweigepflicht.« »Das ist doch selbstverständlich. Mr. Blackmoore hat uns darauf schon hingewiesen und es liegt auch ganz in unserem Interesse. Jetzt haben wir noch eine Frage zur Zukunft des Jungen. Laut einer Notiz wurden wir von der Mutter gebeten, uns um den Jungen zu kümmern. Die Frage lautet, ob etwas gegen eine Adoption spricht?« Erstaunt sah der Angestellte beide Männer vor ihm an. »Ich müsste mich erst in die entsprechende Bestimmungen einlesen. Prinzipiell versuchen wir die Unterbringung in einem Heim zu verhindern. Aber ich bin nicht sicher, was das Gesetz bei einer Adoption gleichgeschlechtlicher Paare verlangt. Ich begrüße jedoch ihr Vorhaben. Ich gebe ihnen einen Antrag und die entsprechenden Unterlagen unter Vorbehalt mit. So eine Adoption nimmt einige Zeit in Anspruch. Es ist zum Wohl des Jungen, dass alles auch genau geprüft wird. Selbst nach erfolgreicher Adoption stehen unregelmäßige Besuche durch die Behörde an.« Andreas nahm einen dickeren Aktenordner entgegen. »Zu Ihrem weiteren Anliegen. Ich habe wegen der besonderen Umstände beschlossen, dass Sie und nur Sie Beide den Jungen besuchen dürfen. Der behandelnde Arzt ist informiert. Ich bitte Sie dieses Privileg sehr ernst zu nehmen. Wenn ich ihnen einen Rat geben darf, nehmen Sie sich einen Anwalt für Familienrecht.« Nach guten zwei Stunden verließen sie die Behörde wieder. Den Weg zur Klinik kannte Andreas bereits. An der Rezeption meldeten sie sich beim Kinderarzt an. Ein Sicherheitsbeamter begleitete sie zum Sprechzimmer des Arztes. »Mr. von Feldbach, Mr. Zahradník entschuldigen Sie die Sicherheitsmaßnahme. Mr. Blackmoore bestand darauf.« »Es ist kein Thema. So haben wir auch die Vorsichtsmaßnahme verstanden. Es gilt das junge Leben zu schützen. Wie geht es dem kleinen Patienten?«, fragte Carsten. »Nach seiner ersten Mahlzeit haben wir mit den Grunduntersuchungen begonnen. Da keine gesundheitlichen Information vorlagen, haben wir die Standarduntersuchungen abgeschlossen. Der Junge wurde grundimmunisiert. Seine Geburt war wohl geheim gehalten worden. Die Nabelschnur wurde nicht fachmännisch durchtrennt. Das haben wir schon behandelt, damit keine Komplikationen auftreten. Wir haben auch eine Spenderin für Muttermilch. Damit hoffen wir auf eine natürliche Immunisierung und Etablierung seiner Darmflora. Soweit wie ich das als Arzt beurteilen kann, ist er in einer guten konditionellen Verfassung. Wenn sie möchten, dürfen sie zu ihm. Der kleine Patient liegt noch in seinem Brutkasten.«

Das Zimmer sah zwar steril aus, doch an der Decke befanden sich diverse bunte Mobile. Der Junge lag friedlich in seinem Brutkasten und schlief. Noch immer waren diverse Elektroden an seiner kleinen Brust befestigt. Andreas sah, dass am Bauch ein frischer Verband war. Das war wohl der kleine Eingriff am Nabel. »Er sieht so zufrieden aus«, meinte Andreas. »Bekommt er keine Infusion mehr?« »Nein. Er ist soweit stabil, dass er regelmäßig seine Flasche bekommt. Wenn sie Kontakt mit ihm aufnehmen möchten müssen sie ihre Hände erst desinfizieren. Wir haben hier ein neutrales Mittel ohne Duftstoffe.« Anscheinend hatte der Junge ausgeschlafen. Ein paar Bewegungen und ein Gähnen zeugte davon. Dann öffnete er seine Augen.

»Oh, es wird wohl Zeit ihn neu zu wickeln«, meinte die Pflegerin. Carsten bot sich an es machen zu dürfen. Die Schwester sah ihn erst skeptisch an, doch sie gab seiner Bitte nach. Vorsichtig öffnete sie das Bettchen und klemmte die Elektroden ab. Dann legte sie den kleinen Patienten auf die Ablage. Gekonnt entfernte Carsten die Windel. »Können wir Cedric vorher noch baden?« »Ja, wir haben hier eine kleine Wanne. Benötigen sie Hilfe?« Carsten tastete nach dem kleinen Bad und prüfte mit einer Hand die Wassertemperatur. Dann hob er gekonnt das Baby und legte es ins warme Wasser. Immer bedacht, dass sein Köpfchen durch ihn gestützt wurde. Geschickt badete er den Jungen und entlockte ihm wohlige Geräusche. Andreas sah gespannt zu. Er bemerkte, dass Cedric, wie Carsten ihn nannte, sich wieder an ihn klammerte. Nach dem Bad nahm Carsten ein Handtuch und trocknete ihn behutsam. Dann legte er den kleinen Mann auf den Wickeltisch und im Handumdrehen hatte der Junge neue Windeln an. »Das war wirklich gekonnt. So friedlich war der Junge die letzten Male dabei nicht. Wenn sie möchten, können sie ihm auch seine Flasche geben.« Carsten setzte sich und hielt wieder den Jungen professionell im Arm. Andreas gab ihm eine gefüllte Nuckelflasche. Mit einigen Spritzern auf seinem Handrücken prüfte Carsten die Trinktemperatur. Dann gab er Cedric den Nuckel und dieser begann daran zu saugen. Der kleine Mann war sehr hungrig. Beim Nuckeln hielt er sich wieder an einem Finger fest. Andreas verliebte sich just in diesem Moment an diesem Anblick. Beim Füttern sprach auch Carsten mit dem Jungen und die warme Stimme schien dem kleinen Mann zu gefallen. »Wow, wie haben Sie das nur geschafft? Er hat bisher nur immer die halbe Flasche geleert.« »Er war wohl sehr hungrig. Wenn Sie erlauben, halte ich ihn noch etwas auf dem Arm, damit die Luft entweichen kann.« Kaum ausgesprochen folgte schon ein kleiner Rülpser und mit diesem spuckte er auch etwas Nahrung aus. Carsten schien es nichts aus zumachen. Dann gähnte Cedric wieder. Carsten ließ sich von Andreas zum Bett führen. Dort legte er das Baby ins Bettchen. Die Pflegerin befestigte wieder die Elektroden. Dann deckte sie den Jungen zu und schloss den Deckel. »Er wird jetzt wieder etwas schlafen.« »Dann lassen wir ihn in Ruhe. Sweet dreams Cedric.« Andreas und Carsten verließen gemeinsam mit der Pflegerin das Zimmer. »Mr. von Feldbach, Sie haben erstaunliche Fähigkeiten. So als ob Sie nie etwas anderes gemacht.« »Kunststück, ich habe meinen kleinen Bruder baden und wickeln dürfen. Einmal gelernt vergisst man das nicht mehr.« »Sorry, dass ich meine Zweifel geäußert habe.« Ganz Gentleman wiegelte Carsten ab. »Mir ist lieber, dass Sie das Wohl des Kinds im Auge haben, als dass etwas passiert. Hatten sie dem Jungen schon einen Namen gegeben?« »Nein. Ich finde Cedric ist ein passender Name für ihn. So werde ich es auch in seiner Krankenakte vermerken.« »Dann tragen Sie doch bitte die Namen Cedric Francis ein«, entschied Andreas souverän. Die Pflegerin nickte zu dem Vorschlag, doch da lag ihr etwas wichtiges auf der Zunge. »Darf ich fragen, ob Sie sich weiter um ihn kümmern möchten?« Anstelle von Carsten antwortete Andreas. »Wir werden, wenn es keine Bedenken gibt, jeden Tag kommen. Wir werden dann auch mehr Zeit für ihn mitbringen.« Freundlich verabschiedeten sie sich.

Chapter 9

An ihrem Wagen angekommen, lagen beide Hunde friedlich nebeneinander. Es tat Carsten in der Seele weh, beide Hunde im Wagen zu lassen. Andreas hatte den Wagen wissentlich an einer sehr schattigen Stelle abgestellt und das Dachfenster etwas geöffnet. Als die Hundesicherung eingebaut wurde, hatte er auch noch extra Luftschlitze einrichten lassen. So wurde der Innenraum stets durchlüftet. Auch hatte er die beiden Wassernäpfe frisch befüllt. Carsten ging zum Heck und öffnete die Tür. Beide Hunde sprangen heraus und liefen ein paar Meter. »Andreas, wir gehen jetzt Gassi. Nimmst du bitte das Tau mit. Die Beiden brauchen Bewegung.« Andreas schloss sich der Ansicht an. In einem Park lösten sich beide und Andreas sammelte die Hinterlassenschaften ein. Die Tüte entsorgte er in einem entsprechenden Mülleimer. Dann wurde ausgiebig gespielt. Es gab Tauziehen zwischen den Hunden und ihrem Rudelführer. Andreas und Carsten warfen dann auch einen Stock, dem Beide mit viel Elan hinterherjagten. Diese Spielerei dauerte mehr als eine Stunde bis Leonardo und Salvatore ausgepowert sich zu ihren Herrchen gesellten. Carsten setzte sich auf eine Bank. Andreas setzte sich neben ihn und legte seinen Arm um Carsten. »Du magst Cedric Francis?«, diese Bemerkung war eine Feststellung. Carsten nickte zustimmend. »Ich glaube, ich habe mein Herz an ihn verloren. Seine kleine Faust hielt meinen Finger sehr fest. Es fühlte sich gut an. Bist du eifersüchtig?« »Welch ein absurder Gedanke. Du hast ein großes Herz, da gibt es für jeden von uns Platz. Wie schon bei Max steht Leonardo an erster Stelle. Dann schon bin ich an der Reihe und Salvatore. Du magst auch Merlin und jetzt auch Cedric Francis. Nein, bei dir hat jeder seinen Platz im Herzen und ich bin sicher auf Niemanden eifersüchtig.« »Wir sollten alle Register ziehen, damit der kleine Mann zu unserer kleinen Familie gehört. Ich habe mir auch schon ein paar Gedanken gemacht. So könnten wir den freien Raum auf unserer Galerie zu einem komfortablen Kinderzimmer umgestalten. Es bietet einem kleinen Mann viel Raum, um seine Kreativität auszuleben. Der Raum daneben könnte zu einem Badezimmer umgestaltet werden oder einem begehbaren Kleiderschrank.« »Das sind aber schon sehr konkrete Gedanken, Schatz«, schmunzelte Carsten. »Man kann sich nie früh genug vorbereiten. Ich hoffe es klappt. Du wirst ein sehr guter Dad sein. Ich habe die Liebe und das Vertrauen des kleinen Mannes zu dir gesehen.« »Glaube mir, du wirst auch ein guter Dad sein. Wer soll ihm denn einmal Fahrradfahren beibringen? Ich kann nicht sehen.« Andreas sah sprachlos seinen Gatten an. Erst als er ein leichtes zucken der Mundwinkel bemerkte, knuffte er ihn liebenswürdig in die Seite. »Nee, das machst du einmal schön selbst. Blind oder nicht, das ist deine Aufgabe.« »Komm, wir sollten uns auf den Weg nach Hause machen. Dann kontaktieren wir unseren Anwalt. Mal sehen ob er den Vorgang beschleunigen kann. Ich suche dir eine Verbindung heraus, dann kannst du selbstständig zu Cedric Francis fahren. Vielleicht darf dann Leonardo auch mit.« »Gute Idee. Am Mittwoch und Donnerstag wirst du mich vertreten müssen. Ich bin in der Uni.« »Das mache ich gern. Vielleicht lerne ich ja bei der Pflegerin wie man kleine Männer badet und die Windeln wechselt. Glaubst du, es wäre ratsam, eine beschissene Windel für die Hunde mitzubringen?« »Nein. Salvatore und Leonardo haben schon seinen Geruch aufgenommen. Ich würde mich sehr in Beiden täuschen, wenn es Probleme geben würde. Außerdem ist es nicht sehr angenehm, wenn sie eine benutzte Windel in ihre Einzelteile zerfleddern. Mrs. Sanches hat schon genug zu tun.«

Mrs. Sanches hatte den Wellnessbereich gereinigt und saß in der Küche bei einer Tasse Tee. Durch ein Signal wurde ihre Aufmerksamkeit abgelenkt. Sie ging zur Sprechanlage und meldete sich. »Mrs. Sanches, ich stehe am Tor. Könnten Sie das Tor öffnen?« Mrs. Sanches drückte auf die Taste mit dem Tor Symbol. Wenig später hörte sie einen Wagen vor dem Haupteingang zum Stehen kommen. Sie ging zum Haupteingang und öffnete die Tür. »Edward komm herein. Ich habe gerade Tee zubereitet. Der neue Angestellte folgte ihr in die Küche, wo er eine frische Tasse Tee eingeschenkt bekam. »Sind Mr. Zahradník und Mr. von Feldbach anwesend?«, lautete seine erste Frage. »Nein, sie sind heute früh nach Inverness gefahren. Ich soll dir helfen dich einzurichten. Wenn du fragen hast, kann ich diese eventuell auch beantworten. Ich freue mich, dass du diese Stelle bekommen hast.« »Du bist doch schon eine Weile hier, wie läuft es so ab?«, fragte er vertraulich. »Mr. von Feldbach arbeitet oft in seinem Arbeitszimmer. Wenn er Klavier spielt, will er nicht gestört werden. Lediglich die Tiere dürfen zu ihm. Lass dich nicht durch seine Blindheit täuschen, er hat ein Gedächtnis wie ein Elefant. Selbst Kleinigkeiten merkt er sich. Mr. Zahradník ist oft unterwegs, dennoch behält er stets den Überblick. Als Geschäftsmann ist es ihm zur Gewohnheit geworden, die Buchführung monatlich abzuschließen. Leonardo und Salvatore sind nicht nur einfache Begleiter. Sie spüren sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist und machen auf ihre Art ihre Herren darauf aufmerksam. Dann sind da noch Merlin und Charaid. Der Junge gehört zum Haushalt. Er ist kein direkter Verwandter, dennoch behandeln sie ihn wie ein Familienmitglied. Charaid hat seinen eigenen Kopf. Der Kater wurde angefahren und Merlin hat ihm das Leben gerettet. Hin und wieder bringt er dem Jungen eine tote Maus mit. Auf der Veranda gibt es eine Katzenklappe. Lass dich nicht von seinem Äußeren täuschen. Er ist ein hervorragender Jäger. Seit kurzem wird für alle Tiere frisches Futter zubereitet. Im linken Kühlschrank sind die Vorräte der Tiere. Also keine Lebensmittel hineinstellen. Gegessen wird normal hier in der Küche. Bei besonderen Anlässen im Dining Room. Nach dem Dinner ist eine letzte Gassirunde mit den Hunden. Normal lassen sie den Abend im Salon ausklingen. Nachts ist die Alarmanlage scharf und neuerdings das Einfahrtstor geschlossen. Ich habe nur eine allgemeine Einweisung dazu bekommen. Für das kleine Tor habe ich einen Schlüssel. Mehr benötige ich auch nicht. Mr. Zahradník hat eine Fernbedienung. Wie es Mr. von Feldbach handhabt, weiß ich nicht.« Geduldig hörte Mr. Moore zu. »Ich denke, dass werde ich heute Abend noch erfahren. Welche Regeln gelten im Haus?« »Die normale Etikette für Angestellte. Die Küche steht für alle offen. Auf den Zimmern wird nicht gegessen. Das war meine Bedingung. Die Zimmer sind alle mit Parkett und Teppichen ausgestattet. Die angeschlossenen Bäder werden einmal die Woche nass gereinigt. Ansonsten ist jeder für sein Zimmer und Bad verantwortlich. Beide Hausherren respektieren, dass diese Räume privat sind und ohne Zustimmung nicht betreten werden. Wie es um den Fitnessbereich bestellt ist, weiß ich nicht. Das ist meines Erachtens privat. Die Instrumente und das Tonstudio sind ebenfalls privat. Mr. von Feldbach kennt beide Flügel und hat im Studio seine eigene Ordnung.« Edward registrierte erfreut diese Regeln. Anders als bei seiner Familie wo jeder sich im Haus frei bewegte. »Dann werde ich mich jetzt einmal einrichten. Welcher Raum steht mir zur Verfügung?« »Mr. Zahradník sagte, das Gästezimmer im östlichen Flügel. Ich bringe dich dort hin. Wie geht es deiner Familie?« »Mom plagt das Alter. Aber noch hat sie das Sagen im Haus. Dad macht auch langsamer. Er sieht seine Aufgabe darin, dass er jeden Tag die Weiden und Felder besichtigt. Er macht Sam auf Defizite aufmerksam. Gerade bei den Schafen ist er sehr penibel. Da diese Woche die Tiere wieder in den Stall kommen, hat er auch dort schon alles vorbereiten lassen. Sam war bis vor Kurzem auf den Feldern. Du weißt ja, dass nach der Ernte viel zu tun ist. Ich bin froh, dass er sich für die Farm begeistert. Besser kann ein Generationswechsel wohl nicht vonstattengehen.« »Hast du keine Angst, dass dir dein Erbe vorenthalten wird?« Mrs. Sanches hatte in ihrem Leben schon oft genug erlebt, dass Familien an diesem Thema zerbrochen sind. »Nein. Mom und Dad haben uns schon vor Jahren in ihre Entscheidung eingeweiht. Sam bekommt die Farm und dafür haben sie meine Ausbildung vorbehaltlos unterstützt. Es ist an uns Beiden, das Beste aus unserem Leben zu machen. Sieh mich an, ich bin nicht wirklich ein Farmer. Wenn Sam jedoch bei der Geschäftsführung meine Hilfe bedarf, meldet er sich. Es ist in unserem Interesse.« Während des Gesprächs führte Mrs. Sanches Edward in sein vorübergehendes Reich. Dieser war erstaunt, dass in dem Raum auch ein Schreibsekretär stand. »So, hier wirst du untergebracht. Ich soll dir beim Einrichten helfen.« »Ich habe nur wenig Gepäck. Überwiegend Kleidung. Gibt es auch einen Raum wo ich mich meiner Arbeitskleidung entledigen kann, wenn ich draußen bin?« »Neben der Veranda ist ein Schmutzraum mit einigen Spinden und einer Dusche. Mr. Zahradník nutzt ihn nach seiner Gartenarbeit. Dort gibt es auch eine Nische, wo die Hunde gereinigt werden. Mr. von Feldbach hat rund um die Veranda einige sinnvolle Dinge einrichten lassen. Für die Wäsche haben sie einen eigenen Waschraum und mehrere Maschinen. Die Waschmaschine ganz rechts ist für die Wäsche der Hunde. Falls du diese benutzen solltest, wundere dich nicht, wenn deine Kleidung voller Hundehaare ist.« Edward lachte. Doch er war froh, dass zwischen Tieren und Menschen getrennt wurde. »Wie kann Mr. von Feldbach alles auseinanderhalten?« »Alle Geräte haben ein Hinweisschild in Braille. Doch wenn du diese nicht verrückst, weiß er, wo welche Geräte stehen. Im Haus und auf dem Anwesen bewegt er sich sehr sicher. Wichtig ist, nichts herumstehen zu lassen. Wenn du dich eingelebt hast, machst du das schon aus Gewohnheit.« Mrs. Sanches lachte laut auf. »Früher habe ich bei mir Zuhause nach dem Putzen erst eine Teepause gemacht und anschließend erst die Utensilien weggestellt. Jetzt mache ich es auch dort umgekehrt. Mein Mann wunderte sich über diese Verwandlung. Er hatte sich schon daran gewöhnt, dass ich den Putzeimer im Foyer abstellte. Als er diesen nicht mehr vorfand, fragte er mich, ob ich denn nicht reine machen wolle.« Jetzt konnte auch Mr. Moore sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Drei Koffer brachte er in sein neues Domizil. In einem waren Unterlagen die er für seine Arbeit als Verwalter benötigte. Vielleicht erlaubten die Herren ihm ein eigenes Arbeitszimmer einzurichten, solange er im Haus lebte.

»Mrs. Sanches, soviel ist es ja nicht, was ich hier benötige. Ich würde mir jetzt erst das Anwesen ansehen.« »In Mr. Zahradník’s Arbeitszimmer ist eine Karte. Die darfst du zur Orientierung benutzen. Dort sind auch die neuen Wege für Mr. von Feldbach eingezeichnet. Ach, bevor ich es vergesse zu erwähnen. Unter dem Dach gibt es einen Raum der von Keinem betreten werden darf. Die Tür ist stets verschlossen.« »Ein geheimer Raum?«, wurde Edward neugierig. »Nein, wenn ich davon weiß kann er wohl nicht geheim sein. Es ist ein Raum, in dem eine Kolonie Fledermäuse lebt. Mr. von Feldbach hat ihnen dieses Quartier extra einrichten lassen.« »Das nenne ich einmal praktizierenden Naturschutz. Was ist denn sonst noch unter dem Dach?« »Die ganze Anlage der Photovoltaik und Sonnenkollektoren. Sonst ist nichts da oben. Wie gesagt, die Fledermäuse brauchen ihre Ruhe.«

Gemeinsam gingen sie wieder hinunter in die Küche. Als Edward diese betrat, wurde er von zwei grünen Augen argwöhnisch gemustert. »Darf ich dir Charaid vorstellen. Der kleine Tiger von Merlin.« »Er ist wirklich klein.« Der Kater hatte die Musterung des Fremden abgeschlossen. Neugierig schlich er erst um dessen Beine und verschwand anschließend aus der Küche.

Andreas und Carsten kamen am späten Nachmittag zurück. Andreas sah einen neuen Wagen vor der Garage stehen. Dieser musste wohl Mr. Moore gehören. »Sag einmal Carsten, wird am Pförtnerhaus eine Garage sein?« »Soweit ich die Pläne kenne, wird eine Garage dort im Stil des Hauses errichtet. Soweit der Bauantrag von Arthur«, berichtete Carsten. »Gut, auf dem Platz neben der Garage steht Mr. Moore’s Auto.« Carsten ließ die Hunde aussteigen. Diese suchten sich einen Baum und hoben ihr Bein. Dann galt es das fremde Auto zu beschnüffeln. Gemeinsam gingen sie über die Veranda ins Haus. Aus der Küche hörten sie Merlin und ihren Verwalter sich unterhalten. »Guten Abend«, begrüßte Andreas die Anwesenden. »Guten Abend, Merlin hat mich zur Teatime eingeladen.« »Haben Sie sich schon eingerichtet?«, fragte Carsten. »Ja, Mrs. Sanches hat mir meinen Raum gezeigt und ich habe heute Nachmittag mir das Anwesen angesehen. Mr. Hill und seine Leute waren am nördlichen Ende bei einer Anpflanzung.« »Ja, dort wird der Spielplatz eingerichtet. Er und seine Firma hat auch die Aufgabe das weitläufige Anwesen zu pflegen.« »Den Spielplatz habe ich noch nicht in der Karte eingetragen. Dieser ist zwar Teil des Anwesen, doch allgemein zugänglich. Abgegrenzt wird es dann durch die Hecke und einem Zaun. Ansonsten kann auch jeder die Wanderwege benutzen. Die Wege zum Haus sind entsprechend gekennzeichnet. Ist noch etwas Tee für uns da?« Merlin stand auf und schenkte in zwei bereitstehende Tassen Tee ein. »Setzt euch. Zucker und Milch: Zwei Uhr. Scones Zwölf Uhr, Carsten.« »Danke.« »Habt ihr einen besonderen Wunsch zum Dinner?«, fragte Andreas in die Runde. Mr. Moore sah erstaunt hoch. »Solange Sie im Haus wohnen, sind Sie unser Gast. Also wie steht es mit Wünschen?« »Du hattest vor einigen Wochen mal dieses Gericht mit dem Spieß gemacht.« »Du meinst den Schäferspieß meines Onkels? Eine gute Idee.« »Schatz, für mich heute die vegetarische Variante. Dazu passt sicher ein einfacher Landwein. Mr. Moore?«, wandte sich Carsten an ihren Gast. »Klingt interessant«, antwortete dieser neugierig auf das Dinner. »Gut, in drei Stunden können wir essen. Carsten machst du die Rationen fertig?« »Später, ich möchte noch etwas erledigen.«

Carsten ging in sein Arbeitszimmer. Dort suchte er sich die Nummer seines Anwalts heraus und ließ sich mit ihm verbinden. Das Telefonat dauerte länger. Doch nach der halben Stunde legte Carsten zufrieden auf. Leonardo kratze kurz an der Tür und kam hinein. »Na, suchst du mich?« Leonardo kam auf ihn zu und wurde am Ziel liebevoll geknuddelt. Diese Knuddelei artete anschließend in einem Gebalge auf dem Fußboden aus. Ganz wie in den Zeiten mit Arco und Max. Carsten sah es nicht, doch er fühlte die Vertrautheit, die Leonardo ihm vermittelte. »Ich glaube es wird Zeit, dass ich dein Futter zubereite.« Gemeinsam gingen sie in die Küche, wo Andreas begonnen hatte, das Dinner zuzubereiten. »Und was meinte Mr. Jones?«, fragte er seinen Mann. »Ich gehe morgen mit den Unterlagen zu ihm. Dort erklärt er mir dann, wie so eine Adoption ablaufen wird. Ich habe ihn mit allen Informationen, welche mir bekannt sind, versorgt. Er meinte unter Vorbehalt, dass es in zwei Monaten möglich ist. Dazu setzt er sich mit dem Jugendamt und DI Blackmoore in Verbindung.« Während er sprach, holte er die Utensilien und Zutaten für die Hunderationen hervor. »Du, ich habe gerade noch einmal über meine Idee mit dem Kinderzimmer nachgedacht. Wir könnten auch das Gästezimmer bei uns auf der Galerie entsprechend umgestalten und weitere zwei freie Zimmer zu Gästezimmern machen.« »Ein Gästezimmer mehr wäre sicher nicht verkehrt. Ich würde es etwas anders machen. Wie du vorgeschlagen hast, nehmen wir zwei Zimmer für den Jungen. Das große soll das Kinderzimmer werden. Den Raum daneben gestalten wir in zwei kleinere Räume. Ein Teil wird das Bad und den zweiten sein begehbarer Kleiderschrank. Das Bad bekommt zwei Zugänge. Dann bleiben uns noch vier freie Räume. Der unbenutzte Raum zwischen der Veranda und dem Haupthaus machen wir zum Arbeitszimmer. So hat Mr. Moore hier alles, was er für seine Arbeit benötigt. Was meinst du?« Andreas hatte ihm aufmerksam zugehört. Dass er dabei den Teig für das Fladenbrot knetete tat dem kein Abbruch. »Also haben wir wieder eine Baustelle?« »Nicht ganz. Die Bäder und die Kleiderzimmer liegen Wand an Wand.« »Ich bin einverstanden. Damit das jetzt zügig umgesetzt wird, werde ich morgen Luthais damit beauftragen. Er kennt die Statik und das Haus.« »Gut. So machen wir es. Wer bringt es Mrs. Sanches bei?«, grinste Carsten. »So wie ich sie kenne, sagt sie nichts und trinkt lächelnd ein Tee. Merlin ist mit Mr. Moore draußen. Machst du auch die Ration für Charaid?« Carsten ging einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf drei Näpfe frei. Zuletzt streute er Getreideflocken über die Rationen der Hunde. »So, das war es schon. Bulgur oder Risotto?« »Bulgur. Doch zuerst wasche die Petersilie für den Tabouleh. Die anderen Zutaten liegen auf der Anrichte rechts der Spüle.« Carsten dachte einen Moment über den Salat nach. Dann machte er sich ans Werk.

Das Dinner wurde in der Küche eingenommen. Mr. Moore fühlte sich zunächst etwas unbehaglich. Er wunderte sich, wie sich alle locker unterhielten und Merlin von seiner Tätigkeit aus der Praxis berichtete. Mr. Moore war jedoch von dem Essen überzeugt. Es war anders als er es bisher kennengelernt hatte. Zumal er nicht glaubte, dass Andreas und Carsten selbst ein so gutes Menü zubereiten konnten. Im Gegensatz zu seiner Person duzten sich die Anderen. »Mr. von Feldbach, Mr. Zahradník, wenn Sie Beide nichts dagegen haben, würde ich Ihnen das Du anbieten. Mein Name ist Edward.« »Dagegen spricht nichts. Carsten und ich mögen es auch lieber etwas formloser«, fing Andreas an. »Dann sage doch einmal wie schmeckt dir das Dinner und wie ist dein erster Eindruck?«, führte Carsten fort. »Ich muss gestehen, dass ich eigentlich nur die schottische Küche wirklich kenne. Arabische Küche ist in manchem etwas anders, aber auch nicht wirklich fremd. Vor allem sind die Aromen etwas feiner aufeinander abgestimmt. Ich habe mir heute auch einmal die Gewürzsammlung angesehen. Ich wusste wirklich nicht, dass es so viele Verschiedene gibt.« »Also, ich kannte auch nur einen Bruchteil der Gewürze, bevor ich Andreas kennengelernt habe. Doch Andreas zaubert aus noch so einfachen Zutaten immer ein Gedicht. Selbst meine Mutter schwärmt immer von seinen Kochkünsten. Bevor du fragst, ich kann ebenfalls kochen und habe sowohl von meinen Eltern als auch Andreas einiges gelernt.« »Wird Andreas immer kochen?« »Nein, wir wechseln uns ab. Ich mag selbst am Herd stehen. Wenn du magst, darfst du dich daran beteiligen. Merlin macht ein sehr leckeres Shepard Pie und Mrs. Sanches’ Scones gehören fast schon zur Teatime wie Milch in den Tee.« Alle am Tisch lachten. Es gab noch ein Dessert und danach zogen sich alle in den Salon zurück.

»Edward, jetzt noch ein paar Dinge zum Haus. Für das Tor bekommst du eine Fernbedienung und einen Schlüssel für die kleine Pforte. Dann noch einen Schlüssel vom Haus. Wenn du den Schlüssel benutzt, deaktiviert sich die Alarmanlage. Diese muss anschließend an dem Bedienelement wieder aktiviert werden. Hier im Haus kann das Tor von den Panels neben den Eingängen geöffnet werden. In den nächsten Tagen wird das System noch mit einer Videoüberwachung vervollständigt. Das wird auch später von dem Pförtnerhaus möglich sein«, erklärte Andreas. »Das Haus wird wohl erst in einem halben Jahr bezugsfertig sein. Daher richten wir hier auch ein Arbeitszimmer für dich ein.« Carsten nahm seine Tasse und trank von dem Kaffee. »Die Küche steht allen offen. Lediglich ein Kühlschrank ist für die Hunde und Charaid reserviert. Lebensmittel kaufen wir immer nach Bedarf. Dafür haben wir eine Einkaufsliste. Die Hunde dürfen sich im ganzen Haus bewegen. Die Türen im Haus können deswegen auch nicht abgeschlossen werden. Am liebsten scheinen sie sich jedoch hier unten aufzuhalten. Leonardo und Salvatore bekommen keine Belohnungen in Form von Essbarem.« »Gut zu wissen«, bemerkte Edward, »Unser Hund bekam immer etwas zwischendurch und wurde dadurch etwas rundlich.« »Deswegen lassen wir es auch. Dafür spielen sie für ihr Leben gern. Wenn sie dich auffordern, nimm dir einfach die Zeit. Weiter, wir lassen dir bei der Zeiteinteilung zur Erfüllung deiner Aufgaben freie Hand. Bei Mrs. Sanches funktioniert das sehr gut. Jetzt noch etwas Neues. Wir werden in den kommenden Tagen hier im Haus etwas verändern. Das betrifft die erste Etage. Wir werden einige Zimmer verändern. Dazu werden einige Bauarbeiter im Haus sein.« »Ihr wollt den kleinen Jungen adoptieren?«, meldete sich Merlin zu Wort. »Welchen Jungen?«, fragte Edward. Andreas begann von dem Vorfall zu berichten. »Cedric Francis wurde mit Absicht bei uns abgelegt. Daher haben wir alle beteiligten Stellen davon informiert eine Adoption zu veranlassen«, führte Carsten weiter aus. »Da dieses alles unter Vorbehalt zu sehen ist, bitte ich euch um Verschwiegenheit. Das macht es uns allen leichter, den Jungen zu schützen.« Andreas sah ihren Verwalter an und dieser nickte verstehend.

In den folgenden Tagen wurde es im Haus wieder etwas unruhiger. Carsten fuhr jeden Tag zu Cedric und versorgte ihn. Die Tage, wo er in London war, vertrat Andreas ihn und lernte von der Pflegerin alles was jemand wissen musste, um einen kleinen Mann zu versorgen. Irgendwie machte es ihm Spaß, sich um Cedric zu kümmern. Als das Baby ein Rülpser machte hatte Andreas auch ein wenig Sabber auf seinem Shirt. »Es ist ratsam, Andreas, wenn Sie sich ein Tuch über die Schulter legen, bevor Cedric sein Bäuerchen macht. Es passiert, dass immer mal auch etwas Nahrung mit ausgespuckt wird.« Andreas nahm es gelassen. Dann galt es die Windeln zu wechseln. Andreas tat sich noch ein wenig schwer damit, den Jungen an den Beinen so anzuheben, dass er die Unterlage wechseln konnte. Doch Cedric schien seine Freude daran zu haben. »Das machen Sie sehr gut. Babys haben noch keine Kontrolle über ihre Schließmuskeln. Sie lassen es einfach kommen. Seien Sie nachsichtig, wenn Sie die Windeln zweimal wechseln müssen. Dass mit dem Baden klappt ja schon sehr gut. Achten Sie jedoch immer darauf, das Thermometer zu benutzen, um die Wassertemperatur zu bestimmen. Gefühlte Temperaturen sind trügerisch. Sie haben ja schon gesehen, wie Carsten die Temperatur der Nahrung prüft. Das ist aus meiner Erfahrung die beste Methode.« So ging es die ganze Zeit weiter und Andreas hörte sehr aufmerksam zu. »Ich sehe, sie benutzen Stoffwindeln.« »Eine Erfahrung als gestandene Mutter. Zwar müssen diese bei hohen Temperaturen gewaschen werden, doch das ist alle mal besser als die entstehenden Müllberge durch Einmalwindeln. Wenn Cedric’s Hinterlassenschaften fester werden, können sie ihn langsam entwöhnen. Ich gebe ihnen noch entsprechende Literatur mit.« Andreas nickte. Dann legte er den kleinen Mann wieder in sein Bett zurück. Cedric gähnte und Andreas deckte ihn zu. Er blieb noch eine Weile bei ihm und sang ihm noch ein Kinderlied vor. »Kommen Sie, lassen wir ihn in Ruhe schlafen. Ich habe Pause und ich glaube, uns täte ein Kaffee gut.« Gemeinsam gingen sie ins Café der Klinik. Dort unterhielten sie sich noch über wichtige Dinge im Umgang mit Neugeborenen. »Ich finde es gut, dass Sie und Carsten sich um eine Adoption bemühen. In den vielen Jahren habe ich schon oft gesehen, wie elternlose Kinder in Heimen untergebracht wurden. Leider sind diese oft sehr anonym und kontraproduktiv. Das Jugendamt hat mich um eine Stellungnahme gebeten. Versauen Sie es nicht, sonst werden Sie mich kennenlernen. »Wirklich, Cedric hat sich schon in unsere Herzen geschlichen. Ich stelle es mir nicht einfach vor, doch mit Carsten an meiner Seite wird uns das gelingen.« »Mehr noch, Cedric vertraut ihnen. In ihrer Gegenwart ist er sehr zufrieden. Wenn sie mal nicht weiter wissen, keiner ist fehlerfrei, melden Sie sich. Lieber werde ich einmal unnötig geweckt, als dass etwas Schlimmeres eintritt. Ich habe ihnen eine Liste mit Literatur zusammengestellt. Dies ist Pflichtlektüre mit den wichtigsten Informationen. Cedric wird sich daran sicher nicht halten. Es ist aber ein guter Leitfaden. Ansonsten verlassen Sie sich auf ihr Gefühl.« Andreas nahm die Liste entgegen und staunte, dass es lediglich zwei Titel waren. Eines war, dem Titel nach, ein wissenschaftliches Buch. Das andere ein pädagogisches. Die Pflegerin erläuterte kurz deren Inhalte. »Es ist wichtig, dass sie grundlegendes anatomisches und medizinisches Wissen haben. Das wird normalerweise während Schwangerschaften vermittelt. Das Zweite beschäftigt sich mit der geistigen Entwicklung eines Kindes. Diese gilt es stets zu berücksichtigen und zu fördern. Wenn ich Ihnen ein Tipp aus Erfahrung geben darf: Erinnern Sie sich immer auch an Ihre eigene Kindheit.«

Andreas saß noch eine Weile im Café. Die Pflegerin hatte ihre Pause beendet. Dann machte er sich auch auf den Weg. Die beiden Bücher waren schnell besorgt.


Edward hatte sich in den ersten Tagen mit dem Anwesen vertraut gemacht. Die vergangenen Jahre haben dem Anwesen weniger gut getan. Dennoch schien es in einem guten Zustand zu sein. Im Park traf er auch immer mal auf Mr. Hill Senior. Dieser hatte ein Klemmbrett dabei und machte sich darauf Notizen. »Victor, ganz allein unterwegs?«, sprach er ihn an. »Ja, Andrew hat heute in der Grafschaft zu tun. Ich mache mir Notizen zu den Arbeiten die anstehen. Wir können ja nicht alles auf einmal machen und daher erarbeite ich einen Arbeitsplan für das Frühjahr.« »Hier ist ja jahrelang nichts gemacht worden. Da gibt es wohl sehr viel zu tun«, meinte der Verwalter. »Nun, Mr. Zahradník hat da ganz konkrete Vorgaben gemacht. Wichtig sind ihm die Wege. Gerade für Mr. von Feldbach ist es wichtig, dass diese in Ordnung sind. Ansonsten soll sich alles natürlich entwickeln. Da braucht es nur gelegentliche Eingriffe, lediglich die Schutzwälle aus Stein bedürfen stellenweise Reparaturen. Andrew hat schon einen Lieferanten für entsprechendes Material. Die jungen Herren haben sich auch gegen die Jagd auf dem Anwesen ausgesprochen.« »Hat das einen besonderen Grund?« »So wie ich es verstehe, hat sich in den Jahren ein gesundes Gleichgewicht eingestellt. Dann geht ja Mr. von Feldbach auch öfters mit den Hunden durch den Park«, gab der alte Gärtner zu bedenken. »Gut. Ich werde an den Grenzen des Anwesen entsprechende Hinweise aufstellen lassen. Ich hoffe es wird keine Wilderei geben.« »Edward, die ganze Gemeinde liebt diesen Teil. Jagden gab es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Alles was ich bisher gesehen habe, gibt es auch keine nennenswerte Schäden durch Wild«, berichtete Mr. Hill fachmännisch. Edward sah sich um. Als Sohn eines Farmers kannte er solchen Schäden. Dennoch sah er offensichtlich keine. Danach trennten sich ihre Wege. Wie der Verwalter versprochen hat, standen wenige Tage später auch schon die Schilder an den Eingängen. Im Gegensatz zu dem Park war der Garten gepflegt. Andreas sah er diesen regelmäßig hegen. Es gab auch mehrere Statuen, um denen er Rabatten anlegte. Jedoch hatten diese kleine Wege zu den Statuen, so dass diese auch aus der Nähe betrachtet werden konnten. Carsten ging öfters dorthin und tastete diese ab. Selbst die Hunde gingen hin und schnüffelten interessiert an den Sockeln. Dennoch, keiner der Beiden markierte diese. Wie seine Arbeitgeber es rieten, spielte er auch mit den Hunden nach Aufforderung.

Dann kamen auch die Bauarbeiter. Im Haus hatten sie zu dem besagten Bereich eine Staubsperre aus Folie angebracht. So hielt sich der zusätzliche Dreck auf der Galerie in Grenzen. Luthais hatte sich mit Andreas und Carsten zusammengesetzt und das Projekt besprochen. Als Luthais die fertigen Pläne vor sich liegen hatte, musste er sich eingestehen, dass die beiden jungen Männer wirklich ein kleines Paradies erschufen. Unter seiner Aufsicht gingen die Arbeiten auch zügig voran. Mrs. Sanches machte sich nach zwei Wochen an eine Grundreinigung, bevor ein Möbelhaus die entsprechende Einrichtung lieferte. Von einem Tischler wurde ein Bett in Form eines Autos gefertigt. An einem Ende wurde eine Halterung gefertigt. Doch keinem war der Zweck dafür bekannt. Mrs. Sanches war sehr angetan von der Einrichtung. Die beiden Herren hatten an alles gedacht. Ein großer Wickeltisch mit allen nötigen Dingen in Griffweite. Links und rechts davon hatte der Tischler noch kleine Geländer gefertigt. Auch das Bad war entsprechend eingerichtet worden. Vor dem Waschbecken gab es ein Podest, so dass später ein junger, kleiner Mann bequem seine Morgentoilette verrichten konnte. Die Dusche, welche wohl vorerst nicht zum Einsatz kommen würde, war durch Glaswände abgetrennt. Dennoch war diese mit viel Komfort ausgestattet. Die Beleuchtung bestand aus eingebauten Spot, die den Raum hell erleuchteten. Andersherum wurden auch kleine Lämpchen in die Deckenvertäflung integriert. Diese konnten separat eingeschaltet werden und gaben dem Bad etwas Verspieltes. Beeindruckend war auch der begehbare Kleiderschrank. Dieser bot viel Raum für die Kleidung durch Fächer und Ablagen. Eine der Wände war vollständig verspiegelt. Dieser Raum war gänzlich vertäfelt. Der helle Holzton verbreitete ein wohliges, warmes Ambiente. Abgetrennt war der Kleiderschrank durch eine dunkelgetönte gläserne Schiebetür. Alles in allem eine gelungene Einrichtung.

Nach dreieinhalb Monaten war es soweit. Der Anwalt, das Jugendamt und Mr. Blackmoore hatten Hand in Hand gearbeitet. Die Adoption wurde amtlich bestätigt und Cedric Francis zog ein. Wie Carsten in einem stillen Moment voraussagte, fand der kleine Mann schnell einen Weg in die Herzen.

Andreas und Carsten kümmerten sich vorbildlich um ihren Sohn. Schon in der Klinik hatten sie sich entschieden, Cedric am Körper zu tragen. Lediglich wenn sie mit dem Wagen fuhren, kam der kleine Mann in eine Kinderschale auf den Rücksitz. Andreas war extra in die Werkstatt gefahren, um eine entsprechende Vorrichtung einbauen zu lassen. Obendrein mussten die Airbags deaktiviert werden. So fuhren sie mit den Hunden zur Klinik und holten den kleinen Mann ab. Leonardo kannte Cedric schon und der kleine Mann schien den Hund zu mögen. Er lachte immer wenn dieser ihn beschnüffelte. Salvatore hatte das Vergnügen nicht. Dennoch zeigte er keine Eifersucht gegenüber dem kleinen Erdbewohner, der zu ihrem Haushalt gehören würde. Im Gegensatz, er schien beschützen zu wollen. Zuhause angekommen, zog Cedric erst einmal die Aufmerksamkeit aller Bewohner auf sich. Dann ignorierte er das Drumherum und schlief ein. Andreas brachte ihn auf sein Zimmer und aktivierte das Babyphone. Die Gegenstücke befanden sich in den Arbeitszimmern und der Küche. Hin und wieder gab es ein Rauschen und Cedric begann irgendwelche Laute von sich zu geben.

»Edward, am Wochenende erwarten wir Gäste«, informierte Carsten zwei Monate später seinen Verwalter. »Andreas Großeltern und meine Eltern kommen. Bereite doch bitte alles entsprechend vor. Cedric, Andreas und ich fahren heute noch zum Markt. Nonno ist Koch und so wie ich ihn kenne, wird er mit Andreas für das leibliche Wohl sorgen.« »Soll ich mich rar machen?« »Nein, warum auch. Du bist genauso wie Merlin unser Gast. Es ist unser Haus und wir haben von ihnen unsere Gastfreundlichkeit. Nein, ich erzähle es dir, weil du mit Merlin bei Tisch ins Scots fallen. Andreas und ich verstehen zwar schon einiges, doch das gilt nicht für unsere Familien.« Edward musste lächeln. »Wenn es mehr nicht ist, bemühen wir uns der englischen Sprache.« »Danke.«

Auf dem Markt waren sie ein Hingucker. Zwei Männer und ein Baby gab es nicht oft zu sehen. Doch viele Dorfbewohner nahmen es lediglich zur Kenntnis und wandten sich ihrer Tätigkeit zu. Leonardo führte Carsten der Cedric trug. Salvatore lief achtsam hinter seinem Rudel her. Andreas trug einen Weidenkorb in dem er die verschiedenen Einkäufe verstaute. Der kleine Mann genoss warm eingepackt den Ausflug. »Brauchen wir etwas vom Fleischer?«, fragte Andreas. Carsten kannte sich mit den Vorräten der Hunde immer noch am Besten aus. »Für die Hunde nicht. Da haben wir noch genug frische Vorräte. Vielleicht etwas zum Dinner? Edward und Merlin würden zu einem guten Steak nicht nein sagen.« »Ich weiß nicht genau, was Nonno vorhat. Doch wir können an einem Abend ruhig grillen. Dazu ein paar internationale Salate und Dips.« »Eine gute Idee. Für alle ist etwas dabei. Was, wenn Nonno Pizza machen möchte, haben wir dafür alles Zuhause?« »Natürlich, es ist alles reichlich vorhanden. Wir sollten noch zum Fischhändler. Neben Fleisch ist Fisch auch etwas für den Grillabend. Zuletzt brauchen wir aus dem Supermarkt noch einige frische Zutaten für Cedric.« »Wir haben doch genug für ihn.« »Schon, doch Nonna kennt Rezepte für Babynahrung. Frische Zubereitung mit allem was ein kleiner Mann benötigt um groß zu werden. Aus ihren Erzählungen hat sogar meine Mutter davon Gebrauch gemacht und ich denke aus mir ist etwas geworden.« »Tiefstapler. Abgemacht, für Cedric kaufen wir auch ein. Unter einer Bedingung: Nonna soll dir einige Rezepte überlassen.« »So wie ich sie kenne, hat sie schon für uns Kopien angefertigt.« »Dann mal los. Unser Sohn strebt seine nächste Mahlzeit an.« Damit es schneller ging, warteten Carsten, Cedric und die Hunde im Wagen. Der kleine Mann nutzte die Gelegenheit seinen Träger zu erkunden. Indem er mit seinen kleinen Händen einfach nach allem griff, was er zu fassen bekam. Carsten kommentierte es mit einer sanften Stimme. Die Hunde kündigten Andreas an, der die Einkäufe auf den Rücksitz stellte. Dann ging er um den Wagen herum und nahm Carsten den Jungen ab. Als dieser sicher in seinem Sitz war, ging es auch schon los. »So, ich habe alles. Den Fisch können wir am Freitag holen. Der Händler wird uns frischen Fisch zurücklegen. Was hat unser Sohn dir alles erzählt. Ich sah wie ihr euch angeregt unterhalten habt.« »Ehrlich, sehr viel habe ich nicht verstanden. Aber er ist sehr neugierig, was in seiner Umgebung vor sich geht.« Andreas lachte herzlich auf. Dann setzte sich der Wagen in Bewegung. »Was meinst du werden unsere Familien sagen?«, begann Andreas. »Sie werden sich mit uns freuen. Mama und Papa hoffen auf viele Enkel. Ich denke, dass Nonna und Nonno sich ebenfalls über Urenkel freuen. Außerdem werden sie sich über seinen Namen freuen. Francis ist wohl das männliche, englische Pendant von Francesca, deiner Mutter.« »Du hast es verstanden?« »Klar, es ist eine sehr schöne Kombination. Weiter. Ob adoptiert oder nicht spielt für alle keine Rolle. Ich befürchte, dass sie nun alle regelmäßiger zu Besuch kommen.« »Mir ist es recht, Schatz. Cedric ist Teil unserer Familie. Von seinen Großeltern und Urgroßeltern kann er viel lernen.« Carsten stimmte dem zu. Plötzlich trat Andreas auf die Bremse. Selbst bei der geringen Geschwindigkeit spürte Carsten den harten Ruck im Gurt. Während Andreas wütend ausstieg, kümmerte er sich sofort um Cedric. Soweit er es feststellen konnte, schien dem kleinen Passagier nichts passiert zu sein. Er öffnete das Fenster um zu erfahren, was denn eigentlich der Grund für das harte Manöver war. Andreas war in Rage und schimpfte lauthals auf Jemanden ein. »… Haben Sie den Verstand verloren? Wie können Sie einfach die Straße queren, haben Sie die Scheinwerfer nicht gesehen?« »Sie sind doch wie ein Verrückter gefahren …« Obwohl Carsten die Stimme des Organisten zu erkennen glaubte, war er sich doch nicht zu 100% sicher. Dennoch stieg er selbst aus und wandte sich den Beiden zu. »Andreas, Mr. Johnson hat eine suizide Neigung. Es lohnt sich nicht über soviel Naivität und rücksichtsloses Verhalten aufzuregen. Ist dem Wagen etwas passiert? Wir brauchen ihn am Wochenende noch für Edinburgh. Wenn nicht, fahren wir weiter.« Andreas hob erstaunt seine Augenbrauen, wie konnte Carsten nur so gelassen bleiben? »Nein, der Wagen kam rechtzeitig zum Stehen. Es ist nichts passiert.« Dann wandte sich Carsten an Mr. Johnson. »Ich habe Sie schon einmal gewarnt«, seine Stimme war kalt wie Granit und selbst Andreas bekam ein fröstelndes Gefühl. »Lassen Sie unsere Familie und unseren Haushalt in Ruhe. Sie bewegen sich auf sehr dünnem Eis.« Carsten wandte sich ab. Am Wagen drehte er sich noch einmal um. »Seien Sie in Zukunft vorsichtiger im Straßenverkehr. Nicht alle Autofahrer haben eine so hervorragende Reaktion und fahren so umsichtig wie mein Mann.« Dann stieg er ein. Andreas hatte sich wieder beruhigt. Nachdem er sich davon überzeugte, dass dem kleinen Mann und den Hunden nichts fehlte, setzte er ihren Weg fort. »Das also war Mr. Johnson?« »Ja. So langsam geht er mir auf den Senkel. Ein ordentlichen Schuss vor dem Bug sollte ihm eine Warnung sein. Ich möchte nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Andrea hat schon gedroht, ihn mittels Blasrohr außer Gefecht zu setzen. Wahrscheinlich würde sie die Dosis für ein Rindvieh verwenden«, meinte er. Andreas lachte trocken. »Sag einmal, wie schnell waren wir eigentlich?«, unterbrach Carsten. »Gerade mal 20 mph. Die Straße hier ist in keinem guten Zustand. Das kann man sogar nachprüfen. Weil wir den Wagen teilweise als Dienstwagen für Konzerte benutzen, werden Geschwindigkeit und Strecke aufgezeichnet. Das macht es einfacher, dienstliche Fahrten abzurechnen. Ich bin froh für die Hunde eine sichere Box eingebaut zu haben. Die gepolsterte Rückwand hat ihren Dienst erwiesen. Cedric hat wohl nichts mitbekommen. Er schläft noch.« »Ein Hoch auf die Sicherheitstechnik. Danke dass du ein so vorsichtiger Fahrer bist.« »Meine Liebsten sind mir mehr Wert als die Kronjuwelen des Königshauses. Da gehe ich kein Risiko ein. Dann muss ich dir und Paul danken. Ihr habt mich seiner Zeit quasi zu dem Sicherheitstraining gedrängt. Er meinte im internationalen Straßenverkehr wäre ein solches Training sinnvoll. Hier auf der Insel der Linksverkehr, in Mailand die Besonderheiten der italienischen Mentalität, in der Tschechischen Republik sind die Straßen auch nicht die Besten und last but not least, bei euch ist der Winter auch nicht ohne.« »Oh ja, Papa hat ja so seine Philosophie im Straßenverkehr. Lieber eine halbe Stunde später am Ziel sein als nie.« »Meine Eltern waren genauso vorsichtig. Leider galt das bei dem Unfall damals nicht für den LKW Fahrer. Der Anwalt teilte mir später das Ergebnis der Untersuchung des Unfalls mit. Der Reifen des Trucks war bereits beschädigt und hätte gewechselt werden müssen.« Carsten hörte die Traurigkeit in Andreas Stimme. Der fuhr weiter fort: »Der Fahrer hat seine Lehren daraus gezogen und eine Selbstanzeige gemacht. Seine Spedition hatte darauf bestanden, den Reifen erst nach der Tour zu wechseln. Er selbst hat seinen Fahrerlaubnis abgegeben und die Spedition hatte eine gewerbliche Untersuchung am Hals. So war der Tod meiner Eltern nicht sinnlos. Ich glaube, seit dem wird auf der Autobahn regelmäßig eine Sicherheitsprüfung aller LKWs durchgeführt.« Während sie sich unterhielten, erreichten sie ohne weitere Vorkommnisse ihr Domizil. In der Garage ließ Carsten die Hunde aussteigen. Leonardo und Salvatore schüttelten sich und liefen durch das offene Tor hinaus. Andreas nahm Cedric und übergab ihn Carsten. Dann schloss er den Wagen ab. Etwas später schloss sich auch das Garagentor. Carsten hielt sich an Andreas und gemeinsam betraten sie durch das Portal ihr Haus. »Ich versorge unseren kleinen Mann. Dann kommen wir wieder hinunter. Machst du ihm seine Flasche schon fertig?« »Natürlich. Dann mache ich auch schon die Rationen für unsere Vierbeiner.«

Carsten ging mit dem Cedric auf sein Zimmer. Eine dreiviertel Stunde später erschienen die Beiden wieder in der Küche. Cedric hatte jetzt ein flauschiges Outfit an und versuchte auf Carsten’s Arm sein Umfeld zu erkunden. Als Andreas in sein Gesichtsfeld trat, begann er zu lächeln. Mit seiner freien Hand versuchte er ihn zu greifen. Seine andere Hand hatte einen Finger von Carsten fest im Griff. Dann folgten glucksende Geräusche. »Das war doch schon sehr gut mein Sohn«, sprach Andreas ihn an. »Ich vermute du hast Hunger.« Carsten übergab Cedric Andreas, der ihn sicher nahm. Dann gingen sie hinüber zum Tisch, wo die Nuckelflasche in dem Flaschenwärmer stand. Ganz behutsam testete Andreas die Temperatur. Kaum war er mit dem Nuckel am Mund des Kindes, fing dieser an zu saugen. Zudem versuchte dieser die Flasche zu greifen. »Wow, du interessierst dich für die Flasche«, kommentierte Andreas. Cedric guckte in seine Richtung. Für Andreas eine neue Erfahrung, wie er aus zwei großen Augen betrachtet wurde. Der kleine Mann hatte schon mehr als Zweidrittel seiner Flasche geleert, als er aufhörte zu saugen. Dann drehte er seinen Kopf etwas zur Seite und der Nuckel flutsche aus seinem Mund. Andreas war zufrieden. »Zweidrittel reichen dir? Gut, vielleicht magst du später ja noch einmal etwas haben.« Andreas wollte die Flasche beiseite stellen, Cedric versuchte diese jedoch zu greifen. Weil es ihm nicht richtig gelang, zog er erst einen Schmollmund und kurz darauf ertönte seine protestierende Stimme. Carsten hörte ihm schmunzelnd zu. Er kannte mittlerweile die Unterschiede in der Stimme des Jungen. Das Geschrei endete als Andreas ihn anhob und Cedric über seine Schulter sehen konnte. Die neue Aussicht schien interessant zu sein. Der kleine Mann rülpste und Andreas spürte das auch auf einem anderen Weg sich etwas tat. »Tja, ein kleines Intermezzo. Da brauchst wohl eine neue Windel. Carsten würde du bitte?« »Ha, das ist schon eine interessante Aufgabenteilung«, sprach er zu Cedric, als er ihn wieder auf dem Arm hielt. »Papa Andreas versorgt dich mit Nachschub und Papa Carsten entsorgt das Resultat.« Andreas hörte es noch und lachte. Dieses Geräusch schien auch animierend auf den kleinen Mann zu wirken. Er gluckste fröhlich vor sich hin. Eine halbe Stunde später kam Carsten allein in die Küche. »Cedric schläft. Ich glaube es wird Zeit, ihn von den Windeln zu erlösen. Seine Hinterlassenschaften werden fester«, meinte er. »Probieren wir es. Tagsüber ist er ja auch schon länger munter. Ich habe schon die Rationen für die Nacht vorbereitet. Ich werde Nonna eine Mail schreiben und um einige Rezepte bitten. Ich habe mal von diesem kommerziellen Brei probiert. Ehrlich, Erdbeeren schmecken irgendwie anders.« »Ah, du bringst mich auf eine Idee. Glaubst du, er mag schon Bananenmilch?«, fragte Carsten. »Wie stellst du dir das vor?« »Ein Stück Banane mit der Gabel zerquetschen. In den Mixer geben und mit der Milch mischen. Es muss so flüssig sein, dass es durch den Nuckel geht.« Andreas dachte über den Vorschlag nach. Das wäre wirklich eine alternative für ihren Sohn. Denn der Erdbeerbrei - oder was es darstellen sollte - war ihm einfach zu süß. Ein Blick auf das Etikett bestätigte auch seinen Eindruck. Als Landschaftsarchitekt musste er sich auch in der Chemie auskennen und entzifferte darauf sieben Zuckerarten. »Wir probieren es aus. Ich möchte Cedric nicht mit künstlich gesüßten Breien und Milch ernähren.« »Nonna und Mama werden uns sicher ein paar einfache Rezepte mailen. Gemeinsam bekommen wir das schon hin«, meinte Carsten zuversichtlich. Dann entschieden sie sich, sich gemeinsam um das Dinner zu kümmern.

»Wo sind eigentlich Merlin und Edward?«, wollte Carsten wissen. »Merlin sollte noch bei Gwenda sein. Er nimmt es mit dem Unterricht sehr genau. Edward ist mit Mrs. Sanches unterwegs. Normalerweise habe ich ja für ihre Utensilien zur Raumpflege gesorgt, das obliegt ja nun unserem Verwalter«, informierte Andreas seinen Mann. »Ach so. Wie ist das mit dem Projekt in Glasgow ausgegangen?« »Ich habe den Auftrag bekommen. Die Entscheidung wurde mir mit der Post zugestellt.« »Welches Volumen?« »Das Gesamtvolumen der Projekte für Grünanlagen belaufen sich auf 2.5 Millionen Pfund. Für meinen Park stehen mir 625,000 Pfund zur Verfügung«, lautete die informative Antwort. »Das ist aber viel.« »Die Stadt Glasgow baut ein komplettes Wohngebiet. Das Budget beläuft sich auf mehr als Achthundert Millionen Pfund. Da dieses Bauvorhaben über drei Jahre geplant ist, wurde mir eine monatliche Provision von 31.250 Pfund für diese Zeitspanne zugesichert.« Carsten zog seine Augenbrauen leicht hoch. »Deine übliche Provision?«, lautete auch seine nächste Frage. »Etwas weniger, aber das geht über diesen Zeitraum in Ordnung. Ich habe parallel dazu auch den Park in Frankreich, was uns weitere 72.750 Euro bis Jahresende einbringt. Wenn ich also alles richtig zusammengerechnet habe, haben wir bis zum Jahresende gut ausgesorgt.« »Dazu noch mein Gehalt, die Gagen für die Konzerte und die Tantieme, damit haben wir ein gutes finanzielles Polster.« »Ich habe für Cedric bereits ein eigens Konto eröffnet. Da gehen monatlich 1,000 Pfund ein.« Carsten dachte darüber nach. Er selbst hatte es auch vor gehabt. »Mach 2,000 Pfund daraus. Er soll später keine finanziellen Sorgen haben. Ich habe alles was ich brauche.« Dabei putzte Carsten den Salat. »Kannst du mir eine Salatsauce zubereiten?« »Ich denke eine Vignette deines Onkels passt dazu. Möchtest du ein Dessert?« Carsten grinste verschmitzt Andreas an. »Bananenbrei« »Dauert etwas«, grinste Andreas ebenfalls.

Beim Dinner erzählten Edward und Merlin von ihrem Tag und genossen das Dinner. Ein wenig erstaunt waren sie jedoch über die Crème de Banane. Anschließend beschlossen sie den Abend im Salon. Gegen halb Vier machte sich Cedric bemerkbar. Carsten stand auf und ging hinüber. Dreißig Minuten später legte sich Carsten wieder hin. »Hatte er großen Hunger?«, murmelte Andreas. »Dreiviertel seiner Ration. Eine neue Windel und das war es auch schon. Er schlief auch sofort wieder ein.« Andreas rutschte etwas zu seinem Gatten und kuschelte sich an ihn. Um halb Sieben machte sich das Babyphone bemerkbar. Dieses mal stand Andreas auf um nachzusehen. Im Zimmer von Cedric staunte er nicht schlecht. Salvatore und Leonardo lagen neben dem Bett und schienen Wache zu halten. Als ihr Herrchen erschien, verzogen sie sich auch sofort. »Ich komme gleich nach. Ihr wollt sicher raus in den Garten«, rief er hinter ihnen her. Dann wandte er sich seinem Sohn zu. Dieser gluckste und sah sich neugierig um. Jetzt bemerkte Andreas, wie er mit seinen Händen versuchte etwas zu greifen. Auf dem Wickeltisch lag sein bunter Ring. Diesen gab er ihm und Cedric bedankte sich mit seinem schönsten Lächeln. Dann galt es ihm eine neue Windel zu verpassen. Dabei spielte der Junge interessiert mit dem Ring. Andreas betrachtete kurz den Inhalt der alten Windel. Carsten hatte, wie auch immer, den Zustand richtig erkannt. Als das Bad dran war, lenkte Andreas Cedric mit einer Gummiente ab. Das Spielzeug erregte die Aufmerksamkeit des Jungen. Die Gummiente musste dann auch mit auf den Wickeltisch.

Als sie die Küche betraten, sah er die Hunde schon im Garten herumtollen. Carsten hatte auch schon für Kaffee und Tee gesorgt. Gerade war er dabei die Zutaten für die Tierrationen wieder in den Kühlschrank zu stellen. »Guten Morgen Tiger.« »Guten Morgen. Wie habt ihr beiden denn geschlafen?« Cedric gluckste und lallte etwas. »Es soll wohl ›sehr gut‹ heißen. Ich ganz gut in deinem Arm. Hast du schon das Frühstück für unseren Sohn gemacht?« Dabei gingen sie auf Carsten zu. Andreas gab Carsten ein liebevollen Kuss. Dann reichte er ihm Cedric. Carsten nahm ihn und gab ihm ebenfalls einen sanften Kuss. Der kleine Mann bedankte sich mit einem Glucksen. »Nein, noch nicht. Vielleicht mag er ja schon mit uns frühstücken? Er wirkt mir gerade sehr munter.« »Eine gute Idee. Ich mache ihm neben seiner normalen Flasche mal einen flüssigen Bananenbrei. Mal sehen, ob ihm das schmeckt.« Andreas machte etwas Milch warm und holte die Zutaten für Cedric’s Frühstück. »Ich war erstaunt, dass der kleine Mann schon bis halb sieben durchschlief.« »Ja, seine Schlafphasen werden immer länger. Er wirkt auch sehr zufrieden.« Dabei legte er den Jungen vorsichtig in seine Sitzschale. Andreas sah, wie aufmerksam Cedric alles um sich herum beobachtete. »Was hast du heute vor?«, wollte Carsten wissen. »Ich fahre nach Glasgow. Dort habe ich eine erste Besprechung mit der Verwaltung. Davor mache ich einen Abstecher zu dem Park, dessen Pflege ich neu ausgeschrieben habe. Dort habe ich mit einer Gärtnerei einen Termin. Es wird später werden.« »Nun, wenn das so ist, werden wir Beide uns den Tag schon beschäftigen. Ich übe am Weihnachtskonzert. Cedric kann mir dabei Gesellschaft leisten.« »Apropos Gesellschaft, unsere beiden Hunde waren bei ihm im Zimmer.« »Ich weiß. Sie passen auf ihn auf. Das hat Arco früher auch bei Ercan gemacht. Wir können dort Kudden hineinstellen. Als Ercan dann mobil wurde, lag er oft bei ihm und machte in seiner Gegenwart ein Nickerchen. Was ist mit Charaid? Ihn habe ich noch nicht bei ihm bemerkt?« »Der Kater besucht ihn auch hin und wieder. Ich glaube er war nicht begeistert, als Cedric ihn am Schweif festhielt. Trotzdem hat er ihm wohl nicht seine Krallen gezeigt. Im Gegenteil, ich fand einige Katzenhaare an seinem Strampler. Möglich, dass er ihn beschnuppert hat.« Carsten zog seine Schultern hoch. »Dem kleinen Mann macht es scheinbar nichts aus. Mir ist es ganz recht.« Ohne dass sich Carsten dem bewusst war, hörte Cedric zu. »So, was möchtest du zum Frühstück?« »Ich begnüge mich mit Kaffee und Toast.« »Guten Morgen zusammen«, grüßte Edward, als er die Küche betrat. Dann ging er zu Cedric und strich ihm sanft über eine Hand. »Guten Morgen. Tee?«, fragte Andreas. »Gerne. Cedric ist ja schon ganz aufmerksam. Mrs. Sanches möchte heute sein Zimmer machen.« »Ist Ok. Ich nehme ihn heute zu mir ins Arbeitszimmer. Dort kann er ja auch schlafen, wenn er möchte.« Andreas schenkte Edward einen Tee ein und zwei weitere Tassen füllte er mit Kaffee. »Edward, könntest du heute nach Moray fahren und dort in der Destillerie meine Bestellung abholen?« »Ja. Kann ich einen kleinen Umweg fahren? Sam hat einen Widder für seine Herde gekauft und ich könnte ihn dann auf dem Rückweg in Invergordon abholen.« »Nimm dir die Zeit«, meinte Carsten. »Danke. Dad möchte heute mit Sam nämlich einige Weidezäune reparieren. Das geht zu Zweit schneller und besser.« Merlin war der Letzte, der die Küche betrat. »Morgen zusammen.« Sein Weg ging direkt zu Cedric. »Hallo kleiner Mann.« Dabei lachte er Cedric freundlich an. Als Cedric versuchte Merlin zu greifen, reichte er ihm einen Finger. Der Erfolg zauberte ein sehr breites Lachen auf dessen Gesicht. »Du bist ja schon ganz schön kräftig, kleiner Mann.« Dann knuddelte er ihn sanft den Bauch. »Ich hole mal die Hunde wieder herein«, meinte Carsten. »Die sollten sich eigentlich schon etwas ausgetobt haben.«

Wenig später betrat er in Begleitung von Leonardo und Salvatore wieder die Küche. Ihnen folgte einige Minuten später auch Charaid. Die Tiere machten sich über ihre Näpfe her. Carsten genoss den ersten Schluck Kaffee. Andreas hatte sich Cedric zugewandt und gab ihm erst einmal seine Flasche. Der kleine Mann sah neugierig um sich. Dabei flutschte immer mal der Nuckel aus seinem Mund. Andreas nahm die Gelegenheit wahr und versuchte es mit dem flüssigen Brei. Cedric nahm wieder den Nuckel in den Mund und saugte intensiv. Der Geschmack schien ihm zuzusagen. »Du magst also Banane«, kommentierte Andreas die kleine Aktion. Cedric, ganz in seinem Element, versuchte wieder die Flasche zu greifen. Als ihm das nicht gelang, verzog er sein Gesicht und protestierte lautstark. Andreas sah sich um und entdeckte den Ring und gab ihm diesen. Der Protest verstummte und machte Platz für ein Giggeln und Lallen.

Nach dem Frühstück hieß es für die Hunde eine größere Runde zu drehen. Carsten hat Cedric warm eingepackt und trug ihn in einem Tuch bei sich. Bei der Gassirunde gingen sie ihre übliche Strecke. Obwohl Salvatore und Leonardo miteinander die Umgebung unsicher machten, hatten sie dennoch immer auch ihre Herrchen im Fokus. Dem kleinen Mann gefiel das Geschaukel und er schlief dabei auch ein. Carsten ging den Weg vorsichtiger. Wie des Öfteren traf er auf seinem Weg auch Ben. Dass Carsten und Andreas einen Sohn adoptiert hatten, sprach sich schnell herum. »So gut möchte ich es auch einmal haben. An der frischen Luft zu sein und dabei getragen werden. Nach Lust und Laune ein Nickerchen halten.« Carsten grinste. »Ben, zum Tragen bist du mir einfach zu schwer. Außerdem, was wird Gwenda sagen oder wer passt auf Wolf auf?« Der Wirt lachte herzlich auf. Das Geräusch weckte auch Cedric. Nach einem herzhaften Gähnen sah er sich neugierig um. Ben konnte es nicht lassen und tätschelte sanft seine kleine Nase. Etwas irritiert versuchte der kleine Mann den lästigen Finger zu erhaschen. »Ärgere mir den kleinen Mann nicht. Er kann sich schon wirklich lautstark wehren.« »Er ist aber auch wirklich süß«, meinte Ben. Kaum ausgesprochen machte sich Cedric wirklich bemerkbar. Es dauerte nur wenige Augenblicke und Carsten’s Hunde standen ihm zur Seite. »Also Cedric hat wirklich gute Beschützer.« »Oh ja, sie mögen Cedric und sind besonders wachsam wenn er schreit. Manchmal haben sie mich geweckt, wenn es Zeit für seine Flasche wurde, bevor Cedric sich bemerkbar machte.« »Ich kenne das ja von meinen Kindern, wer hat denn die leidliche Aufgabe nachts aufzustehen?«

»Ich stehe in der Nacht auf. Mir macht es nichts aus, wenn ich kein Licht brauche. Andreas hat dafür die morgendliche Routine übernommen. Heute haben wir das erste Mal gemeinsam gefrühstückt. Dem kleinen Mann gefällt die Atmosphäre gemütlich zu frühstücken. Raus gehen wir abwechselnd. Wir haben uns dazu entschieden, Cedric bei uns am Körper zu tragen. Lediglich wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, hat er seinen eigenen sicheren Sitz.« Ben dachte darüber nach, dass diese Methode in der Region nicht gerade üblich war. Die Meisten bevorzugten einen klassischen Kinderwagen. Er sah aber auch ein, dass Carsten wegen seiner Blindheit nicht wirklich einen Kinderwagen kontrollieren konnte. »Ich nehme an, ihr werdet so schnell nicht ins Pub kommen?« »Das würde ich nicht sagen. Wenn Merlin oder Edward sich bereit erklären auf ihn aufzupassen, haben Andreas und ich nichts gegen einen freien Abend. Mrs. Sanches passt ja auch schon auf ihn auf, wenn wir beide nicht Zuhause sind.« »Ein Kindermädchen kommt für euch nicht in Frage?« »Jetzt noch nicht. Cedric fremdelt noch. Selbst wenn er schläft, scheint er zu spüren, dass wir ihm Sicherheit bieten.« »Ja, so etwas spüren die Babys. Eine Nanny hat auch noch etwas Zeit. Ganz etwas anderes. Der Spielplatz macht ja schon etwas her. Wann wird Andreas diesen fertiggestellt haben?« »Es läuft besser als er sich das gedacht hat. Geplant war ja, dass dieser zum Baubeginn der Straße fertig sein sollte. Die momentane Planung sieht die Fertigstellung schon gut vier Wochen früher vor. Wegen der feuchten Witterung wird der Sand erst kurz vor der Eröffnung verteilt. Danach steht die generelle Abnahme durch die Behörde an. Es sollte auch die Eröffnungsparty zeitnah stattfinden.« »Deswegen wollte ich das wissen. Gwenda hat mit ihrem Frauenverein schon mit der Organisation begonnen. Die Kinder stehen im Mittelpunkt. Daneben haben die Firmen zugesagt, für Fragen und weiteren Anregungen einen gemeinsamen Infostand zu betreiben.« »Das freut uns zu hören.« »Kommt ihr zum Weihnachtsmarkt?« »Wann findet er denn statt?« »Er beginnt am Freitag vor dem vierten Advent und geht bis zum Sonntag.« »Nein. An dem Mittwoch fahren wir alle nach London. Anschließend geht es weiter zu meiner Familie. An dem Wochenende gebe ich in Leipzig ein Benefizkonzert. Dann haben wir noch ein paar Tage Zeit bis Weihnachten, um alles für unsere Familien vorzubereiten. Wir haben sie eingeladen und sie wollten es sich nicht nehmen lassen, bei uns zu feiern. Es wäre das erste Mal seit wir in England leben, dass unsere Familien gemeinsam feiern. Es ist eigentlich immer angenehm. Alle helfen bei den Vorbereitungen. Sicher werden sich alle mit Cedric beschäftigen. Am Wochenende kommen unsere Großeltern und Eltern, um ihr neues Familienmitglied kennenzulernen. Seine erste Bewährungsprobe. So, wir sollten langsam wieder nach Hause. Cedric möchte sicher seine nächste Mahlzeit haben.« Freundlich verabschiedete sich Ben von den Vieren. Carsten lag nicht so falsch bei seiner Annahme. Am Haus wurde Cedric auch lebhafter. »Mein Sohn, kannst du dich noch einen Augenblick gedulden? Erst sind die Hunde dran.« Auf der Veranda kümmerte sich Carsten um die beiden Hunde. Dabei sah Cedric ganz aufmerksam zu und versuchte mit seinen Händchen zu helfen. »Genau so. Die Beiden mögen, wenn man sie knuddelt, so wie du es machst«, kommentierte er die Aktion seines Sohnes. Salvatore verzog sich ins Haus und sein Bruder folgte ihm einige Momente später. Cedric brabbelte noch etwas vor sich hin. »Komm. Jetzt bist du dran. In der Küche habe ich noch etwas für dich«, wandte Carsten’s Aufmerksamkeit sich dem lebhaften Jungen in seinem Tuch zu.

Nachdem Cedric seiner warmen Sachen entledigt war, nahm Carsten den kleinen Mann auf den Arm und gemeinsam ging es zur Nahrungsquelle. Andreas hatte die Flasche schon vorbereitet und diese in den Flaschenwärmer gestellt. Die Temperatur war genau richtig und Cedric hatte nach dem Spaziergang wahrlich großen Hunger. Wie so oft hielt sich der kleine Mann an einem Finger seines Papas fest, während er nuckelte. Die Flasche war leer, doch Cedric hatte noch nicht genug. Seine Meinung zur Nahrungsaufnahme machte er lautstark kund. Carsten suchte sich die Sachen für die flüssige Variante eines Breis zusammen. Während er an der Anrichte werkelte, sahen ihn zwei große Augen zu. »So mein kleiner Nimmersatt. Jetzt machen wir uns einen leckeren Bananennachtisch.« Carsten nahm eine Gabel und zerquetschte die Frucht. Dann ging er zum Herd. Er nahm die erwärmte Milch und goss diese über die Banane. Anschließend nahm er eine neue Flasche und füllte die Bananenmilch ein. Er nahm Cedric wieder auf den Arm. Der Brei schien genau richtig zu sein. Cedric schmatzte zufrieden.

»Das machen Sie wirklich gekonnt Carsten«, begrüßte Mrs. Sanches die Beiden. »Kunststück, ich durfte auch meinen Bruder in dem Alter füttern. Cedric hatte nach seiner Flasche noch Hunger. Da schien es mir nur gerecht, ihm ein Nachtisch zu machen.« Mrs. Sanches lachte. »Sie haben schon eine interessante Philosophie. Darf ich sie etwas persönlich fragen?« »Nur zu. Sie möchten sicher wissen, wie ich das mache, seinen Mund zu treffen?« »Ja.« »Ich habe Erfahrung bei meinem Bruder gemacht. Cedric’s Köpfchen liegt in meiner Armbeuge. Da ist es nicht schwer seinen Mund zu treffen. Nebenbei trainiert er seine Muskeln. Er ist schon sehr neugierig und versucht seine Umgebung zu erkennen.« Dabei gab er seinem Sohn wieder den Nuckel. Wie Carsten sagte, fand dieser den Mund. Der kleine Mann schmatze genüsslich. Mrs. Sanches sah den Beiden verträumt zu. Dann erinnerte sie sich ihrer Aufgaben. »Ich mache heute das Kinderzimmer gründlich sauber. Das wird etwas dauern.« »Edward erwähnte es schon beim Frühstück. Cedric bleibt schon länger wach, so nehme ich ihn mit in mein Arbeitszimmer. Er ist bestimmt ein guter Kritiker, wenn wir gemeinsam an Konzerten üben«, grinste Carsten. »Dort hat er ja auch sein Tagesbett, wo er dann auch schlafen kann. Weil es dort nicht ganz so warm ist, bekommt er seinen flauschigen Hausanzug an. Doch wie ich gerade spüre, müssen Sie noch ein wenig mit dem Reinigen warten. Erst sind frische Windeln nötig. Haben Sie Kinder?« »Ja, zwei Töchter und einen Sohn. Die sind aber schon erwachsen und haben eigene Familien.« »Darf ich Sie fragen, wann Sie mit dem entwöhnen der Windeln begonnen haben?« »Oh, schon recht früh. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir Einmalwindeln verwendet. Mein Mann hatte es einfach satt, viel Geld für etwas auszugeben, was eh schnell wieder im Müll landet. Dann war der Müllberg auch nicht ohne. Es war also keine Entscheidung, ob die Kinder dazu bereit waren. Ehrlich, ich glaube, es war bei Timothy zu früh. Er hinterließ oft genug kleine Pfützen. Beginnen Sie, wenn er mobil wird und seine Ausscheidung mehr als breiig sind.« »Das Letztere ist jetzt schon der Fall. Es riecht auch schon strenger.« »Dann versuchen Sie es zeitweise am Tag. Nachts sollte er jedenfalls noch Windeln tagen, wenn sie nicht jeden Tag eine neue Matratze verwenden möchten.« »Danke. So machen wir es. Da wir jetzt erst noch das Kinderzimmer belegen … Wir erwarten am Wochenende Besuch, können Sie nach den Gästezimmern sehen?« »Natürlich. Ich mache mich gleich daran. Soll ich auch die Windeln schon waschen?« »Das mache ich anschließend selbst. Cedric hat ja noch eine benutze Windel an.«

Das Wechseln der Windel wurde für Cedric sehr lustig. Richtig ruhig bleiben wollte er nicht. Carsten hatte so seine Mühen. »Mir scheint, dass wir schon jetzt mit dem Verzicht beginnen. Was meinst du?« Cedric giggelte fröhlich vor sich hin. Carsten zog ihm lediglich eine Hose an und darüber seinen Hausanzug. »Ich hoffe, es war keine Fehlentscheidung.« Dann nahm er seinen Sohn und die Windel. Cedric legte er in sein Kinderbett im Arbeitszimmer. Dann nahm er die Windel und ging in den Waschraum. Andreas hatte für die Windeln einen separaten Korb bereitgestellt. Diesen nahm Carsten und verfrachtete deren Inhalt in die Waschmaschine. Gekonnt befüllte er die entsprechenden Fächer für das Waschmittel und stellte die richtige Temperatur ein. Andreas hatte einiges ausprobiert. Das Resultat mit den besten Ergebnissen brachte 60°C mit Vorwaschen. Der Waschgang dauerte zwar länger, war aber für die Textilien die schonendste Methode.

Im Arbeitszimmer lauschte Carsten den Geräuschen. Cedric’s Atemzüge waren regelmäßig und er schien zu schlafen. Er beschloss erst seine theoretischen Aufgaben zu erledigen. Seine Klavierschüler hatten verschiedene Stadien erreicht. Um dem gerecht zu werden, hatte er für jeden einen Ordner angelegt und die entsprechenden Übungen darin eingetragen. »Clair ist soweit. Ihr liegen die Etüden von Liszt. Beginnen wir mit den einfachen disharmonischen«, murmelte Carsten vor sich hin. Vom Kinderbett aus tönte ein Giggeln und Lachen. »Och, du bist ja schon wieder wach.« Er stand auf und ging zu dem Flügel. Dort begann er mit seinen Fingerübungen.


Andreas hatte Salvatore bei sich. Auf dem Weg nach Glasgow lag er schlummernd in seinem Zwinger. Erst als der Land Rover auf einem Parkplatz vor der Gärtnerei zu stehen kam, wurde der Vierbeiner munter. Erstmal schlabberte er aus dem Reisenapf. Andreas war froh seinen Geländewagen genommen zu haben. Der Parkplatz war mit Schotter befestigt und zierte einige Vertiefungen. Nach dem Aussteigen dehnte Salvatore seine Muskeln. »Was meinst du?«, begann Andreas. »Sieht alles sehr bodenständig aus. Dann lass uns mal sehen, was uns erwartet.« Er ging direkt auf das Gebäude zu. Es war ein größerer Betrieb. Laut der Bewerbung hatte die Gärtnerei zwanzig Beschäftigte. Er sah den Hinweis, wo es zum Büro ging. Der Inhaber war erfreut Andreas zu sehen. »Mr. Zahradník. Danke, dass Sie unsere Gärtnerei in die engere Wahl genommen haben«, wurde Andreas von dem Gärtnermeister begrüßt. Andreas achtete ein wenig darauf, wie sein Hund reagierte. Salvatore blieb relaxt. Der Gärtner bot ihm an sich zu setzen. Dazu gab es noch eine obligatorische Tasse Tee. Aufmerksam sah sich Andreas in dem Raum um. Auf dem Schreibtisch lagen einige Dokumente. Dahinter befand sich ein Regal mit Fachliteratur. Es war nicht wirklich unordentlich für ein Betriebsbüro. Da hatte er schon Schlimmeres erlebt. Dann wurde er ernst und kam direkt zum Thema. »Freuen Sie sich nicht zu früh. Der Park gehört in wirklich professionelle Hände. Die Bevölkerung unterstützt dessen Erhalt und hat schon einen eigenen Verein gegründet. Ich habe bewusst in der Ausschreibung auf ausgebildete Gärtner bestanden. Angelerntes Personal führt zur sofortigen Kündigung des Vertrages, dass sollten Ihnen bewusst sein.« »Ja, deswegen habe ich mich auch beworben. Sehen Sie, wir bilden aus. Doch wegen rückläufiger Aufträge ist es schwierig, diese auch entsprechend einzusetzen. Ich gebe zu, dass ich bei manchen Aufträgen auf Aushilfskräfte gesetzt habe. Eine Fehlentscheidung. Die Schadensregulierungen waren teurer als ich letztendlich eingespart habe. Ich habe mich mit meinen Gärtnern unterhalten. Sie berichteten mir auch, dass es sehr schwer ist, gewisse Arbeiten ungelerntem Personal zu erklären.« Andreas hörte aufmerksam zu. »Meine Angestellten haben mir vorgeschlagen, auf die Auszubildenden zu setzen. Sie machen lieber Überstunden um einen Auftrag richtig abzuschließen. Das spart unserer Gärtnerei Zeit und zusätzliche Kosten. Mit Ihrem Auftrag würden wir einen weiteren Auszubildenden einstellen, dessen Schwerpunkt dann die Pflege von Parkanlagen sein würde.« Andreas dachte über das Gehörte nach. Er musste zu einer Entscheidung kommen. Im Park ruhten die Arbeiten und es war Zeit, die Arbeiten für den Winter abzuschließen. Im Gegensatz zu den anderen möglichen Betrieben war der Inhaber relativ offen. Er berichtete von dem offenen Meinungsaustausch mit seinen Angestellten. Deren Erfahrung schien er zu berücksichtigen. »Gut, Ihre Gärtnerei erhält den Auftrag. Wir halten vertraglich fest, dass Sie entsprechende Arbeiten fachlich ausführen und einen zusätzlichen Auszubildenden einstellen. Ich erwarte dazu entsprechende Berichte, die ich persönlich überprüfen werde. Das Ehepaar und der Verein, als Betreiber, regeln die Rechnungen. Ihr Jahresbudget beläuft sich auf 30,000 Pfund inklusive Nachpflanzungen. Der Verein hat einem Vertrag über fünf Jahre zugestimmt. Sind Sie damit einverstanden?« Dabei überreichte Andreas dem Gärtnermeister den entsprechenden Vertrag. »Lesen Sie ihn sehr aufmerksam durch. Doch zuerst führen Sie mich durch ihre Gärtnerei.« Etwas erstaunt über dieses Ansinnen, stimmte der Inhaber zu. Andreas sah sich in den diversen Gewächshäusern genau um. Sprach auch mit den Angestellten. Nach einer Stunde hatte er genug erfahren. Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass er die richtige Gärtnerei gefunden hatte. Auch Salvatore schien seiner Ansicht zu sein. Ganz relaxt blieb er an seiner Seite. Dann ging es zurück ins Büro. Dort las der Gärtner den Vertrag durch. Die Klauseln waren fair und akzeptabel und der Abschluss wurde mit einem Whisky besiegelt. »Der Vertrag sieht noch die Arbeiten zur Vorbereitung des Winters vor. Dazu habe ich diesen Scheck über 2,000 Pfund als Vorschuss vorgesehen.« »Das ist mehr als großzügig. Ich werde morgen schon meine beiden Teams losschicken.« Andreas nickte. »Salvatore!« Er wandte sich zum gehen um. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Versauen Sie es nicht. Der Park steht im öffentlichen Interesse. Eine bessere Werbung für ihren Beruf gibt es nicht.« Die mahnenden Worte kamen an. So hatte der Inhaber der Gärtnerei einen Auftrag noch nicht gesehen.

In Glasgow wurde Andreas bereits im Rathaus erwartet. Neben den Vertretern der Verwaltung war auch der Koordinator und Leiter des Projekts anwesend. »Mr. Zahradník. Sie haben drei Jahre Zeit, ihre Planung umzusetzen. Ihre Eingabe hat uns überzeugt. Wie werden Sie Ihr Projekt umsetzen?« »Wenn ich zuerst eine Frage stellen darf, wie weit sind denn die Bauarbeiten fortgeschritten?« »Die neuen Rohbauten stehen bereits. Jetzt ist nach der Planung die Sanierung der bestehenden Wohnungen dran. Diese sollten zum Frühjahr abgeschlossen sein. Dann gilt es die Außenanlagen und Infrastruktur anzulegen.« »Gut zu wissen. Wie Sie meinem Entwurf entnehmen können, beginne ich mit den Anpflanzungen einiger Bäume. Dafür habe ich insgesamt zwei Monate vorgesehen. So vermeide ich, die benötigten Wege zu den Baustellen zu blockieren. Im Sommer sollten diese dann auch schon die nötige Standsicherheit haben. Damit die Bäume auch ausreichend bewässert werden, habe ich entsprechende Vorkehrungen getroffen. Der zweite Teil der Anlage wird dann je nach Bauphase vervollständigt. Das hat den Vorteil, dass die Grünanlagen zur Fertigstellung der Wohnungen ebenfalls soweit fortgeschritten sind, dass sie in der Pflegephase sind. Der Stadtteilpark wird dann der Öffentlichkeit übergeben werden können. Die Straßenbegrünung ist die letzte Phase. Wie vorgesehen, ist es ein Mix aus Sträuchern und Beeten«, erläuterte er den Anwesenden. »Warum haben Sie keine Bäume vorgesehen?«, fragte ein Verwaltungsangestellter. »Ich habe mir die Versorgungswege angesehen. Bäume werden mit den Jahren größer und ihr Wurzelwerk würde reichlich Schaden anrichten. Gut gepflegte Sträucher würden dem Klima genauso zugutekommen. Richten aber keinen Schaden an. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese bei zukünftigen Bauarbeiten einfacher umgepflanzt werden können. Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Doch aus Erfahrung weiß ich, dass Vorschriften und Bedingungen immer den Begebenheiten angepasst werden müssen. Dem trage ich Rechnung.« »Das ist wirklich ein sinnvolle Voraussicht. So nun zu den Details.«

Die Besprechung dauerte wirklich mehrere Stunden, dabei wurden auch kleine Änderungen seitens des Bauherrn besprochen. Andreas musste einige Arbeiten umplanen. Bei anderen blieb er hartnäckig und erläuterte auch die Gründe zu seiner Entscheidung. Es blieb nicht anderes übrig, als dass der Bauherr seine Planungen ändern musste.

Als Andreas seinen Wagen bestieg, war es bereits dunkel. Doch er hatte auch den Vertrag sicher in seiner Tasche. Die an diesem Projekt beteiligten Parteien waren mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Andreas sah in den Rückspiegel und erblickte Salvatore. »Keine Panik, du hast heute wieder bewiesen ein treuer Geselle zu sein. Für dich habe ich schon einen geeigneten See ausgesucht.« So als ob der Hund ihn verstanden hatte, legte er sich im Fond ab. Andreas fuhr zum besagten See. Dort tobte er mit Salvatore sehr ausgiebig und der Hund beendete den Ausflug mit einem Bad im See. Feucht aber sehr zufrieden kletterte er wieder in den Defender. Andreas freute sich ebenfalls. Dass, was er von seinem Hund an diesem Tag abverlangte, war mehr als üblich.


Carsten kam von seiner letzten Gassirunde mit Leonardo zurück. Merlin hatte sich bereiterklärt , solange bei Cedric zu sein. Carsten ahnte schon, dass die Beiden einigen Unfug anstellten, dennoch war er mehr als glücklich, dass sie sich so gut verstanden. Merlin blieb stets behutsam, selbst wenn Cedric mit seinen Armen und Beinen wild gestikulierte. Der Junge schaffte es immer, dass der kleine Mann sich auch wieder beruhigte, indem er ihn mit etwas anderem ablenkte.

Das Motorgeräusch des Land Rover weckte seine Aufmerksamkeit. »Leonardo, lass uns zur Garage gehen.« Carsten kam gerade an, als Andreas Salvatore aussteigen ließ. »Hallo Schatz, es war ein langer Tag. Warst du erfolgreich?« »Hallo meine bessere Hälfte. Ja. Der Park ist in sicheren Händen. Die Gärtnerei hat alle Bedingungen akzeptiert. Jetzt wird es sich zeigen, ob sie der Natur gerecht werden. In Glasgow hat es leider länger gedauert. Aber auch dort ist alles in trockenen Tüchern. Den Vertrag habe ich bei mir.« »Apropos trockene Tücher. Cedric hat sich heute morgen geweigert Windeln zu tragen. Möglich, dass seine Hosen voll sind.« »Wenn es mehr nicht ist. Aber nachts bekommt er doch noch welche, oder?« »Ja, ich denke, da wird er nichts dagegen haben. Außerdem ist ein vollgeschissenes Bett unappetitlich.« »Ward ihr schon Gassi? Salvatore hat sich bereits ausgetobt.« »Ja, wir sind gerade zurück.« Andreas sah sich um. Die Tasche mit den Unterlagen hatte er bei sich und Salvatore saß neben Leonardo. Mit der Fernbedienung schloss er den Wagen ab und kurz darauf schloss sich auch das Garagentor. Gemeinsam gingen sie zum Haupteingang. Aus dem Salon hörten sie ein Giggeln und Lachen. »Merlin und Cedric verstehen sich prächtig. Lassen wir sie noch etwas miteinander spielen. Hast du schon gegessen?«, fragte Carsten nach. »Nein. Ich wollte Salvatore nicht etwas voressen. Außerdem benötige ich erst eine Dusche und frische Klamotten. Machst du uns eine Kleinigkeit?« »Natürlich. Etwas warmen bin ich auch nicht abgeneigt. Eine einfache Bouillon dazu Toast, Salat und Cedric mag sicher auch etwas.« »Klingt gut. Ich gehe mal hoch.«

Carsten ging zur Küche. »Oh Edward, was machst du hier?« Ihn hatte Carsten ganz vergessen. »Oh, ich bin eben erst zurück. Der Widder war etwas widerspenstig und wollte bei Sam nicht aus dem Anhänger. Sam hat ihn dann mit einem Schaf gelockt. Ich hätte nicht gedacht, dass er damit Erfolg haben würde.« »Wenn das Weib lockt«, kommentierte Carsten die Erzählung. »Es ist ein junger Schafbock. Er wird für guten Nachwuchs sorgen.« »Dann hat es sich für deine Familie gelohnt?« »Auf jeden Fall. Lustig wurde es noch einmal, als meine Mutter meinte, ich würde hier mit Pizza und anderen Fertiggerichten abgespeist. Sie kann sich einfach nicht vorstellen, dass in einem Männerhaushalt jeden Tag gekocht wird. Als ich ihr davon berichtete, dass ich hier international verköstigt werde, war sie sprachlos. Dennoch, sie hat uns ein Dinner zubereitet. Ein Dankeschön. Ich wollte es im großen Ofen aufwärmen, irgendwie funktioniert er nicht.« »Es gibt eine spezielle Sicherung für das Gas. Komm ich zeige es dir.« Am Ofen drückte Carsten mit einer Hand auf einen Knebel, drehte diesen auf die erste Stufe. Mit der anderen Hand drückte er auf den Zündknopf. »Jetzt musst du den Knebel ca. 30 Sekunden gedrückt halten. Die Hitze deaktiviert ein Sicherheitsventil. Falls die Flamme ausgeht, aktiviert sich das Ventil und sperrt das Gas ab.« »Also, das nenne ich einmal eine vernünftige Sicherung. Es gibt immer wieder Unfälle mit ausströmendem Gas. Diese alten Backöfen sollten verboten werden.« »Du magst es nicht glauben, doch diese sind bereits verboten. Als wir diese Küche eingerichtet haben, haben wir vor allem auf die Sicherheit geachtet, weil ich blind bin. Es gibt sogar für den Elektroherd einen Schutz vor Überhitzung. Sag mal, was hat deine Mutter dir denn mitgegeben? Andreas ist hungrig.« »Fischsuppe, gedünsteter Lachs und Haggis. Sie meinte, dass alles im Ofen erwärmt werden kann. Dennoch mache ich nur den Fisch darin warm. Die Suppe steht bereits auf dem Herd. Haggis kann sowohl warm als auch kalt gegessen werden. Ich stelle diesen nach dem Fisch in den noch warmen Ofen. Das gibt ihm das gewisse Etwas. Dazu würde ich uns allen einen Weißwein empfehlen.« »Gut, ich bin einmal gespannt, wie Haggis schmeckt. Kann ich die Rationen für die Tiere machen?« »Nur zu. Der Teil der Anrichte ist frei. Andreas wird sicher später auch noch Cedric’s Mahlzeit zubereiten. Er isst doch mit uns?« »Es kommt darauf an, wie munter er noch ist. Hast du Andreas Kisten schon in den Keller gebracht?«, fuhr Carsten fort, während er sich die Zutaten für die Tiere zusammenstellte. »Ja, dazu gab es eine Kiste mit einer Flasche eines besonderen Jahrgangs als Zugabe. Diese habe ich auf Andreas Schreibtisch gestellt.« »Andreas hat einen sehr feinen Gaumen. Ich nehme an, es ist ein Single Malt 50 Jahre alt.« »Bist du dir sicher? Die Flasche allein ist ein Vermögen wert.« »Genau genommen £12,325. Der ist für besondere Anlässe. Eine Kiste ist als Präsente für gute Geschäftsbeziehungen gedacht. Die beiden anderen sind für den alltäglichen Genuss. Andreas benutzt ihn auch hier in der Küche.« »Darf ich dich fragen, was für einen Wert die Bestellung hatte?« »Die drei Kisten? Zusammen rund £45,000. Der jüngste Brand ist 18 Jahre alt. Für uns privat gibt es eine Auswahl verschiedener Jahrgänge. Im Salon haben wir mehrere Flaschen. Unser Vorrat ging zu Ende«, meinte Carsten lapidar. »Das ist Luxus pur.« »Quatsch. Selbst Ben hat unseren Whisky vorrätig. In London wurde uns ein Whisky serviert, davon bekamen wir Kopfschmerzen. Nie wieder. So die Rationen sind fertig.« »Das duftet hier aber köstlich«, bemerkte Andreas. »Ich hoffe nicht, du meinst das Futter für die Tiere?«, lautete Carsten’s Antwort. »Nein«, lachte Andreas. »Es duftet nach Fisch.« »Ich sagte doch, Andreas hat eine feine Nase.« »Fischsuppe, Lachs und Haggis«, ergänzte Edward.

Andreas deckte entsprechend den Tisch. Aus dem Keller holte er einen Wein. Die letzten Beiden waren Merlin und Cedric. »Ich glaube der kleine Mann hat Hunger. Er ist ein wenig quengelig und er benötigt eine frische Windel. »Die Windel hättest du ihm auch geben können.« »Nein, Cedric wehrt sich, wenn ich das mache. Ihm bin ich wohl nicht geheuer«, grinste Merlin.

Carsten nahm dem Jugendlichen Cedric ab und ging mit ihm in sein Zimmer. Dreißig Minuten später tauchten beide wieder in der Küche auf. »So das wäre erledigt. Schatz, übernimmst du unseren Sohn zum Füttern? Ich glaube er hat an der Bananenmilch gefallen gefunden.« »Dann komm mal zu mir kleiner Mann.« Andreas nahm Cedric behutsam in Empfang. Am Tisch setzten sie sich. Andreas hatte alles sorgfältig vorbereitet. Zur Freude des kleinen Gentleman gab er ihm zuerst seinen Ring. Der wedelte damit auf und ab und lachte über sein Spielzeug. Dann nahm Andreas die Flasche. Noch nicht ganz am Ziel hob der Junge sein Köpfchen, um den Nuckel zu erreichen. Begierig saugte er daran. Natürlich musste Cedric zwischendurch auch seinen Kommentar abgeben. Die anderen sahen ihm einige Zeit schweigend zu. »Ich denke die Suppe ist soweit. Darf ich euch auftragen? Meine Mutter verfeinert das Aroma nach einem Familienrezept.« Edward tat wie er sagte und jeder am Tisch musste zugeben, dass es wirklich eine gute Fischsuppe war. Damit Cedric nicht außen vorstand, gab Andreas ihm ein klein wenig von der Flüssigkeit. Seiner Mimik nach zu urteilen, lehnte er den Geschmack nicht ab. Doch begeistert wirkte er auch nicht. Andreas gab ihm wieder die Flasche. »Ich bringe Cedric mal zu Bett«, meinte er etwas später. »Er gähnt herzhaft und seine Augen fallen ihm auch immer wieder zu.« Die Anwesenden wünschen dem kleinen Mann eine gute Nacht, bevor Andreas mit ihm verschwand. Wenig später erschien Andreas mit dem Babyphone in der Hand. »Cedric war tatsächlich sehr müde. Kaum lag er in seinem Bett, schlief er auch schon. Er hat nicht mitbekommen, wie ich ihn zudeckte.« »Es war auch ein sehr langer Tag für ihn. Ich glaube, er beginnt seinen Rhythmus zu ändern.« »Ich bin einmal gespannt, wie lange er schlafen wird«, kommentierte Merlin. »Beim Spielen im Salon war er wirklich sehr aktiv. Er hat sogar versucht seine Position zu ändern. Was ihm leider noch nicht so ganz gelang.« »Du kannst ihm dabei etwas helfen. Wenn er sich an deinen Fingern festhält, zieh ihn vorsichtig zu dir. Das trainiert seine Motorik und Muskeln. Wichtig ist auch, dass er Gegenstände greifen kann. Gib ihm die kleine Rassel, damit kann er sich lange beschäftigen. Wenn du mit ihm sprichst sieh ihn direkt an. Er braucht zum Gehörten vor allem den Blickkontakt. Er wird sicher nicht alles verstehen, doch er verbindet deine Gesten mit dem Gehörten«, meinte Carsten. Edward trug den Lachs auf. Selbst Andreas gestand, dass dieser sehr gut schmeckte. »Also an diesen Service könnte ich mich gewöhnen.« »Meine Mutter kocht für ihr Leben gern und viel. Wenn auch nicht alles, was meine Großmutter zubereitet. Hummer zum Beispiel kommt bei ihr nicht auf den Tisch. Manchmal geht sie zum Fischhändler und kauft ein Dutzend. Danach lässt sie diese an der Küste wieder frei. Papa meinte, das sei verschwendetes Geld. Doch Mom lässt sich davon nicht abbringen. Ich glaube, es ist ihr bescheidener Beitrag zum Tierschutz.« »Ein liebenswerter Zug deiner Mutter. Im Restaurant meines Großvaters gab es nie Krustentiere. Er fand die Methode des Garens lebendiger Tiere einfach barbarisch. Sag einmal, verwendet dein Mutter Brandy in der Küche?« »Sehr gerne sogar. Wie kommst du darauf?« »Das sagt mir mein Gaumen. Es ist eine weiche Note, die ich vom Whisky her kenne.« »Wow, Carsten hat schon gesagt, dass du einen wirklich feinen Sinn für Aromen hast. Dann bin ich mal gespannt was du zum Haggis sagst.«

Merlin und Edward kannten diese spezielle Speise, während Andreas und Carsten Neuland betraten. Jetzt war es Carsten’s Vorteil blind zu sein. Denn äußerlich sah dieses Gericht nicht gerade appetitlich aus. Aber der Geschmack machte es allemal wieder wett. Den krönenden Abschluss gab es im Salon. Andreas ließ es sich nicht nehmen, jedem von dem Whisky anzubieten. Edward kannte schon einige Brände. Dieser war es allemal Wert genossen zu werden.


Das Wochenende kam. Andreas und Edward holten die Gäste vom Flughafen ab. Edward war sichtlich überrascht, als sein Arbeitgeber ihm seine Großeltern und Schwiegereltern vorstellte. Für ihre Generation wirkten sie recht modern. Dann wurde das Gepäck auf die Autos verteilt. Der Heimweg entpuppte sich als recht ruhig. Carsten begrüßte die Familie sehr herzlich. Jeder spürte ihre tiefe Verbundenheit. Dann stellten die beiden Gastgeber ihnen Cedric vor. Ganz unbeeindruckt von den Gästen schlief er friedlich in seinem Bett. Andreas komplimentierte die Familie aus dem Kinderzimmer. »Lassen wir den kleinen Mann schlafen.« Dennoch waren die Urgroßeltern und Großeltern von Cedric Francis begeistert. Andauernd schlich sich jemand zu dem Jungen. Papa Carsten spürte wie sein Sohn langsam überfordert war. Erst ein ernstes Wort seitens Carsten brachte dem Treiben eine Unterbrechung. »Cedric braucht seine Ruhe und ich bitte euch ihm diese auch zu gewähren. Wir gehen jetzt alle mit den Hunden raus. Merlin lernt und passt auf Cedric auf.« »Junge, so kenne ich dich gar nicht!« Luise war über die kleine Ansprache erstaunt. »Andreas und ich kennen unseren Sohn nun schon über fünf Monate. Es ist unsere Aufgabe auf sein Wohl zu achten, so wie ihr für unser Wohl verantwortlich ward. Ihr seid alle Großeltern und habt die schwere Aufgabe Großeltern sein zu dürfen. Cedric braucht euch, damit ihr ihn auf seinem Weg ins Leben begleitet. Seine Papas werden ihm Grenzen setzen, die er bei euch überschreiten darf. Doch jetzt ist seine Zeit, alles erst einmal zu verarbeiten. Das kann er am Besten wenn er schläft. Der Tag ist noch lang und er wird euch sicher noch genug beschäftigen.« »Luise, die Jungs haben Recht. Carsten, ich habe gehört, ihr plant einen Spielplatz. Zeigst du ihn mir einmal?« Damit war klar, dass Paul seinem Sohn zustimmte. Alle zogen sich wetterfest an. Dennoch trennten sich die Wege, da Andreas Großeltern einfach eingeschränkt mobil waren.

Auf dem Weg zum Spielplatz sah sich Paul erstaunt um. In den wenigen Monaten nach dem Einzug hatte sich schon einiges sichtbar verändert. »Andreas hat eine Gärtnerei gefunden, die sich vorbildlich um den Park kümmert. Eingriffe soviel wie nötig und sowenig wie möglich. Es wird noch einige Zeit dauern, um die Vernachlässigung der vergangenen Jahre wett zu machen. Mit dem bisherigen Resultat sind wir jedoch sehr zufrieden«, berichtete Carsten seiner Begleitung. »Mr. Hill Senior hat gegen Andreas Planung die Hecke umgestaltet. Sie wird etwas gewellt sein und an den Ecken rundlicher. Es ist auch keine einheitliche Pflanzenart. Andreas hat verschiedene Gattungen verwendet. Sie blühen zu verschiedenen Zeiten und das gesamte Bild wird aufgelockert. Des Weiteren bietet sie dadurch auch mehr Nistmöglichkeiten.« Luise sah sich die Anpflanzung genauer an. Ihr gefiel die natürlich wirkende Architektur. Paul lenkte seine Aufmerksamkeit der Baustelle zu. »Wie finanziert ihr das alles?« »Wir haben lediglich die Fläche zur Verfügung gestellt und ich spendiere ein Klangspiel. Ansonsten hat Andreas ein Budget zur Verfügung, welches nicht einmal ganz aufgebraucht wird. Die Spielgeräte werden von Unternehmen der Region hergestellt und sogar gewartet. Das allein spart schon bei den Ausgaben. Wir haben lediglich noch Ausgaben für einen Zaun. Die Abgrenzung zu unserem Grundstück wird etwa zweieinhalb Meter hoch.« »Wie groß ist die Fläche?« »Andreas sprach von 90 yd2. Viel Platz würde ich sagen.« »Wie ich sehe, habt ihr schon Bäume und Sträucher gepflanzt.« »Ja. Die Vorschriften schreiben eine gewisse Beschattung vor. Dazu kommt noch ein Sonnensegel für die Sandkiste der kleinen Kinder. Die letzte Aktion wird das Auffüllen mit Sand sein. Das passiert kurz vor der Eröffnung. Wo sind eigentlich Leonardo und Salvatore?« »Die sind irgendwo zwischen den Büschen. Wir sind ja bei dir und Leonardo weiß, dass wir auf dich aufpassen. Lass ihn sich ruhig austoben.« Carsten hakte sich bei Paul ein. »Wie war das nun mit Cedric. Ich bin da nicht so ganz hintergestiegen. Wurde er tatsächlich ausgesetzt?« Den Rückweg nutzte Carsten seinen Eltern die Geschichte zu erzählen. An verschiedenen Stellen zeigten sie heftige Emotionen. Kurz vor dem Haus nahm Luise ihren Sohn beiseite. »Junge, es war nicht respektlos uns den Kopf zu waschen. Wir sind nun Großeltern und du hast uns gezeigt, dass du sehr gut deine Familie beschützen kannst. Unser Enkel ist wirklich knuffig.« »Dennoch stelle ich mir immer die Frage, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin.« »Carsten, dass seid ihr. Du und Andreas habt in kürzester Zeit das gelernt, wozu andere Paare neun Monate haben. Das macht euch so schnell keiner nach. Der kleine Mann vertraut euch. Das sieht man ihm an. Spürst du das nicht?« Dabei legte sie ihrem Sohn die Hand aufs Herz. Carsten umarmte seine Mutter.

»Leonardo! Salvatore!«, rief Carsten. Obwohl Paul die beiden Hunde eine geraume Zeit nicht sah, wirkten die Worte ihres Rudelführer. »Ich denke ich gehe auf die Veranda. Es hört sich so an, als seien beide noch baden gewesen. Habt ihr schon die Statuen von Zio Jihan bewundert?« »Nein, komm Paul. Ich bin gespannt, was für Kunstwerke unsere Jungs im Garten haben.« Die Wege trennten sich. »Sag einmal Luise, kann Carsten wirklich hören, ob die Hunde baden waren?« »Klar kann er das. Er hört viel besser als wir beide zusammen. Ich kann mich gut daran erinnern. Carsten war gerade 12, da meinte er morgens beim Frühstück ob ich eigentlich vor Mäusen Angst hätte.« »Wieso?« »Das wollte ich auch wissen. Zwischen zwei Bissen meinte er, dass eine Maus gerade an der Fußleiste der Spüle entlang lief. Ich sah sie noch.« »Dann hat er wirklich ein gutes Gehör«, bestätigte Paul. »Wow, Jihan hat wirklich Kostbarkeiten für ihren Garten gefertigt. Hast du dir Pan angesehen? Die Charaktere von Andreas und Carsten sind wirklich gut getroffen.« »Ja, und nicht nur die Beiden. Andreas hat sie auch richtig positioniert. Sie wirken alle so lebendig. Komm, ich habe da eine kleine Bank gesehen. Etwas Zeit für uns Großeltern allein.« Luise zwinkerte Paul flirtend zu.

»Na ihr Drei? Wo sind deine Eltern?« »Sie bestaunen unsere Statuen. Und ich glaube anschließend setzen sie sich auf die kleine Bank zum flirten. Mama hat sich wegen meiner Ansprache entschuldigt.« »Das war wirklich heftig. Aber auch nötig. Cedric brauchte die Pause vom Betütteln. Luise ist dir nicht böse?« »Nein. Sie sagte sogar, dass wir unsere Sache gut machen und unsere Familie beschützen. Ihre Stimme war voller Stolz. Wie war es mit deinen Großeltern?« »Ihr Alter macht ihnen zu schaffen. Nonna hat jetzt auch ihren Führerschein abgegeben.« »Sind sie jetzt gar nicht mehr mobil?« »Sie haben ihren Garten und die Familie ist bei ihnen. Mehr brauchen sie nicht. Alessandro ist ihr Chauffeur, wenn sie zum Arzt müssen oder andere Termine haben. Selbst zur Scala begleitet er sie. Wir sind durch den Garten gegangen. Sie fanden die Statuen amüsant. Von Pan war Nonno ganz angetan. Nonna war von den Marmorstatuen fasziniert. Babi war ganz überrascht, dass wir eine Kräuterschnecke haben. Sie konnte auf Anhieb sagen, welche Kräuter wir angebaut haben. Ich habe ihnen auch die Geschichte von Cedric erzählen müssen.« »Das habe ich auch. Wir sollten für ihn ein Tagebuch führen. Er soll später seine eigene Geschichte kennen.« »Eine wundervolle Idee. Ich hänge die Tücher auf. Cedric wartet auf uns.« Carsten wartete einen Moment und Andreas bot ihm seinen Arm an. Gemeinsam gingen sie zum Kinderzimmer. Cedric war wach und spielte mit einem Greifspielzeug. Immer wieder nahm er das Spielzeug in den Mund und lutschte daran. »Der kleine Mann ist ganz schön neugierig. Er schafft es sogar den Ring in seinen Mund zu nehmen.« Die Stimme veranlasste Cedric sich zu der Geräuschquelle umzusehen. Nachdem sich beide Papas zu ihm hinunterbeugten, fing er fröhlich an zu lallen. »Na, hast du ausgeschlafen?«, fragte Carsten freundlich. Cedric fuchtelte mit seiner freien Hand und traf gekonnt Carsten’s Nase. Andreas musste lachen als er Carsten’s verdutztes Gesicht sah. »Und kräftig bist du auch schon, kleiner Mann. Aber ich rieche deine Hinterlassenschaften. Ist doch sicher nicht angenehm.« Ganz unbeeindruckt gluckste Cedric weiter. Carsten nahm ihn aus seinem Bett und legte ihn auf den Wickeltisch. »Oh, oh. Da ist wohl auch ein Bad fällig.« »Bereite du unseren Sohn für das Bad vor und ich lasse schon das Wasser ein.« »Ja, vergiss das Entchen nicht.« »Welches?« »Das mit dem Knubbel auf dem Rücken.« »Es ist Rot. Ich hab’s ...«

Im Salon hatten es sich Merlin und der Besuch bequem gemacht. Im Hintergrund spielte leise Musik, doch alle lauschten dem Babyphone. Babi, Luise und Nonna grinsten bei den verschiedenen Dialogen. Paul musste lachen, als Carsten das mit der Ente erwähnte. Wie sich die Szenen wiederholten. Auch Carsten wollte als Baby immer nur mit einer Ente ins Wasser. »Antonia, kannst du dich noch daran erinnern, als das grüne Schiffchen verschwunden war?« »Sehr gut sogar. Andreas wollte ohne das Boot nicht baden. Wo war es denn gleich … ach ja im Kühlschrank.« Selbst Merlin fiel in das Gelächter ein. Dann rauschte es wieder aus dem Babyphone. »So, Sohnemann. Fit genug um deine Großeltern zu bespaßen? … Ach Andreas hast du Nonna schon um die Rezepte gebeten? Cedric bevorzugt wirklich frisch zubereitete Milch. Immer nur Banane ist etwas einseitig. Nein, werde ich gleich nachholen …« »Hast du wirklich die Rezepte mit?«, fragte Gabriele seine Angetraute. »Ja. Ich lasse unseren Urenkel nicht mit Industrieprodukten groß werden. Was für Francesca und Andreas gut war, ist auch für Cedric gut.« »Antonia, da hatten wir die gleiche Idee. Ich habe ein Rezeptbuch in Braille für Carsten erstellt. Meine Mutter hat es mir vermacht und nun ist die nächste Generation dran.« Babi lachte. »Drei Frauen mit den gleichen Ideen. Ich habe von meiner Urgroßmutter ein Buch über Heilkräuter und deren Wirkung. Es wird Zeit, dass es weitergereicht wird. Es ist ein sehr kostbares Wissen. In den Händen unserer Jungs ist es sicher.«

Als die restlichen Drei zu ihnen stießen, fanden sie sich in eine lebhafte Diskussion über Rezepte wieder. »Babi nimmst du mal Cedric?«, fragte Carsten. »Gerne!« Babi nahm Carsten den kleinen Mann ab. »Pass aber auf, der Kleine boxt ein wenig«, grinste Andreas seine Oma an. »Wir kümmern uns um unser Dinner. Andreas hat vorgeschlagen, dass wir Grillen. Die Terrasse ist windgeschützt und wir können bequem durch die Küche gehen.« »Eine wunderbare Idee. Paul kann sich um den Grill kümmern«, schob Luise ihren Mann vor. Nonno bot sich an bei einigen Dips zu helfen. »Essen wir im Dining Room? Dann können Luise und ich uns um den Tisch kümmern«, schlug Nonna vor. »Das Geschirr steht in der Vitrine. Wir haben Fisch, Fleisch und vegetarische Köstlichkeiten. Dazu empfehle ich jeweils Weiß- und Rotwein. Merlin und Edward, ihr esst doch mit uns?« »Wenn ihr es wünscht. Ich kann Mr. von Feldbach sicher am Grill helfen.« »Dann ist das ja schon geklärt. Merlin, kannst du die Rationen für die Tiere machen? Du kennst ja schon worauf du achten musst.« Damit hatte Carsten alle beschäftigt. Děda half seiner Gattin sich um Cedric zu kümmern.

In der Küche zeigte Andreas seinem Schwiegervater das Grillgut. Dieser war erstaunt, was alle geboten wurde. Dennoch galt es erst einmal den Grill vorzubereiten. Edward bot Paul eine Jacke an. »Auch wenn es windgeschützt ist, draußen wird es schon recht kühl.« Paul nahm dankbar an. Am Grill kamen sie dann auch ins Gespräch. »Sie verwalten das Anwesen meiner Söhne?« »Ja, aber nicht nur das. Andreas und Carsten lassen ihren Angestellten freie Hand ihre Aufgaben zu erledigen. Ich habe mir einen Wochenplan zurechtgelegt, so verliere ich nicht den Überblick. Andreas erwartet die Zusammenarbeit mit der Gärtnerei für den Park. Also gehe ich regelmäßig durch den Park und melde, wenn mir etwas auffällt. Manchmal begleiten mich die Hunde, wenn Carsten und Andreas arbeiten. Dann sehe ich auch täglich nach dem Spielplatz. Die Baustelle ist ja nicht komplett abgesichert und ich muss dann schon neugierige Personen zurechtweisen. Andersherum bin ich auch Ansprechpartner für die Unternehmen.« »Und hier im Haus?« »Ich sorge dafür, dass die komplette Technik in Ordnung ist. Die vielen Apparate sind ein Novum für mich und es bedarf dazu viel Fachwissen. In meinem Arbeitszimmer habe ich schon eine beträchtliche Sammlung von Betriebsanleitungen. Nicht zuletzt kümmere ich mich auch um die Konzertkleidung der jungen Herren. Mrs. Sanches - die Raumpflegerin - informiert mich auch über die nötigen Reinigungsmittel. Das Anwesen liegt etwas abseits, daher gibt es eine kleine Kläranlage und einen abgeschiedenen Klärteich. Alle Reinigungsmittel müssen demnach biologisch leicht abbaubar sein. Jede Woche habe ich eine Wasserprobe zu nehmen, die von Andreas analysiert wird. Auch das kleine Gewächshaus bedarf regelmäßigen Kontrollen. Andreas hat dort die kälteempfindliche Pflanzen untergebracht. Es gibt jeden Tag gut zu tun. Einmal die Woche fahre ich zu meiner Familie. Dort übernehme ich die Buchführung der Farm. Das ist aber mit Carsten und Andreas abgesprochen.« »So habe ich das nicht gemeint«, wurde sich Paul bewusst, dass Edward sich rechtfertigte. »Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Ich habe ein eigenes Haus und eine Tierarztpraxis. Einen Verwalter habe ich nicht benötigt, doch das funktionierte nur mit meiner Familie. Für die Technik haben wir einen Servicedienst und im Haus selbst konnte ich mich um alles kümmern. Luise ist eine begnadete Gärtnerin. Sie sollten ihren Garten sehen. Chaotisch aber wunderschön um sich darin wohl zu fühlen. Andreas plant Landschaften und doch sieht alles natürlich aus. Ich habe einige seiner Projekte gesehen. Dieser Park wird einmal seine Handschrift tragen. Er ist ein Künstler auf seinem Gebiet.« »Ich kenne den Park seit meiner Kindheit. Habe bestimmt den gleichen Unsinn seit Generationen fortgeführt. Ich glaube in den nächsten Jahren wird er den letzten Schliff erhalten. Die Natur und Andreas gestalten ihn ganz behutsam. Bei einem meiner Spaziergänge habe ich sogar einen Broc gesehen.« Edward sah zum Grill. »Wie bitte? Broc?«, fragte Paul. »Ich kenne den deutschen Begriff nicht. Badger nennt sich das Tier im englischen.« »Oh, das ist ja interessant. Ich habe sicher schon seit Jahren keinen Meles meles in freier Natur gesehen.« »Ein was?«, war Edward etwas verwirrt. »Der wissenschaftliche Name des europäischen Dachses. Sorry manchmal kommt ganz der Tierarzt in mir durch«, erklärte Paul etwas verlegen. »Dann sind wir ja quitt. Jetzt kenne ich den wissenschaftlichen Namen eines Broc und Sie die Bezeichnung im Gälischen«, grinste Edward verschmitzt. »Ich glaube die Kohle ist durch.« Paul sah sich die Glut an und bestätigte diese Vermutung.

Während zwei Männer am Grill werkelten, hatten Nonno und Andreas schon einige Dips und Saucen zubereitet. Dazu gab es dann noch Beilagen, die Andreas vorbereitet hatte. Zuerst war Cedric dran. Carsten nahm ihn auf seinen Arm und fütterte ihn mit einer Bananen-Erdbeer Milch. Der kleine Mann freute sich über den neuen Geschmack. »Nicht so hastig. Es ist genug für dich da«, kommentierte er die Prozedur. Luise sah es sich verträumt an. »Sind sie nicht süß? Da kommen die Erinnerungen hoch, als er Ercan fütterte. Nur dass unser Jüngster nicht so ruhig blieb.« »Es liegt vielleicht daran, dass Cedric auch etwas müde ist. Morgens ist er bei weitem lebhafter und dann geht schon mehr vorbei. Stimmt doch kleiner Mann?« Cedric brabbelte etwas, was alle als seine Zustimmung deuteten. Dann gähnte er und schloss dabei reflexartig seine Augen. Wie immer hatte er seine kleine Faust um einen Finger gelegt. An diesem zog er etwas. »Das war es wohl für heute. Andreas möchtest du ihn zu Bett bringen?« »Macht es doch gemeinsam! Unser Essen ist eh noch nicht fertig«, schlug Babi vor. Andreas sah sich um und zuckte mit seinen Schultern. Dann gingen sie noch einmal zu jedem hin und alle wünschten dem neuen Familienmitglied eine gute Nacht. Es dauerte nicht sehr lange und die beiden Väter erschienen sehr verliebt im Dining Room. Paul und Edward waren dabei die ersten Speisen vom Grill zu verteilen. Jeder wählt nach seinem Geschmack zwischen Fisch, Fleisch und Gemüse. »Ich nehme Fisch«, antwortete Carsten, nachdem sein Vater ihn fragte.

Beeindruckt waren Edward und Merlin, dass die Familie die Gastfreundschaft ihrer Söhne teilte. So wurden auch sie mit in die Gespräche einbezogen. Paul hatte ja schon von Andrea erfahren, dass Merlin einem Kalb geholfen hatte. Jetzt waren beide in ein Gespräch zu der Aktion vertieft. Paul lernte sogar noch etwas über Cattles. »Glauben Sie, dass ich mir die Herde einmal ansehen kann?«, fragte Paul den Jungen. »Ich kann ja morgen Mr. Gilles anrufen. Cattles sind hier wertvolle Tiere. Er sollte schon wissen, dass Sie seine Tiere besuchen möchten.« Paul bestätigte den Vorschlag als Selbstverständlichkeit.

»Andreas, wo sind eigentlich die Hunde hin?« »Salvatore und Leonardo? Die haben sich zurückgezogen und sind wahrscheinlich bei Cedric. Carsten geht später noch einmal mit ihnen vor die Tür. Charaid, Merlin’s Kater, zieht sich ebenfalls nach seiner Ration zurück. Wird aber in der Nacht recht munter. Wundere dich nicht, wenn er euch besuchen kommt.« Nonna nickte. »Sag einmal Junge, wie macht ihr das in Zukunft mit Konzerten?« »Darüber haben wir schon gesprochen. Carsten und ich sind der Meinung, dass Cedric mitkommt. Wir testen das kurz vor Weihnachten. Da hat Carsten ein Benefizkonzert in Leipzig. Ich habe uns schon einen Flug gebucht. Am Flughafen miete ich dann einen Wagen. Wir verbringen das Wochenende bei Luise und Paul. Ich bin gespannt wie Cedric reagiert.« »Ich denke ihm wird es nichts ausmachen, denn ihr seid in seiner Nähe.« Nonna sah Andreas mit ihrer Liebe zu ihrem Enkel. »Ich habe noch eine kleine Überraschung für euch. Unser Sohn hat zwei Namen: Cedric Francis.« Andreas’ Großmutter sah ungläubig ihren Enkel an, bis sie verstand, was Andreas ihr damit sagte. »Den Namen deiner Mutter!?« »Ja. Carsten hatte sich Cedric ausgesucht und ich Francis. Ich hoffe, dass Babi und Děda nicht böse sind.« »Nein, dein Vater hatte sich bei deinem Namen durchgesetzt Andreas Pawel. Jetzt hat auch deine Mutter ihren Platz in der Familie gefunden. Es sind wirklich schöne Namen und passen zu ihm.«

»Děda«, sprach Carsten seinen Großvater an, »ich bin noch nicht dazu gekommen. Wie geht es euch?« »Das Rheuma macht keine Pause. Veronika verträgt die Medikamente etwas besser als ich. Gerade in Kombination mit dem Diabetikermedikament. Dennoch macht uns zunehmend das Alter zu schaffen. Antonia und Gabriele genießen nun auch das Rentnerdasein. Wir verbringen viel Zeit im Garten. Ich begleite Gabriele auf seinen Runden. Seit Friedemann nicht mehr lebt, fehlte ihm der Antrieb. Antonia bat mich darum, damit er auch mal das Haus verlässt. Jetzt machen wir eine größere Runde bis zu dem kleinen Café. Dort machen wir Pause und spielen Schach. Veronika und deine Nonna gehen regelmäßig schwimmen. Ich denke, dass sie danach ebenfalls in ein Café gehen. Die beiden Frauen sollen es genießen … Wer weiß, wie viel Zeit uns noch bleibt.« »Ich hoffe noch viel. Ihr kommt doch zu Weihnachten? Cedric und wir würden uns freuen.« »Natürlich. London war ja schön.« »Ich weiß, es war eng und ihr musstet immer im Hotel übernachten. Das hat ja ein Ende gefunden.« »Oh, das Hotel nutzen wir noch heute. Trotz unserer Gebrechen haben wir Vier vor einigen Wochen die Royal Opera besucht.« »Welches Stück?« »Rigoletto. Eine schöne Aufführung. Anschließend haben wir London noch ein wenig unsicher gemacht«, scherzte Karel. »Das liebe ich an euch. Immer noch auf Abenteuer aus.« »Ja, wie du und Andreas. Einen kleinen Menschen in sein Leben begleiten ist eines der größten Abenteuer, dem man sich stellen kann. Du weißt nie, was als Nächstes passieren wird. Doch wir Sechs sind uns sicher, dass ihr jede Hürde gemeinsam meistern werdet.« »Cedric Francis wird eine wirklich liebevolle Familie haben. Ich bin blind und werde mit einigen Problemen zu kämpfen haben. Ich werde nie sehen, was er macht. Doch wird er lernen damit umzugehen.« »Mehr noch, er wird deine Welt kennenlernen. Für ihn wird es normal sein. Obendrein hat er zwei Papas. Wer kann das schon von seinen Eltern behaupten?« Carsten konnte sich nur schwer ein Grinsen verkneifen. Děda brachte es auf den Punkt.

Das Dinner wurde durch den Summer am Tor unterbrochen. Edward stand auf. Wenige Augenblicke kam er zurück. »Carsten, es ist das Jugendamt und möchte eine Kontrolle machen.« »Bisschen spät, aber du hast sie hereingelassen?« »Ja.« Dann wandte sich Carsten an seine Gäste. »Entschuldigt ihr Andreas und mich? Das Jugendamt macht uns seine überraschenden Aufwartung.«

»Guten Abend Mr. Zahradník, Mr. von Feldbach. Entschuldigen sie bitte meinen Besuch, doch es gab einen anonymen Hinweis, dass sie den Jungen vernachlässigen«, begann der Beamte mit dem Grund seines Besuchs. Andreas sah ihn etwas verwundert an. »Cedric vernachlässigen? Er bestimmt unseren Tagesrhythmus. Unser ganzer Haushalt hat sich auf ihn eingestellt. Selbst Dr. Peters hat bei seiner letzten Untersuchung gesagt, dass sich der kleine Mann gut entwickelt.« »Dennoch würde ich mich gern selbst davon überzeugen.« »Sie machen nur ihre Arbeit. Andreas zeigst du ihm alles. Seid aber leise.« Wohlwollend nahm der Besucher diese Äußerung zur Kenntnis. Andreas führte den Vertreter des Amts zum Kinderzimmer. Dieser sah nur kurz zu dem schlafenden Jungen. Ein Blick durch das Zimmer bestätigte ihm einen aufgeräumten Eindruck, obwohl einiges an Spielzeug herumlag. Danach verließen sie leise den Jungen. »Wo sie schon einmal hier sind, wir sind noch beim Dinner. Darf ich ihnen unsere Familien vorstellen?«

Der Mann sah sich einer Gruppe von älteren Personen gegenüber, die ihm von Andreas vorgestellt wurde. Nonno sah sich in der Pflicht. »Es ist doch alles in Ordnung?« »Ja, ich bin erstaunt wie ruhig es hier ist, obwohl soviel Personen anwesend sind.« Aus dem Babyphone kamen ein paar undefinierte Geräusche. »Möchten Sie uns Gesellschaft leisten?« »Danke nein. Es ist alles in Ordnung.« »Können wir kurz mit Ihnen unter sechs Augen sprechen?«

Carsten führte den überraschenden Besuch in sein Arbeitszimmer. »Ich nehme an, Mr. Johnson war die anonyme Person. Er macht uns schon seit geraumer Zeit Probleme, weil wir ein homosexuelles Paar sind. Obendrein neidet er uns unseren Erfolg in der Gemeinde. Es ist ein offenes Geheimnis, seit wir hierhergezogen sind. Das liegt aber nicht daran, dass Andreas oder ich bekannt sind. Eher, dass wir uns in die Dorfgemeinschaft integrieren.« »Ich habe schon davon gehört, dass sie einen Bereich für ein Spielplatz zur Verfügung stellen.« »Ja, uns liegt es am Herzen, dass Kinder sicher spielen und toben können. Zum Spielplatz gibt es nur die öffentlichen Zugänge. Es gibt keinen direkten Weg zum Grundstück. Jetzt wo Cedric bei uns lebt, gibt es natürlich noch einen weiteren Angriffspunkt. Doch fragen Sie in der Gemeinde nach, ob jemand erlebt hat, wie wir den Jungen auch nur ansatzweise vernachlässigen.« »Das brauche ich nicht. Schon in der Adoptionsphase habe ich mich in ihrem Umfeld informiert. Ich hätte der Adoption nicht zugestimmt, wenn nur der geringste Zweifel aufgekommen wäre. Möchten sie eine Anzeige wegen Verleumdung erstatten?« Andreas sah Carsten an. Dieser dachte einen Augenblick nach. »Nein, noch nicht. Wenn das aber zur Routine werden sollte, bleibt uns keine andere Wahl. Wir möchten nur als Familie leben, wie jede andere Familie auch.« »Ich teile ihre Sichtweise. Da die Beschuldigung sich als haltlos erwiesen hat, werde ich ein entsprechendes Verfahren wegen Irreführung des Amts einleiten. Meine Kolleginnen und Kollegen haben schon genug zu tun.« »Seien sie versichert, dass jede behördliche Kontrolle zum Wohl des Kindes willkommen ist.« Beide Väter geleiteten ihren Besuch zur Tür und verabschiedeten sich.

»Was war denn das?«, wollten die Familien wissen. »Das Jugendamt bekam einen anonymen Hinweis, dass wir Cedric vernachlässigen würden. Dem muss das Amt nun einmal nachkommen.« »Habt ihr einen Verdacht wer diese Person ist? Es kann sich ja nur um Jemanden aus dem Dorf handeln«, schlussfolgerte Nonno. »Wir vermuten den Organisten der Kirchengemeinde dahinter. Ein scheinbar verklemmter Mann, der unser Familienglück neidet. Mir geht er langsam gehörig auf den Senkel«, tat Carsten seine Ansicht kund. »Ist das derjenige, den Andrea fast angefahren hätte?« »Leider muss ich das bestätigen. Ich habe ihn schon zweimal gewarnt, anscheinend hört er nicht zu.«

Andreas hörte eine Spur Resignation in seiner Stimme. Ein wenig vermisste er auch den starken Carsten, der im Hintergrund seine Fäden zog. Hatten sie sich seit dem Studium so verändert?

»So in Gedanken Bambino?«, holte Nonna ihn in die Realität zurück. »Sorry, ja. Sag einmal, haben Carsten und ich uns in den letzten Jahren verändert?« »Sicher doch. Ihr seid bodenständiger geworden. Gegenüber euch als Teenager habt ihr mit der Zeit viele Verantwortungen übernommen. Das Leben, es prägt euch. Daran kommt keiner vorbei.« »Dann ist es so.« »Warum möchtest du das denn wissen?« »Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir diesem Mädchen im Internat ihre Grenzen gezeigt haben?« »Aus deinen Erzählungen. Du hast ihr ihre Aufgaben gemacht. Dabei hast du den Text so gestaltet, dass dein Lehrer sofort wusste, dass du der Verfasser bist. Carsten hat mit Direktor Dr. Neubert gesprochen. Sein Vorschlag führte dazu, dass sie entweder auf ein katholisches Internat in der Schweiz wechselte oder beginnt selbst zu lernen.«

»Ja genau. Mir fehlt einfach diese Seite an Carsten. Behutsam im Hintergrund agieren. Dieser Mr. Johnson benötigt eine solche Lektion, damit er aufhört, uns Probleme zu bereiten.« »Nun, ihr habt eine Verantwortung für eine Familie, das schränkt natürlich ein.« Andreas sah ein, dass seine Großmutter durchaus Recht hat. Cedric und alle Mitglieder ihres Haushalts standen im Vordergrund. Es war müßig darüber nachzudenken.

Weit nach Mitternacht kehrte Ruhe ein. Lediglich Carsten stand gegen drei Uhr auf und versorgte seinen Sohn. Neben einer neuen Windel begnügte sich Cedric mit einer halben Flasche Nahrung. Doch selbst nachdem sein Dad ihn wieder ins Bett legte und ein Lied vorsang, wollte der kleine Mann nicht schlafen. Carsten überlegte nicht lange, er nahm seinen Sohn und ging mit ihm in sein Zimmer. Behutsam legte er Cedric neben Andreas und stieg selbst wieder ins Bett. Der kleine Mann griff nach seinem Finger und hielt ihn fest. Dann hörte der Dad gleichmäßige Atemgeräusche. Beruhigt schlief er auch ein.

»Carsten kannst du mal deinen Fuß aus mein Gesicht nehmen?«, meinte ein schlaftrunkener Andreas. »Schatz, davon abgesehen dass meine Füße sich noch immer am anderen Ende des Bettes befinden, solltest du Cedric darum bitten.« Andreas sah sich das Arrangement müde an. Wo sein Mann Recht hatte, da hatte er recht. Der kleine Mann lag schlafend zwischen ihnen. Da sein Kopf bei Carsten war, blieben ihm nur seine kleinen Füßchen. »Warum ist er bei uns?«, flüsterte er. »Nach seine Mahlzeit wollte er nicht allein sein, da lag es doch nahe, ihn bei uns schlafen zu lassen«, flüsterte Carsten genauso leise. »Stimmt. Er hat wirklich süße Füße. Ob er auch kitzelig ist?« »Lass ihn noch etwas schlafen.« Just in dem Augenblick zuckte etwas an Carsten’s Finger und Cedric gähnte. »Streich das mit dem Schlafen. Wie spät haben wir es denn?« Andreas sah zu seinem Wecker. »Halb Acht durch.« »Vier Stunden an einem Stück. Erstaunlich wie lange er geschlafen hat. Komm wir sollten uns frisch machen und unserem Sohn von der Windel erlösen.« »Mach du dich schon mal frisch, ich kümmere mich um den kleinen Langschläfer.« »Ist gut. Lass die Windel weg, die Hose und ein frischer Homestrampler sollten im Haus ausreichend sein.« »Keine Angst, dass er die Hose voll macht?« »Schatz, und wenn schon? Da gibt es so eine Erfindung, die man im allgemeinen Waschmaschine nennt.« Andreas brauchte einen Moment bis er den Satz richtig verstanden hatte. »Du machst seine Wäsche!«, gab er Carsten zur Antwort. »Gerne. Du wirst sehen, dass es anders nicht geht«, prophezeite dieser zurück. Andreas ging ins Kinderzimmer wo die Utensilien standen. Nachdem Cedric von der gefüllten Windel befreit war, hieß es baden. Cedric liebte das Planschen und hantieren mit der roten Gummiente. Was wiederum Andreas die Sache nicht einfach machen lies. Dann galt es ihn anzuziehen. Ganz aus Gewohnheit nahm er eine frische Windel, doch der kleine Mann hatte seinen eigenen Kopf. Carsten’s Behauptung traf ins Schwarze. Cedric wehrte sich erfolgreich gegen das Stück Stoff. »Du hast gewonnen kleiner Kämpfer. Nur eine Hose und den Hausanzug. Zufrieden?«, gab Andreas nach. Cedric war zufrieden und brabbelte fröhlich vor sich hin. Mit einem Kuss beendete Andreas diese Aktion. Zuletzt gab er dem Jungen den bunten Ring. So ausgerüstet gingen sie zurück ins Schlafzimmer. Carsten legte letzte Hand an sein legeres Outfit. »Oh weiser Papa, unser Sohn hat sich tapfer gegen die Widrigkeit einer Windel gewehrt. Hoffen wir mal, dass er dicht hält.« »Gestern hat es schon ganz gut geklappt. Cedric scheint seine gewonnene Beweglichkeit zu genießen.« »Gut, ich mache mich jetzt frisch.« Mit den Worten übergab er den kleinen Mann an Carsten. »Komm, lassen wir deinen Papa sich frisch machen. Schauen wir mal nach, ob sonst noch jemand auf ist.« Auf der Treppe kam ihnen Charaid entgegen. Der Kater wandte sich schnurrend um die Beine. Carsten hörte die Hunde in der Halle. Leonardo machte sich bemerkbar. »Cedric, wir gehen erst zur Veranda und machen die Tür für die Hunde auf. Was meinst du?« Cedric wurde lebhafter und Carsten nahm es als seine Zustimmung auf. An der Veranda deaktivierte Carsten die Alarmanlage und öffnete die Tür. Leonardo und Salvatore hatten es eilig in den Garten zu kommen. Mit einem Fuß stieß Carsten an einen Korb. Erstaunt tastet er nach dem Inhalt und stellte erfreut fest, dass frische Backwaren geliefert wurden. Danach gingen sie in die Küche. »Guten Morgen«, wurden sie von Nonna begrüßt. »Guten Morgen. Du bist schon auf?« »Natürlich. Gabriele ist noch im Bad. Lust auf einen Cappuccino?« »Wenn wir so charmant dazu eingeladen werden, immer. Ich müsste erst einmal Cedric’s Frühstück machen.« »Wenn du erlaubst, mache ich seine Milch. Wie wäre es mit einer Mango-Bananenmilch mit etwas Vanille?« »Nach deinem Rezept? Ich denke nicht, dass Cedric etwas dagegen hat.« Während sich Nonna um die Zubereitung der Milch kümmerte und Cedric im Auge behielt, bereitete Carsten die Rationen für die Hunde zu. »Ihr verzichtet schon auf Windeln?« »Cedric wehrt sich diese haben zu wollen. Wir probieren es einfach aus. Dafür hat er nachts nichts dagegen.« »Keine Angst, dass mal etwas daneben geht?« »Nonna, und wenn schon? Wir haben Waschmaschinen. Ich werde Cedric nicht zu etwas zwingen, was er selbst als unangenehm empfindet. Obendrein sind seine Ausscheidungen schon relativ fest.« »Werdet ihr denn immer seinem Willen nachgeben?« »Nein, es ist unsere Aufgabe, ihm auch seine Grenzen aufzuzeigen. Das wird sicher noch lustig werden. Wir haben auch schon darüber gesprochen, ob wir um eine Rollenverteilung herumkommen. Doch das wird sich zeigen wenn es soweit ist. Ich habe schon einige Erfahrung mit Ercan machen dürfen. Behutsam aber nachdrücklich konnte ich ihm einiges vermitteln. Letztendlich geht es darum, sich gegenseitig zu vertrauen.« »Das ist ein guter Ansatz.« »Im übrigen bin ich stolz auf euch«, meinte Carsten. »Wie das?« »Ihr respektiert den Jungen und verfallt nicht in so ein kindliches Geschwätz, wenn ihr mit ihm redet.« »Er lernt doch noch unsere Sprache. Die soll er richtig lernen.« Nonna lachte plötzlich auf. »Gabriele fand das immer lächerlich. Als ich einmal mit Andreas so gesprochen habe, hat er mich ernsthaft gefragt was dududu-dadada eigentlich bedeutet. Danach sagte er mir, dass ich mit unserem Bambino vernünftig sprechen soll. So hat Andreas schon sehr früh Kontakt mit verschiedenen Sprachen bekommen. Wir sprachen italienisch, Veronica und Karel tschechisch und Francesca und Pawel deutsch mit ihm. Er beherrscht nicht nur diese Sprachen, er spielt förmlich mit ihnen. Er drückt seine Absicht in diesen Sprachen rhetorisch so geschickt aus, dass selbst waschechte Einheimische sich davon noch eine Scheibe abschneiden können.« »Ja, das kann ich bestätigen. Während des Studiums hat er mich auch immer wieder korrigiert. Ich glaube, ich spreche mittlerweile das Hochenglisch genauso gut wie die Aristokratie.« »Carsten, ich habe in vielen Jahren mitbekommen, dass jemand mit einer korrekten Ausdrucksweise besser durchs Leben kommt. Das wünsche ich auch Cedric.« »Danke. So, die Rationen für Leonardo und Salvatore sind fertig. Ich hole die beiden Rabauken mal wieder herein.« »Mach nur, ich passe auf den kleinen Mann auf. Habt ihr einen Mixbecher?« »Wir haben da so eine Maschine. Steht im zweiten Fach der Anrichte. Dann noch einen Pürierer in der Schublade darüber. Bediene dich.« Carsten verließ die Küche. Am Hintereingang kamen ihm die Hunde bereits entgegen. Er ging in die Hocke und wuselte ihnen durchs Fell. Salvatore drängelte sich vor. »Ihr scheint mir sehr relaxt zu sein. Dann kommt mal mit.« Er nahm den Korb auf und folgte den Hunden. Als er die Küche betrat, war schon mehr Betrieb. Merlin machte gerade die Ration für Charaid und plauderte locker mit Nonna. Carsten grinste etwas. Merlin mischte in seinem Englisch auch immer wieder Wörter aus dem Scots bei. »Willst du die Hunde schon jetzt füttern?«, fragte ihn Andreas. »Ja, es ist später geworden und dann haben wir auch Ruhe vor den Beiden beim Frühstück. Essen wir hier oder im Dining Room?« »Im Esszimmer, für elf Personen ist es hier zu beengt. Luise und Paul sind schon dort.« Carsten stellte die Näpfe auf den Boden und dann folgte auch schon das Kommando. Leonardo und Salvatore machten wieder einmal kurzen Prozess mit dem Inhalt. Danach machte sich Carsten daran die Kaffeemaschine zu bestücken. »Kann ich schon mal den Tee machen?« »Guten Morgen Edward, mach nur. Ah, Bill hat liefern lassen.« »Ja, nur wie ist der Lieferdienst bis zum Haus gekommen?« »Ich habe Bill eine Fernbedienung für das Tor geliehen. Wenn die Lodge fertiggestellt ist, bekommen wir diese zurück.« »Gut. Was hast du alles bestellt?« »Das Übliche: Croissants, Brötchen, frischen Toast und Diätbrot. Morgen bekommen wir noch einmal frische Sachen dazu noch sechs Flaschen Milch.« »Dann sind wir gut versorgt.« Carsten verteilte die Sachen auf mehrere Körbchen und brachte diese ins Esszimmer. »Guten Morgen Junge. Wir haben uns schon mal daran gemacht zu decken.« »Guten Morgen. Danke, ich hätte euch eh darum gebeten. Hier sind schon mal frische Croissants und Brötchen.« »Wie hat denn unser Enkel geschlafen?« »Ganz gut. Er hat meinen Finger gehalten und seine Füße bei Andreas im Gesicht geparkt. Ich habe ihn nach einer kleinen Unterbrechung zu uns mitgenommen. Er wollte wohl nicht allein sein.« »Das kommt vor. Du und Andrea habt auch öfters bei uns geschlafen. Wann frühstückt er?« »Mit uns. Nonna macht gerade sein Frühstück.« »Wie läuft es in der Uni, hast du viele Studenten?« »In meinem Kurs Komposition habe ich elf Studentinnen und Studenten, alle Pianisten. Dazu kommt eine interdisziplinäre Vorlesung in allgemeiner Musikgeschichte. Es ist ein Novum an der Uni. Einige Dozenten haben sich zu einem Vorlesungszyklus im Grundstudium zusammengeschlossen. Wir werden wohl das Resultat abwarten müssen.« So langsam kamen auch die restlichen Familienmitglieder. Carsten übernahm Cedric. Als hätte er nie etwas anderes getan, gab er dem kleinen Mann seine Flasche. Zufrieden nuckelte Cedric an dem Sauger der Flasche. Auch versuchte er immer diese Flasche zu greifen. »Also, ich könnte mich an diesem Bild nicht sattsehen«, meinte Paul. Die Familie setzte sich und es begann ein munteres Frühstück. Andreas hatte zu einem typischen kontinentalen Frühstück auch einige englische Beigaben. »Was ist …«, begann Luise und betrachtete ein Orangenmarmeladenglas, »… eigentlich der Unterschied zwischen Marmelade und Konfitüre?« »Der kleine aber feine Unterschied ist ein bestimmter Inhalt«, antworte Andreas. »Die ursprüngliche Bezeichnung von Marmelade kommt aus dem portugiesischen und bedeutet Quitte. Es ist eine Bezeichnung für einen Fruchtaufstrich aus eingekochten pürierten Früchten und Zucker. Konfitüre darf dagegen Fruchtstücke enthalten. Eine neue, anerkannte Definition unterscheidet zwischen spezifischen Inhalten. So darf sich Marmelade jeder Fruchtaufstrich nennen, der eine Zitrusfrucht enthält. Mit Ausnahme der Quitte. Wenn du eine Erdbeermarmelade machen möchtest, dann müsstest du zum Beispiel Orangen, Zitronen, Limetten oder Quitte etc. beifügen. Wir haben daher auch einige typische Varianten.« »Paul woher wissen unsere Kinder nur so etwas? Ist das Allgemeinwissen?« »Allgemeinwissen? Ich habe es gelernt, als ich meine Ausbildung bei der Royal Horticultural Society gemacht habe. Da habe ich mich auch um diverse Orangerien gekümmert. So kam dann eins zum anderen.« Die Unterhaltung wurde durch Cedric unterbrochen, der ein vernehmliches Bäuerchen machte. Carsten hob seinen Sohn an und legte ihn in sein mobiles Bett. »So mein Kleiner. Hier bist du nicht allein und wenn du magst kannst du schlafen.«

Danach wandte er sich selbst der Nahrungsaufnahme zu. »Sag einmal, stimmt es wirklich, dass dieser Mr. Johnson euch Probleme macht?«, griff Paul das Geschehen des Vorabends auf. »Leider. Vor einigen Wochen sprach er mich an und meinte, unsere Lebensphilosophie würde nicht in diese Gemeinde passen. Ich warnte ihn damals schon. Wenn er meinen Haushalt nicht in Frieden lässt, wüsste ich mich schon zu wehren. Anscheinend reichte das wohl nicht. Dann sprach mich auch Patrick, der Gemeindepfarrer an. Auch er ist mit dem Verhalten seines Organisten nicht einverstanden. Er versicherte mir, dass ihm das Verhalten ebenfalls missfällt. Dumm nur, dass dieser Mr. Johnson mit dem Bischof befreundet ist.« »Es ist also eher ein politisches Problem. Hast du schon etwas unternommen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es einfach auf sich beruhen lässt.« Paul kannte seien Sohn und seine Methoden. »Tatsächlich, ich habe meine Fühler mal im Bistum ausgestreckt. Bisher noch nichts konkretes.« Jetzt war Andreas doch erstaunt. Carsten hatte noch immer dieses gewisse Vorgehen im Hintergrund zu agieren. »Was sagt der Klatsch in der Gemeinde?«, mischte Babi mit. »Nun, der alte Organist war wegen seine Vielfalt beliebt. Liturgische und weltliche Musik gut gemischt. Unterricht im Gemeindehaus, auch mischte er sich gern unters Volk. Ich denke, so hat er auch Patrick in seiner Gemeinde unterstützt. Genau das Gegenteil von Mr. Johnson. Er beschränkt sich auf Kirchenmusik. Der Gemeindechor wollte mich als ihren Leiter, doch dem habe ich eine Absage erteilt. Dennoch entfiel mir bei dem Gespräch, dass ein Musiker nur so gut ist wie sein Instrument.« »Ich verstehe nicht?« »Na, was nutzt einem Dirigenten ein Chor, der nicht singt? Die Kirche benötigt laut Patrick ein neues Dach statt einer neuen Orgel. Ihm sagte ich, dass solche Dinge doch besser vor Ort entschieden werden sollten.« »Obendrein, meinte eine Gruppe von Frauen beim Fleischer, dass für die Orgel kaum Geld zusammenkommt«, wusste Andreas zu berichten. »Was wollt ihr heute eigentlich unternehmen?«, wechselte Carsten plötzlich das Thema. »Dürfen Veronika und ich euren Pool benutzen?« »Macht nur. Edward, bereitest du alles vor?« »Es muss lediglich die Pumpe umgeschaltet werden. Ansonsten ist im Wellnessbereich alles Ok. Einzig die Sauna ist aus.« »Die benötigen wir Frauen auch nicht.« »Habt ihr auch Ergometer?« »Ja, Nonno. Du kannst dir auch dabei die Nachrichten ansehen.« »Was habt ihr vor?« »Ich werde mit Cedric eine Runde durch das Dorf gehen.« »Die Hunde brauchen auch mal wieder mehr Bewegung. Ich begleite euch beiden.« Schloss sich Andreas dem Vorschlag an. »Obendrein könne wir noch einen Abstecher zum Markt machen.« »Luise und ich würden gern nach Edinburgh fahren«, fragte Paul an. »Nehmt den Familienwagen. Der ist etwas komfortabler als die Geländewagen.« »Darf ich fahren?«, schob Luise dazwischen. »Macht das unter euch aus. Aber vorsichtig, der Wagen hat Power.« »Oh wie schön …«, freute sich Carsten’s Mutter. »Die Bußgelder sind hier nicht ohne. Rechts vom Lenkrad auf dem Armaturenbrett ist der Knopf um den Airbag einzuschalten. Wegen Cedric ist der bei uns ausgeschaltet.« Paul nickte bestätigend. Er kannte es noch von seinem Wagen. Nur bei ihm musste immer die Sicherung entfernt werden. »Praktisch. Ich weiß, dass hier im Vereinigten Königreich die KFZ-Versicherungen andere Bedingungen haben. Erlaubt eure Versicherung das Andere fahren?« »Wir haben von vornherein unsere Autos für die Familie versichert. Ich bin ein äußerst schlechter Autofahrer und benötige einen Chauffeur«, meinte Carsten sehr ernst. Děda grinste als Erster. »Der Junge hat echt Humor.« Danach begannen auch die Anderen zu lachen. Zuletzt hörte man Cedric fröhlich giggeln. So langsam beendeten sie ihr Frühstück. Andreas wollte schon abräumen, als Babi ihn ansprach. »Junge lass mal, das können wir auch.« »Danke.«

Carsten nahm seinen Sohn und verschwand mit ihm auf sein Zimmer. Für den Spaziergang benötigt der Junge warme Sachen. Andreas bereitete währenddessen eine Flasche vor. Wenn es länger dauert, kann er unterwegs seinen Hunger stillen. »Du Andreas, könntest du dich mal nach Schafsmilch umsehen? Etwas Abwechslung würde Cedric sicher gefallen. Obendrein ist sie fetthaltiger als Kuhmilch.« »Ziegenmilch?« »Auch nicht schlecht, nur der Geruch ist intensiv.« »Ich werde mich erkundigen.« Die fertige Thermosflasche steckte er in seine Umhängetasche. Dann gab er seiner Babi eine Kuss auf die Wange.

Cedric lag friedlich im Tuch und genoss die Bewegung seines Vaters. Andreas führte ihn und die Hunde liefen gesittet hinter ihnen her. »Der kleine Mann ist gerne an der frischen Luft.« »Mir scheint, er mag lieber deine Wärme und das Geschaukel.« »Oder das. Soll mir auch recht sein. Spaß scheint er ja zu haben.« »Du hast also doch schon im Hintergrund agiert?« »Ein wenig, Informationen zu haben eröffnet einem Perspektiven zum Handeln. Manchmal fallen diese einem zu. Bei Mr. Johnson muss man halt etwas buddeln. Ein ehemaliger Kommilitone ist in der Diözese der leitende Kirchenmusiker. Ein sehr fähiger Mann. Ihm unterstehen alle Organisten im Bistum.« »Ist er auch homophob?« Carsten lachte. »Er kennt mich und mein Lebensstil. Bot mir seine Hilfe sofort an. Nein.«

Am Markt führte Andreas sie zum Obststand. Dort langte er bei den Früchten zu. »Granatapfel, Organgen, Zitronen …« »Granatäpfel sind sicher noch nichts für den Jungen.« »Nein, die sind für uns. Für die Küche benötige ich noch Orangen, Zitronen. Für Cedric habe ich schon Bananen, Erdbeeren und Mangos.« »Gibt es auch Maronen? Die könnten wir ja als Snack anbieten.« »Eine gute Idee. Děda isst diese gern.« »Gab es Wünsche?« »Nonna sagte, wir sollten mal nach Milchvarianten Ausschau halten. Schafsmilch, Ziegenmilch.« Während sie sprachen packte die Marktfrau alles in eine Papiertüte. »Das macht sieben Pfund. Schafsmilch gibt es drüben am Käsestand. Manchmal hat er auch Ziegenmilch.« »Danke, betreiben Sie einen Importhandel? Ich meine wegen der Südfrüchte?«, fragte Carsten nach. »Nicht direkt. Wir kennen eine kleine Plantage in Portugal, die uns mit diesen Früchten versorgen kann. Nette Familie, wir bestellen regelmäßig bei ihnen kleinere Mengen für unseren Stand. Im Gegensatz zum Supermarkt sind unsere Produkte teurer, dafür aber auch reiner biologischer Anbau.« »Wenn dem so ist, freut es uns.« Andreas wandte sich zum Gehen. Der nächste Stand war der Käsestand. Carsten fragte nach einigen Sorten, die er für eine erlesene Platte haben wollte. Dann fragte Andreas nach der Milch. »Wie viel möchten sie denn?« »Zwei Liter Schafsmilch und einen Liter Ziegenmilch.« Der Händler gab Andreas drei Flaschen. Dieser verstaute die Sachen in seinem Korb und bezahlte. »So, wir haben alles. Was nun?« »Blumen für unsere Gäste und zur Dekoration?« »Ich habe da einen Blumenstand gesehen.« Nach zwanzig Minuten hatten sie auch für die Dekoration gesorgt. »Cedric hat Hunger!« »Ich habe da einen Tearoom gesehen. Drinnen ist es angenehmer als hier draußen.« »Gut, was machen unsere Hunde?« »Die Beiden genießen, dass wir bei ihnen sind. Sie passen auf und wenn ich nicht hinsehe machen sie Unfug.« Carsten lächelte. Im Tearoom war es angenehm und Carsten zog Cedric seine Oberkleidung aus. Anschließend nahm Andreas den kleinen Mann an sich und holte die vorbereitete Flasche aus seiner Umhängetasche. Der kleine Mann freute sich über die Nahrung. Bei der Bedienung bestellte Carsten zwei Tee, Sandwiches und für die Hunde eine Schüssel Wasser. »Wenn Cedric so weiter macht, wird er einmal ein Riese.« »Sicher nicht. Er verbrät sehr viel Energie mit seinen Aktivitäten. Ich denke Nonna hat mit der Milch recht. Es hat sogar noch einen weiteren Vorteil. Du weißt, dass die Darmflora wichtiger Bestandteil des Immunsystems ist. Cedric bekam zwar in der Klinik Muttermilch, das sollte für eine natürliche Immunisierung eine Basis sein. Jetzt setzen wir die Immunisierung mit weiteren Milcharten fort.« »Hallo Carsten. Ich nehme an, Sie sind Mr. Zahradník und der kleine Mann Cedric, Ihr Sohn?« »Guten Morgen Mr. O’Toole. Andreas, das ist der Gemeindepfarrer Mr. Patrick O’Toole«, machte Carsten die Beiden bekannt. »Sie sind Ire, wenn ich von ihrem Namen her schließen darf?« »Ja, aber keine Angst. Ich werde niemanden Konvertieren. Sie dürfen mich auch ruhig Patrick nennen.« »Was führt dich zu uns Patrick?«, wollte Carsten wissen. »Ich war gerade auf dem Markt und anschließend gehe ich hier immer zu einem Tee hin. Meine Haushälterin ist dieses Wochenende nicht da. Mr. Johnson wurde zum Bischof zitiert. Ich glaube, es geht um die Fortschritte einer neuen Orgel.« »Du bist allein?« »Ja. Warum?« »Dann komm doch heute Abend zu uns. Unsere Familien sind zu Besuch, da kommt es auf einen Gast mehr oder weniger nicht an«, lud Andreas den Pfarrer ein. »Es würde aber später werden. Ich habe noch einen Abendgottesdienst.« »Komm einfach, wir essen auch nicht früh.« »Dürfen wir uns einmal deine Kirche ansehen, vielleicht auch deine Orgel hören?« »Die Kirche steht hier jedem offen, auch euren Hunden. Ich glaube Nancy aus dem Nachbardorf übt heute auf der Orgel. Sie klingt aber etwas eingestaubt.« »Das macht nichts. Carsten hört Unterschiede heraus.« »Gut, ich muss weiter. Bis heute Abend.«

»Ein wirklich sympathischer Mann, Tiger.« »Deine ehrliche Meinung? Bei unserem ersten Treffen dachte ich, er habe kein Rückgrat. Dann erzählte mir Ben mehr über ihn. Er hat sich sogar bei einer Schlägerei verteidigt und seine Gegner hatten das Nachsehen. Erst später nahm mich Gwenda beiseite. Patrick hatte in diesem Frühjahr einen lieben Freund verloren. Er starb an Krebs und Patrick war da die ganze Zeit an seinem Bett. Kein Wunder, dass er sich nicht um seine Gemeinde kümmern konnte, wie er eigentlich sollte. Gwenda und einige Frauen halfen ihm, wo sie es für richtig hielten. Die Probleme mit seinem Organisten gingen ihm quasi am Allerwertesten vorbei. Den Rest kennst du.« »Ja, Cedric ist fertig. Willst du ihn nehmen?« »Nimm du ihn. Hier das Tuch.« Andreas zog den kleinen Mann wieder seinen Overall an. Dann legte er ihn in das Tuch. Cedric guckte ihn aus großen Augen an. Gähnte und schloss zufrieden seine Augen.

Ihr Weg führte sie zur Kirche. Andreas, mit seinen italienischen Wurzeln, kannte ja schon Kirchen, Gotteshäuser und Kathedralen aus Mailand. Er fand diese aber recht interessant, abgesehen davon, wie diese dekoriert wurden. Diese Kirche hatte Charme. Nichts Verschnörkeltes sondern ein solides, schlichtes Bauwerk. Dieses umgab ein parkähnlicher Friedhof. Es war ruhig und ein Eichhörnchen huschte über den Rasen in den nächsten Baum. Das Portal, wenn man es so bezeichnen wollte, bestand aus einem Rundbogen mit zwei Flügeltüren. Im Schlussstein war die Jahreszahl 1573 eingemeißelt. »Wow, die Kirche gibt es schon seit dem 16. Jahrhundert. Schlichter Sandstein grob behauen.« Beim Öffnen der Tür knarrte es ein wenig. Dann traten sie ein. Durch hohe Fenster wurde der Innenraum mit Licht durchflutet. Dazu kamen schöne Wandmalereien, die selbst auch schon einige Jahrhunderte bestanden. »Eine schöne kleine Kirche. Viel Licht und schöne Malereien«, beschrieb Andreas den Innenraum. »Auch eine schöne Akustik. Hallt nicht.« »Ich habe auch einige Gedenktafeln entdeckt. Oh, Lord und Lady Rutherford haben hier ihre Spuren hinterlassen. Die Fenster wurden von ihnen gestiftet. Mir gefällt die Dekoration. Der Jahreszeit angepasst.« »Entschuldigen Sie, stört es Sie, wenn ich auf der Orgel übe?«, sprach sie eine junge Stimme an. »Nein, Patrick sagte schon, dass jemand auf dem Instrument übt. Ich würde mich freuen, wenn ich dieses einmal hören könnte«, antwortete Carsten. »Können Sie mir etwas über die Orgel sagen?« »Das Instrument ist aus dem späten 17. Jahrhundert. Gebaut von einem Bernhard Schmid. Sie hat zwei Manuale und ein Pedal. Die Registrierung wird durch Züge sichergestellt. Sie hat zwölf Register wobei der 32’ leider defekt ist.« »Eine originale Father Smith Orgel?«, hakte Carsten nach. »Sie kennen sich im Orgelbau aus?« »Nur im Allgemeinen. Was spielen Sie denn so?« »Was mir so einfällt. Also ich habe da schon einige Übungsstücke, die ich absolviere. So wegen der Spieltechnik. Daneben spiele ich auch etwas mit dem Instrument. Ich habe mir ein kleines Potpourri aus Themen von Videospielen zusammengestellt. Es ist meine eigene technische Etüde: Registrierung sowohl im Manual als auch im Pedal, Wechsel der Manuale und vor allem Pedalspiel. Mein Lehrer meinte, dass ich da noch mehr Übung benötige.« »Dürfte ich das Stück einmal hören?«, schlug Carsten vor. »Gerne.«

Nancy ging zum Spieltisch und schaltet die Orgel ein. Dann setzte sie sich sich an den Spieltisch und man konnte hören, wie sie eine Registrierung einstellte. Dann ertönte das Instrument. Andreas musste Grinsen. Im fiel auf Anhieb das Videospiel ein, welches ertönte. Er wunderte sich ein wenig. Cedric schien von der Musik nicht geweckt zu werden. Carsten hörte dagegen die Unstimmigkeiten heraus. Dennoch war er vom Klang des Instrumentes überwältigt. In einer kleinen schottischen Kirche stand wahrlich ein Juwel von Orgel. Viel zu schnell endete der Vortrag und Nancy kam zu den Beiden zurück. »Ich hoffe es hat Ihnen gefallen?« »Sehr sogar. Warum will jemand eine so schöne Orgel ersetzen?« »Wie gesagt der 32’ ist defekt und einige Pfeifen klingen disharmonisch. Für den Gemeindegesang reicht es aus, jedoch nicht für große Orgelwerke. Ich mag dieses Instrument, es hat Charakter.« »Patrick sagte mir, dass eine Generalüberholung ausreichen würde. Ist doch auch sicher günstiger?« »Die Generalüberholung würde nur dann einen Sinn ergeben, wenn das Dach repariert wird.« »Ich verstehe die Logik hinter dieser neuen Orgel Geschichte nicht«, mischte nun auch Andreas mit, dem die kleine Demonstration wirklich gefallen hatte. »Wenn das Dach kaputt ist, würde ein neues Instrument doch auch schnell Schaden nehmen.« »Das Instrument würde anders platziert werden. Anstelle hier auf der Empore würde sie dann hinten in der Kirche stehen. Doch ich glaube, dass sie dann nicht klingen würde. Die Akustik wird durch den Glockenturm gebrochen.« »Danke für die Informationen. Ich denke, die Gemeinde sollte sich erst um das Dach kümmern«, meinte Carsten schlicht. Jedoch war er erstaunt, was Nancy alles über die Akustik zu berichten hatte. »Im Übrigen spielen Sie hervorragend. Wenn Sie erlauben, würde ich Ihnen einen Rat geben. Beschäftigen sie sich mit dem Quintenzirkel, dann bekommen Sie die Übergänge der einzelnen Tonarten in ihrem Stück fließender hin.« Das Mädchen guckte unverständlich beide Männer an. Andreas klärte Sie über den Sachverhalt auf, dass Carsten Musikdozent ist. Damit verabschiedeten Sie sich und gingen nach Hause. Carsten ließ sich von Leonardo führen und Salvatore passte wieder auf den Weg auf. Cedric schlummerte friedlich vor sich hin. »Tiger, was hast du vor?« »Nun, wenn der Kirchenvorstand sich für das Dach entscheidet, könnte ich mit einem Konzert das Vorhaben unterstützen. Nancy ist wirklich gut auf dem Instrument und mit dem Orchester des Colleges könnte man zum Beispiel die Orgelsymphonie von Camille Saint-Saëns aufführen. Warum nicht auch mal in einer Kirche des schottischen Hochlandes?« »Das wird Mr. Johnson aber nicht gefallen.« »Schatz, ich pfeife darauf. Er erkennt ja noch nicht einmal den Wert dieses Instruments. Ich werde meinen Studienfreund einmal auf das Instrument aufmerksam machen. Er kennt sich bestimmt besser damit aus als ich.«

»Man Paul, unsere Söhne haben einen wirklich schicken Wagen. Mit so einem Wagen hätte ich wohl jede Rallye gewonnen.« »Ja, nur gab es zu deiner Zeit noch keinen Hybridantrieb. Hast du das Navi programmiert?« »Nicht nötig. Es war noch Edinburgh einprogrammiert. Glaubst du unsere Jungs haben viel an dem Wagen verändern lassen?« »Mich sollte es nicht wundern. Sogar für Cedric hat er etwas einbauen lassen. Das Auto bietet viel Sicherheit für die Insassen. Was wollen wir …«

Der Wagen brach seitlich aus. Metall knirschte auf Metall. Funken sprühten. Wie in Zeitraffer kam Paul das Geschehen vor, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Der Wagen blieb auf dem Dach liegen …

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