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Shadowy - Episode 4
Teil 2
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Informationen
- Story: Shadowy - Episode 4
- Autor: Torben
- Die Story gehört zu folgenden Genre: Science Fiction
Vorwort zu Shadowy Episode 4 Teil 2
Hallo Leute dies wird nun die vorerst letzte Episode meiner Shadowy-Story. Wieder wird die Geschichte nicht nur von Mike erzählt, sondern auch von einem neutralen Beobachter. Es hat sich gezeigt, dass ihr so die anderen Charaktere besser kennen lernen könnt. Außerdem ist es mir so möglich, von Gegebenheiten zu berichten, die Mike eben nicht selbst erlebt hat. Mike wird weiterhin aus der „Ich“ Sicht berichten eingeleitet mit @Mike, ansonsten berichtet der „Große Bruder“ Er-Erzähler. Wie die Nummerierung schon andeutet, ist es sicherlich sehr hilfreich die vorhergehenden Episoden gelesen zu haben, um Episode 4 verstehen zu können. Nur so als Tipp. ;-) Alle Rechte an den Personen, soweit möglich, liegen bei mir. Fragen und Anregungen sind jederzeit nicht nur erlaubt sondern ausdrücklich erwünscht! Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, existierenden und nicht mehr existierenden Organisationen, Glaubensgemeinschaften so wie Staaten und Behörden sind weder wirklich zufällig noch völlig unbeabsichtigt sondern manchmal einfach unvermeidbar. Sie stellen aber immer die subjektive Meinung des Autors über diese Personen, Organisationen, Glaubensgemeinschaften, Staaten und Behörden dar. LG Martin (aka Mike)
What A Wonderful World This Would Be
Don't know much about history
Don't know much biology
Don't know much about science books
Don't know much about the french I took
But I do know that I love you
And I know that if you loved me too
What a wonderful world this would be
Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 7 Uhr
Wieder fiepte ein Wecker, nur war er diesmal laut und klar zu hören. Sehr zu Zacks Missfallen musste er am Abend feststellen, dass Kim diesen unerfreulichen Gegenstand auf ihrem Beutezug ergaunert hatte. Der Plan, wie er diesen Störenfried demnächst unauffällig entsorgen würde, war schon geschmiedet, als Kim noch dabei war die Weckzeit einzustellen.
Zack verstand es einfach nicht, weshalb Kim auf einem Wecker bestand, er musste ihn doch nur bitten. Zack würde ihn zu jeder gewünschten Zeit wecken und das auf wesentlich angenehmere Art und Weise als dieser kleine, hässliche Brüllwürfel. Kim lehnte jedoch diesen Vorschlag mit der für Zack völlig unbegreiflichen Begründung ab, dass Zacks Art ihn zu wecken immer in sehr heftige und lange andauernde Interaktionen ausarten würde. Dabei sollte Kim doch inzwischen wissen, dass das sowieso immer zu Zacks morgendlichem Programm gehörte.
So war es auch an diesem Morgen. Nachdem Kim den Wecker zum Schweigen gebracht hatte, zeigte Zack, was er unter einem guten Morgen verstand. Nur sehr mühsam und eigentlich widerwillig konnte Kim sich aus Zacks Umklammerung befreien. »Zack bitte, hör auf das kitzelt«, kicherte Kim und versuchte die scheinbar vielen Arme von Zack unter Kontrolle zu bringen. »Komm schon, wir wollen doch Nico überraschen.«
Bei diesem Stichwort wurde Zack sofort munter. Schließlich wollten sie Nico und Gerald heute einen ganz besonderen Weckservice bescheren, doch dazu musste er notgedrungen nun doch von Kim ablassen.
Mit einem fiesen Grinsen tastete sich Zack telepathisch zu Nico durch, der noch nichtsahnend in seinem Bett lag. Im nächsten Augenblick standen sie in Nicos Zimmer und wollten sich auf den Schlafenden stürzen, doch der war nicht alleine in seinem Bett. Eng an Gerald gekuschelt schlief er tief und fest.
»»Mist! Plan A können wir jetzt wohl wirklich vergessen««, grummelte Zack ein wenig betrübt, denn weder er noch Kim brachten es über sich, die beiden Schlafenden wie geplant zu wecken. Kim sah kurz zu ihm und nickte erleichtert. Er hatte nicht mehr darauf gehofft, Zack die ursprüngliche Idee ausreden zu können.
»»Also doch nicht der See – oder?««, murmelte Zack ein wenig bekümmert und sah dann gerührt zu Nico, der mit einem seligen Lächeln neben Gerald lag.
»»Also ich war sowieso für das Schwimmbad, alles andere wäre echt zu heftig««, gab Kim ihm Recht. »»Aber zuerst noch wecken. Wer weiß, wie Gerald sonst reagiert.««
Statt mit dem schlummernden Nico einfach bis zum nahen See zu teleportieren wie von Zack geplant, entschieden sie sich also für eine wesentlich humanere Aktion und weckten die beiden durch Rufen.
Letztlich landeten sie dann alle im Schwimmbad, denn Gerald hielt, zu Zacks Erstaunen, die Außentemperatur von knapp vier Grad für nicht geeignet, um im See ein Bad zu nehmen. Aber was Temperaturen betraf wichen Zack Ansichten sowieso stark von der Allgemeinheit ab, schließlich ging er auch barfuß durch den Schnee, was ebenfalls nicht jedermanns Geschmack war. Nico, der natürlich inzwischen wusste, was von seinen „Freunden“ geplant worden war, gefiel die sanfte Tour wesentlich besser. Jetzt gab es für ihn schon zwei Gründe, weshalb er froh sein konnte, dass Gerald in seinem Bett geschlafen hatte.
Mit Grauen dachte Nico daran, wie Kim ihn einmal per Exoteleportation aus seinem schönen warmen Bett in fünf Meter Höhe über dem Pool teleportierte. Erst die plötzliche Kühle, dann das flaue Gefühl des Sturzes, und schon war er im Wasser gelandet. Robin hatte es damals mit den Worten kommentiert: »Mit solchen Freunden braucht man keine Feinde.« Woraufhin Tom trocken ergänzte: »Wenn das schon die Freunde machen, was machen dann erst die Feinde?« Für Kim und besonders für Zack war es jedoch ein gelungener Scherz gewesen und selbst Nico musste sich hinterher eingestehen, dass es doch recht spaßig war, auch wenn er gerne auf eine Wiederholung verzichtete. Dass es einige Jungs gab, die so was überhaupt nicht komisch fanden, schien Zack jedoch einfach nicht verstehen zu können.
Meist ließ sich Zack von solchen Stimmen jedoch nicht beirren, für ihn war dies ein riesiger Spaß und er genoss es in vollen Zügen, dass ihm hier niemand etwas wirklich übel nahm. Natürlich wusste Nico, dass er diesmal diesem „Seebad“ nur ausgewichen aber keineswegs entkommen war. Vielleicht hätte er sich die Bemerkung mit dem Hundehalsband doch verkneifen sollen. Er wusste, dass er statt heute irgendwann demnächst eine andere üble Überraschung erleben würde. Zack und Kim waren in diesem Punkt nicht nur sehr einfallsreich, sondern auch wirklich erbarmungslos.
@Mike
Otto-Hahn-Schule
Donnerstag, 03.01.2036 zwischen 7 und 14 Uhr
Mitfühlend sah ich zu Benny. Was beinahe zu einem seiner schönsten Tage hätte werden können, entwickelte sich nun zu einer mittleren Katastrophe. Aber jetzt mal der Reihe nach: Als Julian und ich heute Morgen ins Schwimmbad kamen, waren wir nicht die Ersten. »Die „Wasserkatze“ hat wieder zugeschlagen!«, stellte Tom trocken fest.
Kim und Zack waren entgegen Zacks Gewohnheit heute Morgen sehr früh aufgestanden, wenigstens für ihre Verhältnisse. Jeder, der ihn kannte wusste, dass es dafür nur einen Grund geben konnte. Die beiden wollten jemandem einen Streich spielen und dieser jemand war mit 98-prozentiger Sicherheit Nico. Im Zweifelsfall musste der nämlich immer herhalten. Heute war auch Gerald betroffen, aber zum Glück hielten die beiden sich bei ihm noch sehr zurück.
Gerade Kims Exoteleportation brachte Zack nämlich auf immer neue, teilweise wirklich extreme Ideen. Vor zwei Tagen wachte einer der Jungs zwar in seinem Bett auf, dieses befand sich aber mitten in dem kleinen Urwald, der im Osten des Campus um einen kleinen See wucherte. Die Außentemperatur betrug übrigens minus vier Grad. Zugegeben, es war auch nicht gerade schön gewesen, dass sich der Junge über Zacks Teleportationsängste lustig gemacht hatte. So etwas sollte man einfach nicht machen, schon gar nicht, wenn Kim in der Nähe war.
Zum Glück trug Gerald die morgendliche Weckaktion mit Fassung, denn er war trotz dieses besonderen Services gut gelaunt. So konnten wir alle zusammen ein gemütliches Frühstück einnehmen, bevor wir uns auf den Weg zur Schule machten. Unser Eintreffen blieb dort nicht lange unbemerkt, zumal wir zu sechst, alle in weitgehend identischem Outfit, gemächlich zum Schulgebäude schlenderten.
Das Getuschel verstärkte sich den ganzen Vormittag über immer mehr, besonders da wir uns nun ganz offensichtlich auch mit den Drachen sehr gut verstanden. Zwar besuchten Gerald und Benny jeweils andere Kurse als Tom, Lukas, Julian und ich, aber in den Pausen trafen wir uns immer wieder. Wahrscheinlich waren wir deshalb, neben den noch immer diskutierten Vorfällen in Sektor-17, das Gesprächsthema Nummer eins.
Als jedoch der mittägliche Besuch der neu gestalteten Mensa auf unserem Programm stand, waren wir sehr froh, von Benny schon vorab über die „kleinen“ baulichen Änderungen informiert worden zu sein. Ohne Bennys Vorwarnung wäre ich wahrscheinlich wirklich geschockt gewesen. Der erste Eindruck war extrem bedrückend, und so war es wohl auch beabsichtigt. Da einige unserer Mitschüler offensichtlich wieder eine Show erwarteten, war die Mensa heute brechend voll. Besonders spürbar war dies natürlich in dem „Aussätzigenquartier“, also dem kleinen Bereich, den man den Schülern aus Sektor 20 zubilligte.
Da es uns inzwischen nicht mehr wichtig war, ob wir weiter auf diese Schule gehen durften oder nicht, das System des Hololehrers auf dem Campus hatte sich schließlich bestens bewährt, dachten wir nicht daran, uns an die neue „Trennungsverfügung“ zu halten.
Entsprechend locker betraten wir die Mensa durch den Sektor-20-Eingang, stiegen in aller Ruhe über die Absperrungen, holten uns das Essen, das uns zusprach, und nahmen einen Tisch nahe der „billigen Plätze“ in Beschlag. Insgesamt also eine außerordentliche Provokation für unseren lieben Direktor, der sicherlich mal wieder vor seiner Videoüberwachung thronte und nun mit seinem Blutdruck kämpfen musste.
Schließlich kam, was kommen musste. Stapfenden Schrittes, begleitet von asthmatischem Keuchen, betrat das Ungeheuer die Bühne – also äh, die Mensa. Noch zierte ein falsches Lächeln sein ungesund rotes Gesicht, das jedoch mit jedem Schritt, mit dem er sich uns näherte, mehr und mehr zur Maske erstarrte.
Kaum hatte er unseren Tisch erreicht, baute er sich auch schon grollend vor uns auf und, begleitet von seinem üblichen Sprühregen, grollte er säuerlich: »Was denken sie sich, warum ich gekommen bin?«
Ob es ein Intelligenztest werden sollte, konnte hinterher nicht mehr geklärt werden. Während wir anderen weitgehend unbeeindruckt weiter aßen, sah Lukas zu ihm auf, und der Schalk saß ihm wohl im Nacken, als er fröhlich antwortete: »Ah, der Herr Direktor! Welch unerwartete Freunde. – Nun, um ihre Frage zu beantworten: Wahrscheinlich um sich zu entschuldigen?«
»Ent…, Entschuldigen?«, das feiste Gesicht war nur noch ein einziges Fragezeichen.
Milde lächelnd erklärte Lukas seine im Nachhinein doch etwas gewagte Theorie: »Nun, da das Ministerium festgestellt hat, dass unsere Suspendierung völlig überzogen und laut Schulordnung sogar ungerechtfertigt war, gehe ich davon aus, dass sie jetzt die Gelegenheit nutzen wollten, um sich vor allen Schülern bei uns …?«
Die Farbsättigung in Direktor Schmitts Gesicht nahm derart beängstigende Formen an, dass Lukas unvermittelt verstummte. Anscheinend ging seine Theorie doch ein wenig an Direktor Schmitts Vorstellungen vorbei. Nun ja, man darf sich ja mal irren.
»Sie, sie sind ja ein ganz …«
»Keine Beleidigungen!«, knurrte Tom. Und es war nicht mehr sein gewohntes, ruhiges Brummen, jetzt war es wirklich ein gefährlich klingendes Knurren.
Direktor Schmitt zuckte ein wenig zurück, dann klickte er wieder sein feistes 100-Watt-Lächeln an, während seine Schweinsäuglein versuchten, mich zu fixieren. Warum eigentlich immer mich, ich hatte doch überhaupt nichts gesagt?
Doch er überging meine nie geäußerten Bedenken ohne jede Rücksicht: »Sie alle haben gegen den dritten Zusatzartikel der Schulordnung verstoßen! Die so genannte „Trennungsverfügung zur Vermeidung von Gewalt“ schreibt vor, dass sie sich innerhalb der Mensa nur in dem ihnen zugewiesen Bereich aufhalten dürfen. Sie haben doch von dieser Verfügung Kenntnis erhalten?«
Es bedurfte nicht erst des warnenden Blickes von Benny, um zu erahnen, dass da eine Tretmine lauerte. Wir kannten den Direktor inzwischen gut genug, um zu wissen, dass das, was hier wie eine „goldene Brücke“ aussah, in Wirklichkeit eine Falle sein musste.
Benny, der die Schulordnung in den letzten Tagen in und auswendig gelernt haben musste, antwortete für uns alle: »Aber natürlich haben wir davon Kenntnis! Sonst hätten wir doch heute Morgen schon beim Einloggen eine rechtsverbindliche Falschaussage gemacht!«
Verdammt, diesen blöden Hinweis hatte ich wirklich zu schnell weggetippt. Jetzt wo Benny es erwähnte, fiel es mir auch wieder ein. Bei jedem Einloggen in den Zentralrechner mussten wir die Kenntnis und Anerkennung der Nutzerbestimmungen, und dazu gehörte eben auch die jeweils gültige Schulordnung, bestätigen.
Trotzdem fühlte sich Direktor Schmitt als Sieger. Wenn er uns schon keine Falschaussage nachweisen konnte, dann verstießen wir eben wissentlich gegen die Schulordnung, beziehungsweise gegen deren dritten Zusatzartikel. Bei diesem Punkt angelangt, bemerkte ich zum ersten Mal, dass sein hämisches Lächeln mich einfach zum Zuschlagen provozierte, und das obwohl ich bestimmt kein gewalttätiger Schläger bin. Doch so weit kam es nicht, denn geradezu genüsslich tönte er nun: »Dann muss ich sie, so leid es mir tut, wieder suspendieren, bis ein von mir geleiteter Ausschuss ein endgültiges Urteil fällt. – Meine Herren! Ich fordere sie hiermit auf, diese Schule umgehend zu verlassen!«
In dem nun einsetzenden Schweigen hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören. Mehr oder weniger war so etwas von uns erwartet worden und entsprechend unbeeindruckt waren wir über Direktor Schmitts Ansinnen. Benny schüttelte nur nachdrücklich den Kopf und sah den Direktor kalt lächelnd an: »Damit kommen sie nicht durch, Herr Direktor! Wir verstoßen nicht gegen die Schulordnung, weil diese in dem von ihnen genannten Punkt zurzeit nicht gültig ist!«
Direktor Schmitt, der anfangs auf Benny herabgesehen hatte, als sähe er Ungeziefer, wurde wieder einmal knallrot in seinem feisten Gesicht. Dass ausgerechnet dieser kleine unbedeutende Wicht ihn, den großen Direktor, in dieser Form abkanzelte, konnte er sichtlich nicht fassen.
Cool nutzte Benny die Gelegenheit, um Direktor Schmitt den nächsten Hieb zu verpassen: »Wie sie sicher wissen, haben wir ein Stipendium der Neckler-Stiftung. In §12 der Stiftungsordnung heißt es wörtlich: „§12 Gleichstellung der Schüler: Kein Schüler der Stiftung darf in irgendeiner Form benachteiligt, diskriminiert oder aufgrund seiner Herkunft anders als die anderen Schüler behandelt werden.“ – Folglich verstößt eine Trennung von Schülern aus Sektor 20 und den anderen ganz offensichtlich gegen die Stiftungsordnung.«
Direktor Schmitt schaffte es tatsächlich, seine beängstigende Gesichtsröte noch zu steigern und schnappte währenddessen hörbar nach Luft.
Doch Benny gab ihm keine Chance: »Sicherlich wollten sie gerade einwenden, dass die Stiftungsordnung nicht die Schulordnung ersetzt. Nun, das ist zugegebenermaßen leider richtig.
Doch in dem Vertrag zwischen der Schule und der Stiftung wurde festgehalten: „… die Schulordnung ist so zu gestalten, dass sie der Stiftungsordnung in keinem Punkt widerspricht oder diese einschränkt.“ – Das aber ist mit ihrer „Trennungsverfügung“ geschehen. In einem weiteren Punkt des sehr umfangreichen Vertragswerkes wurde festgeschrieben, dass im Falle eines Verstoßes gegen die Vereinbarungen die strittigen Punkte der Schulordnung bis zum Zeitpunkt einer Einigung zu suspendieren sind. Also nicht wir, sondern ihr „dritter Zusatzartikel“ ist suspendiert. Die Trennungsverfügung als Ganzes ist demnach FÜR ALLE SCHÜLER UNGÜLTIG – Herr Direktor!«
Lautes Gemurmel setzte ein, und unser Direktor erinnerte mich an einen Luftballon, aus dem jemand langsam die Luft herausließ. Die Schultern fielen herab und jede Farbe schien aus seinem Gesicht zu weichen. Mehrmals versuchte er etwas zu sagen, doch er glich dabei eher einem Fisch, der auf dem Trockenen nach Luft schnappt.
Ungläubig starrte er auf Benny herunter, die Augen aufgerissen und zu keiner gesteuerten Reaktion mehr fähig, als stünde da ein kleiner Dämon vor ihm und nicht unser Benny. Der Mann war am Ende – das sah er wohl nach einigen Minuten auch ein, drehte sich um und verließ wortlos die Mensa.
In derselben Sekunde setzte tosender Beifall ein, der ganz alleine Benny gehörte. Der kleine Loser hatte das böse Ungeheuer besiegt, nein, er hatte es vernichtet. Bemerkenswert für uns war, dass der Applaus nicht nur aus der Sektor 20 Ecke kam, die ganze Mensa tobte.
Geschmeidig schlängelte sich Lukas zu einem der Automaten durch und stellte wenig später eine extra Portion Eis auf Bennys Tablett. Der Kleine hatte sie sich wahrlich verdient.
Bis zu diesem Zeitpunkt schien es, als könnte es wirklich einer der schönsten Tage für Benny werden, zumindest einer der schönsten Schultage. Die restlichen zwei Stunden Unterricht vergingen auch ohne besondere Vorkommnisse. Entsprechend fröhlich, fast schon ausgelassen, gingen wir gemeinsam zurück zum Parkplatz und unterhielten uns dabei über alles Mögliche.
Mehr nebenbei erinnerte ich mich daran, dass Benny uns gegenüber Geralds Bruder erwähnte: »Du Gerald? Was macht dein Bruder eigentlich zurzeit? Benny hat gesagt er ist auch Mutant?«
Gerald, der gerade noch mit Benny gelacht hatte, erschien plötzlich wieder etwas abweisend: »Leon? Der ist, so weit ich weiß, in Australien.«
Klick! – Moment! – Leon? – Das konnte doch kein Zufall sein! In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Entsprechend erstaunt hakte ich nach: »Leon? Leon Walleras?«
Gerald war nun ebenfalls sichtlich überrascht: »Du kennst ihn?«
Mit einem Mal wurde mir einiges verständlicher. Gerald war so zu sagen der „Missing Link“! Er war die fehlende Verbindung zwischen Leon, Benny und Takashi. Jetzt wurde es mir klar. Wir hatten uns immer gefragt, warum Benny von Leon ausgerechnet zu Takashi gebracht worden war, wo der doch von Mutanten nicht all zu viel gehalten hatte. Aber Leon kannte oder wusste von Takashi, weil sein Bruder Gerald schon seit Jahren bei Takashi trainierte. Das war die Lösung, nur so ergab es einen Sinn.
So sah es wohl auch Benny, der nun ziemlich sauer fragte: »Dann hast du dafür gesorgt, dass Leon mich zu Takashi bringt? Warum hast du nie etwas gesagt?«
»Was habe ich?«, brummte Gerald noch immer leicht abweisend.
Was dann geschah, konnten wir uns nie so recht erklären. Benny fühlte sich von Gerald hintergangen, so viel war klar. Denn der hatte nie auch nur den kleinsten Hinweis gegeben, dass er von den Umständen, die zum Tod von Bennys Eltern führten, etwas wusste. Bevor wir auch nur reagieren konnten, griff Benny telepathisch mit aller Macht nach Gerald. Zum Glück war Bennys Macht nicht allzu groß, dennoch reichte es, dass Gerald leicht in die Knie ging und aufstöhnte. Dessen elektrokinetischer Gegenschlag fegte Benny jedoch wirklich von den Füßen und schleuderte ihn einige Meter weit bis zu einem Gebüsch. Wie von Sinnen schrie Gerald: »Mach das nie wieder!«, und verschwand einfach vor unseren Augen.
Julian und ich hasteten zu Benny, der wimmernd am Boden lag. Bei aller Wut musste Gerald aber immerhin noch so viel Kontrolle gehabt haben, dass er Benny nur eine sehr schmerzhafte Ladung verpasste. Danny und Marc meinten hinterher, andere Elektrokineten hätten da wahrscheinlich nicht so viel Rücksicht genommen. Während Tom und Lukas die Umgebung absicherten, kümmerten Julian und ich uns mit etwas Reiki um Benny.
Langsam kam er wieder zu sich und Tränen liefen ihm über das Gesicht: »Scheiße Mike, ich habe es total vermasselt!«
Dem konnte ich nur zustimmen, aber das würde ich dem Kleinen so natürlich nie sagen. Doch bevor ich ihm etwas Tröstendes sagen konnte, wurde er wieder ohnmächtig.
Ein alter Hangar - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 zwischen 11 und 13 Uhr
Zack schloss für wenige Sekunden die Augen, holte noch einmal tief Luft und dann – Teleportation. Hastig orientierte er sich, sprang über die zwei Meter hohe Mauer und schnappte sich den ersten Ring. Wieder eine kurze Konzentrationspause – Teleportation – und ein schwerer Sandsack schwang auf ihn zu, kein Platz zum Ausweichen – Teleportation – haltlos rutschte er in einer Rinne abwärts. Erneut musste er teleportieren und stand nun auf einer fünf Meter hohen Plattform. Mist, dachte Zack wütend, wieder die Falsche. Von drei Seiten flogen Gummigeschosse auf ihn zu, erneute Konzentration und – Teleportation – diesmal schnappte er sich den zweiten Ring.
Fünf Teleportationen später war Zacks „Beute“ auf vier Ringe angewachsen. Dafür zierte ein roter Fleck auf Brusthöhe jetzt seinen schwarzen Kampfanzug. Dies war schon der dritte Versuch gewesen, und noch nie war es ihm gelungen die „Kammer des Schreckens“, wie Kim sie nannte, ohne einen Treffer zu durchqueren.
Niedergeschlagen trottete er zu dem Aufgang des Kontrollbunkers, der sich hoch über ihm an der Decke des ehemaligen Hangars, befand. Schleppenden Schrittes stieg er die Stufen hoch, so, als müsste er eine unendlich schwere Last tragen. Inzwischen fand er die Idee, das heutige Teleportationstraining in dem umgebauten unterirdischen Hangar zu machen, längst nicht mehr lustig.
Müde öffnete er die schwere gepanzerte Tür, durch die er den Kontrollraum betreten konnte, in dem Sammy, Scotty, Kim und Nico bereits auf ihn warteten. Bedrückt sah er zu Nico, dem es gelungen war, vier Ringe zu erbeuten, ohne einen Treffer zu erhalten. Kim konnte sogar sechs Ringe für sich verbuchen, dafür zeigte die rote Spur an seiner Schulter einen Streifschuss an.
Sammy, der schon einen spöttischen Kommentar abgeben wollte, schluckte ihn herunter und sah Zack aufmunternd an: »He, Zack es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Du bist jetzt gerade einmal seit vier Tagen Teleporter, was erwartest du denn?«
»Keinen Treffer und fünf Ringe. Mindestens!«, fauchte Zack überhaupt nicht bescheiden. Dabei bemerkte er auch nicht, dass er Nico damit ein wenig beleidigte, denn der war schließlich ein geborener Teleporter und sein Ergebnis war auch nicht so viel besser als das von Zack.
Wie so viele, gehörte „natürlich“ auch Sammy zu Zacks Fan-Club. Eigentlich gab es kaum jemand auf dem Campus, der nicht dazu gehörte. Dennoch zog er nun die Augenbrauen zusammen. Zu viel Ehrgeiz war nie hilfreich. Nico war zwar ohne Treffer durchgekommen, doch mit nur vier Ringen war seine Ausbeute auch nicht größer. Dabei teleportierte Nico schon seit mehr als einem Jahr. Doch offensichtlich nahm der Zacks ehrgeiziges Ziel nicht persönlich.
Tröstend ging Nico zu Zack und nahm ihn in den Arm: »Diesmal war der Parcours aber auch wirklich fies.« Dabei sah er Scotty vorwurfsvoll an, der jedoch nur mit den Schultern zuckte. Er war nur für die Technik zuständig und steuerte vom Kontrollbunker die beweglichen Rampen und Plattformen, schließlich sollte der Parcours bei jedem Durchgang anders aussehen.
Kaum hatte Nico von Zack abgelassen, zog Kim ihn zu sich: »»He, das war schon verdammt gut, wenn du so weiter machst, schaffen wir es demnächst in Stefans Büro.««
Sofort erschien wieder ein Grinsen auf Zacks Gesicht, in Stefans Büro wollte er schon seit Tagen. Jeder Raum, in den er eigentlich nicht durfte, übte eine geradezu magische Anziehung auf ihn aus. Eigentlich übte alles, was er nicht durfte oder sollte, schon immer einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn aus.
Sammy, der davon nichts mitbekam, sprach munter weiter: »Jungs, ich will euch ja nicht demotivieren, aber es ist eben sehr wichtig, dass ihr nach jedem Sprung notfalls einen zweiten machen könnt. Schließlich ist die Angst, die Zack vor dem Sprung ins Unbekannte hat, nicht unbegründet. Plötzlich irgendwo aufzutauchen kann sehr gefährlich sei ...«
Die Jungs fuhren herum als Sammy so plötzlich abbrach, aber da war es für Zack schon zu spät.
Mehr überrascht als gequält schrie er auf, als Martin ihn am linken Ohr zog: »Sammy hat ganz Recht! Es kann sehr gefährlich sein, plötzlich irgendwo aufzutauchen, wo man nichts verloren hat.«
Martin gelang es dabei aber nicht, zu den ernsten Worten das passende Gesicht zu machen. Dementsprechend belustigt murmelte Sammy: »He lass das, der Kleine hat doch auch so schon lange Ohren.«
»Ich habe keine langen Ohren, höchstens spitze. Und jetzt lass los!«, fauchte Zack, wehrte sich aber kein bisschen gegen Martins Griff, der sich das Lachen nur mühsam verkneifen konnte.
»Würde der Herr Sicherheitschef mir mitteilen, was einer meiner Schüler nun schon wieder angestellt hat?«, forderte Sammy sichtlich erheitert.
»Ja, der Herr Sicherheitschef kann und wird dies tun«, grinste Martin und zog noch einmal an Zacks Ohr. »Er hat gestern wieder im Kleiderdepot gewildert! Und die beiden da, die waren auch dabei«, grummelte Martin. Entgegen seines vorwurfsvollen Tones ließ er Zack jedoch los und wuschelte ihm durchs Haar, »Alter Räuber! Was machst du bloß mit all den Klamotten?«
»Die waren doch gar nicht für mich!«, entrüstete sich Zack. »Wir wollten dich und deine Sara nur nicht stören«, beteuerte Zack seine scheinbare Unschuld, so als habe er noch nie etwas für sich „erbeutet“. Der Ton, mit dem er „deine Sara“ untermalte, machte Martin klar, dass Zack mal wieder mehr wusste als die meisten. Martin und Sara verbrachten gestern ihren ersten gemeinsamen Abend, so jedenfalls die ursprüngliche Planung, denn daraus war dann doch eine gemeinsame Nacht geworden.
Dem Blick mit dem Martin den Kleinen bedachte war zu entnehmen, dass er an Zacks Rücksichtnahme auf seine Privatsphäre nicht so recht glauben mochte. Deshalb sprang Kim sofort in die Bresche: »Ehrlich Martin, die Sachen waren für Gerald, Zack hat nichts für sich mitgenommen. Wir wollten wirklich nur nicht stören.«
»Hm, und wie kommt er dann zu dem neuen Gürtel?«, spottete Martin. »Die Gürtel mit diesem Verschluss sind erst mit der letzten Lieferung gekommen!«
Kim sah überrascht zu Zack, der nun auch wirklich ein wenig geknickt zu Boden schaute. Neben seinem ausgeprägten Beutetrieb hatte er die dumme Angewohnheit, die Beute wie eine Trophäe herum zu zeigen.
»Okay, erwischt!«, grummelte Zack und machte Anstalten den Gürtel abzulegen, um ihn zurückzugeben.
Jetzt erst wurde Martin wirklich ein wenig böse. Er packte Zack an der Schulter und wirbelte ihn zu sich herum, um ihm ernst in die Augen zu sehen: »He Kleiner, das habe ich noch nie verlangt!« Martin legte Zack nun beide Hände auf die Schulter und verstärkte den Druck: »He, du kleiner Kleptomane. Du kannst doch alles bekommen, was du willst. Aber du bringst Nicole fast zur Verzweiflung, weil ihr Warenbestand nie stimmt, und sie ständig durch das Lager rennen muss!«
»Etwas Bewegung tut ihr sicherlich gut«, grinste Zack boshaft, weil er sich mit Nicole nicht anfreunden konnte. Sie war einfach absolut humorlos und gehörte mit Sicherheit zu den wenigen, die nie seinem Fan-Club beitreten würden.
»Das ist jetzt aber auch nicht sonderlich nett«, grinste Martin, der Nicole auch nicht gerade ins Herz geschlossen hatte. Ihre pedantische Art ging ihm ziemlich auf die Nerven, aber sie war eben sehr zuverlässig und dazu auch noch verschwiegen.
Kopfschüttelnd sah er Zack noch einmal sehr ernst an: »Okay, dann kommen wir zum nächsten Punkt, Stefan hat dir ein Sondertraining aufgebrummt!«
»Was? Nur wegen der paar Klamotten?«, empörte sich Zack.
»Nein, du hast die Vorschriften nicht beachtet.«
»He, ich war doch noch gar nicht in seinem Büro und seine doofen Kakteen habe ich auch nicht mehr angerührt!« Die grünen „Stachelbiester“ konnte Zack überhaupt nicht leiden, hauptsächlich, weil Stefan sich so aufgeregt hatte, als ihm eines dieser seltsamen unnützen Dinger abgestürzt war.
»Noch gar nicht? Du hast es aber vor?«, fragte Sammy grinsend.
»Ähm – also … Ist doch jetzt völlig egal. Ich hab nichts Verbotenes gemacht!«
»Ihm ist da aber etwas anderes zu Ohren gekommen«, erwiderte Martin und lauerte auf Zacks Reaktion.
Prompt fühlte der sich auch nicht mehr so wohl in seiner Haut, er wusste einfach nicht, welche seiner letzten Aktionen Stefan zu Ohren gekommen war. Von Nico hatte er mal den Tipp bekommen, er dürfe nur nie etwas zugeben und sollte immer schön den Ahnungslosen spielen, damit käme er am besten durch. Dementsprechend verhielt er sich jetzt auch: »Ich weiß wirklich nicht, was du meinen könntest, aber es gibt hier auch so schrecklich viele Vorschriften …«
Die Unschuldsmiene und der mitleidsheischende Blick waren fast perfekt. Das musste Nico neidlos anerkennen, der sich im Übrigen köstlich amüsierte.
»Es ging dabei um durchgeladene und feuerklare Waffen, die am Boden herumlagen!«
»Kim! Warum?«, Zack klang derart theatralisch und so verzweifelt als wolle man ihn zu lebenslänglichem Kerker verurteilen.
Für einen kurzen Moment sah Martin irritiert zu Kim, dann schüttelte er den Kopf: »Nein, es war Frank! Dein Kim hat nur in der Panik seine Abschirmung vernachlässigt. So ist es eben, wenn hier Telepathen ständig überall herumschnüffeln«, grinste Martin ein wenig gehässig. Dass die Sache mit Sara nun schon die Runde machte, gefiel ihm überhaupt nicht.
Doch auch Kim und Zack sahen jetzt nicht sonderlich glücklich aus, aber sie wussten, dass Frank, wenn es um Waffen ging, keinen Spaß verstand. Dass der sich aber sofort mit Stefan in Verbindung setzen würde, hätten sich die beiden auch nicht träumen lassen.
»Typisch Frank, der geht zum Lachen doch auch in den Keller«, grollte Zack, der noch immer ein wenig sauer auf Frank war, weil der bei der ersten „Tafelrunde“ so abweisend gewesen war.
Nico kicherte: »Dann versteht er sich sicherlich mit „deiner“ Nicole.«
»Ist nicht „meine“ Nicole«, fauchte Zack zurück, war aber dankbar für die Ablenkung. Doch diesmal ließ sich Martin nicht ablenken.
»Und was soll jetzt passieren?«, brummte Kim wenig erfreut.
»Jetzt ist schon 13 Uhr durch, nach dem Essen geht ihr mit mir zum Schießstand, dann werden wir eine kleine Praxis-Lektion im Umgang mit Schusswaffen und anderem durchführen.«
Als er Nicos schadenfrohes Grinsen sah, konzentrierte sich Martin einen Augenblick, und lächelte wenige Sekunden später zufrieden: »Nico wird euch übrigens auch gleich begleiten, das ist mit Stefan abgeklärt.«
Verblüfft sahen ihn die drei an und Martin grinste noch breiter: »So ein Salir ist schon eine verdammt praktische Sache, wenn man sich erst daran gewöhnt hat.«
Gespielt finster sah Zack in die Runde: »Jetzt gehört „der“ auch noch dazu. Nehmen die „Alten“ denn jeden? Das wird ja immer schlimmer!«
@Mike
Mikes Apartment - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 zwischen 14 und 15 Uhr
Vor einer halben Stunde waren wir im Campus eingetroffen und nun hielten wir in unserem Appartement eine Krisensitzung ab. Benny war am Boden zerstört und machte sich selbst die schlimmsten Vorwürfe. Nico sah auch nicht besser aus. Noch von der Schule aus war er von Tom informiert worden und so war er erst gar nicht zu seinem Schießtraining gegangen. Offensichtlich fiel es ihm schwer, Benny keine Vorwürfe zu machen. Besonders, nachdem Ralf uns mit weiteren Details über Gerald versorgt hatte. Auch er machte sich Vorwürfe, nur dazu bestand, wie ich fand, kein Grund.
Als er über die Weihnachtstage mit Gerald zusammen gewesen war, sprachen sie natürlich über vieles. Dabei erwähnte Gerald auch seinen Bruder, und obwohl er offensichtlich nicht gerne darüber sprach, erfuhr Ralf, dass Gerald mit 17 seine Pflegefamilie im Streit verließ. Seit dem bestand keinerlei Kontakt zwischen ihm und seiner Pflegefamilie. Der Streit musste etwas mit Leon, seinem Bruder, zu tun haben, aber mehr konnte Ralf uns auch nicht berichten.
Da Ralf über Leons Rolle beim Kampf gegen King Roy und im Zusammenhang mit Benny noch nichts wusste, maß er dieser Information keine große Bedeutung zu. Zumal er Gerald versprechen musste, nichts davon weiter zu erzählen.
Bennys Angriff auf seine Eltern fand ein Jahr nach dem Streit zwischen Leon und Gerald statt, dieser konnte somit überhaupt nichts über die näheren Umstände wissen. Takashi war es nie gelungen zu erfahren, wer der Mutant war, der ihm nachts den völlig verstörten Benny brachte. Allerdings war Takashi auch nicht sonderlich bemüht, näheres über diesen Mutanten, also Leon, zu erfahren. Wie schon mal erwähnt, Mutanten waren für Takashi eine Störung im Gleichgewicht der Kräfte und er sah keinen Grund, sich näher mit ihnen zu beschäftigen. Dass ausgerechnet Gerald als einer seiner Lieblingsschüler sich als Mutant entpuppte, erstaunte Takashi hingegen sehr.
Alles zusammen genommen mussten Bennys Vorwürfe und sein Angriff für Gerald völlig unverständlich sein. Gerald hatte nie geahnt, dass Benny ein Mutant sein könnte, bis er sich gestern vom Gegenteil überzeugen konnte.
Aber auch mir gab dieser „Zwischenfall“ erneut zu denken. Schuldbewusst sah ich zu Ralf, der, als ich ihn vor Tagen „wirklich“ massiv sondierte, geradezu friedlich geblieben war. Auch jetzt wieder winkte er lässig ab. »»He, vergiss es, ich hätte wirklich mit einer solchen Reaktion rechnen müssen, so nahe, wie du und Julian euch stehen. Es war somit auch mein Fehler, ehrlich!««
»»Das ist ja ganz nett, aber es hilft uns jetzt auch nicht weiter!«, stellte Tom nüchtern fest. Auch er gehörte zu denen, die Gerald mochten, Tom schätzte dessen geradlinige Art. Und bei Tom bedeutete so etwas sehr viel, denn es war bestimmt nicht leicht seine Sympathie zu erringen.
»»Hat einer eine Ahnung, wo er hingegangen sein könnte?««, versuchte Lukas uns aus der Schweigsamkeit zu reißen. »»Ich meine, wo kann er jetzt noch hin? Vor diesem David vom Freundeskreis ist er ja anscheinend geflohen, und in den Sektor dürfte er sich nicht trauen, da Janus möglicherweise noch nach ihm sucht.««
»»Ich denke, dass es nicht all zu schwer ist, sich da etwas zusammen zu reimen««, meldete sich Julian zu Wort. »»Ganz ohne Hinweise sind wir ja nicht.««
Ich musste lachen, denn eigentlich war mir wohl der gleiche Gedanke gekommen, aber das war bei Julian und mir nichts Außergewöhnliches: »»Gerald sprach von einer Hütte, als er von Lukas nach seiner Unterkunft gefragt wurde.««
»»Etwas außerhalb und sehr spartanisch hat er es genannt««, ergänzte Julian. »»Wenn man berücksichtigte, dass Gerald das Pflegekind der Familie Walleras war und dass Bennys Eltern in einer Hütte auf dem Landgut der Familie Walleras gestorben sind. Dann liegt der Schluss sehr nahe, dass es sich dabei um Geralds Hütte handelt, finde ich jedenfalls.««
»»Und was bringt uns das?««, wollte Tom wissen. »»Ich meine, jetzt mal schnell bei ihm vorbeischauen könnte etwas riskant sein.««
Womit sicherlich ein wahres Wort gesprochen wurde. Wobei „etwas riskant“ vielleicht noch sehr zurückhaltend formuliert war. Ich konnte mir vorstellen, dass sich Gerald im Moment sehr verletzt und verlassen vorkommen musste.
»»Ich gehe trotzdem!««, stellte Benny trotzig klar. »»Ich habe es verbockt und ich kann es auch wieder geradebiegen.««
Die Begeisterung der Anwesenden über Bennys Vorschlag hielt sich sehr in Grenzen. Nicht nur, weil er der Grund für Geralds Ausrasten war, sondern auch, weil er sich am wenigsten gegen einen möglichen Angriff wehren konnte. Wir alle mochten Benny sehr, und keiner mochte den Gedanken, dass er so ein Risiko einging.
»»Äh, Benny? Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?««, fragte ich vorsichtig.
»»He Mike, Gerald ist wirklich kein Unmensch««, stellte Benny eine unstrittige Tatsache klar. »»Er kennt mich und ich weiß, dass er mich auch mag. Wenn ich mich entschuldige und ihm klar mache, warum ich ihn sondiert habe, dann …««
»»Sorry Benny, aber ich fürchte Gerald lässt im Moment einfach nicht mit sich reden! Ansonsten gebe ich dir Recht, ich denke auch er hätte Verständnis««, murmelte Ralf traurig.
»»Außerdem – hast du daran gedacht, was das für ein Ort ist, wo er jetzt ist? Ich meine, was dieser Ort für dich bedeutet?««, versuchte Julian Benny behutsam auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass er in dieser Hütte seine Eltern getötet hatte.
»»Ich weiß was du meinst, aber ich denke, ich habe das im Griff. Bitte versteht doch, ich muss selbst mit Gerald sprechen. – Und ich habe auch eine Idee, wie das gehen könnte. Außerdem hat er mich schon an der Schule, und da war er sicherlich wütender als jetzt, nicht verletzen wollen. Ich bin sicher, er wird mir also auch jetzt nichts tun.««
Noch immer nicht sonderlich begeistert sahen wir Benny an. Wir alle mochten ihn sehr, befürchteten aber auch, dass es total daneben gehen könnte. Andererseits, wenn wir ihm diese Chance nicht gaben, dann würde dies Benny mehr verletzen als alles, was er bisher in seinem Leben durchmachen musste. Wir waren seine Freunde, und wenn wir ihm jetzt das Vertrauen entziehen würden, wäre es ein fürchterlicher Rückschlag für ihn. Etwas rat und hilflos sah ich zu Julian, alleine durften wir Benny nicht gehen lassen. Das Risiko war einfach viel zu groß.
»»Ich komme mit!««, sagte Nico entschlossen und unterstrich damit gleichzeitig, dass Benny gehen sollte.
Einige Sekunden sah ich die beiden an, dann schweifte mein Blick zu Louis: »»Würdest du mitgehen? Nur zur Sicherheit?««
Als Louis nickte, sah ich noch einmal in die Runde, doch keiner erhob einen Einwand: »»Dann ist es wohl so beschlossen.««
Und ich unterstreiche gleich an dieser Stelle, dass ich hier niemandem etwas befohlen habe! Die Entscheidung wurde einvernehmlich gefällt und von allen getragen. Nicht, dass Tom hinterher wieder etwas anderes behauptet.
»»Zieht aber die Kampfanzüge an, ich fürchte es wird eine „Gewitterfront“ aufziehen, und mit denen seid ihr wenigstens ein wenig vor den Folgen geschützt««, murmelte Lukas und sah alles andere als zuversichtlich aus.
Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 14 Uhr
»Warum können wir nicht einfach teleportieren?«, keuchte Zack und rannte weiter neben Kim her. Als Martin von Sondertraining im Zusammenhang mit Waffen sprach, waren ihm schon schlimme Befürchtungen gekommen. Als Martin sie dann nach dem Essen zum Kleiderdepot schickte, freiwillig rückte Nicole doch nie etwas raus, verstärkten sich Zacks Befürchtungen noch mehr.
Doch dann gab es für jeden einen neuen Kampfanzug und jede Menge zusätzlicher Ausrüstungsgegenstände. Als wäre das noch nicht genug, bekamen sie als letztes noch eine Art harten Rucksack, „Tornister“ genannt, ausgehändigt. Dieser konnte in entsprechende Halterungen ihres Anzugs eingehängt werden. Leider war das Teil verschlossen und ihre Neugierde wurde auf eine harte Probe gestellt.
Obwohl Zack keinerlei Bezug zu Geld besaß, schließlich war er es gewohnt, sich das Benötigte einfach zu „organisieren“, war ihm klar, dass diese Ausrüstung ein kleines Vermögen repräsentierte. Und er war sicher nicht der Erste, der sich über die Motivation von NeckTech ein wenig wunderte. Klar, kannten sie alle die Argumente, dass Dr. Neckler einerseits „ein guter Mensch“ sei und sie andererseits auch als stabilisierende Macht bei einer möglichen Mutanten-Revolte auf Seiten der „normalen“ Menschen wissen wollte. Dennoch fanden viele den Aufwand, der dazu betrieben wurde, sehr erstaunlich.
Das spöttische Funkeln in Martins Augen während der Ausgabe konnte Zack nicht so recht einordnen. Auch das war wieder so eine Überraschung, die der Salir, den Martin trug, ihm und den anderen Telepathen bereitete. Zack war ein guter Telepath und bei den Blockadechips war der Träger eigentlich fast nicht mehr aufzuspüren. Jedoch, wenn er sich sehr darauf konzentrierte, sickerte bisher immer genügend durch, um daraus gewisse Schlüsse zu ziehen. Doch der Salir schirmte Martin nun derart ab, als wäre er ein sehr guter Telepath. Zwar besser aufspürbar als mit einem Blockadechip, aber dafür drang sonst nichts zu ihm durch.
So erfuhren Kim und Zack erst eine halbe Stunde später, warum Martin so zufrieden lächelte. Zu dem Zeitpunkt war Nico schon verschwunden, weil etwas in der Otto-Hahn-Schule vorgefallen war. Während Martin nun gemütlich auf einem Quad neben ihnen herfuhr, mussten sie rennen. Natürlich nur, wie Martin scheinheilig anmerkte, um ein „Gefühl“ für die neuen Anzüge zu bekommen. Typisch „Salir-Bruder“ dachte Zack zornig, kaum galten sie als „richtige Mitglieder“ der Bruderschaft, machten sie auch schon Ärger.
»»Das ist unfair Zack!««, meldete sich Kim. »»Er könnte nie mit unserer Geschwindigkeit mithalten. Du hast es wohl noch nicht bemerkt, aber wir sind im ForceFight-Modus! Wir benutzen unsere Telekinese, um so schnell zu laufen, oder warum wohl kann ich meterweit springen? Das Ganze hat sich sicherlich Sammy ausgedacht, denn normalerweise wären wir jetzt mit ForceFight dran.««
Zack brauchte einige Sekunden, bevor er realisierte, wovon Kim sprach. Mit ihrer momentanen Geschwindigkeit könnte wirklich kein Normalo mithalten. Dabei war er sich dessen überhaupt nicht bewusst gewesen. – Aber dennoch, warum rennen, wenn man teleportieren kann?
»»Weil ihr euch nicht auf eine Fähigkeit verlassen sollt!««, mischte sich Martin nun auch noch telepathisch in die Unterhaltung der beiden ein. »»Übrigens – „Salir-Bruder“ finde ich auch nicht gerade schmeichelhaft!««
»»Was? Wie kommst du in meine …?««, Zack wäre vor Schreck beinahe gestolpert, was Martin anscheinend äußerst amüsant fand.
»»Schon vergessen? Du trägst auch einen Anhänger und darüber können wir uns unterhalten. Wenn du mich nicht ausschließt, bekomme ich mit, was du „an der Oberfläche“, wie Frank es nannte, so denkst. Also auch das, was du so nebenbei über mich denkst««, grinste Martin nun wirklich vergnügt. Dass so was einem geborenen Telepathen passieren konnte, fand er schon sehr witzig.
Als Martin am Abend zuvor von Frank den Salir überreicht bekam, war er schon sehr erstaunt gewesen. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass nur die Hoods zur Bruderschaft gehören sollten. Doch offenbar war man „an anderer Stelle“, wie Frank es nannte, anderer Meinung. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es Frank nicht gefiel, dass die „Alten“ über die Mitglieder der neuen Bruderschaft bestimmten. Doch Franks Groll richtete sich nicht gegen Martin, so viel war dem sofort klar, es ging darum, dass sie nicht gefragt wurden.
Denn dass Martin die anderen und vor allem Mike und Julian von Anfang an sehr mochte, war kein Geheimnis. Schon in der Nacht, als Nico versuchte, Mike und die Jungs mit einem Thermaldetonator anzugreifen, und sie danach aufgebrochen waren, um Robin zu helfen, hatte er zu ihnen gehalten. Für Martin war der damalige Einsatz gegen die Catcher schockierend gewesen, dennoch hielt er zu ihnen und half alles zu vertuschen. Das brachte ihm zwar einigen Ärger mit Dr. Neckler ein, dennoch hielt er seine damalige Entscheidung für richtig.
Gestern war er nun in die Bruderschaft aufgenommen worden, und Frank selbst übernahm es, ihn im Umgang mit dem Salir zu unterrichten. Anders als Stefan war Martin sofort begeistert gewesen. Nun machte die Überraschung von Zack ihm noch mehr Freude. Der Kleine kann ruhig hin und wieder einen Dämpfer gebrauchen, sonst wird er viel zu übermütig, dachte Martin grinsend und ärgerte sich, dass er seinen Salir bei seinem Date mit Sara nicht angezogen hatte.
»Was ist denn da drüben los«, rief Kim und deutete zu einer Schneise im Wald, vor der ein schwerer Flugschrauber gelandet war. Etliche „Salir-Brüder“, also Normalo-Hoods, waren damit beschäftigt, den Flugschrauber zu entladen. Doch man konnte von ihrer Position aus nicht sehen, was da entladen wurde.
»Da ist gerade eine Lieferung neuartiger Mark-23 eingetroffen.«
»Mark-23 nicht 13?«, fragte Kim erstaunt und sprang drei Meter einen Hügel hoch. Aus dem Augenwinkel beobachtete er wie Zack mindestens vier Meter hoch sprang und das Ganze natürlich noch mit einem Salto krönte.
»Nein, Mark-23 – das sind PSI-Modelle, also modifizierte Versionen, falls ein Angriff auf den Campus erfolgen sollte.«
»Und was ist so besonders an denen?«, wollte nun Zack erfahren. Er mochte wie die meisten Mutanten Roboter im Allgemeinen und Kampfroboter im Besonderen überhaupt nicht.
»Das werdet ihr auf dem Schießstand erfahren!«, orakelte Martin.
Irgendwo außerhalb von Sektor 20
Donnerstag, 03.01.2036 kurz nach 15 Uhr
Schon seit fast eineinhalb Stunden waren sie unterwegs. Louis hatte je einen Arm um Benny und Nico gelegt und nahm sie so mit in „Phase“, gleichzeitig teleportierten er und Nico gemeinsam. Dadurch, dass sie in Phase waren, konnte ihnen kaum etwas passieren, selbst wenn sie, wie gerade eben, in sehr abschüssigem Gelände herauskamen und ein Baum zwischen ihnen stand. Dieses „blinde“ Teleportieren wäre sicherlich nichts für Zack gewesen. Letztlich musste zwar jeder Teleporter damit fertig werden, dennoch kostete es sehr viel Überwindung, da man nie wusste, wo man herauskam oder was einen dort erwartete. Es gab viele Teleporter, die nur so weit teleportierten, wie sie sehen konnten.
Natürlich konnte man nicht, wie viele befürchteten, in einem Baum herauskommen, denn Teleportieren war ja kein „Beamen“: Man wurde dabei nicht aufgelöst und danach wieder zusammengesetzt. Ein Teleporter überbrückte die Entfernung mittels Raumfaltung, wie Olaf das einmal genannt und an einem Blatt Papier demonstriert hatte. Wenn ein Baum, eine Wand oder sonst ein massiver Gegenstand im Zielpunkt stand, dann wurde der Teleporter einfach zur Seite gedrückt oder bei größeren Hindernissen kam er erst gar nicht am eigentlichen Ziel an. Das fühlte sich für den Teleporter an, als wäre er gegen eine dicke Gummimatte gelaufen – er blieb dann an der selben Stelle, von der er teleportieren wollte.
Da die drei Freunde aber nur die ungefähre Lage der Hütte kannten, mussten sie sich erst langsam herantasten, und das kostete vor allem Zeit, aber auch Nerven. Wieder einmal sah sich Louis um und sondierte die Umgebung. Nico und Benny bildeten sogleich einen Block und machten dasselbe. So konnten sie sicher sein, dass ihnen kaum etwas entging.
Gerade, als sie wieder resigniert einen weiteren Sprung machen wollten, kam Nico eine abenteuerliche Idee. Zunächst war Louis ein wenig skeptisch, doch dann gestand er sich ein, dass es eigentlich kein Problem sein sollte, so lange sie dicht zusammen blieben. Abschätzend sah Louis nach oben, einigte sich mit Nico auf die Koordinaten und schon waren sie fünf Kilometer weiter. Selbst für Nico war dies nur ein sehr kleiner Sprung, jedoch ging er diesmal nicht wie bisher in Richtung Nordwesten, sondern einfach nach oben.
Da sie noch immer in Phase waren stürzten sie nicht der Erde entgegen, sondern sanken nur gemächlich, und selbst das hätte Louis verhindern können. Geister können eben doch schweben, dachte Nico grinsend.
»»Sonst wäre die Luft aber auch sehr dünn und warm ist es außerhalb des Phasen-Feldes auch nicht««, kommentierte Benny. »»Aber daran habt ihr beide nicht gedacht, oder?««
»»Ähm, also ... wollten wir nicht nach Gerald suchen?««, grinste Nico und versuchte das unangenehme Thema zu umgehen.
Tatsächlich waren sie, so lange sie sich in Phase befanden, auch weitgehend vor diesen Umwelteinflüssen geschützt. Doch relativ schnell wurde ihnen klar, dass sie nicht lange in dieser Höhe bleiben konnten, denn die Luft wurde nun doch langsam dünn.
Das Feld, das Louis um sie aufgebaut hatte, um sie in Phase zu bringen, ließ die Luft nun zögerlich entweichen. Schließlich war der Druck innerhalb des Phase-Feldes wesentlich höher als außerhalb. Genauso wie sie etwas aus dem Phase-Feld fallen lassen konnten, entwich nun die Luft. Der Luftdruck glich sich also immer mehr dem in 5.000 Metern Höhe an, was sich durch einen unangenehmen Druck in den Ohren bemerkbar machte.
Die von Benny erwähnten Kälte spürten sie hingegen überhaupt nicht. Aber da sie in Phase auch durch Feuer gehen konnten, ohne von der Hitze verbrannt zu werden, war das keine so große Überraschung.
Der eigentliche Grund für diesen Höhenflug war jedoch die Aussicht, und die war wirklich phänomenal. Das Landgut der Walleras sollte nach ihren Informationen am Rande eines Nationalparks liegen und der lag nun unter ihnen. Jetzt mussten sie nur noch nach dem Hauptgebäude Ausschau halten. Von dort waren es angeblich noch 20 Kilometer bis zu der gesuchten Hütte, die auf einer kleinen Lichtung mitten im Wald stehen sollte.
»Da drüben!«, rief Benny und zeigte auf eine Ansammlung von Gebäuden, die in der veranschlagten Richtung aber doch noch zehn Kilometer entfernt lagen.
Der nächste Sprung brachte sie fast genau über die Gebäude, diesmal nur in 1000 Meter Höhe. Es handelte sich tatsächlich um einen großen Gutshof, der jedoch offensichtlich schon etliche Zeit leer stand.
Nach einem weiteren Sprung schwebten sie über einem relativ dichten Wald. Beinahe hätten sie die Lichtung übersehen, auf der eine mit Gras bewachsene, scheinbar verlassene Hütte stand. Doch da aus dem Kamin schwacher Rauch stieg, war anscheinend jemand zuhause.
Während Louis sie langsam, mitten zwischen den dichten Bäumen, zu Boden sinken ließ, stöhnte Nico: »»Ziemlich abgelegene Gegend«« und sah sich dabei unsicher um. Als Stadtmensch, auch wenn es nur Sektor 20 war, fühlte er sich in dieser „Wildnis“ reichlich unwohl.
Vorsichtig streckte Louis seine telepathischen Fühler aus. Da sie alle inzwischen wussten, dass Gerald das Tasten spüren konnte, ging Louis entsprechend vorsichtig vor. Nach einigen Sekunden fand er tatsächlich einen Menschen, vorsichtig ließ er sich auf dessen Schwingungen ein. Dann löste er sich genauso behutsam wieder und grinste Nico und Benny an: »Er ist es, es ist ganz eindeutig seine Signatur. Er ist alleine und anscheinend sehr durcheinander.«
»Und was jetzt, was ist dein Plan?«, wandte sich Nico besorgt an Benny, der bisher nicht dazu zu bewegen war, ihnen seine Idee mitzuteilen. Wie wollte er Kontakt mit Gerald aufnehmen, ohne dass der gleich wieder verschwand?
Mit einem verlegenen Lächeln erläuterte Benny seine Idee. Doch sonderlich viel Begeisterung erntete er nicht.
»»Nur fürs Protokoll: Das ist 'ne total bescheuerte Idee!««, maulte Nico, doch auch ihm fiel nichts Vernünftiges ein.
Louis kicherte hingegen: »»Du weißt doch: Wenn nichts funktioniert, muss 'ne neue Taktik her!««
»»Aber das ist keine Taktik! Das ist, das ist – einfach nur Mist!««, grummelte Nico. »»Wenn er das bemerkt, ist Benny wirklich nur noch ein Häufchen Asche.««
Da aber Louis auch nur hilf- und ratlos mit der Schulter zuckte, blieb ihm nichts übrig als resignierend zuzusehen, wie Benny sich auszog. Zuletzt legte er noch seine Boxer-Shorts ab und verschwand langsam zwischen den Bäumen in Richtung Hütte.
»»Louis! Das kann nicht gut gehen, Bitte!««, quengelte Nico teils aus Sorge um Benny, aber auch weil er fürchtete, dass sie damit Gerald endgültig verschrecken würden.
Schießstand - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 zwischen 15 und 17 Uhr
Stöhnend konzentrierte sich Kim auf den sich schnell bewegenden Roboter, doch er konnte ihn nicht erfassen. Wie er es schon von den „Pseudo-Morlocks“ kannte, störte etwas seine Wahrnehmung. Für ihn war es ein Gefühl, als würde er nach etwas Schwammigem oder Glitschigem greifen. Er spürte, dass da „etwas“ war, doch er konnte „es“ einfach nicht festhalten. Dies also war die Überraschung, die ihnen von Martin auf dem Weg zum Schießstand angekündigt worden war, dachte Kim und sah etwas hilflos zu ihrem Trainer.
Gleich darauf sendete Martin ein Signal aus seinem Armbandkodator, der natürlich nicht nur ein Kodegenerator sondern ein sehr vielseitiges Kontroll- und Schlüsselgerät war. Mit ihm konnte man die Roboter kontrollieren und sogar neu programmieren oder, wie in diesem Fall, das Störfeld abschalten.
Augenblicklich gelang es Kim, den Mark-23 zu erfassen und ihn einen Meter anzuheben. Kim war telekinetisch stark, da er als guter Teleporter über eine sehr hohe Kapazität verfügte. Doch wie jedem der „aufgestockten“ Mutanten mangelte es ihm bei den neu „erworbenen Fähigkeiten“ an der Effizienz. Das Anheben des über 250 Kilogramm schweren Roboters strengte ihn mehr an, als eine Teleportation über 100 Kilometer. Bei der Teleportation war er wesentlich effizienter, aber mit einigem Training sollte es auch mit der Telekinese bald besser werden.
Doch wie Julian und Mike stießen Kim und Zack beim Training auf die gleichen Probleme. Seit sie sich in der denkwürdigen Conventiculum Aktion vereinigt hatten und zu PSI-Zwillingen wurden, mussten sie mit einer Vielzahl von Fähigkeiten fertig werden. Kim war anfangs „nur“ Teleporter und Exoteleporter gewesen und durch Julian und Mike an die Telepathie gelangt. Doch nun waren die Telekinese, Fallerethie und sogar die Biometabolie hinzugekommen, wobei Kim letztere noch überhaupt nicht richtig trainierte, außer bei sehr intimen Gelegenheiten mit Zack.
Zack hingegen erwarb bei dieser Gelegenheit die zusätzlichen Fähigkeiten der Telekinese und Teleportation, wobei letzteres ihm recht schwer fiel, da die Teleportation sehr viel Kapazität erforderte. Er war zwar auch in dieser Hinsicht gut ausgestattet, doch bei seinem Ehrgeiz fiel es ihm nicht leicht zu akzeptieren, dass Kim so viel besser war. Nicht dass er es ihm missgönnte, dazu liebte er ihn viel zu sehr, doch er wollte mindestens genauso gut sein wie „sein“ Kim. Auch bei der Telekinese, die für beide neu war konnte Kim, wie eben gezeigt, wesentlich mehr „bewegen“ als er.
Fasziniert bestaunte Martin das Schauspiel, das Kim ihm bot. Für ihn war es ein sehr seltsames Gefühl, die Mutanten bei der Arbeit zu beobachten. Der Techniker in ihm wehrte sich einfach, das Offensichtliche zu akzeptieren. Da schwebte nun, in 20 Meter Entfernung, eine 250 Kilogramm schwere „Kampfmaschine“, von der er jede einzelne Baugruppe genau kannte. Aber wirklich begreifen, wie so etwas überhaupt möglich war, konnte er nicht. Klar kannte er Sammys Berichte und Ideen über PSI-Fähigkeiten, aber erklären, wie Telekinese funktionierte, konnte auch Sammy nicht.
Stolz lächelnd trat Zack neben Martin und freute sich, dass Kim es schaffte. Ihm selbst war es nicht einmal gelungen, den Koloss anzuheben, was ihn schon ziemlich ärgerte. Zwar war er auch nicht gerade schwach, was die Kapazität betraf, aber mit Kim oder gar Louis konnte er sich einfach nicht messen und dieses Wissen machte ihm schon hin und wieder zu schaffen.
Er versuchte sich zwar immer klar zu machen, dass gute Teleporter wie Kim und Louis eine weitaus höhere Kapazität als die meisten anderen Mutanten besaßen, aber dies zu akzeptieren fiel ihm schwer. Immer wieder fragte er sich, wann er so weit sein würde. Geduld war nicht gerade seine Stärke und die regelmäßigen Hinweise von Sammy, Kim und den anderen, dass es lange dauerte, bis man zu einem guten Teleporter wurde, machte es ihm auch nicht leichter. Er war fest entschlossen, das von Sammy zusammengestellte Trainingspensum zu erfüllen oder sogar zu übertreffen. Denn er wollte mindestens so gut werden wie Kim, und das so schnell als möglich.
»Wie funktioniert diese Abschirmung?«, wollte Kim wissen und sah Martin fragend an.
Hilflos zuckte der mit der Schulter: »Das ist das Einzige, was ich dir an dem Ding nicht erklären kann. Wir haben die Störquellen aus den erbeuteten Pseudo-Morlocks entnommen und zu Testzwecken hier eingebaut. Natürlich arbeiten die Jungs im Labor daran, aber sie beißen sich anscheinend die Zähne aus. Was auch immer die Darwinianer da zusammengebastelt haben, es muss höllisch kompliziert sein.«
Betroffen sahen sich die Jungs an, bei den meisten Mutanten besaß NeckTech den Ruf, dass dort alles möglich sei. Dass ausgerechnet die verhassten Darwinianer etwas ausgeknobelt hatten, das man bei NeckTech nicht verstand, gefiel ihnen deshalb überhaupt nicht.
»Okay, Jungs, das war nur eine kleine Demo, jetzt kommen wir zu euren Waffen!« seufzte Martin und sah Zack kritisch an.
»Können wir nicht noch ein wenig mit dem Robby spielen?«, quengelte Zack mit verstellter Stimme wie ein Kleinkind.
»Robby?«, schockiert drehte sich Martin noch einmal herum, um auch wirklich sicher zu sein, dass da ein voll aufgerüsteter Mark-23 hinter ihm stand und nicht etwa ein Spielzeug. »Zack, das ist kein Witz. Du darfst so ein Monster nie unterschätzen. Ohne Waffe hast du gegen die Dinger kaum Chancen und selbst mit Waffen sehen die nicht gerade gut aus.«
Einen missmutigen Blick zu dem Roboter werfend, brummte Zack etwas Unverständliches, so dass Martin eindringlich weiter erklärte: »Seht mal Jungs, die Dinger reagieren mindestens zehn Mal schneller als jeder normale Mensch. Die optischen Systeme und die Ortung lassen ihn jederzeit alles um sich herum wahrnehmen. Und dieses Monster ist darauf vorbereitet, dass gewisse PSI-Ereignisse eintreten können!«
Als die Jungs ihn verwundert ansahen, erklärte Martin schnell: »He, das ist mit Frank und Eric abgeklärt. Die Dinger lassen sich nicht durch einen Teleporter verwirren. Tauchst du einmal in seinem Sensorbereich auf, dann speichert er dich als Teleporter und meldet das gleichzeitig an seine Kollegen weiter. Die Dinger agieren wie ein intelligenter Schwarm. Sie lernen voneinander und von den Fehlern, die ihre Kollegen machen. Schaltest du einen mit einem Trick aus, dann lernen die anderen dadurch und versuchen sich darauf einzustellen.«
»Aber was soll das?«, rief Kim bestürzt. »Warum baut NeckTech solche Roboter gegen uns?«
»Die sind nicht gegen euch gerichtet!«, beruhigte ihn Martin. »Diese Spezialmodelle werden nur hier auf dem Campus, in Camelot, und in ein paar wenigen NeckTech Stützpunkten eingesetzt. Es besteht nach unserer Einschätzung die Gefahr, dass die Darwinianer oder die Freien Mutanten hier angreifen könnten.«
»Ihr glaubt, die Freien Mutanten könnten uns hier überfallen?«, zweifelte Zack. Dass die Darwinianer dies tun könnten, daran zweifelte keiner der Jungs.
»Es ist inzwischen unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen«, gestand Martin ein. »Sicherlich wissen die Freien Mutanten und ihr Großer Rat nicht genau, was hier gemacht wird, aber dass hier auf dem Campus Mutanten trainieren oder zumindest ihre Kräfte einsetzen, das ist denen sicher nicht entgangen. Frank ist sich sicher, dass man genau registriert, dass ihr Jungs immer stärker werdet. Auch darin könnten sie eine Provokation sehen.«
»Aber warum sollen wir dann lernen mit Waffen gegen die Roboter zu kämpfen, die doch anscheinend zu unserem Schutz hier sind?«, wandte Kim ein. »Wo ist denn da der Sinn?«
»Weil wir denken, dass die Darwinianer ähnliche Roboter haben! Ich dachte das wäre euch inzwischen klar«, murmelte Martin etwas verwundert. »Solche Roboter könnten euch schon sehr bald begegnen. An Weihnachten setzten sie bei einem Überfall schon einmal einen Mark-13 ein, der wahrscheinlich mit Schallwaffen ausgerüstet war. Leider musste ihn Mike desintegrieren, so dass nichts von ihm übrig blieb.«
Während Martin dann begann die wichtigen Punkte aufzuzählen, die man im Kampf gegen Roboter immer beachten sollte, erreichten sie die große Schießbahn, von der nur eine schräg angeschnittene Röhre aus einem Hügel ragte. Das Ganze sah aus wie die Einfahrt zu einem Tunnel, was im Prinzip auch zu traf. Nur war dieser Tunnel hervorragend ausgeleuchtet und mit allerlei technischen Finessen ausgestattet. So konnten Ziele als Hologramm simuliert werden und tatsächliche Hindernisse schwebend oder fahrend vor dem Schützen auftauchen.
Zehn Meter vor dem Tunneleingang befand sich der Schießbunker, der wie eine hässliche Betonhalbkugel aus dem Boden ragte. Eine Blende, die ihn normalerweise in Richtung Röhre verschloss, war zur Seite gefahren worden und so erinnerte die Kuppel ein wenig an ein Observatorium.
Als sie sich dem Bunker schon bis auf wenige Meter genähert hatten, rief Zack freudig: »He, schau mal Kim! Marshmallow ist auch hier.«
Martins Blick schweifte zu Heiko und wieder zurück zu Zack: »Also wirklich! Manchmal bist du echt unmöglich!«, er musste sich aber selbst das Schmunzeln verkneifen. Viele nannten Heiko, den Pseudometabolisten, nur Marshmallow, weil einer der Pseudokörper, die er in seiner Kollektion hatte, fast wie ein solcher aussah. Im Prinzip konnte Heiko jede Art von Körper bilden, einmal war er sogar als riesige Spinne über den Campus gewandert. Doch gerade solche Körper, die mehr als vier Glieder aufwiesen, waren für ihn äußerst schwierig.
Die Schwierigkeit für Heiko war dabei nicht, einen solchen Körper aus PSI-Energie zu formen, sondern ihn zu kontrollieren. Die acht Beine der Riesenspinne machten ihm derart zu schaffen, dass er mehrmals stolperte. Auch sonst war der Gang der Spinne derart unelegant, dass die meisten eher vor Lachen umfielen, als sich vor der „besoffenen“ Spinne zu fürchten. Eine Spinne, die sich ständig selbst auf die Füße trat, war eben nicht sonderlich gruselig, selbst wenn sie zwei Meter hoch war.
Langsam ging Heiko auf die drei zu. Wie mit Martin vereinbart trug er den neuen Kampfanzug, der speziell für ihn angefertigt worden war. Als er bis auf drei Meter herangekommen war, vollzog er blitzartig die „Verwandlung“. Innerhalb einer halben Sekunde tauschte sein Normalkörper den Platz mit seinem Pseudokörper. Nur der neue Anzug blieb zurück und wurde jetzt von dem Pseudokörper ausgefüllt und bis an die Grenzen gedehnt.
Aus dem nur 1 Meter 78 großen Heiko war ein 2 Meter 20 großer Herkules geworden. Völlig baff starrten ihn Kim und Zack an, und alleine das war Heiko das viele Training wert.
»Wie jetzt?«, stöhnte Kim. Bisher war der Pseudokörper von Heiko mehr oder weniger nackt gewesen. Meist bevorzugte Heiko eine schuppige Haut, da es wesentlich mehr Aufwand machte, Haare nachzubilden. Nun aber schien der Pseudokörper aus Heiko heraus gewachsen zu sein und sah sehr menschlich aus.
»Das war eine Idee von Sammy«, murmelte Heiko etwas schüchtern. Das Aufstöhnen von Kim und Zack, beim Erwähnen von Sammys Namen ignorierte er völlig. Nicht umsonst galt Sammy als Ideenschreck. Immer wieder versuchte er Mutanten zu seltsamen bis bizarren Versuchen zu überreden. Außerdem waren seine Trainingsideen auch nicht immer beliebt. Zwar mussten alle eingestehen, dass sie dank Sammy große Fortschritte machten, nur war der Weg eben alles andere als angenehm.
»Sammy hat sich daran erinnert, dass Lukas bei seinem ersten Ghost-Auftritt seine Kleidung „vergessen“ hatte. Er ging damals anscheinend in Phase und seine Kleidung blieb zurück«, begann Heiko mit seiner Erklärung. »Wenn ich mit meinem Pseudokörper den Platz tausche, dann verschwinde ich ja auch in Phase, nur eben in eine höhere Stufe der Phase. Daraus schloss Sammy, dass es mir möglich sein müsste, meinen Kampfanzug zurückzulassen, um ihn mit meinem Pseudokörper zu füllen. Wie ihr seht, hatte er wieder einmal Recht. – Und es sieht doch schon beeindruckend aus, – oder?«
Zack nickte eifrig, studierte genau jedes Detail und gab zu bedenken: »Aber was ist jetzt daran so besonderes? Ich meine, der Grünschuppige sah doch wesentlich gefährlicher und noch eindrucksvoller aus. So, als Herkules, könntest du doch locker als großer Normalo durchgehen.«
»Und genau das ist doch der Sinn!«, seufzte Heiko. »Wenn ich mich nicht gerade vor einer Meute Normalos scheinbar „verwandle“, dann geht „der Herkules“ noch als normal durch. Was meinst du, was los wäre, wenn ich heute Abend als „der Grünschuppige“ durch den Sektor spaziere?«
Tatsache war, dass Frank ihn schon seit Tagen aufgrund der ungewöhnlichen Optik des Pseudokörpers nicht mehr auf Patrouille schicken wollte, und seit dem Morlock-Überfall sollte er überhaupt nicht mehr raus. Man hatte es ihm nicht verboten, aber es war ihm von Robin und Frank doch sehr eindringlich nahe gelegt worden. Weil, so die vorsichtige Anmerkung von Robin, ein grünschuppiges Monster zurzeit noch weniger gut ankäme als sonst.
»Also ich finde es klasse«, kommentierte Kim. »Selbst das Gesicht sieht weitgehend normal aus«
Bisher legte Heiko auf solche Details bei seinen Pseudokörpern keinen Wert, es war ihm immer egal gewesen, dass die Gesichtszüge meist nur sehr schwach ausgebildet waren. Ihm kam es auf die Arme und Beine an, denn die waren zum Kämpfen wichtig.
»Und jetzt sollen wir dich als Schießbudenfigur benutzen?«, grinste Zack und fingerte nach seiner Waffe.
»Unterstehe dich!«, zischte Martin. »Heiko hat nun auch ein zusätzliches Waffentraining nötig.«
Unterdessen waren sie im Bunker angekommen und neugierig sah sich Zack darin um. Die Rückwand sah aus wie eine Schließfachreihe an einem Bahnhof, nur waren diese Schließfächer aus dickem Stahl. In ihnen wurden Waffen und Munition aufbewahrt. Aus einem der Schließfächer holte Martin eine überschwere MikroRak hervor. »Das ist eine MikroRak Spezial, auch „MagnumRak“ genannt, Kaliber 15 mal 90 Millimeter, damit kann man sogar wirklich etwas gegen Roboter ausrichten.«
»Und was ist das da?«, wollte Zack wissen und deutete auf eine Waffe, die neben der MagnumRak in einer Halterung stand.
»Das ist Nicos X2-MiniRak«, grinste Kim. »Nico mag Waffen, und die hat es ihm anscheinend besonders angetan.«
»Zu Recht, sie ist zwar mit 98 Zentimetern etwas groß, aber zusammengeklappt passt sie locker in einen Tornister hinein«, lachte Martin hintergründig. »Das Besondere an der X2 ist, dass sie zwei Läufe untereinander hat. Der Längere für das MiniRak Kaliber 7,5 mal 60 Millimeter und der zweite darüber für das Magnum-Kaliber 15 mal 90 Millimeter. Das X2-MiniRak-Magazin fasst sogar 60 Schuss und wird wie üblich von unten zugeführt. Das Magnum Kaliber hingegen wird von oben zugeführt, das Magazin fasst aber nur zwölf Schuss und ist im Tragegriff integriert.«
Bevor Zack seine Finger nach Nicos X2 ausstrecken konnte, schlug Martin die schwere Tür zu und murmelte, während er Heiko die MikroRak Spezial übergab: »Erst kümmern wir uns mal um die Standardwaffen, dann können wir uns später vielleicht noch die X2 ansehen.«
Die MagnumRak war wesentlich größer als die normalen MikroRaks, die schließlich nur Kaliber 5,5x35 Millimeter verschossen. Doch in Heikos Herkules Händen wirkte die annähernd 60 Zentimeter lange Waffe fast wie eine ganz normale MikroRak. Das war auch der eigentliche Grund, weshalb Heiko diese Waffe bekam.
»Mann hat der 'nen Großen«, kicherte Zack, erntete aber nur einen Rippenstoß von Kim. »Ich meine doch den Abzug!«, empörte er sich, während die anderen lachten.
»Okay Jungs, jetzt mal im Ernst!«, verschaffte sich Martin Gehör. »Wie im Unterricht schon erwähnt, tragen die MikroRak die Endung „Rak“, weil es sich um Kleinstraketen handelt. Diese haben in der Regel eine Brenndauer von 2,5 Sekunden, eine Mündungsgeschwindigkeit von 2.000 Meter pro Sekunde und eine selbststabilisierende Flugbahn. Das heißt, es gibt bis zum Brennschluss keine ballistische Flugbahn! – Zack hör gefälligst zu, das ist wichtig!«, zischte Martin so, dass ihn Zack überrascht ansah.
Ohne auf Zacks Grimassen einzugehen, fuhr Martin fort: »Eine Standard-MikroRak hat eine Feuergeschwindigkeit von 1200 Schuss pro Minute. Das bedeutet, dass das Standard Magazin mit 40 Schuss in zwei Sekunden leer ist! Bis zum Brennschluss legen die Projektile eine Strecke von 5.000 Meter zurück. Solange wenigstens, wie ihnen kein vorwitziger Kobold im Weg steht!«, zischte er nun doch etwas angestrengt, da Zack es nicht unterlassen konnte, in die Mündung von Heikos MagnumRak zu spähen, die der locker in der Armbeuge hielt.
Kim zog Zack schweigend weg und schüttelte nur den Kopf. Mit einem missbilligenden Blick nahm Martin den Faden wieder auf: »Die Projektile werden elektrisch gezündet, und es gibt deshalb die Möglichkeit die Feuerfrequenz vorzuwählen. Üblich sind ein bis maximal fünf Schuss oder eben Dauerfeuer, die Standardeinstellung ist aber Einzelschuss. – Auch dies sollte noch aus dem Unterricht bekannt sein.
Es gibt die unterschiedlichsten Projektile für diese Waffen. Von den so genannten Jäger-Raks, die ein einmal markiertes Ziel selbstständig verfolgen, bis zu den Thermodetonations-Raks, die in ihrer Wirkung ähnlich einem Thermodetonator sind.«
Mit einer fließenden Bewegung zog Martin seine Waffe und schoss auf einen der Zielsteine in 200 Metern Entfernung. Innerhalb einer zehntel Sekunde durcheilte das Projektil den Tunnel und schlug in den 1 Meter 80 hohen Betonquader. Ein Glutball von fast 40 Zentimeter Durchmesser bildete sich bei der Einschlagstelle und schmolz einen Krater von annähernd 90 Zentimeter Durchmesser in das blasenwerfende Gestein.
»Sind jetzt wieder alle bei der Sache?«, erkundigte sich Martin freundlich, während er die Waffe im Schulterholster verschwinden ließ und zufrieden auf den Zielmonitor schielte.
Mehr als nur etwas erstaunt sah Zack zu dem Stein, dessen Oberfläche noch immer glühte. So krass hatte er sich die Wirkung nicht vorgestellt. Langsam begann er zu erahnen, warum alle glaubten, ihn von der Gefährlichkeit der Waffen überzeugen zu müssen.
Walleras Grundstück
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 16:30 Uhr
Vor dem offenen Kamin kniend sah Gerald traurig auf das gerade entzündete Feuer. Nur zu gerne hätte er den Komfort von Campus Occursus genießen wollen, doch Bennys telepathischer Überfall war einfach zu viel gewesen. Er mochte den Kleinen wirklich, hatte ihn schon immer gemocht, doch das war wirklich zu heftig gewesen. Warum nur mussten immer ausgerechnet die, die er mochte, ihn derart hintergehen und so verraten?
Müde resignierend schüttelte Gerald bei dem Versuch die unnützen Gedanken zu verdrängen den Kopf. Seufzend sah er auf seine Uhr, es war halb fünf, und für die Nacht benötigte er noch unbedingt Brennholz. Zu seinem Glück war ein umfangreicher Vorrat in dem Schuppen nebenan, er musste sich nur überwinden es zu holen. Träge streckte er seinen muskulösen Körper. Im selben Moment, als Gerald aufstand, hörte er draußen das klagende Heulen eines Wolfes.
Sofort waren die Bilder und die schmerzhaften Erinnerungen an seine Familie wieder da. Sein Bruder hatte „die Grauen“ immer gemocht, so wie er überhaupt alle Tiere mochte. Aber für Leon waren sie auch nie eine Gefahr gewesen, denn er konnte sie immer unter Kontrolle bringen.
Sich sorgsam umsehend verließ Gerald die Hütte. Die Sonne stand schon tief im Westen, aber der Himmel war wolkenlos, so dass es im Sonnenlicht noch richtig angenehm war. Rasch ging er zum Schuppen, belud eine Kiste mit klein gehackten Holzscheiten und brachte diese in die Hütte, um dann noch eine Ladung zu holen. Als er wieder auf dem Rückweg zur Hütte war, verspürte er im Rücken das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden.
Zur selben Zeit, als er sich umdrehte, erklang vom Waldrand wieder das Heulen eines Wolfes. Überrascht runzelte Gerald die Stirn, so nahe kamen sie nur sehr selten. Gerade, als er sich wieder der Hütte zuwandte, sah er aus dem Augenwinkel einen Schatten im Dickicht. Gerald packte die Holzkiste noch fester und brachte sie schleunigst in die Hütte. Doch als er die Tür schließen wollte, erklang zum dritten Mal der einsame Ruf des Wolfes.
Gerald stoppte mitten in der Bewegung und öffnete nach kurzem Zögern die Tür. Langsam ging er vor die Hütte und stand jetzt voll im Licht der untergehenden Sonne. Nur schemenhaft konnte er gegen das Licht die langgestreckte Gestalt des Wolfes erkennen, der am Rande der Lichtung saß und ihn anscheinend beobachtete.
Gemächlich ging Gerald in die Knie und musterte den Wolf. Was würde der wohl tun, fragte sich Gerald und sammelte schon mal vorsorglich etwas Energie.
Fast zehn Minuten lang starrten sie sich so an, dann kam der Wolf zögernd näher. Erst jetzt, als sich das Tier ihm näherte, bemerkte Gerald, dass der Wolf offensichtlich verletzt war. Seine rechte Hinterpfote schien er beim Gehen nicht zu benutzen, er hielt sie während des Laufens in einer Stellung, in der sie den Boden nicht berührte.
Je näher der Wolf kam, desto mehr wünschte sich Gerald, dass Leon hier wäre. Der konnte immer so gut mit „den Grauen“ umgehen. Wobei dieser Wolf schwarz war, wie Gerald nun feststellte. Er wusste zwar, dass es auch schwarze Wölfe gab, jedoch hatte er nicht damit gerechnet, dass auch einige hier in dieser Gegend heimisch waren.
Humpelnd kam der Wolf näher, immer wieder legte das Tier eine Pause ein, um neue Witterung aufzunehmen. Gerald nutzte diese Zeit, um die Schönheit dieses Exemplars zu studieren. Das Tier war jung, offenbar sehr muskulös, und Gerald schätzte sein Gewicht auf 40 Kilogramm. Aber in den Augen, die ihn ständig fixierten, lag Furcht und Schmerz, auch die Rute hatte er ganz dicht an den Köper herangezogen. Unvermittelt musste Gerald an Zack denken, den er jetzt schon ins Herz geschlossen hatte, wie es ihm von Louis prophezeit worden war.
Dich hat man wohl aus deinem Rudel verstoßen, dachte Gerald mitfühlend, als der Wolf schon sehr nahe bei ihm war und immer öfter zögerte, noch näher zu kommen. In bitterer Selbsterkenntnis schoss der Gedanke durch Geralds Kopf, dass er sich von seinem „Rudel“ selbst abgesondert hatte.
Vorsichtig sank Gerald auf alle viere, um den Größenunterschied auszugleichen. Er hatte schon immer das Gefühl, dass Hunde es nicht mochten, wenn man auf sie herab sah, und Wölfe waren in dieser Beziehung sicherlich nicht anders. Allmählich verschwand die Furcht oder das, was Gerald dafür gehalten hatte, aus den Augen des Wolfes, und nur der Schmerz blieb zurück.
Der Wolf kam hinkend immer näher, und Gerald konzentrierte sich darauf, ihm notfalls eine Ladung zu verpassen, falls er sich doch noch zu einem Angriff entschloss. Doch er blieb ganz friedlich und ließ sich im Abstand von zwei Metern zu Gerald nieder. Dann begann er, immer wieder einen Blick in Geralds Richtung werfend, seine verletzte Pfote zu lecken.
Mit einem zwiespältigen Gefühl im Bauch kroch Gerald vorsichtig auf ihn zu. Jetzt wo er so nahe war, wirkte der Wolf noch viel schöner und irgendwie seltsam vertraut. Gerald ließ sich sehr viel Zeit, bis er endlich in der unmittelbaren Reichweite des Wolfes war. Der hatte aufgehört seine Pfote zu lecken und beäugte Gerald nun doch etwas misstrauisch.
Was erhofft er sich von mir, grübelte Gerald. Er kannte sich mit Tieren nicht so gut aus und mit Wölfen schon gar nicht, aber der Wolf musste doch einen Grund haben, warum er zu einem Menschen kam. Hoffte er darauf, dass ich ihn „erlöse“?, zweifelte Gerald. Eine derartige geplante Handlung konnte er sich bei einem Tier einfach nicht vorstellen. Aber Hilfe konnte er doch wohl auch nicht wirklich erwarten. Was denkt so ein Wolf eigentlich überhaupt, fragte sich Gerald unentwegt.
Widerwillig musste er sich eingestehen, dass hier ein Telepath nun wirklich helfen könnte. Für Leon wäre das alles kein Problem gewesen, denn der wusste immer, wie ein Tier reagieren würde. Gerald musste lächeln, als er daran dachte, wie es wäre, wenn Mike, Ralf oder sonst einer der Jungs mitbekommen würde, dass er Telepathie auch mal für nützlich erachtete. Eine gewisse Situationskomik war schon vorhanden, musste Gerald sich eingestehen. Ausgerechnet er, der die gesamte „Telepathen-Bande“ und ihre Schnüffeleien ablehnte, war nun in einer Situation, in der er die Telepathie als nützlich einstufte.
Gerald streckte dem „Kleinen“ vorsichtig die Hand entgegen, damit der seinen Geruch aufnehmen konnte. Gleichzeitig hielt er jedoch eine relativ geringe Energieladung in Bereitschaft, um sich notfalls zu verteidigen.
Der Wolf schnüffelte jedoch völlig friedlich an seiner Hand und begann sie danach sogar abzulecken. So ein Verhalten kannte Gerald von Hunden, dass auch Wölfe so etwas taten, war ihm neu. Aber Tiere waren sowieso immer Leons Fachgebiet gewesen. Gerald interessierte sich viel mehr für Technik, denn die war wenigstens logisch erklärbar und nicht launisch.
Dann ließ der Wolf von Geralds Hand ab und befasste sich wieder mit seiner Pfote. Behutsam rutschte Gerald noch ein Stück näher an ihn heran und realisierte erst jetzt, was für ein großer Kerl der doch war. So muskulös und kompakt wie er da lag, wog er bestimmt mehr als 40, wahrscheinlich sogar über 50 Kilogramm.
Vorsichtig begann Gerald ihm über den Rücken zu streicheln, was der Wolf sich ohne Probleme gefallen ließ. Auch den Kopf zwischen den beweglichen Ohren durfte Gerald kraulen und schon wieder hatte er dabei dieses seltsam vertraute Gefühl.
»Na mein Großer, was hast du denn da mit deiner Pfote gemacht«, versuchte Gerald mit dem Tier zu reden. – Hunde mochten so was schließlich auch.
Der Wolf drehte den Kopf und schaute Gerald nur etwas irritiert an und leckte sich über die feuchte Nase.
»Na komm, lass mich mal deine Pfote sehen«, sprach Gerald weiter und begann mit der Hand langsam über seinen Rücken zu streicheln. Dabei näherte er sich immer mehr der verletzten Pfote, doch als er sie nur leicht berührte, schnappte der Wolf zu, ohne jedoch wirklich zu beißen. Ein leises Knurren stellte offensichtlich die letzte Warnung da.
Gerald hielt völlig still. Wenn der Wolf die Absicht gehabt hätte, dann wäre Gerald seine Hand inzwischen los. Somit war klar, dass das Tier sich zurückhielt. Zwar hatte auch Gerald sich zurückgehalten, doch das konnte der Wolf nicht ahnen. Telepathische Wölfe gab es schließlich nicht – oder doch? Grinsend schüttelte Gerald den Kopf. Frank – Frank war so etwas, wie ein telepathischer Wolf. Ein ziemlich bissiger sogar, auch wenn es meist nur seine Worte waren.
Nach ein paar Sekunden ließ der Wolf von Geralds Hand ab und widmete sich wieder der verletzten Pfote. Für Gerald war nun klar, dass dies wirklich nur eine letzte Warnung war, sehr vorsichtig zu sein. Ob ein Telepath da mehr erfahren hätte, fragte er sich zum wiederholten Mal und ärgerte sich sogleich über den Gedanken. Doch er gestand sich ein, dass für einen Telepathen so eine Situation wahrscheinlich wirklich viel einfacher gewesen wäre.
Aufgrund der eindeutigen Warnung entsprechend vorsichtiger, tastete Gerald schließlich doch noch die Pfote ab. Schnell war ihm klar, dass er kein Arzt sein musste, um zu erkennen, dass sie gebrochen war.
»He Großer, ich fürchte da kann ich nichts machen, wenn überhaupt dann kann nur ein Arzt oder ein Heiler dir helfen. Und beides kann ich dir zurzeit nicht verschaffen.« Gerald streichelte das ungewöhnlich weiche Fell und redete dabei weiter beruhigend auf den Wolf ein.
Welche Chance habe ich, einen Tierarzt hierher zu bekommen, der einem Wolf das Bein in Ordnung bringt, ohne dumme Fragen zu stellen, grübelte Gerald und kannte doch die Antwort. An einen Transport mittels seiner speziellen Methode in eine Tierklinik mochte er erst gar nicht denken. Wie sollte er das dem Wolf oder erst den Menschen klar machen?
Und einen Heiler dazu zu bringen, einem Wolf zu helfen? Das hielt Gerald von vornherein für aussichtslos. Denn erstens war er ein Freelancer, stand also somit sowieso auf der schwarzen Liste der Freien Mutanten, und zweitens halfen die nicht einmal Normalos! Dann würden sie ein Tier als völlig unter ihrer Würde empfinden.
Während er den Wolf streichelte, der hatte tatsächlich seinen Kopf auf Geralds rechten Oberschenkel gelegt und schnüffelte an dessen Intimbereich, überlegte Gerald laut nach einem Namen für seinen Wolf.
Gedankenversunken sah er dem Wolf ins Gesicht, und plötzlich wurde ihm klar, wie er ihn nennen würde. Gerald musste innerlich Grinsen: »Na mein Großer, wie willst du heißen? Wie wäre es mit einem Namen eines Jungen, den ich früher sehr gemocht habe? Ich meine – eigentlich mag ich ihn noch immer, wenn er nicht gerade als Wolf durch die Gegend zieht und andere Leute sondiert!«
Der Wolf sah auf, hatte sich doch Geralds Stimmung deutlich verändert: »Also, was hältst du davon, wenn ich dich Benny nenne?«
Benny, der Wolf hob den Kopf noch höher und sah Gerald in die Augen. Plötzlich begann sein Gesicht zu morphen und nahm immer mehr Bennys Züge an: »Wenn du mir jetzt nicht wieder so eine brutale Ladung Energie verpasst, dann kannst du mich nennen wie immer du willst.«
»Sorry, mein Kleiner, aber Strafe muss sein«, zischte Gerald gefährlich.
@Mike
Zentralkuppel - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 17 Uhr
Ruckelnd, fast schon widerspenstig erhob sich die rund 25 Zentimeter durchmessende Stahlkugel in die Luft. Kalter Schweiß stand Eric auf der Stirn, aber mit der für ihn selbstverständlichen Beharrlichkeit kämpfte er weiter gegen die Schwerkraft. Gestern erst hatten wir ihn mit der Telekinese „aufgestockt“ und heute schon kämpfte er mit einer rund 65-Kilogramm-Kugel.
»»Beharrlichkeit? Manche würden das auch Sturheit nennen, aber da ist er bei seinem „Meister“ in bester Gesellschaft!««, spottete Tom und blockte nebenbei mit dem Panzerhandschuh Glorias ForcePunch.
»»Ich bin kein Meister!««, grummelte ich und zog Tom telekinetisch die Matte unter den Füßen weg, bis er hinfiel. »»Außerdem bin ich nicht stur sondern höchstens zielorientiert.««
Man sollte vielleicht wissen, dass wir, nachdem Louis zusammen mit Benny und Nico aufgebrochen war, uns in die Zentralkuppel zurückgezogen hatten. Thimo, Gloria und Tommy brauchten Elektrokinese und ForceFight Training sowie noch weitere Unterweisung im „Geistern“, denn die drei waren nun auch in den „Geister-Klub“ der Bruderschaft aufgenommen worden.
Kaum war durch die neue Bruderschaft der Unterschied zwischen Iratus Lemurum, den Hoods und unseren Freelancern gefallen, da bauten andere schon wieder an neuen Abgrenzungen. Unsere Normalos wurden nun plötzlich als „Salir-Brüder“ tituliert und jeder der die Larualisation beherrschte gehörte somit zum „Ghost-Club“. Wer sich fragt, wer für so einen Unsinn verantwortlich war, der muss nur das Chaos-Trio bestehend aus Kim, Zack und Nico fragen, wobei Kim anscheinend nur ein Mitläufer war. Ich hatte ihn vielmehr im Verdacht, dass er die schlimmsten Einfälle der beiden anderen abmilderte.
»»Och komm Mike, als du „Salir-Brüder“ zum ersten Mal gehört hast, musstest du auch schmunzeln««, verteidigte – wer mal wieder den „armen Zack“? – Natürlich Lukas, wer denn sonst.
»»Eben, sonst hilft ihm ja keiner!««, spottete nun auch noch Tommy als sein großer Bruder über mich.
Womit habe ich das bloß verdient? Kopfschüttelnd blickte ich hinüber zur „Arena“, einem von Luftpolstern begrenzten runden Areal in dem Julian mit Ralf den ForceFight für Fortgeschrittene übte. Wie nicht anders zu erwarten hielt sich Julian aus unseren Plänkeleien heraus, er brauchte seine ganze Konzentration für den Kampf. Schon mehrmals war er gegen die aufgepumpte Bande unseres „Planschbeckens“ geschleudert worden. Nur weil die „Arena“ eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit einem Kinder-Planschbecken besaß, hatte sie neuerdings auch diesen Spitznamen weg. – Von wem wohl? Nein ich will keine Namen nennen aber mit Z fängt das Unheil meist an, und einen Zorro gab es in der Bruderschaft nicht.
»»Das würde ihm sicher gefallen!««, grinste Gloria und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sie und Tommy favorisierten im Moment den ForceFight, doch da sie auch nur aufgestockte Telekineten waren, mussten sie beides mehr oder weniger nebenher erlernen.
»»Was würde wem gefallen««, brummte Tom während er einen ForceKick von Tommy abwehrte.
»Na, wie Zorro mit einem Degen durch den Campus toben«, lachte Gloria. »und bei jeder Gelegenheit natürlich auch noch den armen Heiko zerlegen.«
Ja, das konnte ich mir gut vorstellen. Seit Eric den verblüfften Heiko mit Takashis Schwert malträtiert – oder soll ich sagen filetiert – hatte, war Zack ganz scharf auf das Teil. Der arme Heiko wusste gar nicht, wie ihm geschah, so schnell lösten sich seine abgetrennten PSI-Materie-Gliedmaßen auf. Habe ich schon erwähnt, dass Eric schon das „Luft herauslassen“ an ihm demonstriert und damit Heikos Missfallen auf sich gezogen hatte? Nach der Schwertattacke jedenfalls ging Heiko demonstrativ jeder Begegnung mit Eric aus dem Weg.
»»Anfangs glaubte er ja noch, dass ich damit nur zustechen würde, aber das hätte bei ihm natürlich keinerlei Wirkung. Erst als er nacheinander die Gliedmaßen verlor, wollte er sich wehren. – Aber da war es zu spät.«« Sichtlich erschöpft stand Eric neben mir und lächelte zurückhaltend.
Heiko war einer unserer kleinen Problemfälle. Da ihm eigentlich nichts passieren konnte, neigte er dazu, alle und alles zu unterschätzen. Zugegeben, wer es nicht wusste, der würde sich an Heiko die Zähne ausbeißen. Auch damals beim Kampf gegen King Roy machte er uns sehr zu schaffen. Obwohl Frank es von mir verlangte, konnte ich mich anfangs nicht dazu durchringen Heikos Pseudokörper zu desintegrieren. Auch Eric würde sicherlich einen fremden Mutanten nicht als erstes mit einem Samuraischwert angreifen.
»»Eben, so was gehört sich auch nicht!««, spottete Thimo.
»»Ach ja, das wäre wieder ein Kampf mit Waffen, und so was verstößt ja gegen die Große Konvention?««, grollte Gloria und sah Thimo angriffslustig an. Bis gestern besaß sie keine offensiven Kräfte und wäre dementsprechend in einem Kampf immer benachteiligt gewesen. Auch eine der vielen Merkwürdigkeiten, auf die wir im Zusammenhang mit dem Großen Rat und den Freien Mutanten gestoßen waren. Wo lag der tiefere Sinn dieser Regelung?
»»Ich vermute, es war auch wieder so eine Art Schutz der Heiler!««, klärte mich Thimo zu meiner Verblüffung auf. »»Heiler haben im Allgemeinen keine Offensivkräfte, wenn dann noch der Kampf mit Waffen untersagt ist, dann gibt es keinen Grund, sie anzugreifen. Ihre Neutralität ist damit gesichert. Das war auch eines der Probleme, auf die Paul stieß.««
»»Warum kämpfte der mit Waffen?««, scherzte Lukas. »»Vorsicht, ich bin mit einer Mullbinde bewaffnet!««
»»Nein, natürlich nicht! Heiler brauchen doch keine Mullbinden««, lachte Thimo. »»Aber ist euch nichts aufgefallen, als er gestern in Stefans Büro kam?««
»»Hm, keine Ahnung, ich bin nie zuvor einem Heiler begegnet««, brummte Tom.
»»Heiler tragen im Gegensatz zu fast allen anderen Mutanten weiß««, seufzte Thimo. »»Das soll wohl auch ihre Sonderrolle unterstreichen.««
»»Aber dein Paul, der trug doch weiß und schwarz?««, erinnerte ich mich. Das war mir zwar aufgefallen, aber ich dachte, das wäre die normale „Uniform“ der Heiler.
»»Eben, Paul ist kein „reinrassiger“ Heiler. Bei den Heilern gilt so was fast schon als Makel. Empathie und Telepathie sind völlig okay, aber alles andere wird schon sehr kritisch gesehen.««
»»Und Paul?««, wollte ich nun wissen.
»»Nun, er ist Telepath und Heiler, aber auch ein Teleporter, was allerdings auch noch nicht als Makel gilt. Aber seine Elektrokinese machte ihn zum absoluten Außenseiter.««
»»Paul ist Elektrokinet?««, staunte Gloria. »»Hätte ich ihm nicht zugetraut, er macht so einen unheimlich sanftmütigen Eindruck.««
Ups, hätte ich ihn sondiert, dann wäre mir das sicherlich anhand seiner Signatur aufgefallen. Ich muss aber zugeben, ich war von seiner ganzen Art unheimlich beeindruckt. Auch er besaß so eine Aura, und fast musste ich kichern, als ich zu Ralf sah. Wenn er übel drauf war, dann verbreitete Ralf regelrecht „Düsternis“. Bei Paul gestern war es fast das genaue Gegenteil, eine unbestimmte Freude schien von ihm auszugehen. Das brachte mich dann zur nächsten Frage: »»Bist du sicher, dass er kein Empath ist?««
Wenn ich Ralfs spöttisches Grinsen richtig interpretierte, dann musste er meinen Gedankengang erraten haben, obwohl ich mich diesmal gut abgeschirmt hatte.
Fast als würde er für Ralf sprechen antwortete Thimo: »Nicht jeder, der so eine „Aura“ verbreitet, ist ein Empath oder Hypno. Von den meisten Heilern geht dieses „sanfte Wesen“ aus.«
Bevor die Situation für mich noch peinlicher wurde, weil ich mal wieder bei Ralf ins Fettnäpfchen getreten war, meldete sich Louis bei mir: »»Ruf bitte Kim und Zack, es gibt Probleme bei Gerald in der Hütte.««
Walleras Grundstück
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 17:10 Uhr
Fast schon flehend sah Benny zu Gerald auf, dann zuckten kleine blaue Funken von Geralds Hand in Richtung von Bennys Kehrseite.
»Soll ich jetzt jaulen?«, murmelte Benny erleichtert, als er nur ein Prickeln spürte.
Gerald schüttelte grinsend den Kopf, er brachte es nicht fertig Benny absichtlich weh zu tun: »Du hast nie erwähnt, dass du ein Biometabolist bist.«
»Ich glaube, dazu war in der kurzen Zeit auch keine Gelegenheit«, traurig sah Benny hoch zu Gerald. »Du, Gerald? Es tut mir wirklich leid, ich wollte dich bestimmt nicht verletzen.«
Geralds Hand fuhr kraulend durch das weiche Fell: »Mir tut es doch auch leid. – Aber ich kann das einfach nicht ertragen. Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
Schaudernd sah Benny zu der Hütte und besorgt folgte Gerald seinem Blick: »Da drin habe ich meine Eltern umgebracht.«
Die kraulende Hand hielt augenblicklich inne: »Was?« Mehr brachte Gerald nicht heraus.
Zögernd erzählte Benny von seinem Leben und dem schrecklichen Ende, das seine Eltern in der Hütte gefunden hatten. Fassungslos hörte Gerald zu und konnte es kaum begreifen, wie Benny so weitgehend emotionslos über das Geschehene reden konnte. Erst, als Benny auf die Rolle von Leon zu sprechen kam, begann Gerald zu verstehen.
»Mike und die Jungs glauben, dass Leon mich zu Takashi brachte, damit der mir hilft, über das Ganze hinweg zu kommen.«
Mittlerweile war die Sonne untergegangen und die Umgebungstemperatur entsprechend gefallen. Während Bennys Erzählung war es Gerald nicht bewusst geworden, doch nun fror er richtig. Fröstelnd hörte er auf Bennys Fell zu streicheln und sah ihn an: »Meinst du, du kannst es ertragen in die Hütte zu gehen? Mir ist nämlich verdammt kalt.«
Benny überlegte kurz, dann sprang er auf und umkreiste Gerald, noch immer in Wolfsgestalt mit wedelndem Schweif: »Ich denke nicht, dass ich damit ein Problem habe«, kam es undeutlich aus seinem Mund. Sein Gesicht war nun eine Mischung aus seinem Normalen und dem eines Wolfes. Und diese Wolfsschnauze eignete sich einfach nicht so recht zum Sprechen.
»Na dann komm, du Pelzträger, drinnen habe ich ein schönes warmes Feuer.«
Auf der Schwelle zur Hütte blieb Benny stehen und sah vorsichtig zu Gerald: »Du Gerald? – Bitte sei nicht böse, aber da drüben warten noch Nico und Louis, und denen ist sicher auch schon kalt.«
Gerald drehte sich um und sah etwas missmutig in die angegebene Richtung. Normalerweise mochte er keine ungebetenen Besucher, aber Nico? Und Louis mochte er eigentlich auch: »Okay, sie können kommen, aber viel Komfort habe ich nicht zu bieten. Und sie sollen sich unterstehen hier irgendeine Art von telepathischem Klamauk zu veranstalten!«
Benny lachte und verständigte, „natürlich“ telepathisch, Nico und Louis. Sogleich begann Gerald wieder zu grummeln, warum nur ließ er sich immer wieder darauf ein? Aber bevor er noch etwas sagen konnte, standen die beiden auch schon vor ihm, Louis mit Bennys ganzer Ausrüstung auf dem Arm – und Nico mit einem zaghaften Lächeln.
»Also kommt rein, aber keine dummen Sprüche bezüglich der Ordnung! Und keine telepathischen Unterhaltungen!«
Trotz Geralds Warnung konnte sich Nico nach Betreten der Hütte eine Bemerkung nicht verkneifen: »Oh, sehr gemütlich, Zack würde sich hier sicher wohlfühlen.«
Geralds finsterer Blick ließ das Lachen der beiden sogleich verstummen. Ein leises Wimmern erweckte ihre Aufmerksamkeit und hielt sie davon ab noch weitere Bemerkungen von sich zu geben. Geralds suchender Blick fand sogleich Benny, der sich wimmernd in eine Ecke verkrochen hatte. Louis und Gerald stürzten zu ihm, doch da war Benny schon nicht mehr ansprechbar. Fragend, fast flehend sah Louis zu Gerald, und der stimmte zu: »Natürlich, das ist doch was völlig anderes.«
Sofort konzentrierte sich Louis auf Benny und sondierte ihn vorsichtig. Benny war von seinen Erinnerungen überwältigt worden. Ganz offensichtlich hatte er sich nun doch zu viel zugetraut. Von dem, was in der Hütte geschehen war zu sprechen, fiel Benny nicht schwer, doch nun an diesem Ort zu sein, das verkraftete er nicht.
»Zurück zum Campus?«, Geralds Frage klang mehr wie eine Anordnung.
»Aber er will unbedingt mit dir reden!«, murmelte Louis stockend. Er machte sich unheimliche Sorgen um Benny, wollte aber auch nicht, dass ihre Suche umsonst gewesen war.
»Bring ihn zum Campus, ich komme mit Nico nach. Ich muss hier nur noch ein paar Sachen erledigen, sonst gefriert mir in der Nacht alles ein«, brummte Gerald, wenig erfreut, seine rustikale ruhige Hütte gegen den komfortablen aber turbulenten Campus einzutauschen. Aber er brachte es auch nicht über sich, Benny so leiden sehen.
Wenige Augenblicke später war Louis mit Benny verschwunden und Gerald begann aufzuräumen. Schließlich hängte er gemeinsam mit Nico die schweren Läden vor die Fenster und verrammelte die Tür. Kaum waren sie damit fertig, erschienen Kim und Zack mitten in der Hütte.
»He, das hier ist kein Bahnhof!«, fauchte Gerald etwas erbost, auch weil er sich ziemlich erschrocken hatte.
»Hm, ich dachte, hier geht’s zum Gleis neun dreiviertel«, grinste Kim frech, während Zack ihn verständnislos ansah. Woher sollte er auch die zehn Bücher einer eigentlich siebenbändigen Zauberersaga kennen?
»Was wollt ihr denn hier, ich habe doch gesagt, dass ich mit Nico nachkomme!«, grummelte Gerald wegen des unerwarteten Besuchs.
»Na ja, es ist nur so, es sind mehr als 100 Kilometer, und Nico schafft die noch nicht auf einmal, selbst wenn er alleine springt. Louis hielt es für sicherer euch abzuholen«, erklärte Kim.
»Ach und Zack schafft die Strecke?« Gerald wusste genau, dass Zack keine 100 Meter alleine sprang, also warum war er dann mitgekommen?
»Nein, Louis meinte nur, die Hütte würde mir sicher gefallen«, lachte Zack. »Und er hat recht«, demonstrativ sah er sich dabei im Raum um.
Gerald sah von einem zum anderen, er wusste einfach nicht, ob Zack ihn jetzt verarschen wollte oder ihm dieses Chaos wirklich gefiel.
Nico kicherte: »Jetzt müsste man Telepath sein – nicht war?«
»Treibt es nicht zu bunt, Jungs!«, knurrte Gerald.
»He mir gefällt es wirklich, ab Frühling muss es hier unheimlich schön sein«, beruhigte ihn Zack. Er mochte den Geruch des Holzes, das Knistern im Kamin und überhaupt die ganze Atmosphäre der Hütte.
Weiter vor sich her brummend nahm Gerald den Schürhaken und zog die brennenden Holzscheite auseinander, schon bald würde das Feuer erlöschen. Danach drehte er die Gasleuchte aus, und nur noch das schwache Licht der verlöschenden Glut erhellte den Raum.
»OK, dann gebt alle Mal schön Pfötchen«, grinste Kim, und schon standen sie in Nicos Apartment im Campus Occursus.
@Mike
Zentralkuppel - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 18 Uhr
Nach dem ersten Schreck waren wir doch recht froh, dass es nichts Ernsteres war. Benny musste sich sowohl psionisch, als auch mental zu viel zugemutet haben. So intensiv hatte er noch nie „den Wolf gemacht“, und die Erinnerungsflut in der Hütte war letztlich ein mentaler Schock für ihn gewesen.
Dafür schien er aber mit seiner Entschuldigung bei Gerald Erfolg gehabt zu haben. Nach dem was uns Louis mitteilte, wollte Gerald nun doch noch einmal zu uns kommen. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn er sich nicht mehr hätte umstimmen lassen. Ralf hielt sehr viel von ihm, und da war er nicht der Einzige.
Zack jedenfalls nutzte sehr gerne die Gelegenheit, sich vom Schießtraining vorzeitig zu verabschieden, um Kim zu begleiten. Bei den eigentlichen Schießübungen hatte er anscheinend erstaunlich gut abgeschnitten. Martins Demonstrationen mussten auch einigen Eindruck auf ihn gemacht haben, denn nun schien er etwas mehr Respekt vor den MikroRaks zu haben. Wahrscheinlich würde er seine Waffe nun auch nicht mehr auf dem Boden lagern wollen, und damit hätte das Sondertraining seinen Zweck erfüllt.
Da Eric von den Telekinese-Übungen reichlich ausgelaugt war und ich auch noch etwas von Julian haben wollte, bevor er von Ralf völlig lädiert wurde, machten wir einen Partnertausch. Eric und Ralf trainierten ein wenig Elektrokinese, und Julian wollte mit mir ein wenig Conturbation üben, die wir bisher sträflich vernachlässigt hatten. Erst seit meinem denkwürdigen Zusammentreffen mit Ralf im Dampfbad von Camelot war uns klar geworden, wie sehr diese Fähigkeit bisher von uns unterschätzt worden war.
»»Ralf musste mindestens so viel wegstecken wie ich, aber er ist wirklich gut««, grinste Julian und lehnte sich an mich. Wieder war da dieses unbeschreibliche Gefühl, das immer aufkam, wenn wir uns so nahe waren. Am liebsten würde ich ihn einfach nur halten und nie wieder loslassen. Wobei das gelogen war, am liebsten hätte ich mich mit ihm an einen ruhigeren Ort zurückgezogen und ihn dann mehr als nur gehalten.
»»Komm, mein Philosoph, wir müssen noch ein wenig arbeiten««, murmelte Julian und wuschelte mir durchs Haar.
»»Freund der Weisheit? Hm, etwas Weisheit könnten wir alle gebrauchen – Oder?«« Julian lachte und zog mich noch näher zu sich: »»Ich sag ja, du bist mein Philosoph! Auch wenn du mir manchmal etwas zu sehr philosophierst.««
»»Ich hab jetzt aber keine Lust die Conturbation zu üben««, maulte ich. Ich wollte lieber mit Julian schmusen, doch mein Elbenkrieger war unerbittlich.
»»Das gibt’s später und jetzt wird geübt!««, blieb Julian hartnäckig. »»He, wir müssen doch Vorbilder sein.««
»»Und was sonst noch alles?««, grummelte ich zurück. »»He, ich bin nicht Atlas und ich habe auch nicht vor, die Last der Welt zu tragen.««
»»Musst du auch nicht!««, besänftigte Julian. »»Aber ein wenig müssen wir schon auf unseren Ruf achten. Sonst argumentiert Zack demnächst, dass auch wir uns vor dem Üben drücken.««
Was sollte ich da noch einwenden? So ergab ich mich meinem Schicksal, also Julian, und wir übten tatsächlich noch fast eine Stunde „Tarnen und Täuschen“, wie Nico die Conturbation gerne nannte. Abwechselnd bauten wir also unsere Störfelder auf, und der andere musste versuchen durchzukommen. Letztlich schaffte es Julian sogar zu verhindern, dass ich in Phase ging. Marty lässt grüßen, dachte ich da nur noch.
Damit war aber auch Julian zufrieden, und wir entschieden uns noch bei Benny und den Jungs vorbeizuschauen. Da wir informiert waren, dass Gerald wieder hier war, verzichteten wir auf eine telepathische Vorankündigung und machten uns auf den Weg. Doch bis auf Benny war niemand mehr in Louis und Bennys gemeinsamem Apartment anzutreffen.
Louis’ Apartment - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 18 Uhr
Als Gerald sich umsah, bemerkte er, dass sie nicht alleine waren. Benny lag, noch immer etwas blass, aber wieder in seiner menschlichen Gestalt, auf dem Bett und Louis hielt seine Hand.
»Wie geht es ihm?« Die Besorgnis war Geralds Stimme deutlich anzuhören.
»War schon mal schlimmer, aber so richtig toll ist es nicht«, murmelte Benny etwas schwach. Die Verwandlung hatte ihm doch mehr zugesetzt, als er sich eingestehen wollte. Aber vor allem waren die Erinnerungen, die beim Betreten der Hütte wie ein Eimer kaltes Wasser über ihn hereingebrochen waren, letztlich doch eine zu starke mentale Belastung gewesen.
Gerald setzte sich nun auch auf das Bett und sah mitfühlend zu Benny. Von Takashi war damals nur zu erfahren, dass Benny in seiner Kindheit Schlimmes durchmachen musste, aber wie schlimm es wirklich gewesen war, hätte er sich nie träumen lassen.
Bennys schwache Stimme riss Gerald aus seinen Gedanken: »Verzeihst du mir jetzt, dass ich dich so sondiert habe?«
»Klar, Benny, das habe ich doch längst.«
Nachdenklich sah Benny zu Gerald, er war sich nicht sicher, ob er die Frage stellen durfte, aber er fand sie einfach zu wichtig: »Gerald?«, der sah auf ihn herunter und ahnte was kommen würde, »Bitte sei nicht böse, aber warum? – Warum reagierst du so empfindlich auf uns Telepathen?«
Plötzlich herrschte eisige Ruhe, selbst Zack verging das Grinsen. Bedrückt sah Gerald zu Benny. Grübelnd dachte er daran, dass Benny ihm schließlich auch alles erzählt hatte, warum sollte er also weiter alles in sich hinein fressen?
Innerlich gab er sich einen Ruck: »Ich habe euch doch schon erzählt, dass ich in einer Pflegefamilie aufwuchs. Ich erwähnte dabei auch, dass mein „Bruder“ Leon ebenfalls ein Mutant ist. Er ist Telepath und Hypno, doch seine Fähigkeiten kamen viel früher heraus als meine.«
»Das ist normal! Telepathie oder Empathie gehören zu den Fähigkeiten, die am wenigsten Energie benötigen. Sammy könnte dir da einen ausführlichen Vortrag halten, aber das ist jetzt wohl nicht so wichtig. Jedenfalls liegt es nicht an dir, wenn sich deine Elektrokinese erst etwas, und deine andere Fähigkeit viel später manifestiert hat«, erklärte Nico hastig und setzte sich dicht neben Gerald.
Der lächelte dankbar für die Aufmunterung und schlang seinen Arm um ihn, er mochte die körperliche Nähe zu Nico. Dann fuhr er fort: »Jedenfalls war ich anfangs ziemlich genervt, wenn Leon mir ständig sagte was ich dachte. Ich meine, ich mochte ihn wirklich, und er war ein unheimlich lieber Mensch, aber ich fand es beängstigend, dass er ständig wusste, was ich dachte.«
Nico nickte: »Ja, aber für viele Telepathen ist es gerade am Anfang unheimlich schwer! In den ersten Tagen weißt du einfach nicht, wie du diese fremden Gedanken von dir fern halten sollst. Du siehst jemanden an und quasi sofort spürst du was er denkt. Diese fremden Gedanken stürzen regelrecht auf dich ein, bis du es lernst dich dagegen abzuschirmen. Dann kommt die zweite Herausforderung! Ständig ist die Versuchung da, zu erfahren, was deine Umgebung über dich denkt. Doch das kann schon sehr ernüchternd oder sogar beunruhigend sein. Plötzlich weißt du, dass Leute, die immer nett zu dir sind, dich eigentlich überhaupt nicht leiden können. Neid, Hass, Liebe – alles steht dir plötzlich offen, du veränderst dein Verhalten, weil du nun weißt, wie du auf deine Umgebung wirkst.«
Gerald hörte Nico sichtlich interessiert zu, von dieser Position hatte er es noch nie betrachtet. Er war sich immer „nackt“ und sogar etwas hilflos vorgekommen, wenn er mit Leon zusammen war.
Zack und Kim, die sich auf die Couch gegenüber gefläzt hatten, nickten bestätigend. Zack war geborener Telepath, während Kim durch Mike und Julian zum Telepathen gemacht wurde. Dennoch mussten beide ähnliche Erfahrungen machen, wobei Kim im Vorteil war, denn er bekam sogleich von erfahrenen Telepathen Unterricht. Bei ihm war es Nico gewesen, der sich von Anfang an sehr viel Zeit für ihn nahm.
»Wie ging es weiter? Das ist doch bestimmt nicht der Grund, weswegen du so eine Abneigung gegen Telepathen hast«, flüsterte Benny, der sich noch immer sehr geschwächt fühlte.
Gerald nickte: »Das mit Leon und seiner Telepathie ging einige Zeit so weiter, aber er hielt sich bei mir sehr zurück. Denn inzwischen spürte ich, wenn er mich sondierte und ich verpasste ihm dann jedes Mal eine Ladung. – Langsam entwickelte sich nämlich auch meine Elektrokinese.«, fügte er grinsend hinzu.
»Wie schon mal erwähnt, versuchten wir an alle Informationen über Mutanten heranzukommen, die wir bekommen konnten. Wir erfuhren, dass es mal die Bruderschaft gegeben hatte, und von den Freien Mutanten hörten wir auch einiges. Leon bekam irgendwann Kontakt zu einem von denen und war sofort unheimlich begeistert. Er stand voll hinter der Idee, dass niemand erfahren sollte, dass es uns Mutanten wirklich gab.
Dagegen hatte ich im Prinzip auch nichts, nur – wer bei Takashi trainiert, der lernt eben auch, dass die Stärkeren die Schwächeren beschützen sollen. Darum war ich der Meinung, ich müsse meine Fähigkeiten notfalls auch einsetzen, wenn jemand Hilfe benötigt. Ich meine, dass es Mutanten gab, das war doch kein wirkliches Geheimnis, uns war es schließlich auch gelungen, an Informationen zu kommen.
Zu der Zeit fingen dann die Streitereien mit Leon an, er war immer mehr auf dem Kurs der Freien Mutanten, während ich mit den Ideen und Idealen der Bruderschaft sympathisierte und mich deshalb zu einem Freelancer entwickelte. Ich wollte in keine der anderen Gruppen, die auch nur versuchten, das Beste für sich selbst herauszuschlagen. Ich sehe in unseren Fähigkeiten etwas Besonderes und denke, wir sollten sie zum Nutzen aller einsetzen, so wie es die Bruderschaft damals vormachte.
Eines Tages, als ich vom Training nach Hause fahren wollte, lernte ich Uli kennen. Eine Bande aus dem Sektor war hinter ihm her und wollte ihn ausnehmen. Ich ging dazwischen und – nun ja die Bande zog sich bald zurück.« So versonnen wie Gerald grinste, konnten sie sich vorstellen, dass sich der Spaß auf Seiten der Bande sehr in Grenzen hielt.
»Uli war unheimlich schüchtern und auch etwas verängstigt. Er wusste, was Mutanten sind – also er hatte schon davon gehört. Jedenfalls nahm ich ihn mit nach Hause und kümmerte mich um die Schrammen, die er abbekommen hatte. Leon bekam natürlich mit was da gelaufen war und machte mir Vorwürfe, und wir stritten uns ziemlich heftig.
Meine Pflegeeltern waren wieder einmal nicht da und so lud ich Uli ein, ein paar Tage zu bleiben. Ja, ich hatte mich in ihn verknallt, und ihm ging es anscheinend genauso. Als meine Pflegeeltern zurückkamen, waren sie jedoch nicht sonderlich begeistert. Dass ich schwul bin, wussten sie schon länger und es war nie ein Problem für sie, aber dass ich jetzt auch noch Uli bei uns einquartieren wollte, das gefiel ihnen überhaupt nicht.
Leon begann dann die ganze Zeit herum zu stänkern. Er behauptete, Uli sei Hetero und wolle mich nur ausnutzen. Er würde es verabscheuen, wenn ich ihn berühre und so weiter. Dabei stimmt das überhaupt nicht! Uli kam immer wieder zu mir, er suchte meine Nähe. Er war gerade erst sechzehn geworden und ich war siebzehneinhalb, da war doch klar, dass er nicht mehr wollte als ein wenig kuscheln.«
Alarmiert sahen Kim, Zack und Nico zu Gerald. Sie waren sich sicher, dass sie mehr von Gerald gewollt hätten, als nur ein wenig kuscheln. Nicht unbedingt gleich das volle Programm, aber schon mehr als kuscheln. Außerdem hielten sie es für unwahrscheinlich, dass Leon so etwas zu seinem Bruder sagen würde, nur um den zu ärgern. Schließlich kannten sie Leon, wenn auch nur sehr oberflächlich, da er so schnell wieder abgereist war.
Gerald fuhr unbeirrt fort: »Jedenfalls musste Uli nach ein paar Tagen wieder gehen und ich bat Leon, dass er etwas unternehmen sollte. Ich meine die Jungs, die hinter Uli her waren, das war eine kleine miese Bande und da würde es genügen, denen klar zu machen, dass sie Uli in Ruhe ließen. Für Leon als Hypno wäre das kein Problem gewesen, doch er weigerte sich. Wir stritten uns wie noch nie, aber er weigerte sich strikt, es wäre gegen die Große Konvention und der übliche Quatsch.
Zwei Tage später hatten sie Uli erwischt und erschlagen. Sie haben so lange auf ihn eingeprügelt bis, bis …«
Nico zog Gerald noch fester an sich und versuchte ihn zu trösten. Nach und nach brachte Gerald dann den Rest der Geschichte heraus. Als er Uli fand, war der schon lange tot. Völlig am Boden kam Gerald nach Hause, da machte Leon den Fehler ihn zu sondieren. Gerald drehte fast durch, machte allen Vorwürfe, dass sie Schuld seien und verließ die Familie. Bis heute hatte er mit keinem von ihnen je wieder ein Wort gewechselt.
Ihnen wurde klar, dass Gerald die Schuld auf die Telepathen projizierte, die immer alles besser wussten und natürlich auf Leon im Besonderen, da der ihn im Stich gelassen hatte. Aber ganz besonders wütend war er auf die Freien Mutanten, die mit ihren Regeln verhinderten, dass Leute wie er den Schwächeren halfen.
»Aber du weißt, dass Leon inzwischen auch ein Freelancer ist?« Louis Frage hallte einige Zeit im Raum nach, bevor Gerald antwortete.
»Ich habe davon gehört. Sein „Mentor“ entwickelte immer bizarrere Ansichten, wie mit Abweichlern zu verfahren sei. Ich meine sowohl Abweichler unter den Freien Mutanten als auch unter den Freelancern oder den anderen Mutantengruppen. Vor ungefähr einem halben Jahr hat er sich wohl endgültig losgesagt. Da ging anscheinend eine Aktion der Freien Mutanten gegen Janus wirklich übel daneben, und viele Unbeteiligte mussten darunter leiden. Das hat ihm, so meinte wenigstens David, den Rest gegeben.«
Zack, der nur zu genau wusste, wie sehr diese Aktion „daneben“ ging, freute sich, dass es also auch Freie Mutanten gab, die solche „Aktionen“ nicht akzeptieren konnten. Oder zumindest die Art wie man mit dem Ergebnis umging.
Nach einigen Minuten stand Zack auf und ging zu Gerald: »Du Gerald? Vertraust du mir?«
Gerald lag schon eine flapsige Antwort auf der Zunge, doch rechtzeitig bemerkte er, wie angespannt und ernst Zack war: »Das kann ich so einfach überhaupt nicht beantworten. Es gibt Dinge, bei denen ich dir bedenkenlos vertrauen würde, aber auch andere, bei denen ich sehr große Zweifel hätte. Ein Versprechen von dir, mich nicht mehr zu sondieren, würde ich dir zum Beispiel nie abnehmen. Dazu bist du einfach zu leichtfertig und spontan.«
Entgegen Kims Erwartung blieb Zack vollkommen ernst und nickte nur: »Würdest du bei einem kleinen Experiment mitmachen?«
Ein ungutes Gefühl beschlich Gerald, besonders da Kim nun auch die Stirn in Falten legte: »Was für ein Experiment?«
»Du sollst nur versuchen, ob du einen bestimmten Raum in Camelot betreten kannst«, grinste Zack mit einem aufmunternden Augenzwinkern.
»Zack! Du meinst doch hoffentlich nicht „unseren“ Raum?«, rief Kim schockiert.
@Mike
Louis Apartment - Campus Occursus
Donnerstag, 03.01.2036 kurz nach 18 Uhr
Fast so, als hätten seine Freunde etwas Verbotenes vor, berichtete Benny uns, was von Zack nun schon wieder ausgeheckt worden war. Anfangs war ich schon mehr als nur ein wenig erstaunt, doch je mehr Benny erzählte, desto genialer fanden wir Zacks Idee.
»»Warum einfach, wenn es auch umständlich geht?««, grinste Julian und sah mich spöttisch an.
Zacks Überlegung ging davon aus, dass Gerald von seiner Einstellung her eigentlich schon ein Mitglied der Bruderschaft sein müsste. Da es Kim und ihm schon mal gelungen war, in das Conventiculum vorzudringen, obwohl niemand von der Bruderschaft dabei war, ging er wohl davon aus, dass „die Alten“ selbst bestimmten, wer da hinein durfte und wer nicht. Falls Gerald also hinein durfte, dann würde er sicher auch zu einem Mitglied der Bruderschaft werden, mit Anhänger und allem anderen, und das war Zacks eigentlicher Plan.
»»Wie Lukas schon die ganze Zeit über sagt, Zack ist ein verdammt pfiffiges Kerlchen.««
»»Dass sollte Tom lieber nicht hören. Wenn du jetzt auch noch damit anfängst, glaubt er an eine Verschwörung!««, murmelte Julian mit einem breiten Grinsen.
»»Die große Zack-Verschwörung! Ich wusste es doch schon die ganze Zeit!««, meldete sich Tom gespielt empört zu Wort. »»Der Kleine wickelt alle um den Finger, das wird noch übel enden! Am Schluss wird er noch zum Großmeister oder so was Ähnliches««, spottete Tom fröhlich weiter.
Da hatte ich meinen telepathischen Filter wiedereinmal nicht sorgfältig genug eingestellt, eigentlich war nur Julian angesprochen. Auch deshalb sendete ich etwas empört: »»Es gibt keine Meister in der Bruderschaft, also auch keine Großmeister!«« Ich mochte einfach diese Vorstellung nicht, dass jemand sich so über die anderen erhob.
»»Noch nicht!««, unkte Tom und zog sich zurück, bevor ich widersprechen konnte. Sein spöttisches Lachen konnte ich mir gut vorstellen.
Nachdem wir alle Informationen von Benny erhalten hatten, mussten wir nun Fred und George bemühen, um vom Campus „hinüber“ nach Camelot zu kommen. Also raus aus dem Wohnblock in den Innenhof zu George – und gleich darauf standen wir im Innenhof von Camelot. Teleporter haben es da doch wesentlich bequemer, brummte ich, doch von Julian kam wieder nur ein entschiedenes „Nein!“
Schon einige Zeit dachte ich immer mal wieder darüber nach, wie nützlich die Teleportation für uns sein könnte, doch noch sträubte sich Julian dagegen. Wie üblich mit derselben Begründung: »»Die Teleportation ist eine Fähigkeit aus dem Bereich der Psychoportation, und da wir noch keine Fähigkeit aus diesem Bereich in unserer „Sammlung“ haben, wird es uns einige Zeit schwächen. Wir benötigen dann wieder eine gewisse Zeit, bis sich unsere Kapazität entsprechend erhöht und wir wieder die gleichen Reserven wie jetzt haben««, kam es auch prompt von Julian. »»So ist es nun mal, und das können wir uns zurzeit kaum leisten. Außerdem siehst du doch an Zack, dass mehr als nur die reine Fähigkeit benötigt wird. Nach tagelangem Training schafft er gerade mal 100 Meter.««
»»Das liegt aber auch daran, dass er sich nicht traut!««
Julian verdrehte die Augen, während wir die Treppe zum Nord-Turm erklommen: »»Wenn du unbedingt willst, dann mach es, aber ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist.««
»»Ja, aber nicht aus den eben genannten Gründen. Du glaubst in Wirklichkeit, dass wir Rücksicht auf die anderen nehmen müssten und uns nicht zu Supermutanten hochpuschen sollten.««
Natürlich war mir klar, dass es langsam wirklich viel wurde, was wir beherrschten, oder eigentlich beherrschen könnten. Denn, wie schon oft gesagt, unser Hauptproblem war das Training! Uns fehlte einfach die Übung, um letztlich alle Feinheiten unserer Fähigkeiten zu beherrschen und das würde mit jeder Weiteren schlimmer. Dennoch fände ich es gut, wenn wir selbst auch teleportieren könnten.
»»Du bist ja fast schlimmer als Lukas!««, lästerte Tom aus dem telepathischen Hinterhalt.
»»Wieso will der jetzt auch Teleporter werden?««, tat ich unwissend.
»»Das natürlich sowieso – schließlich ist Zack ja auch Teleporter. Aber ich meinte eigentlich seine „Tommy sollte Telekinet werden“ - Monologe««, stichelte Tom weiter.
Grinsend sah ich zu Julian, also wollte auch Lukas gerne ab und zu teleportieren. Doch Julian verdrehte nur nochmal die Augen: »»Mach doch was du willst! Du entwickelst dich echt zum Jäger und Sammler.««
»»Und du gezwungenermaßen mit««, murmelte ich wieder ein wenig nachdenklicher. »»Ich werde mich vorerst zurückhalten. – Versprochen!««
Julian war stehen geblieben und zog mich sanft zu sich heran: »»He, ich will dir doch nichts vorschreiben, aber ich habe einfach ein ungutes Gefühl bei dem Gedanken.«« Traurig sah er mir in die Augen, und mir war klar, dass dies der eigentliche Grund war. Meistens konnten wir uns auf unsere Vorahnungen verlassen, auch wenn mir das jetzt nicht so gefiel.
Vorraum zum Conventiculum – Camelot
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 19 Uhr
»Zack, ich halte das noch immer für eine blöde Idee«, brummte Gerald wenig begeistert und sah zu der schwarzen Tür.
»Wieso? Es kann nichts passieren! Entweder du kannst in den Raum gehen oder eben nicht. Falls du, je näher du der Tür kommst, ein Unbehagen fühlst, das letztlich in regelrechte Panik übergeht, dann kommst du da nicht alleine hinein.«
»Ich fühle mich jetzt schon unwohl! Also lasst uns wieder verschwinden«, grummelte Gerald und seiner Stimme hörte man an, dass er die Wahrheit sagte.
»Ich verstehe noch immer nicht, warum du glaubst, dass Gerald da rein dürfen sollte«, maulte Nico und sah Zack argwöhnisch an. Er wollte auf keinen Fall riskieren, dass noch einmal etwas geschah, was Gerald zur Flucht bewegen konnte.
»Warum wohl durften Kim und ich da rein? Ich glaube, der Obelisk, also die „Alten der Bruderschaft“ wollten es so.«
»Das kann ja bei dir und Kim so gewesen sein, aber warum sollte ich dann hinein dürfen?« Gerald sah Zack gespannt an und fragte sich zum x-ten Mal, wie er sich überhaupt darauf einlassen konnte. Zacks Idee, dass er in das Conventiculum, den verbotenen Raum, gehen sollte, erschien ihm immer verrückter. Natürlich kannte er etliche Geschichten, die sich um diesen „verbotenen Raum“ rankten, und seine Neugierde war entsprechend hoch, doch nun fühlte er sich fehl am Platz.
Schon in Louis Apartment hatten sie diskutiert, doch nun, wo er nur noch drei Meter vor der Tür stand, kamen Gerald immer mehr Bedenken. Was versprach sich Zack davon? Gerald ging im Moment davon aus, dass es Zack ernst war und er wirklich davon überzeugt war, dass er, Gerald, in den verbotenen Raum gehen konnte. Doch warum wollte Zack, dass er da hineinging?
In Louis Apartment war es Zack gelungen alle für die Idee zu begeistern, nur Benny war zurückgeblieben, da er sich noch immer etwas schwach fühlte. Doch jetzt vor der Tür sah es schon wieder anders aus.
»Ich denke einfach, dass du von deiner gesamten Einstellung her schon lange ein „Frater“, also ein Mitglied der Bruderschaft, bist. Nur an deiner Einstellung zur Telepathie müssen wir noch arbeiten«, fügte Zack fast unhörbar leise hinzu.
»Trotzdem hättet ihr Mike oder Julian fragen sollen«, gab Louis zu bedenken. Er mochte Gerald jetzt, da er die Hintergründe kannte, noch viel mehr, dennoch war ihm etwas unwohl bei der Sache. Denn langsam wuchs in ihm die Befürchtung, dass Zack Recht haben könnte. Und er erinnerte sich noch sehr gut, wie sauer Frank gewesen war, als Thimo ungefragt diesem Paul sein Telin überbrachte. Was würde Frank dann erst zu so einer Aktion sagen?
Zack drehte sich zu Louis um: »Und warum? Sind wir nicht auch Mitglieder der Bruderschaft? Haben wir weniger zu sagen? Es ist doch nur ein Test, entweder er darf da rein oder eben nicht.«
Zacks Idee war, dass Gerald alleine zu der Tür gehen sollte, denn in ihrer Begleitung durfte er auf jeden Fall herein, das war wenigstens bisher so gewesen. Jemand, der nicht Mitglied der Bruderschaft war, konnte nur in Begleitung eines Mitglieds den Raum betreten. Kim und Zack war es zufällig gelungen, dafür erhielten sie aber hinterher ihren sechseckigen Galmatol, der sich inzwischen zu einem fünfeckigen Sunar verformt hatte. Daraus schloss er, dass die „Alten der Bruderschaft“ sie hereinließen, weil man sie aufnehmen wollte.
»Eben, da hat Zack völlig Recht! Und im Übrigen denke ich auch, ein Versuch kann nichts schaden!«
Alle fünf drehten sich um, im Ausgang zur Treppe standen Julian und Mike.
@Mike
Vorraum zum Conventiculum – Camelot
Donnerstag, 03.01.2036 gegen 19 Uhr
Wie vom Blitz getroffen standen die Jungs da und sahen uns schuldbewusst an. Okay, vier der fünf sahen uns an, als hätten sie etwas ausgefressen, Zack hingegen grinste natürlich wieder selbstbewusst. Wo war bloß der schüchterne Zack geblieben?
»»Den gibt es schon noch, aber nur wenn er mit Leuten zusammenkommt, die er nicht kennt««, klärte mich Julian auf. »»Hier und auf dem Campus fühlt er sich wirklich wohl und das merkt man eben recht deutlich.««
»»Inzwischen gibt es Leute, und damit meine ich nicht einmal mich selbst, die meinen, der „Kleine“ sei etwas übermütig geworden««, kommentierte Tom. »»He ehrlich, ich mag ihn ja auch, aber er macht schon ziemlich viel Wirbel!««
»»Okay, ich muss gestehen, Zack nutzt seine Narrenfreiheit leidlich aus. Er kann sich Sachen erlauben, die bei fast jedem anderen zu mächtig viel Ärger geführt hätten««, gab Lukas ungewohnt nachdenklich zu. Normalerweise verteidigte er alles was Zack tat ohne Wenn und Aber. »»Aber ich denke das legt sich recht bald. Im Moment ist eben noch alles neu für ihn und dass plötzlich jeder unheimlich nett zu ihm ist, kann er eben noch immer nicht so richtig einordnen.««
Gerade als Julian etwas erwidern wollte, registrierte ich Geralds missfallenden Blick: »»Vorsicht! Gerald stört sich an unserer Unterhaltung««, warnte ich und versuchte dennoch zu lächeln: »Hallo Gerald, freut mich, dass du uns doch noch eine Chance geben willst.«
Etwas zerknirscht sah er uns an: »Es tut mir leid, ich habe da wohl auch etwas überreagiert.«
Dem konnte ich nur zustimmen, behielt es aber lieber für mich, stattdessen erklang Julians beruhigende Stimme: »Wir waren gerade bei Benny und jetzt können wir dein Problem auch wirklich verstehen. Mach dir deswegen keine Sorgen.«
»Und? Was ist jetzt mit der Tür? Darf er oder nicht?«, meldete sich Zack zu Wort und man sah ihm an wie gespannt er war.
»He, wie du gesagt hast Zack, du bist in der Bruderschaft und da sind alle gleich. Und wenn Gerald so in den Raum kommt, dann ist das völlig okay. Nur wenn nicht, dann machen wir es so wie zuvor besprochen. Er sieht sich alles ein paar Tage an und muss sich dann entscheiden wie die anderen vor ihm auch. – OK?«
Zack lachte: »Klar, aber Frank wird da wohl eine andere Meinung haben. – Ich meine mit „alle sind gleich“! – Früher oder später wird es einen Großen Rat oder so etwas Ähnliches geben.«
Natürlich, das war sicher unvermeidbar, je größer die Bruderschaft wurde, desto mehr Interessen mussten unter einen Hut gebracht werden. Vorerst gab es noch die Tafelrunde, auch wenn die inzwischen eigentlich nicht mehr repräsentativ war.
»»Das war sie nie! Wir Iratus Lemurum hatten die absolute Dominanz und du selbst hast immer gesagt, dass das nicht gut gehen kann. Aber jetzt „verarzten“ wir erstmal Gerald««, kommentierte Julian wieder meine Überlegungen.
Aufmunterung nickte ich Gerald zu und machte eine einladende Geste in Richtung der Tür. Langsam und anfangs sehr zögernd ging er auf sie zu und – öffnete sie ohne jedes Problem. Anerkennend nickte ich Zack zu, der hatte also auch wenn es um so etwas ging einen sehr guten Riecher.
»»Ist ja auch fast eine Katze!««
»»Kater, wenn, dann ein Kater!««, wurde Julian von Lukas korrigiert.
Nachdenklich sah ich die Jungs an: »Na los folgt ihm, mir ist da gerade eine interessante Idee gekommen.«
Sogleich warf mir Julian einen kritischen Blick zu und das Wort „Teleportation“ stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, doch ich schüttelte den Kopf. Diesmal lag er ziemlich daneben, obwohl es etwas mit Teleportation zu tun hatte.
Gemächlich folgten wir den Jungs und betraten schließlich als letzte das Conventiculum, dessen ungewöhnliche Atmosphäre mich immer wieder aufs Neue beeindruckte. Gerald war nur einige Meter in das Conventiculum hineingegangen und zeigte einen fast andächtigen Gesichtsausdruck. Inzwischen wussten wir, dass er sich schon längere Zeit mit der Bruderschaft beschäftigt hatte und entsprechend musste er auch einige der Legenden und Gerüchte kennen, die es um diesen Raum gab.
Etwas spöttisch grinste mich Julian an und mir wurde klar, dass Gerald wohl auch zu den Fans dieses Raumes gehören würde. Wie Julian, Lukas und Zack, sie mochten die Atmosphäre dieses Raumes während Tom, Eric und ich uns nicht so recht dafür begeistern konnten. Uns war der Raum einfach zu „mystisch“, wie Eric das einmal so treffend nannte.
Mit der typischen Handbewegung ließ Julian telekinetisch sieben Kissen herbei rutschen. Schmunzelnd dachte ich daran, dass wir damit im Labor-23 angefangen hatten, da es einfach „magisch“ aussah. Schnell mussten wir aber feststellten, dass es uns so viel leichter fiel, die telekinetische Kraft auf das Ziel zu fokussieren. Denn eigentlich hatte die Hand mit der Telekinese überhaupt nichts zu tun. Telekinese war reine Gedankenkraft und bedurfte keinerlei körperlicher Anstrengung.
Ein leises Räuspern und ein telepathischer „Weckimpuls“ von Julian rissen mich aus meinen Erinnerungen. Alle saßen auf ihren Kissen, die rund um den vier Meter hohen Obelisken verteilt waren und sahen zu mir.
Einige Sekunden sammelte ich mich und sah die Jungs an: »Als wir vorhin mit Benny sprachen und der uns von dem „Ausflug“ berichtete, da schlich sich bei mir eine kleine Idee ein. Sie betrifft eigentlich nur Nico, Kim und Zack. Wir alle wissen ja, dass du, Zack, gewisse Probleme mit der Teleportation hast. Wir wissen auch, dass es nichts mit deiner Kapazität zu tun hat, es ist einfach die Angst.«
Ein unruhiges Pochen machte mir klar, dass dies ein Thema war, über das Zack nicht gerne sprach. Dennoch fixierte ich ihn und zögernd nickte er bejahend.
»Okay, um es kurz zu machen, was würdest du von der Larualisation halten?«
Das Pochen seines Schweifes auf den Boden hörte augenblicklich auf und maßlose Überraschung machte sich in seinem Gesicht breit. Aber auch Kim erging es nicht viel besser.
»Als Ghost kann dir beim Teleportieren nichts geschehen, es sei denn, du gerätst an einen Mutanten wie Marty, aber die Gefahr dürfte nicht so groß sein. Du musst aber in Phase sein, wenn du teleportierst, dann kommst du auch in Phase wieder heraus. Wenn du erst im Ziel in Phase gehst, könnte dich ein Conturbator daran hindern.«
»Eric ist übrigens der Meinung, dass Schallwaffen wie die, die er neulich erbeutet hat, dich oder natürlich auch jeden anderen Ghost daran hindern könnten, sich in Phase zu retten«, ergänzte Julian einen wesentlichen Punkt. Die Schallwaffen gaben uns sehr zu denken und Olaf, unser NeckTech Physiker, grübelte schon einige Zeit an einer Lösung. Im Moment hieß der einzige Schutz – Ausweichen!
Gerald, der bisher nur schweigend zuhörte, rutschte unruhig auf seinem Kissen herum: »Äh, von was redet ihr die ganze Zeit? Ist ja schön zu wissen, was für Vorteile die Larualisation bietet, aber was bringt ihm das?«
Julian lachte und meinte trocken: »Nun, wir sind hier zusammengekommen um Nico, Kim und Zack die Fähigkeit zu geben. Ich dachte das sei klar.« Natürlich war uns bewusst, dass dies für Gerald nicht klar gewesen sein konnte.
Nur um Julians Schockmeldung noch ein wenig zu steigern, ergänzte ich: »Und Nico sollte dann auch gleich die Elektrokinese erhalten, damit er nicht wieder zu Thermaldetonatoren greifen muss.«
Fassungslos sah Gerald uns an und sein Blick sagte einfach nur „seid ihr Irre?“ Doch ihm entging nicht, wie Nico sich freute und Zack grinste. »Ihr könnt …, ihr könnt Fähigkeiten … ich meine … wie?« Fast ein wenig verzweifelt bemühte sich Gerald um Fassung. Wir hatten diese Reaktion schon öfters erlebt, für geborene Mutanten war es meist ein ziemlicher Schock, wenn sie damit konfrontiert wurden, dass ihre Fähigkeiten replizierbar waren.
Viele sahen in ihren Fähigkeiten tatsächlich fast etwas Mystisches. Die Fähigkeiten machten sie zu etwas Besonderem, etwas Außergewöhnlichem. Besonders Mutanten mit seltenen Fähigkeiten reagierten meist sehr empfindlich, wenn sie erfuhren, dass im Prinzip jede Fähigkeit übertragbar war.
»Benny hat dir doch gestern von Janus erzählt? Nun, wir können auch Fähigkeiten von anderen Mutanten replizieren, doch entgegen Janus Überzeugung muss dazu niemand sterben.«
»Na ja, bei Lukas war es doch schon „la petite mort“ – der kleine Tod, als er dir den Ghost machte«, grinste Nico frech.
»Jedenfalls,« fuhr ich fort, ohne auf das unverschämte Feixen von Kim und Zack einzugehen, »können wir unter bestimmten Umständen auch Fähigkeiten weiter geben. Wie das alles zusammenhängt, möchte ich im Moment nicht weiter erörtern, es ist jedenfalls hier und jetzt möglich.«
Während Gerald das der Situation angemessene Erstaunen zeigte, kicherten und feixten die drei um die es ging über Nicos Witz. Grummelnd sah ich zu den feixenden Jungs, die sich noch immer nicht einkriegten: »Wenn ihr nicht gleich Ruhe gebt, wird es nichts!« Befriedigt stellte ich fest: es herrschte augenblicklich Ruhe. – Geht doch!
»Diktator!«, kommentierte Julian grinsend und schüttelte den Kopf: »»Wie war das mit: 'alle sind gleich'?««
»»Manche sind eben gleicher««, kommentierte Tom trocken. Dabei sollte der doch mit Thimo üben und nicht ständig bei uns „herumhängen“.
»»Okay, okay! – Großer Bruder. Ich horche und gehorche««, spottete Tom, zog sich dann aber wirklich zurück.
Gerald kämpfte noch immer mit dem Gehörten. Wir hatten ihn absichtlich ein wenig geschockt, damit ihm klar wurde, dass die typische Telepathen-Geheimniskrämerei manchmal doch begründet war. Denn ihm musste klar sein, dass dies nichts war, was jeder erfahren sollte.
Als wir wenig später mit der Zeremonie begannen, bekam Gerald zum ersten Mal einen Eindruck, wie tief eine telepathische Verbindung sein konnte. Zwar war die Verbindung zu ihm nicht so intensiv, er bekam von uns schließlich keine Fähigkeiten, doch die Flut der PSI-Energie und das Gefühl des Losgelöstseins machten sichtlich Eindruck auf ihn.
Als letzter Punkt der Zeremonie, bündelte sich wieder die PSI-Energie und gleich darauf lag in der Nische hinter Gerald ein fünfeckiger Sunar. – damit war Gerald nun ganz offiziell Mitglied der Bruderschaft.
Etwas verwirrt und reichlich verunsichert stand Gerald da, als Zack ihm den Anhänger überreichte. Doch kaum hatte er ihn sich umgehängt nutzte Zack auch schon die Gelegenheit und sendete fröhlich: »»Willkommen in der Bruderschaft!««
Nicht nur Gerald erstarrte, angesichts der telepathischen Botschaft, für einige Sekunden. Schnell erklärte Nico, natürlich telepathisch, seinem Gerald, was es mit dem „Mehrwert“ des Anhängers auf sich hatte.
Wenige Sekunden später hüpfte Zack mit funkensprühendem Schweif durch das Conventiculum. Neidlos mussten wir anerkennen, dass Geralds und Zacks Show wesentlich eindrucksvoller war, als das, was Gloria zusammen mit Tommy gestern aufgeboten hatte. Andererseits schien dieser Raum einen ungünstigen Einfluss auf Schweifträger zu haben.
Nachdem Zack etwas geknickt und mit anklagenden Blick zu Gerald ging, zischte der leise: »Und du fragst mich noch, ob ich dir vertraue?«
»Klar, wenn du gesagt hättest „hundert prozentig ohne Einschränkung“ dann hätte ich jetzt ein schlechtes Gewissen«, kicherte Zack, sah dann aber etwas bekümmert auf die versengten Haare seiner Schwanzspitze und begann sie zu regenerieren.
Über so viel Dreistigkeit konnte Gerald nur noch den Kopf schütteln während Nico befürchtete, Gerald könnte nun endgültig die Geduld verlieren und sofort die Flucht ergreifen. Doch Julian und ich wussten, dass dies nicht geschehen würde. Uns war klar, dass Zack das Ganze sehr genau kalkuliert hatte, zumindest ab dem Moment, als er erfuhr, wie sehr Gerald die Bruderschaft schätzte. Zack wusste einfach, dass Gerald jetzt nicht mehr gehen würde, schließlich gehörte er nun selbst zur Bruderschaft. Und außerdem, wer schaffte es schon, Zack wirklich böse zu sein?
Ende Teil 2
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